Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17.September 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Weitzenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Karolj S*** wegen es Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 3.April 1985, GZ 7 Vr 1009/84-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Steininger zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten es Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden - Urteil wurde Karolj S*** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 (erster Deliktsfall) StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Forchtenau (Gemeinde Aurolzmünster) die beiden nachstehend genannten unmündigen Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, und zwar
1) im Jahre 1984 die am 13.Februar 1972 geborene Irmgard A*** (mehrmals) durch Betasten am Geschlechtsteil und an den Brüsten, außerdem (einmal) dadurch, daß er einen Finger in ihre Scheide einführte, und
2) im September 1984 die am 24.August 1972 geborene Doris L*** dadurch, daß er ihr unter den Rock griff und mit seiner Hand über der Unterhose bis zu den oberen Schamhaaren fuhr. Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Die Ausführungen der Mängelrüge (Z 5) zum Faktum 1 (Irmgard A***) erweisen sich im wesentlichen bloß als eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Anfechtung der - auf Grund einer Würdigung sämtlicher Verfahrensergebnisse (schlüssig) erfolgten - freien Beweiswürdigung des Schöffengerichts (§ 258 Abs. 2 StPO), ohne daß damit formale Begründungsmängel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt werden. Hinsichtlich der Urteilsannahme, daß der Angeklagte die unmündige Irmgard A*** im Jahre 1984 wiederholt an den Brüsten betastete und dabei "spürte", daß ihr Busen bereits entwickelt war, ist das Erstgericht mit dem Hinweis auf das bezügliche (Teil-)Geständnis des Angeklagten (vgl. S 135, 145 und 146) seiner gesetzlichen Begründungspflicht nachgekommen. Zu einer (gesonderten) Würdigung des angeblichen Nichterinnerns, was die Häufigkeit und die näheren Umstände des betreffenden Tatverhaltens betrifft, bestand abgesehen davon, daß der Angeklagte (auf Befragen immerhin) eingestanden hatte, es sei dies "öfter" und jeweils dann geschehen, wenn Irmgard A*** zu ihm in die Wohnung kam (vgl. abermals S 145), angesichts der - im Urteil befolgten - Anordnung des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO, in den Entscheidungsgründen in "gedrängter Darstellung" die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen zu bezeichnen und die Gründe anzuführen, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahmen geführt haben, kein Anlaß. Die weitere als "absolut unrichtig" bekämpfte Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte einmal auch einen Finger in die Scheide der Irmgard A*** einführte, konnte das Erstgericht - zufolge der (gemäß § 152 Abs. 1 Z 1 StPO berechtigten) Zeugnisverweigerung der Irmgard A*** (S 160/161) - aus den (in Gegenwart einer Diplomsozialarbeiterin gemachten) Angaben der Genannten bei der Gendarmerie (S 45) in Verbindung mit den Aussagen der Zeuginnen Doris L***, Astrid H*** und Katharina R*** (Mutter der Doris L***) ableiten, wonach ihnen Irmgard A*** von diesem Geschehnis berichtet hatte (S 38, 49/50; S 160, 165). Bei dem Einwand, die Zeugin Katharina R*** habe in der Hauptverhandlung angegeben, sie wisse nicht, was sich in der Wohnung des Angeklagten wirklich (mit Irmgard A***) abspielte, übergeht der Beschwerdeführer deren weitere Aussage, sie habe von Irmgard A*** (immerhin) gehört, daß der Angeklagte bei ihr "etwas gemacht" bzw. "es auch versucht (probiert)" habe (S 155/156), und übersieht überdies, daß das Schöffengericht die Abschwächung dieser Bekundung im Vergleich zu den von Katharina R*** bei der Gendarmerie gemachten Angaben ohnedies einer Würdigung unterzog, aber dennoch zum Ergebnis gelangte, daß dieser Umstand nicht geeignet sei, das Gericht in seiner Überzeugung von der Richtigkeit des im Urteil festgestellten Sachverhalts zu beirren (S 177). Aber auch mit dem Hinweis auf die vom Erstgericht bei der Würdigung der Aussagen der Zeugin Doris L*** zu diesem Thema angeblich vernachlässigten Divergenz zwischen deren Angaben bei der Gendarmerie (S 38) einerseits und in der Hauptverhandlung (S 160) andererseits über den Nebenumstand, ob sie vor oder nach dem an ihr selbst vom Angeklagten verübten geschlechtlichen Mißbrauch von Irmgard A*** den hier in Rede stehenden Sachverhalt erfahren hat, versucht die Beschwerde lediglich die Beweiskraft der in Rede stehenden Zeugenaussage in Zweifel zu ziehen, ohne einen formalen Begründungsmangel darzutun. Soweit der Beschwerdeführer gegen die Urteilskonstatierung, daß er Doris L*** erfaßte und mit einer Hand unter ihren Rock zwischen der Strumpfhose und der Unterhose bis zur oberen Schambehaarung "fuhr", wobei er letztere berührte, einwendet, nur "zwischen Strumpfhose und Bauch" hätte er mit der Schambehaarung des Mädchens in (unmittelbaren) Kontakt kommen können, übersieht er, daß im Urteil mit voller Deutlichkeit eine Berührung der genannten Körperpartie "über der Unterhose" angenommen wurde (S 170, 175). Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist das Gericht auch darauf eingegangen (S 179), daß Doris L*** diesen Vorgang (erst) in der Hauptverhandlung derart genau beschrieb (S 159), wogegen sie bei der Gendarmerie (weniger präzise) von einer Berührung des Geschlechtsteils (über der Unterhose) gesprochen hatte (S 38). Welche Relevanz aber im gegebenen Zusammenhang dem als übergangen reklamierten Umstand zukommen soll, daß Doris L*** den Angeklagten "im Stiegenhaus um die Hüfte nahm" - womit sich die Beschwerde übrigens in Widerspruch zu der eigenen Verantwortung des Angeklagten setzt, er habe das Mädchen "um die Hüfte genommen" und geküßt (S 146) - und ihn um eine Zigarette bat, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.
Mit dem Begehren des Beschwerdeführers nach der Feststellung, er habe gerade wegen der von ihm (zutreffend) angenommenen Unmündigkeit der Doris L*** (geflissentlich) es vermieden, dieses Mädchen unzüchtig zu berühren, wird nicht der angerufene formelle Nichtigkeitsgrund (Z 5) ausgeführt, sondern abermals nach Art einer Schuldberufung versucht, der vom Erstgericht als widerlegt erachteten Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen. Was aus der in diesem Zusammenhang vermißten - dem Hinweis des Urteils auf den "eher kindlichen Eindruck" des Mädchens auf das Gericht indes ohnehin zu entnehmenden
(S 175) - Konstatierung, daß sich Doris L*** "erst am Ende der kindlichen Phase" befunden habe, im gegebenen Fall für den Angeklagten zu gewinnen sein soll, läßt die Beschwerde offen; ist doch das Entwicklungsstadium des (zur Tatzeit zwölfjährigen) Mädchens nach der Art des dem Angeklagten in diesem Fall angelasteten geschlechtlichen Mißbrauchs völlig belanglos. Nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist die Rechtsrüge (Z 9 lit. a), soweit sie - den festgestellten Sachverhalt negierend - von der urteilsfremden Annahme ausgeht, der Angeklagte habe es wegen der Unmündigkeit der beiden Mädchen vermieden, sie "an sexuell nicht neutralen Zonen" zu berühren, Irmgard A*** "nur zufällig im Zuge einer lustigen Auseinandersetzung" an den Brüsten "an-", aber nicht "abgegriffen" und Doris L*** "überhaupt nicht angerührt".
Rechtliche Beurteilung
Dem weiteren auf das Faktum 2 bezogenen Beschwerdeeinwand aber, (vollendete) Unzucht im Sinne eines geschlechtlichen Mißbrauchs der unmündigen Doris L*** könne nach den erstgerichtlichen Feststellungen nicht vorliegen, weil das bloße Betasten des Bauches - sei es auch bis zur Schambehaarung - noch nicht das Tatbild des § 207 Abs. 1 StGB verwirkliche, ist zu entgegnen, daß zwar nicht der Bauch (vgl. RZ 1980/52), wohl aber die Region unterhalb des Bauches in unmittelbarer Nähe des Geschlechtsteils, im Bereich der Schamhaare (Pubes), zur Geschlechtssphäre gehört und mithin eine geschlechtlich nicht neutrale Körperpartie darstellt, deren Berührung, wenngleich über einer dünnen (hautnahen) Kleidungsschicht (hier: Unterhose), zur Tatbildverwirklichung ausreicht (vgl. RZ 1972, 10). Soweit die Beschwerde - im Rahmen der Mängelrüge (Z 5, sachlich jedoch Z 9 lit. a) - den Rechtsstandpunkt einnimmt, der körperliche Kontakt müsse, wenn kein unmittelbarer Hautkontakt stattfindet, "im erhöhten Maß intensiver sein", orientiert sie sich offenbar an der in EvBl. 1972/289 (= RZ 1972,
108) veröffentlichen Entscheidung, welche allerdings in Ansehung der noch unentwickelten Brust eines zehnjährigen Mädchens darauf abstellt, daß in einem solchen Fall der geschlechtliche Mißbrauch in anderer Weise (als schon nach der Art der betroffenen Körperstelle) objektiviert sein muß, um als solcher deutlich in Erscheinung zu treten. Demgegenüber stellt das vorliegend als Tathandlung festgestellte (gezielte) Einführen der Hand des Täters zwischen Strumpfhose und Unterhose des unmündigen (schon in der Pubertätsphase befindlichen) Mädchens so weit, daß (wenn auch über der Unterhose) die behaarte Region der Schamgegend (hautnah) berührt wird (S 175), einen (keinesfalls bloß flüchtigen Berührungs-)Vorgang dar, dessen sexuelle Sinnbezogenheit nach außen hin eindeutig in Erscheinung trat und der sohin objektiv als (vollendeter) Mißbrauch zur Unzucht im Sinn des § 207 Abs. 1 StGB zu beurteilen ist. Auf der subjektiven Tatseite setzt der hier zum Tragen kommende erste (und im übrigen auch der zweite) Deliktsfall des § 207 Abs. 1 StGB eine auf sexuelle Erregung oder Befriedigung des Täters gerichtete Absicht nicht voraus (EvBl. 1976/75 und 205 ua; Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 207 RN 12). Wenn das Schöffengericht im vorliegenden Fall (sogar) eine auf geschlechtliche Erregung zielende Absicht des Angeklagten festgestellt hat (S 174, 175, 181, 182), so deckt diese jedenfalls auch die hier für die subjektive Tatseite relevante Feststellung ab, daß sich der Vorsatz des Angeklagten in den vom Schuldspruch erfaßten Fällen auch auf das Tatbestandsmerkmal des Mißbrauchs zur Unzucht erstreckt hat.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 207 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten.
Bei der Strafbemessung wertete es eine einschlägige Vorstrafe sowie den Umstand, daß der Angeklagte die Unzuchtshandlungen an zwei Mädchen und bei einem zudem wiederholt vorgenommen hat, als erschwerend, hingegen das teilweise Geständnis zum Faktum 2 (Irmgard A***) als mildernd.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht an.
Der Berufung kommt teilweise, nämlich soweit sie auf eine Strafherabsetzung abzielt, Berechtigung zu.
Daß Milderungsgründe übersehen oder Erschwerungsumstände zu Unrecht angenommen worden wären, wird zwar vom Berufungswerber nicht behauptet. Dennoch ergibt sich bei richtiger Wertung der für die Strafbemessung beachtlichen Umstände mit dem ihnen mit Beziehung auf Tathergang, Schuld- und Unrechtsgehalt zukommenden tatsächlichen Gewicht, daß die Freiheitsstrafe - nicht zuletzt auch angesichts des Umstands, daß der Angeklagte das Stafübel des Freiheitsentzuges bisher noch nicht zu verspüren bekam - doch etwas zu hoch ausgemessen wurde.
Die Freiheitsstrafe war daher in teilweiser Stattgebung der Berufung schuldangemessen auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß herabzusetzen.
Die Gewährung bedingter Strafnachsicht hingegen kam schon wegen des einschlägig belasteten Vorlebens und der vorliegenden mehrfachen Tatbegehung aus Gründen der Spezialprävention nicht (mehr) in Betracht (§ 43 Abs. 1 StGB).
Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E09078European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00088.85.0917.000Dokumentnummer
JJT_19860917_OGH0002_0090OS00088_8500000_000