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E000 EU- Recht allgemein;Norm
32003R0343 Dublin-II;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des F alias M A-S alias O, vertreten durch Mag. Ulrike Neumüller-Keintzel, Rechtsanwältin in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Februar 2005, Zl. 257.159/0-VIII/23/05, betreffend § 5 Abs. 1 AsylG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Syrien, gelangte am 5. Dezember 2004 in das Bundesgebiet und stellte am selben Tag einen Asylantrag.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Jänner 2005 wurde der Asylantrag gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 13 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-Verordnung) die Bundesrepublik Deutschland zuständig sei; weiters wurde der Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 iVm Abs. 4 AsylG in die Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen.
Das Bundesasylamt stellte fest, dass der Beschwerdeführer am 4. Mai 2004 in der Bundesrepublik Deutschland, am 27. August 2004 in Norwegen und am 8. November 2004 in Schweden Asylanträge gestellt habe. Dem an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten "Wiederaufnahmeersuchen" sei mit Schreiben vom 12. Jänner 2005 entsprochen worden; das zuständige deutsche Bundesamt habe einer Übernahme des Beschwerdeführers zugestimmt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes "gemäß § 5 Abs. 1 AsylG" ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
§ 24a Abs. 8 AsylG in der Fassung der AsylG-Novelle 2003 lautet:
"(8) Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringung des Antrages, dass der Asylantrag als unzulässig gemäß der §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, ist der Antrag zugelassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 geführt; Abs. 4 gilt. Die Abweisung des Asylantrages gemäß § 6 oder eine Entscheidung gemäß der §§ 7 oder 10 ersetzt die Entscheidung im Zulassungsverfahren. Satz 1 gilt nicht, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzieht und das Verfahren eingestellt oder als gegenstandslos abgelegt wird."
Diese Bestimmung ordnet in ihrem ersten Satz für die Dauer von Konsultationen nach der Dublin II-Verordnung eine Fortlaufshemmung der genannten zwanzigtägigen Entscheidungsfrist an.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. Mai 2005, Zl. 2005/20/0038 (auf dessen nähere Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird; vgl. auch das Erkenntnis vom 31. Mai 2005, Zl. 2005/20/0095), ausgeführt hat, läuft mit dem Wegfall des im Gesetz formulierten Hinderungsgrundes durch den Abschluss des Konsultationsverfahrens die begonnene Frist weiter. Ist die zwanzigtägige Frist ungenützt verstrichen und der Asylantrag daher kraft Gesetzes "zugelassen", so ist er - unter den Gesichtspunkten der §§ 4, 4a und 5 AsylG - "zulässig" (vgl. die Formulierung des Verfassungsgerichtshofes in Punkt II.1.8. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2004, G 237/03 u.a.). Er darf folglich nicht mehr nach §§ 4, 4a oder 5 AsylG als "unzulässig" zurückgewiesen werden. Dieser Umstand ist von der belangten Behörde in Erledigung einer gegen die rechtswidrige Zurückweisung erhobenen Berufung auch von Amts wegen aufzugreifen.
Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde am 5. Dezember 2004 bei der Erstaufnahmestelle West im Sinne des § 3 Abs. 3 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 eingebracht. Wie dem vorgelegten Verwaltungsakt zu entnehmen ist, stellte das Bundesasylamt am 4. Jänner 2005 an die deutschen Behörden das Ersuchen um Wiederaufnahme des Beschwerdeführers. Mit Schreiben vom 12. Jänner 2005 teilte das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Bundesasylamt mit, dass "Ihrem Wiederaufnahmeersuchen vom 04.01.2005 ... gemäß Art. 16 Abs. 1 c Verordnung (EG) Nr. 343/2003 entsprochen" und der Beschwerdeführer von der Bundesrepublik Deutschland übernommen werde. Der erstinstanzliche Bescheid vom 17. Jänner 2005 wurde am 20. Jänner 2005 durch Zustellung an den Vertreter des Beschwerdeführers erlassen.
Daraus ergibt sich, dass das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen ab Einbringung des Asylantrages über dessen Zulässigkeit nach § 5 AsylG entschieden hat, zumal die genannte Frist schon vor Beginn des Konsultationsverfahrens, das am 4. Jänner 2005 eingeleitet wurde, abgelaufen war. Die Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs gemäß § 5 Abs. 1 AsylG und die - im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich bestätigte - Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 5a Abs. 1 und 4 AsylG war somit nicht mehr rechtmäßig. Vielmehr hätte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid von Amts wegen ersatzlos beheben müssen.
Da sie dies unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. Juli 2005
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren BerufungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005200171.X00Im RIS seit
29.08.2005