TE OGH 1986/9/16 5Ob31/85

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Veröffentlicht am 16.09.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Jensik, Dr.Klinger und Dr.Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***-W***,

vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, wider die beklagte Partei Mag.jur.Helga M***, Rechtsanwaltsanwärterin, Mayerhofgasse 12/16, 1040 Wien, vertreten durch Dr.Donat Mossbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 146.389,42 S s. A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18.Dezember 1984, GZ 11 R 277/84-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 21.August 1984, GZ 25 Cg 264/83-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.920 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist auf Grund des am 10.Februar 1965 verbücherten Kaufvertrages vom 9.Dezember 1964 zu 58/1566 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 5127 KG Leopoldstadt, Haus in der Hartkortstraße 9, womit das Wohnungseigentum an der Wohnung top.Nr. 23 verbunden ist. Mit Bewilligungsbescheid vom 19.Jänner 1965 sicherte die klagende Partei den Eigentümern der Liegenschaft ein Darlehen aus den Mitteln des W***-W*** in der Höhe von 4,636.000 S zu. Mit Endbescheid vom 18.Dezember 1967 wurde das Darlehen endgültig mit 5,072.520 S festgesetzt. Die entsprechenden Schuldscheine wurden am 6.April 1965 und 26.März 1968 unterfertigt. Die Beklagte hat diese Wohnung bis jetzt immer vermietet. Dies wurde der klagenden Partei durch Erhebungen auf Grund eines von der Beklagten gestellten Antrages auf begünstigte Darlehensrückzahlung vom 24.September 1982 bekannt. Die klagende Partei kündigte deshalb mit Schreiben vom 5.Jänner 1983 das Darlehen auf und begehrte die Rückzahlung des aushaftenden Darlehensrestes binnen 3 Monaten. Der mit 1.Jänner 1983 aushaftende Darlehensrest beträgt 146.389,42 S. Die Beklagte hinterlegte den Betrag von 73.194,74 S, der im Fall der begünstigten Darlehensrückzahlung zu leisten gewesen wäre, zu 6 Nc 66/82 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien unter der Bedingung, ihn der klagenden Partei nur auszufolgen, wenn diese die Erklärung abgebe, daß damit die Darlehensschuld zur Gänze getilgt sei.

Die klagende Partei begehrte mit der am 9.August 1983 eingebrachten Klage die Zahlung von zuletzt 146.389,42 S, da sie das Darlehen gemäß § 19 Abs. 2 lit. e WWG wegen Weitervermietung der Wohnung durch die Beklagte aufgekündigt habe.

Die Beklagte wendete ein, die Eigentumsanteile vor Errichtung der Schuldscheine erworben zu haben. In diesen sei ebensowenig wie im Zusicherungsbescheid eine Bedingung enthalten gewesen, daß das Darlehen bei Weitervermietung der Wohnung gekündigt werden könne. Eine solche Bedingung sei auch in der Zustimmungserklärung des W***-W*** zur Begründung von Wohnungseigentum nicht enthalten. Die klagende Partei habe das Darlehen nicht aufkündigen können, weil die Beklagte schon am 28.September 1982 die begünstigte Darlehensrückzahlung beantragt und damit ihrerseits das Darlehen fällig gestellt habe. Durch die gerichtliche Hinterlegung des bei begünstigter Darlehensrückzahlung zu leistenden Betrages sei die Schuld getilgt. Schließlich vertrat die beklagte Partei noch die Auffassung, daß eine rückwirkende Anwendung des § 19 Abs. 2 lit. e WWG auf das vor Erlassung dieser Bestimmung gewährte Darlehen gegen Art. 2 und 5 StGG 1867 verstoße.

Das Erstgericht sprach den Klagebetrag zu. Es stellte über den eingangs dargelegten Sachverhalt hinaus fest, daß die gegenständliche Wohnung nicht von der Wohnungseigentümerin selbst oder von eintrittsberechtigten Personen bewohnt wurde. Sie sei für die Kinder der beklagten Partei gedacht gewesen, die sie später bewohnen sollten. In der Zwischenzeit sei die Wohnung vermietet worden und bis jetzt vermietet. Gerichtsbekanntermaßen werde angenommen, daß es sich hiebei um Mietverträge mit einer maximalen Laufzeit von 5 Jahren gehandelt habe bzw. handle.

Der von der beklagten Partei gestellte Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung des § 19 Abs. 2 lit. e des Wohnhauswiederbaugesetzes BGBl. Nr. 130/1948 in der Fassung BGBl. Nr. 54/1967, wurde mangels Aktivlegitimation zurückgewiesen (G 86/83).

Bei seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß gemäß § 5 Abs. 1 Rückzahlungsbegünstigungsgesetz BGBl. Nr. 336/1971 idF BGBl. Nr. 481/1980 eine vorzeitige begünstigte Rückzahlung nur möglich sei, wenn alle sonstigen, vertragsmäßig festgesetzten Verpflichtungen voll erfüllt seien. Gemäß § 5 Abs. 3 dieses Gesetzes habe der Darlehensgeber vor Gewährung einer begünstigten Rückzahlung zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 erfüllt seien. Diese Voraussetzungen seien jedoch mangels Erfüllung der Bestimmungen des § 19 Abs. 2 lit. e WWG nicht gegeben. Nach dieser Bestimmung in der Fassung BGBl. Nr. 54/1967 habe der W***-W*** das Darlehen unter Setzung einer

1/4-jährlichen Kündigungsfrist zu kündigen, wenn an einer Wohnung Wohnungseigentum begründet wurde und die Wohnung nicht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Wohnungseigentümers, seiner nahen Eintrittsberechtigten oder seines Dienstnehmers regelmäßig verwendet werde. Daß diese Bestimmung im WWG in der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages geltenden Fassung nicht enthalten gewesen sei, sei unbeachtlich, weil das WWG in der Fassung BGBl. Nr. 54/1967 keine Bestimmung enthalte, daß es auf ältere Verträge nicht anzuwenden sei. Zumindestens ab dem Zeitpunkt der Geltung des § 19 Abs. 2 lit. e WWG idF des Art. I P 6, BGBl. Nr. 54/1967 sei jedoch eine neuerliche Vermietung der gegenständlichen Eigentumswohnung unzulässig gewesen und stelle daher die bis jetzt andauernde Vermietung und Nichtbenützung durch die Beklagte einen Verstoß gegen diese Gesetzesbestimmung dar, sodaß die Voraussetzungen für eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens in begünstigter Form nach dem Rückzahlungsbegünstigungsgesetz fehlten. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei gegen dieses Urteil nicht Folge und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Es konnte der Meinung der Beklagten, eine Darlehenskündigung hätte nur erfolgen dürfen, nachdem der Bewilligungsbescheid vom 19.Jänner 1965 und der Endbescheid vom 18.Dezember 1967 widerrufen worden seien, nicht beipflichten. Gemäß § 19 Abs. 1 WWG idF der WWG-Novelle 1967, BGBl. Nr. 54, erwerbe der Bewerber durch den Bescheid, mit dem die Fondshilfe bewilligt werde, einen Anspruch auf Abschluß eines diesem Bundesgesetz entsprechenden Vertrages. Der Bescheid trete mit Abschluß dieses Vertrages außer Kraft. Gemäß § 19 Abs. 2 WWG habe der Fonds, solange ein Vertrag gemäß Abs. 1 nicht abgeschlossen sei, den Bewilligungsbescheid zu widerrufen, anderenfalls das Darlehen unter Beachtung einer 1/4-jährlichen Kündigungsfrist zur Rückzahlung zu kündigen, wenn eine der folgenden Voraussetzungen gegeben sei. Durch die Änderung der Absätze 1 und 2 des § 19 WWG sei zum Ausdruck gebracht worden, daß nach Errichtung des Vertrages das Rechtsverhältnis zwischen dem Fonds als Gläubiger und dem Fondshilfenehmer als Schuldner ausschließlich den Normen des Privatrechtes unterliege (Bericht des Bautenausschusses, 359 BlgNR 11. GP zu Art. I Z 6). Ein Widerruf des mit Abschluß der Darlehensverträge außer Kraft getretenen Bewilligungsbescheides sei daher weder möglich noch zur Darlehenskündigung erforderlich gewesen. Warum ein noch unerledigter Antrag des Darlehensnehmers auf Bewilligung der begünstigten Darlehensrückzahlung der Kündigung des Darlehens seitens des W***-W*** entgegenstehen

sollte, sei überhaupt nicht einzusehen.

Nach einhelliger Ansicht habe der Grundsatz des § 5 ABGB nicht Verfassungsrang und könne der Gesetzgeber die Rückwirkung eines Gesetzes in einem einfachen Gesetz anordnen. § 5 ABGB sei somit bloß eine Auslegungsregel in dem Sinn, daß ein Gesetz im Zweifel nicht zurückwirke. Aus dem § 19 Abs. 3 WWG idF der WWG-Novelle 1967, wonach die Kündigung nach Abs. 2 lit. e und f nicht vor dem 1.Jänner 1968 ausgesprochen werden dürfe, wenn an einer Wohnung (Geschäftsraum) vor dem 1.Feber 1967 Wohnungseigentum begründet worden sei, ergäbe sich aber, daß nach der Absicht des Gesetzgebers die WWG-Novelle 1967 auch auf die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bestehenden Darlehensverträge anzuwenden sei. Daß sich der Gesetzgeber dessen bewußt gewesen sei, ergäbe sich aus dem bereits zitierten Bericht des Bautenausschusses, welcher die schließlich im § 19 Abs. 3 WWG zum Gesetz erhobenen Änderungen der Regierungsvorlage (246 BlgNR 11. GP) mit der Begründung vorgeschlagen hätte, daß sich infolge der Einführung der neuen Kündigungsgründe gemäß § 19 Abs. 2 lit. e und f WWG gewisse Härten im Falle der Aufkündigung der Fondshilfe bei Eigentumswohnungen, welche schon vor Jahren erworben wurden, ergeben würden. Die Bestimmung des § 19 Abs.2 lit. e WWG idF der WWG-Novelle 1967 sei daher auf die vorliegenden Darlehensverträge, die ein Dauerrechtsverhältnis herstellen, anzuwenden, soweit die Wirkungen dieses Dauerrechtsverhältnisses in den Geltungszeitraum des neuen Gesetzes hinüberreichten, wenn auch dieser Kündigungstatbestand im Darlehensvertrag zwischen den Streitteilen nicht vorgesehen gewesen sei (JBl. 1984, 380).

Nach Auffassung des Berufungsgerichtes verstoße diese Bestimmung auch nicht gegen die Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art. 5 StGG 1867 und gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 2 StGG 1867. Nach Art. 5 StGG 1867 sei das Eigentum unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers könne nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimme. Die verfassungsmäßige Verankerung der Unverletzlichkeit des Eigentumsrechtes stehe demnach unter Gesetzesvorbehalt. Unter bestimmten Voraussetzungen könne eine Enteignung erfolgen, sie müsse jedoch gesetzlich geregelt sein (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes 4 360). Es herrsche Übereinstimmung darüber, daß unter Eigentumsrecht nicht nur das dingliche Eigentumsrecht im Sinne des ABGB, sondern jedes vermögenswerte Privatrecht zu verstehen sei. Das Eigentum stelle eine Summe von einzelnen Berechtigungen dar. Eine Enteignung sei auch dann anzunehmen, wenn zwar nicht alle diese Berechtigungen, wohl aber einzelne wesentliche Eigentümerbefugnisse entzogen würden (Walter-Mayer aaO; Ermacora Handbuch 148). Im vorliegenden Falle sei ein auf 75 Jahre zugesichertes Darlehen auf Grund einer gesetzlichen, nach seiner Gewährung erlassenen Bestimmung aufgekündigt worden. In diesem Fall fehle es schon an einem vermögenswerten Recht des Darlehensnehmers. Der Darlehensvertrag erzeuge auf seiten des Darlehensnehmers hauptsächlich eine Verpflichtung. Das Recht, das Darlehen während der bedungenen Laufzeit zu genießen, könne demgegenüber nicht als so bedeutsam angesehen werden, daß seine Einschränkung den Entzug einer wesentlichen Berechtigung darstellen würde und damit einer Enteignung gleichzuhalten wäre. Dabei werde keineswegs übersehen, daß der Barwert des für 75 Jahre zinsenfrei gewährten Darlehens bei Berücksichtigung eines Abzinsungsfaktors wesentlich geringer sei als das aushaftende Kapital. Diese Wertdifferenz beruhe aber auf einer der Beklagten von der öffentlichen Hand gewährten Förderung, somit einer Vorleistung der öffentlichen Hand, welche lediglich wieder rückgängig gemacht werde, nachdem ein späteres Gesetz Tatbestände mangelnder Förderungswürdigkeit festgelegt habe. Damit fehle es aber an der für eine Enteignung wesentlichen Vermögensverschiebung (Adamovich-Funk, Österreichisches Verfassungsrecht 2 351). Es werde auch der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt. Dieser verbiete nach neuerer Auffassung nicht bloß Unterschiede des Geschlechtes, des Standes usw., sondern lasse überhaupt in Gesetzgebung und Verwaltung nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen zu und verbiete Willkür (Walter-Mayer aaO 354). Die Beklagte sehe nun eine unsachliche Differenzierung darin, daß die Darlehenskündigung nur bei Eigentumswohnungen, die nicht vom Eigentümer oder nahen Angehörigen bewohnt werden, zulässig sei, nicht aber bei Wohnungen, die auf Grund einer zwischen den Miteigentümern des Hauses getroffenen Benützungsregelung bewohnt würden. Es sei richtig, daß Leistungen nach dem WWG sowohl zur Wiederherstellung von Bestandobjekten, an denen Wohnungseigentum begründet sei, und solchen, bei denen das nicht der Fall sei, gewährt werden könnten. Wohnungseigentum könne nur an einer selbständigen Wohnung oder sonstigen selbständigen Räumlichkeiten begründet werden (§ 1 Abs. 1 WEG 1975). Für diese Objekte sei typisch, daß sie der Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses des Wohnungseigentümers und seiner Familie oder der geschäftlichen Betätigung des Wohnungseigentümers dienten. Für andere aus Mitteln des W***-W*** errichtete Häuser sei hingegen

typisch, daß ihre Bestandobjekte dem Wohnungsmarkt durch Vermietung zugeführt würden, wobei die mit Fondshilfe errichteten Bestandobjekte den Bestimmungen des Mietengesetzes (nunmehr MRG) unterlägen (§ 15 Abs. 9 WWG), und somit einer spekulativen Verwertung ein Riegel vorgeschoben sei. Der von der Berufungswerberin erwähnte Fall, daß Miteigentümer eines aus Mitteln des W***-W*** wiederhergestellten Hauses die Verteilung der Bestandobjekte untereinander durch Benützungsregelung vereinbarten, sei zweifellos sehr selten. Im übrigen unterlägen auch solche Objekte nach § 15 Abs. 10 WWG den Bestimmungen des Mietengesetzes (nunmehr MRG), jedenfalls aber dessen Kündigungsbeschränkungen und seien dadurch für spekulative Zwecke weitgehend ungeeignet. Die rechtliche Gestaltung des Wohnungseigentums in Verbindung mit der Ausnahme vom gesetzlichen Kündigungsschutz bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 MG (§ 29 Abs. 1 Z 3 lit. b MRG) habe es nun mit sich gebracht, daß eine Person mehrere, zur Befriedigung ihres eigenen Wohnbedürfnisses oder ihrer eigenen geschäftlichen Betätigung nicht benötigte geförderte Eigentumswohnungen erwerben und - wenn auch unter Verstoß gegen § 15 Abs. 11 bis 15 WWG - ohne besonderes Risiko auf eine bestimmte, fünf Jahre nicht übersteigende Zeit gewinnbringend vermieten habe können. Erklärter Zweck der WWG-Novelle 1967 sei es gewesen, einen derartigen Mißbrauch der mit Fondshilfe errichteten Eigentumswohnungen auszuschließen (RV 246 BlgNR 11. GP, zu Z 6). Da zur Hintanhaltung eines solchen Mißbrauches der mit Fondshilfe wiederhergestellten Mietobjekte, an denen kein Wohnungseigentum begründet sei, durch die gesetzlichen Mietzins- und Kündigungsbeschränkungen, aber auch durch die Anbietungspflicht (§ 20 WWG) ausreichend vorgesorgt sei, habe der Gesetzgeber mit der Einschränkung des § 19 Abs. 2 lit. e und f WWG auf Eigentumswohnungen eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung vorgenommen.

Die Annahme des Erstgerichtes, es liege eine Vermietung der Eigentumswohnung auf höchstens fünf Jahre vor, sei zwar nicht zwingend. Die Beklagte habe aber nicht behauptet, daß ihr die Aufkündigung des bei Inkrafttreten der WWG-Novelle 1967 bestehenden Bestandvertrages unmöglich gewesen wäre. Da die Wohnung nicht an einen nahen Angehörigen im Sinne des § 19 Abs. 2 Z 10 MG vermietet sei und die Beklagte nicht wegen nachgewiesener Krankheit, zur Kur oder Unterrichtszwecken oder aus zwingenden beruflichen Gründen abwesend sei, seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Kündigung des Darlehens erfüllt, wobei der Gerichtserlag der Hälfte des aushaftenden Darlehensrestes mangels Bewilligung der begünstigten Rückzahlung keine schuldtilgende Wirkung haben könne. Das Berufungsgericht erklärte die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 2 WWG, soweit er auf bestehende Darlehensverträge anzuwenden sei, noch nicht ausdrücklich Stellung genommen habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Revisionsantrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klageabweisung abzuändern. Des weiteren wird angeregt, ein Normenprüfungsverfahren in Ansehung des § 19 Abs. 2 lit. e WWG beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Die klagende Partei beantragt in erster Linie, die Revision wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen, in eventu der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionsgegnerin begründet ihren Antrag auf Zurückweisung der Revision damit, daß der Zulassung der Revision die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 2 WWG, soweit er auf bestehende Darlehensverträge anzuwenden sei, zugrunde gelegt worden sei. Zur Entscheidung über die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesvorschrift sei der Oberste Gerichtshof aber nicht berufen und deshalb die Zulassungserklärung durch das Berufungsgericht vom Gesetze nicht gedeckt.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der Oberste Gerichtshof (oder ein zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenes Gericht) dann, wenn er gegen die Verfassungsmäßigkeit des im konkreten Fall anzuwendenden Gesetzes Bedenken hat, den Antrag auf Aufhebung dieses Gesetzes im Normenprüfungsverfahren nach Art. 140 B-VG beim Verfassungsgerichtshof zu stellen hat (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 83). Da sohin die Antragstellung wegen Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens nicht in das Ermessen des Obersten Gerichtshofes gestellt ist, hängt die Entscheidung, die auf der Grundlage des § 19 Abs. 2 lit. e WWG BGBl. Nr. 130/1948 idF BGBl. Nr. 54/1967 zu fällen ist, von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes ab, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, zumal eine diesbezügliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt, worauf das Berufungsgericht mit Recht hingewiesen hat. In der Sache selbst kommt der Auslegung des § 19 WWG in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das Fondshilfeansuchen maßgeblichen Fassung der WWG-Novelle 1967, BGBl. Nr. 54, die entscheidende Bedeutung zu. Die Revisionswerberin rollt in ihrer Revision die im wesentlichen bereits im Berufungsverfahren aufgeworfenen Fragen, zu denen das Berufungsgericht in erschöpfender und überzeugender Weise Stellung genommen hat, neuerlich auf. Hier geht es zunächst um die Auffassung der Revisionswerberin, es sei ein Widerruf des Darlehens-Bewilligungsbescheides als Voraussetzung für die Aufkündigung des Darlehens erforderlich gewesen. Nun bringt aber § 19 Abs. 2 WWG eindeutig zum Ausdruck, daß ein Widerruf des Bewilligungsbescheides nur so lange in Betracht kommt, als noch nicht ein Vertrag über die Bewilligung der Fondshilfe abgeschlossen ist, wobei dann der Bescheid im Sinne des Abs. 1 mit Abschluß dieses Vertrages außer Wirksamkeit tritt. In diesem Fall ist das Darlehen unter Beachtung einer 1/4-jährlichen Kündigungsfrist zur Rückzahlung zu kündigen, wie dies im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen geschehen ist. Dem Hinweis auf die in den Schuldscheinformularen von 1965 und auch noch 1968 in § 4 Abs. 2 enthaltene Bestimmung, wonach dem Fonds das Recht der Darlehensaufkündigung zusteht, wenn die Darlehensbewilligung widerrufen wurde, ist dahin zu entgegnen, daß § 19 Abs. 2 WWG als zwingende Bestimmung dem Fonds die Verpflichtung auferlegt, unter den Voraussetzungen der in lit. a bis f angeführten Tatbestände das Darlehen zur Rückzahlung aufzukündigen. Wenn die Revisionswerberin vermeint, es sei zwar im § 19 Abs. 2 WWG ebensowenig wie im zweiten Absatz des § 4 der beiden Schuldscheine vom 6.April 1965 und 26.März 1968 expressis verbis bestimmt, daß der Widerruf des Bewilligungsbescheides durch einen Bescheid erfolgen müsse, es folge dies aber schlüssig aus dem Zusammenhang des ersten und zweiten Absatzes des § 19 WWG, weil ein rechtskräftiger Bescheid nur durch einen Bescheid widerrufen werden könne, übergeht sie den Wortlaut des § 19 Abs. 1 WWG, wonach der Bewilligungsbescheid mit Abschluß des Darlehensvertrages außer Wirksamkeit tritt. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein noch unerledigter Antrag des Darlehensnehmers auf Bewilligung der begünstigten vorzeitigen Darlehensrückzahlung einer Darlehenskündigung des Darlehensgebers entgegenstehen kann, ist davon auszugehen, daß der Bestimmung des § 19 Abs. 2 lit. e WWG der Gedanke zugrundeliegt, die Darlehensbegünstigungen nach diesem Gesetz jenen Darlehensnehmern zu entziehen, die Wohnungseigentum erworben haben, aber die Eigentumswohnung nicht zur Befriedigung "eigenen" Wohnbedarfs verwenden (EvBl. 1978/78). Das Rückzahlungsbegünstigungsgesetz BGBl. Nr. 336/1971 idF der Novellen BGBl. Nr. 448/1974, Nr. 393/1977 und Nr. 481/1980 sieht keine Kündigung des Darlehens durch den Darlehensnehmer unter Inanspruchnahme günstiger Bedingungen vor, sondern räumt den Darlehensgebern, u.a. der klagenden Partei, die Möglichkeit ein, über Begehren eines Darlehensnehmers für die Entrichtung von noch nicht fälligen Leistungen dieses Darlehens Begünstigungen zu gewähren. Da das Ansuchen der beklagten Partei nach ihrem eigenen Vorbringen bis heute nicht bescheidmäßig erledigt worden ist, hat das Berufungsgericht zutreffend ihre diesbezügliche Einwendung für nicht stichhältig befunden.

Den Großteil ihrer Ausführungen widmet die Revision ihrer Anregung auf Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf behauptete Verstöße gegen Art. 2 und 5 StGG 1867. Auch hier ist den eingehenden und wohlfundierten Ausführungen des Berufungsgerichtes im wesentlichen beizupflichten. Es kann allerdings dahingestellt bleiben, ob hier eine Enteignung durch Vermögensverschiebung im Sinne des Entzuges oder einer Belastung des Eigentums und seiner Übertragung oder der Einräumung von Rechten an Dritte überhaupt vorliegt (Sammlung 6390/1971; 8212/1977). § 19 Abs. 2 lit. e WWG stellt jedenfalls eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Rechtsbeziehung zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer dar, bei der für den Fall eines bestimmten mißbräuchlichen Verhaltens bei der Benützung des geförderten Objektes eine vorzeitige Aufkündigung des Förderungsdarlehens zur Rückzahlung vorgesehen wird. Die von der Revisionswerberin vorgebrachten Argumente in der Richtung, daß die Einführung des § 19 Abs. 2 lit. e WWG idF der Novelle BGBl. Nr. 54/1967 nicht im öffentlichen Interesse, sondern ausschließlich aus parteipolitischen Erwägungen der damaligen Mehrheitspartei erfolgt sein soll, sind nicht zielführend, weil die Revisionsgegnerin mit Recht darauf hinweisen kann, daß die Zweckmäßigkeit der Verwendung von Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln errichtet oder wiederhergestellt wurden, im Interesse der Öffentlichkeit gelegen ist und daher vom Gesetzgeber Vorsorge dafür zu treffen war, die widmungsgemäße Verwendung der wiederhergestellten Baulichkeiten und damit der eingesetzten öffentlichen Mittel sicherzustellen.

Auch die Ausführungen hinsichtlich einer anzunehmenden Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch § 19 Abs. 2 lit. e WWG können nicht überzeugen. Es trifft zwar zu, daß die durch das Mietrechtsänderungsgesetz BGBl. Nr. 281/1967 für Mietverträge bis zur Höchstdauer von 5 Jahren über Wohnungen, an denen Wohnungseigentum begründet wurde, geschaffene Ausnahme von den Kündigungsschutzbestimmungen des § 19 MG erst ab 1.Jänner 1968 in Kraft getreten ist, während die Einführung des § 19 Abs. 2 lit. e WWG durch die WWG-Novelle BGBl. Nr. 54/1967 bereits am 16.Feber 1967 wirksam wurde. Das Erstgericht hat aber mit Recht auf den inhaltlichen Zusammenhang dieser Gesetzesbestimmungen hingewiesen, weil es nach den Gesetzesmaterialien erklärter Zweck der WWG-Novelle 1967 war, einen Mißbrauch aus einer kündigungsrisikolosen, aber gewinnbringenden Vermietung von Wohnungen, die nicht der Befriedigung des eigenen Wohnungsbedürfnisses der Eigentümer der mit Fondshilfe errichteten Eigentumswohnungen dienen, auszuschließen. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht auf den Umstand hingewiesen, daß zur Hintanhaltung solcher Mißbräuche der mit Fondshilfe wiederhergestellten Mietobjekte, an denen kein Wohnungseigentum begründet ist, durch die gesetzlichen Mietzins- und Kündigungsbeschränkungen und durch die Anbietungspflicht des § 20 WWG vorgesorgt ist und sohin hinsichtlich der Einschränkung des § 19 Abs. 2 lit. e und f WWG auf Eigentumswohnungen eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung vorliege. Die von der Revisionswerberin zur Begründung ihrer entgegenstehenden Auffassung aufgezeigten Fallbeispiele vermögen an der grundsätzlichen Richtigkeit der vom Berufungsgericht dargelegten rechtlichen Beurteilung nichts zu verändern.

Der Revision muß sohin ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E09196

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00031.85.0916.000

Dokumentnummer

JJT_19860916_OGH0002_0050OB00031_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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