Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes
Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Weitzenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Christa E*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. Jänner 1982, GZ 2 b Vr 2794/78-84, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christa E*** des Verbrechens der Verunteuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie in Wien im Zeitraum vom 1. April 1972 bis zum 12. Dezember 1977 wiederholt ein ihr anvertrautes Gut in einem 100.000 S übersteigenden Wert, nämlich für ihren Dienstgeber, den V*** A*** V*** Ö*** (V***) zur Verrechnung mit den Österreichischen Bundesbahnen kassierte Bargeldbeträge sowie Vereinsgelder in der Gesamthöhe von mindestens 7,053.381,82 S, sich mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet, indem sie das Geld nicht mit den Bundesbahnen verrechnete oder es sonst widmungswidrig verrechnete, sondern es für eigene Zwecke verwendete. Von der weiters wider sie erhobenen Anklage, darüber hinaus weitere 664.138,15 S zum Nachteil ihres Dienstgebers veruntreut zu haben, wurde Christa E*** hingegen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Während der Freispruch in Rechtskraft erwachsen ist, bekämpft die Angeklagte den gegen sie ergangenen Schuldspruch mit einer auf die Z 1, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch teils offenbar unbegründet, teils nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist.
Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund reklamiert die Beschwerdeführerin deshalb, weil ihrer Meinung nach der Vorsitzende des Schöffengerichtes, Richter Dr. Heinrich G***, als Mitglied des Ö*** A*** in dieser Sache als Richter gemäß § 67 StPO, aber auch gemäß § 68 Abs 1 Z 3 StPO ausgeschlossen sei; da der V*** A*** V*** Ö*** der Dachverband der
einzelnen Alpenvereine sei, zu dessen Aufgaben es (unter anderem) gehöre, bestimmte Geldbeträge aus dem Sporttoto an die einzelnen Vereine zu verteilen, die sodann den Vereinsmitgliedern zugute kommen, sei jedes Mitglied eines solchen Vereines, demnach auch Dr. G***, durch die der Angeklagten angelasteten "Unterschlagungen" geschädigt; überdies habe Dr. G*** als Alpenvereinsmitglied durch die Verurteilung der Angeklagten und die damit verbundene Ersatzpflicht gegenüber dem V*** sowie letztlich gegenüber jedem einzelnen Mitglied der dem Dachverband angehörenden Vereine einen Nutzen zu erwarten. Die Angeklagte habe die Ausgeschlossenheit Dris. G*** sogleich in der Hauptverhandling am 15. Dezember 1981, unmittelbar nachdem Dr. G*** seine Mitgliedschaft zum Alpenverein bekanntgegeben habe, geltend gemacht. Richtig ist, da die Angeklagte (durch ihren Verteidiger) zu Beginn der Hauptverhandlung am 15. Dezember 1981 geltend machte, daß der Vorsitzende Dr. G*** im Hinblick auf seine Mitgliedschaft beim Ö*** A*** in dieser Sache als Richter
ausgeschlossen sei (S 347/Bd II; wiederholt in der Hauptverhandlung vom 25. Jänner 1982, S 49/Bd III), ohne daß sich allerdings aus dem Hauptverhandlungsprotokoll (ON 70 S 347 ff/Bd II) eine Erklärung des Genannten über seine Mitgliedschaft bei dem bezeichneten alpinen Verein ergibt. Aus den (auf Grund des Beschwerdevorbringens) hiezu vom Obersten Gerichtshof (nach Vorlage der Akten zur Rechtsmittelentscheidung am 22. Oktober 1985) gemäß § 285 f StPO veranlaßten Erhebungen (in Verbindung mit dem den Antrag der Angeklagten auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls abweisenden erstgerichtlichen Beschluß vom 27. Juni 1986, ON 104) geht hervor, daß Dr. G*** zwar nicht in der Hauptverhandlung am 15. Dezember 1981, aber unmittelbar zuvor in einem Gespräch mit dem Verteidiger diesem von seiner Alpenvereinsmitgliedschaft Mitteilung gemacht hat, worauf der Verteidiger sogleich nach Beginn der Hauptverhandlung die Ausgeschlossenheit des Genannten geltend machte. Bei der gegebenen Sachlage liegt indes eine Ausgeschlossenheit des genannten Richters weder nach § 67 StPO noch nach § 68 Abs 1 Z 3 StPO vor. Sowohl der V*** A*** V*** Ö*** als
auch der Ö*** A*** ist - als Verein gemäß dem VereinsG 1951 - eine juristische Person mit einem eigenen Vermögen, an welchem die einzelnen Vereinsmitglieder keinen unmittelbaren Anteil haben und in bezug auf welches sie weder (unmittelbar) berechtigt sein noch (unmittelbar) verpflichtet werden können. Dem Vereinsvermögen zugefügte Schäden treffen demnach ausschließlich den betreffenden Verein, nicht aber (unmittelbar) das Vermögen der einzelnen Vereinsmitglieder; letzteres wird hievon in keiner Weise direkt berührt. Somit kann aber keine Rede davon sein, daß Dr. G*** (als einfaches Mitglied - vgl. ON 105/Bd III - des Ö*** A*** als einem der im Dachverband V*** zusammengeschlossenen alpinen Vereine) selbst durch die der Angeklagten angelastete strafbare Handlung verletzt worden ist. Der Ausschließungsgrund des § 67 StPO liegt demnach nicht vor. Ebensowenig ist aber eine Ausgeschlossenheit des Genannten gemäß § 68 Abs 1 Z 3 StPO gegeben, weil nach dem Gesagten ein einfaches Mitglied eines der dem V*** angeschlossenen alpinen Vereine aus dem Freispruch oder aus der Verurteilung der Angeklagten wegen der ihr zur Last gelegten Schädigung des Vermögens des V*** keinen unmittelbaren Nutzen oder Schaden zu erwarten hat, hievon vielmehr in keiner Weise (unmittelbar) berührt wird (vgl. auch 12 Os 119/75). Die Rüge aus der Z 1 des § 281 Abs 1 StPO versagt daher. Soweit die Angeklagte im gegebenen Zusammenhang auch den Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO reklamiert, weil das Gericht über den "Ablehnungsantrag" (gemeint: die geltend gemachten Ausschließungsgründe; s. hiezu die ausdrückliche Erklärung des Verteidigers in der Hauptverhandlung am 15. Dezember 1981, nicht eine Befangenheit, sondern die Ausgeschlossenheit des Vorsitzenden geltend zu machen - S 347/Bd II) nicht erkannt habe, so fehlt es ihr insoweit an der Beschwerdelegitimation, weil immer dann, wenn das Gesetz in Ansehung eines bestimmten Umstands einen speziellen Nichtigkeitsgrund normiert (hier: Z 1 des § 281 Abs 1 StPO), derselbe Umstand nicht auch noch aus dem allgemeinen Gesichtspunkt der Z 4 der zitierten Gesetzesstelle releviert werden kann (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 14 zu § 281 Z 4).
Aus der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO behauptet die Beschwerde eine offenbar unzureichende, unvollständige, zum Teil mit sich in Widerspruch stehende und aktenwidrige Begründung des Urteils in Ansehung des Ausspruchs, wonach die Angeklagte (über den von ihr vor Gericht als veruntreut eingestandenen Betrag von etwa 2,5 Mio. bis maximal 3,5 Mio. S hinaus) insgesamt rund 7 Mio. S veruntreut habe. Das Schwergewicht der Argumentation liegt dabei auf dem Einwand, daß das Gericht die bekämpfte Feststellung lediglich aus Schlußfolgerungen ableite, die nicht zwingend seien, zumal auch andere Personen im Gelegenheitsverhältnis standen und die vom Erstgericht gegen die Angeklagte ins Treffen geführten Indizien unzureichend und unvollständig, weil nicht alle Beweisergebnisse berücksichtigend, begründet seien; im Zweifel hätte das Gericht den Schaden - zugunsten der Angeklagten - lediglich mit 2,5 Mio. S annehmen müssen, wodurch aber im Hinblick auf die Schadensgutmachung tätige Reue nicht ausgeschlossen wäre.
Den bezüglichen Beschwerdeausführungen ist zunächst global zu entgegnen, daß die von den Tatrichtern auf Grund ihrer Würdigung der aufgenommenen Beweise sowohl im einzelnen als auch in ihrem inneren Zusammenhang (§ 258 Abs 2 StPO) gezogenen Schlußfolgerungen, auf welche sich ihre Überzeugung von der Schuld der Angeklagten gründet, keineswegs zwingend sein müssen; sie dürfen nur nicht den Denkgesetzen widersprechen (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 20 ff zu § 258). Daß die vorliegend vom Gericht gezogenen Schlußfolgerungen aber denkgesetzwidrig wären, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen; sie bekämpft mit ihren Einwänden vielmehr in weitgehendem Maße bloß die erstrichterliche Beweiswürdigung, worauf im schöffengerichtlichen Verfahren nicht einzugehen ist. Aus welchen Erwägungen der Schöffensenat zur Überzeugung gelangt ist, daß die Angeklagte den gesamten ihr schuldspruchmäßig angelasteten Betrag zur Last der V*** veruntreut hat (sodaß sie nur wegen rund 660.000 S freizusprechen war), wurde in den Gründen des angefochtenen Urteils umfassend dargelegt und einleuchtend sowie im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung begründet. Dabei war das Gericht aber nicht verpflichtet, in den Urteilsgründen alle Umstände, die das Beweisverfahren ergeben hat, detailliert und bis in jede Einzelheit anzuführen und sich dabei mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde dann konkret erhobenen Einwand im voraus auseinanderzusetzen; sind doch die Urteilsgründe gemäß der Vorschrift des § 270 Abs 2 Z 5 StPO in gedrängter Darstellung abzufassen, wobei es nur erforderlich ist, daß darin mit voller Bestimmtheit angegeben ist, welche Tatsachen und aus welchen Gründen das Gericht sie als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 104 ff zu § 270). Diesem Erfordernis hat das Schöffengericht aber in jeder Beziehung entsprochen.
Soweit nach dem Gesagten auf einzelne Beschwerdeeinwände noch gesondert einzugehen ist, ist der Beschwerdeführerin folgendes zu erwidern:
Daß das Gericht an einer Stelle der Urteilsgründe Mehrmeldungen (schon) für das Jahr 1976 (und nicht nur für das Jahr 1977) annimmt, wiewohl im ersten Sachverständigengutachten Dris. G*** (ON 19/S 205 ff) lediglich Mehrmeldungen für 1977 ersichtlich sind, betrifft - liest man die Entscheidungsgründe in ihrem Zusammenhang - keine für die Schuldfrage entscheidende Tatsache, hat doch das Gericht im folgenden aus (etwaigen) Mehrmeldungen (schon) 1976 keine relevanten Schlüsse gezogen. Die von der Beschwerde gerügten Unklarheiten in S 18 des Urteils (insbesondere in Ansehung der ermittelten Schadenssumme aus dem Abgang von Schnellzugszuschlagkarten) haften zwar - worin die Beschwerde recht hat - der Urteilsabschrift, nicht aber der Urteilsausfertigung (= Urteilsurschrift) an (S 103/Bd III), welch letztere aber maßgebend ist (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 8 zu § 270); diese ist im bezüglichen Belang durchaus klar und schlüssig.
Mit der im Zusammenhang mit der Einzahlung von 410.000 S und von 300.000 S relevanten Aussage des Zeugen Karl F*** hat sich das Erstgericht ebenso eingehend auseinandergesetzt (S 135 ff/Bd III) wie mit der Frage der Deckungsmanipulationen der Angeklagten (S 105 sowie 141 f/Bd III), ohne daß die Beschwerde insoweit einen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO darzutun vermag, insbesondere auch nicht in Form einer dem Urteil anhaftenden (relevanten) Unvollständigkeit.
Keiner gesonderten Erörterung in den Urteilsgründen bedurfte der Hinweis des Buchsachverständigen Dr. G***, wonach es auch schon vor 1972 zu Manipulationen gekommen sein könnte (S 229/Bd I), ergibt sich doch aus demselben Gutachten, daß die Jahre 1968 bis 1971 mangels Vorliegens entsprechender Unterlagen nicht geprüft werden konnten (S 225/Bd I), sodaß es sich bei der in Rede stehenden Äußerung des Sachverständigen lediglich um eine (im gegebenen Zusammenhang nicht erörterungsbedürftige) Vermutung handelt. Unter dem bereits eingangs herausgestellten Gesichtspunkt der gedrängten Abfassung der Urteilsgründe vermag die Beschwerde keine (relevante) Unvollständigkeit bei der Würdigung der Aussagen der Zeugen B***, Dr. H***, L***, F***, SIX, Z*** und
K*** aufzuzeigen, mit welchen sich das Gericht, soweit es für die Lösung der Schuldfrage entscheidende Umstände betrifft, ausführlich auseinandergesetzt hat (S 159 ff, insb. aber auch S 163 ff/Bd III), was im besonderen auch für die Frage zutrifft, welche Schlüssel zum Tresor bzw. zum Safefach im Tresor vorhanden waren. Daß für die Doppelsperre an der Tresortüre je zwei Paar Schlüssel vorhanden waren, während für das Safefach nur ein einziger Schlüssel zur Verfügung stand (S 163/Bd III), findet in der eigenen Darstellung der Angeklagten Deckung (vgl. S 25, 26/Bd II). Der Einwand, es sei nicht anzunehmen, daß für das Safefach kein zweiter Schlüssel vorhanden gewesen sei, wenn die Erzeugerfirma "für den Panzerschrank" zwei Schlüsselsätze geliefert habe, basiert auf einer Hypothese, die durch konkrete Verfahrensergebnisse nicht gedeckt ist, jedenfalls aber die (gegenteilige) Annahme des Erstgerichtes nicht ausschließt.
Soweit die Beschwerde Divergenzen in den Bekundungen der Zeuginnen K*** und Z*** reklamiert, die unerörtert geblieben seien, so übergeht sie jenen Teil der Urteilsgründe, in dem die Aussagen dieser Zeuginnen eingehend erörtert werden (S 165, 167/Bd III).
Ob einige Angestellte des V*** angesichts des aufwendigen Lebenswandels der Angeklagten auf den Gedanken kommen mußten, die Angeklagte könnte ihr anvertraute Gelder zu Lasten des V*** veruntreuen, sodaß eine Überprüfung ihrer Gebarung angezeigt gewesen wäre, ist für die Lösung der Schuldfrage ohne Belang; einer Erörterung dieses Arguments in den Urteilsgründen bedurfte es daher - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - nicht. Das Urteil setzt sich schließlich - abermals entgegen der Auffassung der Beschwerde - eingehend mit den näheren Umständen auseinander, unter welchen es dazu gekommen ist, daß die Angeklagte vor den Organen des V*** die Veruntreuung des gesamten Fehlbetrages eingestanden hat (S 171 ff/Bd III), wobei all das, was die Beschwerde als wesentlich hervorkehrt, ohnedies von den Tatrichtern in den Kreis ihrer Überlegungen einbezogen worden ist. Auch die Mängelrüge ist daher offenbar unbegründet, zum Teil - weil lediglich die Beweiswürdigung bekämpfend - aber nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war darum gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO bzw. §§ 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten wird ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anberaumt werden (§ 296 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E09692European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00107.86.0917.000Dokumentnummer
JJT_19860917_OGH0002_0090OS00107_8600000_000