Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*** W*** Grossdruckerei und Verlag Gesellschaft m.b.H. Nfg. KG, Wien 19., Muthgasse 2, vertreten durch Dr. Karl Böck und Dr. Ewald Weiß, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1./ B*** Zeitungs- Verlags- und Vertriebsgesellschaft m.b.H., Wien 19., Muthgasse 56, vertreten durch Dr. Heinz Barazon und Dr. Brigitte Birnbaum, Rechtsanwälte in Wien, 2./ K*** Zeitungsverlag und Druckerei Aktiengesellschaft, Wien 7., Lindengasse 48-52, vertreten durch Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,241.183,- s.A. und Feststellung (Streitwert S 2,000.000,-), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. Juni 1985, GZ. 2 R 107/85-15, womit das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom 14. März 1985, GZ. 19 Cg 57/84-9, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 27.480,90 bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin S 4.800,- Barauslagen und S 2.061,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin und die Zweitbeklagte betreiben Großdruckereien und stehen daher miteinander im Wettbewerb. Die Erstbeklagte ist Verlegerin und Herausgeberin der "Wiener Bezirksjournale".
Die Klägerin beantragt
a) die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihr
S 1,241.183,-- s.A. zu zahlen, und
b) die Feststellung, daß ihr die Beklagten zur ungeteilten Hand für alle Schäden hafteten, die ihr durch die vorzeitige Auflösung des Druckvertrages vom 14. Mai 1980 bis zum Ende der Vertragsdauer (31. Dezember 1988) entstehen.
Obgleich eine vorzeitige Auflösung des zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten schriftlich abgeschlossenen Druckvertrages nur aus ganz bestimmten, hier nicht gegebenen Gründen zulässig gewesen wäre, habe die Erstbeklagte nur noch die jeweiligen Nummern 7/84 der "Wiener Bezirksjournale" im Juni 1984 durch die Klägerin drucken lassen, während sie den Auftrag zum Druck der darauffolgenden Ausgabe Nr. 8/84 bereits vertragswidrig der Zweitbeklagten erteilt hatte. Für die daraus resultierenden Schadenersatzansprüche der Klägerin gegen die Erstbeklagte hafte auch die Zweitbeklagte, weil sie wissentlich an der Vertragsverletzung der Erstbeklagten mitgewirkt habe und der Erstbeklagten behilflich gewesen sei, den Vertrag mit der Klägerin abzuschütteln. Schon im Frühjahr 1983 sei zwischen den Beklagten über einen Ankauf der "Bezirksjournale" durch die Zweitbeklagte verhandelt worden; bei dieser Gelegenheit sei auch im einzelnen über den Druckvertrag zwischen der Erstbeklagten und der Klägerin gesprochen und der Zweitbeklagten eine Kopie dieses Vertrages übergeben worden. Schon damals hätten die Parteien "über Konsequenzen aus einem Bruch des Druckvertrages Überlegungen angestellt". Die Klägerin selbst habe durch ihren Geschäftsführer im Sommer 1984 die Zweitbeklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, daß zwischen ihr und der Erstbeklagten ein langfristiger Druckvertrag bestehe. Als die Zweitbeklagte mit dem Druck der "Bezirksjournale" begonnen habe, sei ihr also der Inhalt des mehrfach genannten Vertrages spätestens seit dem Frühjahr 1983 bekannt gewesen; sie habe somit wissentlich an dem Vertragsbruch der Erstbeklagten mitgewirkt. Im übrigen seien in Wien nur zwei Druckereien - nämlich die Klägerin und die Zweitbeklagte - in der Lage, die "Bezirksjournale" mit ihrer hohen Auflage zu drucken; die Zweitbeklagte habe daher bei der Übernahme des Druckauftrages genau gewußt, daß die Erstbeklagte im Fall einer Ablehnung dieses Auftrages gezwungen wäre, ihre Zeitung weiterhin bei der Klägerin drucken zu lassen.
Beide Beklagten haben das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Die Zweitbeklagte stellt jede Mitwirkung an einer allfälligen Verletzung des zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten abgeschlossenen Druckvertrages in Abrede. Sie habe eine solche Verletzung bestehender rechtlicher Bindungen weder gefördert noch unterstützt und sei der Erstbeklagten bei deren Verhandlungen mit der Klägerin in keiner Weise behilflich gewesen. Von der Auffassung der Klägerin, wonach der Druckvertrag nicht rechtmäßig aufgelöst worden sei, habe sie erst durch die Zustellung der Klage Kenntnis erlangt. Den Auftrag zum Druck der August-Ausgabe 1984 der "Bezirksjournale" habe sie erst angenommen, als ihr die Erstbeklagte im Juli 1984 ausdrücklich versichert habe, der Druckvertrag mit der Klägerin sei einvernehmlich aufgelöst worden. In der Folge sei es dann im November 1984 zum Vertragsabschluß mit der Erstbeklagten gekommen.
In der Verhandlungstagsatzung vom 13. März 1985 (ON 6 S 46) erklärte der Klagevertreter, daß er "ein zusätzliches Vorbringen dafür, daß die Zweitbeklagte für die Klageansprüche hafte, nicht erstatten könne".
Mit Teilurteil vom 14. März 1985 wies das Erstgericht das gegen die Zweitbeklagte gerichtete Klagebegehren ohne weitere Beweisaufnahme aus rechtlichen Erwägungen ab. Ein Ersatzanspruch der Klägerin gegen die Zweitbeklagte bestehe auch dann nicht zu Recht, wenn man von der Richtigkeit des Klagevorbringens ausgehe: Zwar sei das Verleiten eines anderen zum Vertragsbruch nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sittenwidrig. Das gelte aber nicht für das bloße Ausnützen fremden Vertragsbruches, wie es hier behauptet werde; grundsätzlich sei niemand verpflichtet, Verträge einzuhalten, die er nicht selbst geschlossen habe.
Das Berufungsgericht hob dieses Teilurteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück; zugleich sprach es aus, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Das von der Klägerin behauptete Verhalten der Zweitbeklagten begründe zwar keine - in aller Regel sittenwidrige - Verleitung der Erstbeklagten zum Vertragsbruch; nach Lehre und Rechtsprechung könne aber auch das Fördern und das Ausnützen fremden Vertragsbruches im Einzelfall gegen § 1 UWG verstoßen. Nach dem Prozeßvorbringen der Klägerin habe die Zweitbeklagte vom aufrechten Bestehen des Druckvertrages der Erstbeklagten mit der Klägerin Kenntnis gehabt; außerdem sei sie sich der Tatsache bewußt gewesen, daß der Druck der "Bezirksjournale" nur entweder durch sie selbst oder durch die Klägerin erfolgen konnte und demzufolge die Erstbeklagte nur dann unter Bruch ihres Vertrages mit der Klägerin die von ihr verlegten Zeitungen drucken lassen konnte, wenn sie (die Zweitbeklagte) einspringe. Daraus folge aber, daß der Vertragsbruch der Erstbeklagten ohne die Bereitschaft der Zweitbeklagten, den Druck durchzuführen, unmöglich gewesen wäre. Schließe jemand zum eigenen Nutzen und zum Schaden eines Mitbewerbers einen Vertrag mit jemandem, der durch einen Vertrag an diesen Mitbewerber gebunden ist, dann mache er sich, sofern er nur die Tatumstände kenne, zum Komplizen fremden Vertragsbruches. Jede Beihilfe eines Mitbewerbers zum Vertragsbruch gegenüber einem anderen Mitbewerber verstoße gegen den geschäftlichen Anstand, dies auch dann, wenn der vertraglich gebundene Teil zum Vertragsbruch bereits entschlossen war. Eine solche Sittenwidrigkeit könne nur dann nicht angenommen werden, wenn der Vertrag, um dessen Bruch es geht, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ungültig ist. Wie die jedem einzelnen von der Rechtsordnung grundsätzlich eingeräumte Handlungsfreiheit ihre Schranken dort finde, wo Rechte anderer verletzt werden, höre eine Wettbewerbshandlung dort auf, zulässig zu sein, wo in bereits erworbene Rechte eines Mitbewerbers bewußt eingegriffen wird. Verträge eines Unternehmens mit seinem Kunden seien wertvolle Unternehmensbestandteile. Jeder Gewerbetreibende habe das Recht, sich um den Abschluß solcher, insbesondere langfristiger, Verträge zu bemühen. Habe er mit diesem Bestreben Erfolg, dann müsse jeder Mitbewerber den Vertrag respektieren und jeden Versuch aufgeben, den schon an den anderen Unternehmer gebundenen Kunden während der Dauer dieser Bindung doch noch für sich zu gewinnen. Nur dann, wenn der Kunde eines Unternehmers seinen Vertrag schon selbst und ohne Zutun eines Mitbewerbers gebrochen hat, sei es nicht sittenwidrig und wettbewerbsfremd, in diese Lücke, für welche man selbst nicht verantwortlich ist, einzuspringen. Daraus folge, daß die vorliegende Klage nicht als unschlüssig abgetan werden dürfe; das Erstgericht werde vielmehr im fortgesetzten Verfahren Beweise über das beiderseitige Parteienvorbringen aufzunehmen und dann die entsprechenden Feststellungen zu treffen haben.
Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) der Zweitbeklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung "aufzuheben und dahingehend abzuändern", daß der Berufung der Klägerin gegen das Ersturteil nicht Folge gegeben werde.
Die Klägerin beantragt, diesem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, verstößt nicht nur der - in Wettbewerbsabsicht
unternommene - Versuch, den Kunden eines Mitbewerbers zum Bruch seiner vertraglichen Verpflichtungen gegenüber diesem Konkurrenten zu verleiten, gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG, sondern auch das planmäßige Fördern oder Unterstützen einer solchen Verletzung bestehender rechtlicher Bindungen. Daß der andere Teil seinerseits schon zum Vertragsbruch entschlossen war, ist dabei ohne rechtliche Bedeutung; wer, um selbst ins Geschäft zu kommen, dem Kunden eines Mitbewerbers behilflich ist, einen Vertrag mit diesem Konkurrenten abzuschütteln, handelt nur dann nicht sittenwidrig, wenn sich der Vertrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als ungültig darstellt (SZ 33/64 = JBl. 1961, 235 = ÖBl. 1960, 107; ÖBl. 1984, 120 mwN).
Ein solches Verhalten - und nicht etwa nur das bloße Ausnützen der durch einen Vertragsbruch der Erstbeklagten ohne aktive Mitwirkung der Zweitbeklagten bereits geschaffenen rechtlichen Möglichkeiten - macht die Klägerin der Zweitbeklagten hier zum Vorwurf: Nach den Behauptungen der Klage habe die Zweitbeklagte den zwischen der Erstbeklagten und der Klägerin abgeschlossenen, langfristigen Druckvertrag spätestens seit dem Frühjahr 1983 gekannt; sie habe auch gewußt, daß die "Bezirksjournale" nur entweder von der Klägerin oder von ihr selbst gedruckt werden konnten, mit anderen Worten: daß ein Vertragsbruch der Erstbeklagten gegenüber der Klägerin ohne ihre (der Zweitbeklagten) eigene Bereitschaft, den Druckauftrag zu übernehmen und die "Bezirksjournale" künftig in ihrer Druckerei herzustellen, unmöglich gewesen wäre. Bei Zutreffen dieser Behauptungen könnte aber die Übernahme des Druckauftrages der Erstbeklagten durch die Zweitbeklagte nicht mehr als bloßes Ausnützen einer durch fremden Vertragsbruch geschaffenen rechtlichen Möglichkeit angesehen werden; die Zweitbeklagte hätte vielmehr durch ein solches Verhalten die Erstbeklagte überhaupt erst in die Lage versetzt, den Vertrag mit der Klägerin vorzeitig aufzulösen, und sich auf diese Weise - obgleich sie nach den Behauptungen der Klage schon seit mehr als einem Jahr in Kenntnis der rechtswirksamen Bindung der Erstbeklagten war und damit jedenfalls "planmäßig" handelte - an dem Vertragsbruch der Erstbeklagten aktiv und fördernd beteiligt. Für die gegenteilige Auffassung der Zweitbeklagten ist entgegen der Meinung des Rekurses auch aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27. Februar 1985, 4 Ob 387/84 - Grundig-Vertriebsbindung - ÖBl. 1985, 68 nichts zu gewinnen; auch nach dieser Entscheidung begründet das Ausnützen fremden Vertragsbruches durch einen außerhalb des Vertragsverhältnisses stehenden Dritten nur dann keinen Verstoß gegen § 1 UWG, wenn dieser Dritte den Vertragsbruch nicht irgendwie bewußt gefördert oder sonst aktiv dazu beigetragen hat. Eine solche wissentliche Mitwirkung der Zweitbeklagten am Vertragsbruch der Erstbeklagten wird aber, wie bereits ausgeführt, in der Klage ausdrücklich behauptet. Auf die Ausführungen Koziols (Österreichisches Haftpflichtrecht 2 II, 51 f) kann sich die Zweitbeklagte schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil der hier zu beurteilende Druckvertrag zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten - anders als etwa ein Preis- oder Vertriebsbindungsvertrag, ein Veräußerungsverbot oder ein Wettbewerbsverbot - kein (auch) das Verhalten dritter Personen bestimmender "Vertrag mit Fremdbeziehung" ("drittgerichteter Vertrag") ist, sondern vielmehr - ebenso wie etwa ein Kauf-, ein Dienst-, ein Werk- oder ein Bestandvertrag (Koziol aaO) - nur den Vertragspartner zu einer Leistung verpflichtet. Auch der Umstand, daß durch die Respektierung einer fremden Vertragsbindung für die Dauer dieses Zustandes ein Oligopol oder vielleicht sogar eine Monopolstellung geschaffen werden könnte, gibt dem Mitbewerber noch nicht das Recht, in sittenwidriger Weise Kunden seines Konkurrenten zur Mißachtung ihrer vertraglichen Bindungen zu verleiten oder aktiv an einem derartigen Vertragsbruch mitzuwirken.
Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht die Schlüssigkeit des gegen die Zweitbeklagte erhobenen Ersatzbegehrens mit Recht bejaht und demgemäß dem Prozeßgericht erster Instanz aufgetragen, über das beiderseitige Parteienvorbringen Beweise aufzunehmen und auf der Grundlage entsprechender Sachverhaltsfeststellungen eine neuerliche Entscheidung zu fällen. Dem unbegründeten Rekurs der Zweitbeklagten war deshalb ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50, 52 ZPO.
Anmerkung
E09019European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0040OB00381.85.0916.000Dokumentnummer
JJT_19860916_OGH0002_0040OB00381_8500000_000