TE OGH 1986/9/17 3Ob47/86

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Veröffentlicht am 17.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma Ing. P*** Baugesellschaft m.b.H. & Co. KG, 1130 Wien, Klitschgasse 2, vertreten durch Dr. Peter Schulyok, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*** G***,

1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Dr. Robert Amhof, Dr. Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution zur Hereinbringung von restlich 296.884,25 S s.A. infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 29.November 1985, GZ 46 R 916/85-15, womit das Urteil des Exekutionsgerichtes Wien vom 27. Juni 1985, GZ 8 C 19/84-10, als nichtig aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 11.158,65 S bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 927,15 S Umsatzsteuer und 960 S Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 19.6.1984, 8 E 8430/84, wurde zugunsten der beklagten Partei zur Hereinbringung ihrer Forderung an Versicherungsbeiträgen von 573.069,88 S samt Verzugszinsen von 6.269,01 S und Kosten von 2.896,69 S, zusammen 582.235,58 S, wider die klagende Partei die Fahrnisexekution bewilligt. Ein Vollzugsversuch am 28.8.1984 scheiterte mangels vorgefundener pfändbarer Gegenstände.

Mit einer am 6.9.1984 erhobenen Klage begehrte die klagende Partei die Erlassung des Urteils, daß diese Exekution unzulässig sei. Die klagende Partei machte geltend, daß über ihr Vermögen mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 23.3.1984 zu Sa 26/84 das Ausgleichsverfahren eröffnet worden sei. Über ihren Antrag sei die klagende Partei vom Ausgleichsgericht ermächtigt worden, gemäß § 20 b und 20 c Abs.2 AO sämtliche bestehenden Dienstverhältnisse zu lösen. Die klagende Partei habe von dieser Ermächtigung noch vor der für den 9.5.1984 anberaumten Ausgleichstagsatzung Gebrauch gemacht und sämtliche Dienstverhältnisse aufgekündigt. Die offenen Dienstnehmeransprüche seien daher gemäß § 23 Abs.1 Z 3 AO Ausgleichsforderungen, welches Schicksal gemäß § 23 Abs.1 Z 2 letzter Satz AO auch den Forderungen der beklagten Partei zukomme. Die betriebene Forderung sei daher nicht bevorrechtet und die von der beklagten Partei beantragte Exekutionsbewilligung sei wegen der Exekutionssperre im Sinne des § 10 Abs.1 AO unzulässig. Mit Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 2.7.1985 wurde die eingangs angeführte Exekution über einen am 16.11.1984 eingelangten Antrag der beklagten Partei (dort betreibende Partei) auf die Dienstgeberanteile der Sozialversicherungsbeiträge von 296.884,25 S s. A. eingeschränkt.

Im vorliegenden Rechtsstreit trug die klagende Partei dieser Einschränkung des Exekutionsverfahrens dadurch Rechnung, daß die Klage auf denselben Betrag eingeschränkt wurde (Klagseinschränkung S 15 d.A.).

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das tatsächliche Vorbringen der klagenden Partei wurde von der beklagten Partei als richtig zugestanden und außer Streit gestellt. Die beklagte Partei vertrat jedoch die Auffassung, daß der Standpunkt der klagenden Partei nur für die Dienstnehmeranteile, nicht für die Dienstgeberanteile zutreffe. Hinsichtlich dieser noch betriebenen Sozialversicherungsbeiträge sei nämlich der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens verwirklicht worden. Soweit es auf die Einordnung der Arbeitnehmerforderung ankomme, könne eine solche Bindung nur hinsichtlich der Dienstnehmeranteile Platz greifen. Das Erstgericht wies die Klage ab.

Es war kurz zusammengefaßt der Ansicht, daß nur die Dienstnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge wie Entgeltansprüche zu behandeln seien und nach der neuen Rechtslage als Konkurs- bzw. Ausgleichsforderung, nicht aber als Masseforderung zu gelten hätten. Die Dienstgeberanteile seien hingegen als Masseforderung zu behandeln, weil es hier nur darauf ankomme, daß der die Beitragspflicht auslösende Sachverhalt erst nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens verwirklicht worden sei. Auf Grund dieser Rechtsmeinung liege ein "Klagsgrund gemäß §§ 35, 36 EO" nicht vor.

Aus Anlaß einer von der klagenden Partei erhobenen Berufung hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und der Rekurs zulässig sei.

Das Berufungsgericht begründete diese Entscheidung damit, daß die klagende Partei ihr Klagebegehren ausschließlich aus § 10 AO ableite. Damit würden weder Einwendungen gegen den betriebenen Anspruch nach § 35 EO erhoben, noch die für die Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit des Anspruches maßgeblichen Tatsachen im Sinne des § 36 Abs.1 Z 1 EO bestritten oder ein Tatbestand im Sinne des § 36 Abs.1 Z 3 EO geltend gemacht. Für den allein behaupteten Sachverhalt stehe keine exekutionsrechtliche Klage offen, sondern es könne - abgesehen von der Erhebung eines Rekurses - nur ein im Rahmen des Exekutionsverfahrens selbst zu erledigender Einstellungsantrag gestellt werden. Der auf § 10 AO gestützte Anspruch gehöre daher nicht auf den streitigen Rechtsweg. Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, ihn dahin "abzuändern", daß die Sache mit dem Auftrag, in der Sache selbst zu entscheiden, an das Berufungsgericht zurückverwiesen werde.

Die klagende Partei vertritt die Auffassung, daß ihr auch der streitige Rechtsweg offenstehe. Ihre rechtlich nicht näher eingeordnete Klage könne z.B. auch dahin qualifiziert werden, daß auch die Dienstgeberanteile zur Sozialversicherung der Quotenkürzung unterlägen, so daß der Anspruch der beklagten Partei im Sinne des § 35 EO im Ausmaß des Forderungsnachlasses aufgehoben oder zumindest für die Dauer des Ausgleichsverfahrens gehemmt sei. Wegen der gesetzlichen Exekutionssperre gemäß § 10 Abs.1 AO sei aber im Sinne des § 36 Abs.1 Z 1 EO auch die Vollstreckbarkeit zumindest für die Dauer des Ausgleichsverfahrens gehemmt. Und selbst wenn keiner der Fälle der §§ 35, 36 EO gegeben sei, liege zumindest ein allgemeines Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung der Unzulässigkeit der Exekution vor.

Die beklagte Partei erstattete eine Rekursbeantwortung und beantragte, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig. § 528 Abs.2 ZPO bezieht sich nämlich nur auf Rekurse gegen eine Entscheidung des Rekursgerichtes, nicht auf Entscheidungen des Berufungsgerichtes, auf welche die Sondernorm des § 519 ZPO anzuwenden ist. Da die Voraussetzungen des § 528 Abs.1 Z 5 ZPO, die für alle Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz gilt, gleichgültig ob eine Entscheidung eines Rekursgerichtes oder eines Berufungsgerichtes vorliegt, nicht gegeben sind, ist daher gemäß § 519 Abs.1 Z 2 ZPO ein Rekurs gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes nicht nur als sogenannter Grundsatzrekurs, sondern als sogenannter Vollrekurs zulässig.

Dem Rekurs kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Die Auffassung des Berufungsgerichtes entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß der Tatbestand einer Exekutionssperre nach § 10 Abs.1 KO oder § 10 Abs.1 AO nur durch einen Einstellungsantrag nach § 39 Abs.1 Z 2 EO, aber nicht durch die Einbringung einer Klage, geltend gemacht werden kann (EvBl.1973/183 = SZ 46/42, 3 Ob 55/77, EvBl.1980/209, ebenso Heller-Berger-Stix 503). Über Einstellungsanträge nach § 39 Abs.1 Z 2 EO ist aber nicht im streitigen Rechtsweg, sondern im Zuge des Exekutionsverfahrens selbst zu entscheiden.

Den Argumenten der klagenden Partei in ihrem Rekurs kann in diesem Zusammenhang nicht beigepflichtet werden. Sicher trifft es zu, daß es des öfteren eine Konkurrenz von Rechtsbehelfen gibt. Statt der Klage nach § 35 EO steht z.B. auch der Einstellungsantrag nach § 40 EO offen. Aber eine solche Konkurrenz kommt nur dann in Frage, wenn im Gesetz überhaupt beide Möglichkeiten vorgesehen sind. Das ist aber im Gegensatz zum eben genannten Beispiel beim Einstellungstatbestand des § 39 Abs.1 Z 2 EO gerade nicht der Fall. Daher trifft auch der Hinweis auf das Konkurrenzproblem zwischen Rekurs einerseits und Klage nach § 36 EO andererseits den Kern des vorliegenden Problems nicht. Der Hinweis auf das Neuerungsverbot geht fehl, weil dieses wohl im Rekursverfahren, aber nicht bei Stellung eines Einstellungsantrages nach § 39 Abs.1 Z 2 EO besteht. Grundsätzlich richtig sind auch die Ausführungen der klagenden Partei über die Entbehrlichkeit einer rechtlichen Qualifizierung des Klagevorbringens. Damit ist aber für die klagende Partei nichts zu gewinnen. Auf die Quotenkürzung hat sich die klagende Partei in erster Instanz nicht berufen und diese könnte erst nach Bestätigung des Ausgleiches zu einer teilweisen Aufhebung der betriebenen Forderung führen, was dann, aber eben erst dann, durchaus mit einer Klage nach § 35 EO geltend gemacht werden könnte. Mit einer Exekutionsstundung oder Exekutionshemmung hat die Exekutionssperre nach § 10 Abs.1 AO nichts zu tun. Sie berührt auch in keiner Weise die Vollstreckbarkeit des Titels im Sinne des § 36 Abs.1 Z 1 EO bzw. 7 Abs.2 EO.

Und die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO wurden von der klagenden Partei nie behauptet (z.B. Vorliegen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung), so daß die vorliegende Klage nicht als eine solche nach § 228 ZPO aufgefaßt werden konnte (und daher unter Umständen abgewiesen und nicht zurückgewiesen werden hätte müssen).

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen, ohne daß auf die Problematik in der Sache selbst eingegangen werden kann, zu der aber immerhin auf die kürzlich ergangene Entscheidung JBl.1986, 188 verwiesen sei.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 78 EO, 50, 41 ZPO.

Anmerkung

E09171

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00047.86.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19860917_OGH0002_0030OB00047_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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