TE OGH 1986/9/18 8Ob34/86 (8Ob35/86)

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Veröffentlicht am 18.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Franz R***, Geschäftsmann, Ennsdorf, Feldstraße 2, vertreten durch Dr. Josef Lechner, Rechtsanwalt in Steyr, I. wider die beklagten Parteien 1.) Christine T***, Angestellte, Arnfels 97, 2.) Ing.Franz D***, Angestellter, Steyr, Schillerstraße 19, 3.) Johanna D***, Angestellte, Arnfels 240, 4.) Margarethe R***, Volksschullehrerin, Mureck, Mittertortstraße 30, 5.) A*** E***, Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1., Bösendorferstraße 13, 1 Cg 732/79, und II. Alfred V***, Angestellter, Arnfels 146, 1 Cg 503/80, alle vertreten durch Dr. Ernst Schilcher, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, je wegen S 2,830.025,20 s.A. ua infolge Revision der fünftbeklagten Partei des Verfahrens 1 Cg 732/79 gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5. Februar 1986, GZ 18 R 300/85-110, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Partei des Verfahrens 1 Cg 503/80 das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 13. September 1985, GZ 1 Cg 732/79-101, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Die Revision der Fünftbeklagten im Verfahren 1 Cg 732/79 wird, soweit sie sich dagegen richtet, daß die Gegenforderung des Alfred V*** (Beklagter im Verfahren 1 Cg 503/80) von S 48.634,66 nicht auch zu ihren Gunsten berücksichtigt wurde, zurückgewiesen; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.

Die Fünftbeklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 8.145,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 1.920,- und die Umsatzsteuer von S 565,95) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 5. März 1979 ereignete sich gegen 14,50 Uhr auf der A 2 (Südautobahn) im Gemeindegebiet von Bad Fischau ein Verkehrsunfall, an dem der von Friedrich H*** gelenkte LKW-Zug des Klägers, bestehend aus dem Motorfahrzeug der Type Mercedes 1926 und einem Tiefladeanhänger der Type Goldhofer Tü 3-24/80, und der von Alois V*** gelenkte LKW-Zug, bestehend aus dem Motorfahrzeug der Type ÖAF 19280 und einem Anhänger, beteiligt waren. Friedrich H*** fuhr in Richtung Wiener Neustadt und verlangsamte den von ihm gelenkten LKW-Zug, auf dessen Anhänger ein als Raupenfahrzeug ausgebildetes Bohrgerät geladen war, vor einer über die Autobahn führende Brücke, worauf Alois V*** mit dem von ihm gelenkten LKW-Zug auf den Anhänger des vor ihm fahrenden Fahrzeuges des Klägers auffuhr. Hiedurch wurde er getötet, beide Fahrzeuge und das Bohrgerät wurden beschädigt.

Der Kläger nahm in zwei gesondert eingebrachten Klagen Franz D*** als Halter, die Fünftbeklagte des Verfahrens 1 Cg 732/79 als Haftpflichtversicherer für das "Beklagtenfahrzeug" und die Verlassenschaft nach dem Lenker dieses Fahrzeuges in Anspruch. Franz D*** verstarb am 2. November 1979. Sein Nachlaß wurde mit der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 16. Dezember 1981, A 641/79-30, der Verlassenschaft nach seiner am 29. Dezember 1980 ebenfalls verstorbenen Ehegattin Theresia D*** sowie seinen Kindern Christiane T***, Ing. Franz D***, Johanna D*** und Margarethe R*** eingeantwortet. Die Verlassenschaft nach Theresia D*** wurde mit der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 24. August 1983, A 5/81-73, ebenfalls den genannten Kindern der verstorbenen Ehegatten eingeantwortet. Sämtliche Erben hatten in den Verlassenschaftsverfahren bedingte Erbserklärungen abgegeben. Die Kinder des Franz D*** sind nunmehr dessen Gesamtrechtsnachfolger. Sie traten an seiner Stelle in das Verfahren ein. Die Verlassenschaft nach dem Lenker Alois V*** wurde mit der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 3. Dezember 1979, A 172/79-12, seinem Sohn Manfred V*** eingeantwortet, der ebenfalls eine bedingte Erbserklärung abgegeben hatte und nunmehr Beklagter des Verfahrens 1 Cg 503/80 ist. Mit der zu 1 Cg 732/79 eingebrachten Klage begehrte der Kläger unter der Behauptung des Alleinverschuldens des Lenkers Alois V*** von den Erst- bis Fünftbeklagten dieses Verfahrens die Bezahlung von 2,830.025,20 S s.A. Darin sind 129.800 S Reparaturkosten des Fahrzeuges. 2,538.198 S Reparaturkosten des Bohrgerätes, 4.235 S, 11.139,20 S, 2.741 S und 33.712 S Kosten der Entfernung des beschädigten Fahrzeuges und des Bohrgerätes sowie 240.000 S Verdienstentgang enthalten, was insgesamt 2,959.825,20 S ergeben würde. Der Unterschied zwischen diesem und dem eingeklagten Betrag geht offensichtlich darauf zurück, daß der Kläger bei der Ausdehnung des Klagebegehrens im Schriftsatz ON 5 die Reparaturkosten von 129.800 S irrtümlich nicht berücksichtigte. Mit der zu 1 Cg 503/80 eingebrachten Klage machte der Kläger alle schon angeführten Teilansprüche geltend und begehrte vom Beklagten Alfred V*** zur ungeteilten Hand mit den übrigen Beklagten die Bezahlung von 2,959.825,20 S s.A. Die beiden Klagen wurden vom Erstgericht mit dem Beschluß vom 13. März 1980, 1 Cg 503/80-4, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, wobei die Rechtssache 1 Cg 732/79 zur führenden erklärt wurde.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Ein Verschulden des Lenkers Alois V*** sei zwar nicht auszuschließen, der Unfall sei aber "in hohem Maße" auf das Verschulden des Lenkers des Fahrzeuges des Klägers zurückzuführen. Obwohl der Anhänger des "Klagsfahrzeuges" einschließlich der Beladung eine Höhe von etwa 4,60 m erreichte und außerdem das zulässige Gesamtgewicht überschritt, sei der Transport ohne die gemäß § 101 Abs 5 KFG erforderliche Genehmigung des Landeshauptmannes durchgeführt worden. Der Lenker des Fahrzeuges des Klägers habe dieses außerdem, ohne daß dies durch die Verkehrslage begründet gewesen sei, überraschend und überdies jäh abgebremst. Die Fünftbeklagte des Verfahrens 1 Cg 732/79 hafte nur bis zur Höhe der mit 720.000 S vereinbarten Versicherungssumme. Sie wende außerdem eine Gegenforderung von 493.790 S sA ein, weil sie diesen Betrag am 26. Juni 1979 als Kaskoversicherer unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes von S 5.000 wegen der Beschädigung des "Beklagtenfahrzeuges" bezahlt habe. Der Beklagte des Verfahrens 1 Cg 503/80 wendete Gegenforderungen von 226.114 S (17.817 S und 4.235 S für Aufräumungsarbeiten und Bergung von der Unfallstelle, 57.000 S wegen der Reparatur des Anhängers, 6.250 S, 2.000 S und 3.250 S Reisekosten und Diäten, 3.500 S für Telefonate, 30.852 S Verdienstentgang sowie 101.210 S für die Reparatur des Zugsfahrzeuges) mit der Begründung ein, daß ihm diese Forderungen vom Halter des von Alois V*** gelenkten LKW-Zuges zum Inkasso abgetreten worden seien.

Der Kläger replizierte, daß sämtliche Gegenforderungen verjährt seien. Sie seien schon im Zeitpunkt der Zession verjährt gewesen, weshalb sie nicht wirksam an einen "Prozeßbeteiligten" hätten abgetreten werden können. Mit der von der Fünftbeklagten des Verfahrens 1 Cg 732/79 eingewendeten Gegenforderung könne nicht aufgerechnet werden, weil diese aus einem Vertragsverhältnis stamme und die Fünftbeklagte nicht Unfallsgeschädigter sei. Das Erstgericht stellte fest, daß die gegen die Erst- bis Viertbeklagten des Verfahrens 1 Cg 732/79 und Theresia D*** "als erbserklärte Erben nach der am 29. Dezember 1980 verstorbenen Theresia D***" geltend gemachte Klageforderung nicht zu Recht besteht, daß die gegen die Fünftbeklagte des Verfahrens 1 Cg 732/79 eingeklagte Forderung mit 527.012,80 S und die von dieser eingewendete Gegenforderung mit 485.000 S zu Recht bestehen sowie daß die gegen den Beklagten des Verfahrens 1 Cg 503/80 eingeklagte Forderung mit 294.085,88 S und die von ihm eingewendete Gegenforderung mit 48.634,66 S zu Recht bestehen. Es erkannte die Fünftbeklagte (1 Cg 732/79) zur Bezahlung von 317.711,44 S s.A. sowie den Beklagten des Verfahrens 1 Cg 503/80 zur Bezahlung von 245.451,22 S s.A. schuldig und wies das Mehrbegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Alfred V*** nicht, hingegen jener des Klägers teilweise Folge und erkannte mit Teilurteil die eingeklagte Forderung gegenüber der Fünftbeklagten des Verfahrens 1 Cg 732/79 mit 592.889,40 S als zu Recht und mit 2,237.135,80 S als nicht zu Recht bestehend; die von der Fünftbeklagten eingewendete Gegenforderung erkannte es mit 117.500 S als zu Recht und darüber hinaus als nicht zu Recht bestehend. Die Fünftbeklagte wurde daher für schuldig befunden, dem Kläger 475.389,40 S s.A. zu bezahlen, das Mehrbegehren von 2,354.635,80 S s.A. wurde abgewiesen. Im übrigen faßte es einen Aufhebungsbeschluß, in dessen Rahmen auch die Aufhebung des Ersturteiles hinsichtlich der Gegenforderung des Beklagten Alfred V*** (1 Cg 503/80) von S 48.634,66 erfolgte.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Fünftbeklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Klageforderung ihr gegenüber mit S 527.012,80 als zu Recht bestehend erkannt, ihre Gegenforderung mit S 158.333,33 und die zu ihren Gunsten zu berücksichtigende Gegenforderung des Beklagten Alfred V*** mit S 48.634,66 festgestellt und dem Klagebegehren daher nur mit S 320.044,81 s.A. stattgegeben werde. Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision der Fünftbeklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen gingen bei ihren Entscheidungen im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Das Fahrzeug des Klägers fuhr 574 m vor der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von 76 km/h. Nachdem der Lenker die Geschwindigkeit bis 45 m vor der Unfallstelle auf 45,8 km/h herabgesetzt hatte, verringerte er sie innerhalb dieser Strecke mit einer Verzögerung von 1,77 m/sec 2 weiter auf 5,6 km/h, was bei dem Fahrzeug (Tiefladezug) einer Starkbremsung entspricht. Der Lenker Alois V*** hingegen fuhr 762 m vor der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h und verringerte diese, ohne zu bremsen, durch Weggehen vom Gaspedal auf 64,9 km/h. Mit dieser Geschwindigkeit fuhr er auf das Fahrzeug des Klägers auf. Hinter dem LKW-Zug des Klägers war ein ebenfalls dem Kläger gehörender Klein-LKW der Type Mercedes 207, dessen Lenker Friedrich H*** vor Antritt der Fahrt den Rat erteilt hatte, die Fahrgeschwindigkeit bei der Annäherung an Überführungen zu verringern, um eine Beschädigung des Fahrzeuges und der Ladung zu vermeiden, gefahren. Der Lenker dieses Klein-LKW hatte jedoch sein Fahrzeug etwa 50 m vor der Brücke auf den Pannenstreifen gelenkt. Der Anhänger des Fahrzeuges des Klägers und das darauf geladene Bohrgerät erreichten zusammen eine Höhe von 4,57 m. Die zuständige Behörde hätte im Fall der "Anzeige" des Transportes "besonders verstärkte Gendarmeriebegleitung" und die Verwendung gelb-roter Drehlichter vorgeschrieben. Die Brücke, unter der das Fahrzeug des Klägers durchfahren wollte, hatte über der Fahrbahn eine Höhe von 4,95 m.

Das von Alois V*** gelenkte Fahrzeug war zur Zeit des Unfalles auf Franz D*** zugelassen. Zu dieser Zeit bestand neben der Einzelfirma Franz D*** noch die Handelsgesellschaft "D*** & Co. KG". Sie war am 1. Juni 1978 gegründet worden und hatte ihre Tätigkeit schon am 1. Jänner 1979 (richtig wohl: 1978) aufgenommen. Franz D*** war an ihr als Kommanditist beteiligt. Das Fahrzeug stand zur Unfallszeit ständig für diese Handelsgesellschaft im Fernverkehr im Einsatz und wurde tatsächlich ausschließlich für die Zwecke dieser Handelsgesellschaft verwendet. In der zum 1. Jänner 1978 errichteten Eröffnungsbilanz scheint der unfallbeteiligte LKW als Teil des Anlagevermögens auf. Der D*** & Co. KG entstand außer dem durch den Kaskoversicherer bezahlten Schaden durch den Unfall ein Schaden von 145.914 S. Die D*** & Co. KG übertrug mit der Vereinbarung vom 30. Juli 1983 diese Ansprüche dem Beklagten des Verfahrens 1 Cg 503/80 zum Zweck der Einziehung insbesondere zur Geltendmachung in diesem Verfahren. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß den Lenker des Fahrzeuges des Klägers ein Mitverschulden am Unfall von einem Drittel treffe, weil dieses samt Ladung wesentlich höher als 4 m war. Es hätte daher die zuständige Behörde verständigt werden müssen. In diesem Falle wäre es zu einer entsprechenden Absicherung des Transportes gekommen, die zu einer höheren Auffälligkeit geführt hätte. Die einredeweise geltend gemachten Forderungen seien in der festgestellten Höhe zu berücksichtigen, weil sie sich "kompensabel gegenübergestanden" und daher nicht verjährt seien. Das Berufungsgericht gelangte zu einer Verschuldensteilung von 1 : 3 zugunsten des Klägers. Er habe gegen die als Schutznorm zu qualifizierenden Vorschriften des § 101 Abs 1 lit b und Abs 5 KFG verstoßen. Hingegen sei ein weiterer Verstoß gegen § 21 Abs 1 StVO nicht anzunehmen, weil die vom Erstgericht festgestellte Verzögerung von 1,77 m/sec 2 keine "jähe" Verringerung der Fahrgeschwindigkeit darstellte. Da der dem Kläger entstandene Schaden S 790.519,20 betrage, ihm die Fünftbeklagte als Haftpflichtversicherer 3/4 zu ersetzen habe, bestehe die eingeklagte Forderung ihr gegenüber mit

S 592.889,40 zu Recht. Die von der Fünftbeklagten eingewendete Gegenforderung könne demgemäß nur im Ausmaß des vom Kläger zu vertretenden Mitverschuldensanteiles Berücksichtigung finden. Die Gegenforderung sei vom Erstgericht mit S 485.000 ermittelt worden. Bei der Ermittlung der der Fünftbeklagten zustehenden Gegenforderung sei aber auf das Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers für den Selbstbehalt Bedacht zu nehmen; insoweit bleibe der Ersatzanspruch nämlich ihm. Der angeführte Betrag sei daher um den Selbstbehalt von 5.000 S zu vermehren. Von dem Gesamtbetrag von 490.000 S habe der Kläger wegen des von ihm zu vertretenden Mitverschuldens seines Lenkers ein Viertel, also 122.500 S, zu ersetzen. Dieser Anspruch sei nach Abzug des Selbstbehaltes und daher im Ausmaß von 117.500 S gemäß § 67 Abs 1 VersVG auf die Fünftbeklagte übergegangen. Die Auffassung des Klägers, daß diese ihren Anspruch wegen Verjährung nicht mehr einredeweise geltend machen könne, stehe mit der nunmehr einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Widerspruch. Die Gegenforderung der Fünftbeklagten bestehe sohin mit 117.500 S zu Recht. Die Abtretung der Gegenforderung des Beklagten des Verfahrens 1 Cg 503/80, auf welche sich dieser berufe, verstoße gegen die guten Sitten und sei nichtig. Der Vertrag über die Abtretung sei nämlich am 30. Juli 1983 und daher zu einer Zeit geschlossen worden, als die Forderungen schon verjährt waren. Die Abtretung zur Einziehung könne daher nur den Zweck verfolgen, daß die Forderungen trotz der Verjährung noch geltend gemacht werden können. Dies seien aber bedenkliche Umstände, welche die Abtretung sittenwidrig machten.

I. Soweit sich die Revision gegen die Nichtberücksichtigung der vom Beklagten des Verfahrens 1 Cg 503/80 Alfred V*** geltend gemachten Gegenforderung von S 48.634,66 wendet, ist sie unzulässig:

Schon das Erstgericht hat diese nur von Alfred V*** eingewendete Gegenforderung von S 48.634,66 nicht zugunsten der Fünftbeklagten des Verfahrens 1 Cg 732/79 berücksichtigt, ohne daß sich diese dagegen mit Berufung zur Wehr gesetzt hätte. Die Berufung Alfred V*** (1 Cg 503/80) wirkte nicht auch zugunsten der Fünftbeklagten (1 Cg 732/79), weil es sich bei den beiden Beklagten auch unter Bedachtnahme auf § 63 Abs 3 KFG nicht um einheitliche Streitgenossen im Sinne des § 14 ZPO handelte: Die gegen sie gerichteten Ansprüche wurden mit getrennten Klagen geltend gemacht. Durch deren Verbindung gemäß § 187 ZPO wurde keine einheitliche Streitgenossenschaft begründet (Stohanzl, Zivilverfahrensnovelle 1983 Anm. zu § 187; Fasching, Zivilprozeßrecht Rdz 786; ZVR 1972/135; EvBl 1961/305 uza). Insoweit richtet sich daher die Revision der Fünftbeklagten des Verfahrens 1 Cg 732/79 gegen einen bereits in Rechtskraft erwachsenen Teil der Entscheidung des Erstgerichtes. II. Zur Frage der Verschuldensteilung stellt sich die Fünftbeklagte auf den Standpunkt, daß das Berufungsgericht ein zu geringes Mitverschulden des Lenkers des Fahrzeuges des Klägers angenommen habe. Dieses sei unter Berücksichtigung der Umstände des Falles selbst dann mit 1 : 2 zugunsten des Klägers auszumessen, wenn ein Verstoß gegen § 21 Abs 1 StVO - der aber nach wie vor behauptet werde - nicht vorliege.

Zunächst ist festzuhalten, daß der Verstoß des Lenkers des Fahrzeuges des Klägers gegen § 101 Abs 1 lit b und Abs 5 KFG nur mehr seiner Tragweite für die Verschuldensabwägung nach umstritten ist. Es braucht daher keiner weiteren Ausführung dazu, daß es sich hiebei um den Verstoß gegen eine Schutzvorschrift des § 1311 ABGB handelte, in welchem Fall für den entstandenen Schaden zu haften ist, sofern nicht nachgewiesen erscheint, daß der Schade auch im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens in gleicher Weise eingetreten wäre. Näher einzugehen ist aber auf die vom Revisionswerber bestrittene Auffassung des Berufungsgerichtes, daß ein Verstoß nach § 21 Abs 1 StVO nicht anzunehmen sei.

Nach den diesbezüglichen Feststellungen verminderte der Lenker des Fahrzeuges des Klägers seine Geschwindigkeit von einem Punkte 574 m vor der Unfallstelle ab allmählich dahin, daß er diese von ursprünglich 76 km/h bis 45 m vor der Unfallstelle auf 48,8 km/h herabsetzte und dann innerhalb dieser weiteren Strecke mit einer Verzögerung von 1,77 m/sec 2 weiter auf 5,6 km/h herabbremste. Zutreffend erachtete das Berufungsgericht diese Art der Herabsetzung der Geschwindigkeit nicht als "jäh" im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung. Unter jähem Abbremsen ist dem Wortsinn nach ein Bremsen zu verstehen, das eine plötzliche ruckartige besonders starke Herabsetzung der Fahrgeschwindigkeit zur Folge hat, wozu auch schon eine stärkere Betriebsbremsung gehört (ZVR 1975/139; 2 Ob 215/84; ZVR 1977/236; ZVR 1980/95; ZVR 1984/38 ua). Davon kann im vorliegenden Fall, in welchem sich die festgestellte Herabsetzung der Geschwindigkeit auf eine Strecke von mehr als einem halben Kilometer dahinzog, nicht gesprochen werden. § 21 Abs 1 StVO scheidet also bei der Verschuldensteilung aus. Bleibt der Verstoß des Lenkers des Fahrzeuges des Klägers gegen die oben dargestellten Schutzvorschriften des § 101 Abs 1 lit b und Abs 5 KFG. Unter Berücksichtigung aller für die Verschuldensteilung maßgeblichen Umstände des Falles kann nicht gesagt werden, daß das Berufungsgericht dem Lenker des Fahrzeuges des Klägers ein zu geringes Mitverschulden angelastet hätte. Es darf nicht übersehen werden, daß sich die allmähliche Verringerung der Fahrgeschwindigkeit für den nachfahrenden LKW-Zug-Lenker durch relativ lange Zeit deutlich abzeichnete, sodaß dem alleinigen Verstoß des Ersteren gegen die zulässige Höhe seines Fahrzeuges samt Beladung die grobe Unaufmerksamkeit des Letzteren gegenübersteht. Gegen die vom Gericht zweiter Instanz vorgenommene Verschuldensteilung bestehen daher keine Bedenken.

Es war somit spruchgemäß zu erkennen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E09242

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00034.86.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19860918_OGH0002_0080OB00034_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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