TE OGH 1986/9/24 3Ob85/86

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Veröffentlicht am 24.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf S***, Schlosser (Tankstellenpächter), 8581 Pichling bei Köflach, Packer Bundesstraße 40 a, vertreten durch Dr. Heinz-Dieter Flesch, Rechtsanwalt in Voitsberg, wider die beklagten Parteien

1. mj. Claudia und 2. mj. Sonja S***, Schülerinnen, 8580 Köflach, Amselweg 10, gesetzlich vertreten durch die eheliche Mutter Rosalinde S***, Hausfrau, ebendort, diese vertreten Dr. Peter Semlitsch und Dr. Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, wegen Einwendungen nach §§ 35 und 36 EO, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 13. Juni 1986, GZ. 4 R 214/86-8, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 17. März 1986, GZ. 3 C 437/85-4, teilweise bestätigt und abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes mit folgendem, der Verdeutlichung dienenden Wortlaut wiederhergestellt wird:

"1. Die betriebenen Ansprüche der beklagten Parteien aus dem Beschluß des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 10. Jänner 1984, 1 P 195/83, auf die restlichen Unterhaltsbeiträge für Oktober 1985 von je 1.000 S und auf die Unterhaltsbeiträge für Dezember 1985 von je 1.500 S sind erloschen.

2. Die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 9. Dezember 1985, E 8288/85, bewilligte Exekution ist hinsichtlich der seit 1. Jänner 1986 fällig gewordenen bzw. werdenden Unterhaltsbeiträge unzulässig."

3. Die beklagten Parteien haben der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu ersetzen: a) die mit 8.301,81 S (darin 754,71 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz,

b) die mit 5.185,45 S (darin 471,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und c) die mit 6.223,63 S (darin 565,78 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß vom 8. Oktober 1985, E 7500/85-1, bewilligte das Bezirksgericht Voitsberg den damaligen betreibenden und nunmehrigen beklagten Parteien gegen den damaligen Verpflichteten und nunmehrigen Kläger auf Grund des Beschlusses vom 10. Jänner 1984, 1 P 195/83, zur Hereinbringung des für Oktober 1985 rückständigen Unterhaltsrestes von (zusammen) 2.000 S die Fahrnisexekution, die am 18. Oktober 1985 vollzogen wurde. Der für den 12. November 1985 anberaumte Verkauf unterblieb wegen Zahlung von 2.000 S. Mit Beschluß vom 17. Dezember 1985 wurde die Fahrnisexekution nach § 40 EO eingestellt.

Am 11. November 1985 brachten die nunmehrigen Beklagten beim Bezirksgericht Voitsberg zu E 8288/85 einen mit 8. November 1985 datierten weiteren Exekutionsantrag ein. Darin beantragten sie, ihnen auf Grund des schon erwähnten pflegschaftsgerichtlichen Beschlusses zur Hereinbringung der für Oktober (1985) rückständigen Unterhaltsbeiträge von je 1.000 S und der ab 1. Dezember 1985 am Ersten eines jeden Monats fällig werdenden Unterhaltsbeiträge von je 1.500 S die Exekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung der dem damaligen Verpflichteten und nunmehrigen Kläger als Verpächter gegen den Drittschuldner Franz S*** angeblich zustehenden Forderung auf in Geld zahlbares Pachteinkommen zu bewilligen. Dieser Exekutionsantrag wurde den betreibenden Parteien zunächst mit Beschluß vom 18. November 1985 zur "Verbesserung und Berichtigung der Abzugsbeschränkungen im Sinn der Bestimmungen BGBl. 664/83 und Anschluß eines Vermögensbekenntnisses (ZP-Form 1) hinsichtlich der minderjährigen betreibenden Parteien" ohne Fristsetzung zurückgestellt und langte am 27. November 1985 verbessert wieder ein. Mit Beschluß vom 9. Dezember 1985 bewilligte das Erstgericht die beantragte Exekution. Der Beschluß wurde dem Verpflichteten und dem Drittschuldner am 11. Dezember 1985 zugestellt und wurde rechtskräftig.

In der am 30. Dezember 1985 erhobenen Klage "wegen Unzulässigkeit der Exekution nach § 35 EO" wendete der Kläger ein, daß die (auch) im Verfahren E 7500/85 des Bezirksgerichtes Voitsberg betriebenen, für Oktober 1985 rückständigen restlichen Unterhaltsbeiträge von je 1.000 S im Zuge dieses Exekutionsverfahrens am 12. November 1985 dem Gerichtsvollzieher gezahlt worden seien, so daß dieser Rückstand seither nicht mehr bestehe. Am 4. November 1985 habe er der gesetzlichen Vertreterin der Beklagten für diese über die Sparkasse Voitsberg-Köflach je 1.500 S überwiesen, am 3. Dezember 1985 den gesamten Unterhalt für Dezember 1985. Der zu E 8288/85 betriebene Anspruch sei daher erloschen. Diese Exekution sei für unzulässig zu erklären. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil bei Einbringung des Exekutionsantrages zu E 8288/85 ein Unterhaltsrückstand bestanden habe, stellte aber in der Tagsatzung vom 16. Jänner 1986 außer Streit, daß nunmehr der rückständige Unterhalt gänzlich bezahlt sei.

Das Erstgericht sprach aus, daß der Anspruch der Beklagten auf Grund seines Beschlusses vom 10. Jänner 1984, 1 P 195/83, zu dessen Hereinbringung zu E 8288/85 Exekution bewilligt worden sei, erloschen und dieses Exekutionsverfahren unzulässig sei. Außer den schon oben wiedergegebenen Umständen der beiden Exekutionsverfahren stellte das Erstgericht noch fest, daß die Unterhaltsbeiträge für November und Dezember 1985 von zweimal je 1.500 S am 4. November und 3. Dezember 1985 den Beklagten überwiesen wurden. Weil zur Zeit der Bewilligung der Forderungsexekution am 9. Dezember 1985 kein Unterhaltsrückstand bestanden habe, sei dieses Exekutionsverfahren unzulässig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge, bestätigte insoweit, als die Forderungsexekution zur Hereinbringung des rückständigen Unterhalts für Oktober 1985 von je 1.000 S für unzulässig erklärt wurde und änderte im übrigen dahin ab, daß es das Mehrbegehren, die Exekution auch hinsichtlich der ab 1. Dezember 1985 fällig werdenden laufenden Unterhaltsbeiträge von je 1.500 S für unzulässig zu erklären, abwies.

Der betriebene Rückstand für Oktober 1985 sei durch Zahlung erloschen. Für die Zulässigkeit der Exekutionsführung zur Hereinbringung künftig fällig werdender Unterhaltsbeiträge nach § 6 Abs. 3 LPfG sei der Tag der Antragstellung, hier also der 11. November 1985, maßgebend. Sei an diesem Tag ein Rückstand vorhanden, dann sei die Exekution sowohl zur Hereinbringung des Rückstands als auch der laufenden Unterhaltsbeiträge zu bewilligen. In diesem Fall sei nicht die im Zeitpunkt der Entscheidung über den Exekutionsantrag, sondern die im Zeitpunkt der Überreichung dieses Antrages gegebene Sachlage maßgebend. Deshalb sei das Klagebegehren, soweit es den laufenden Unterhalt betreffe, abzuweisen. Seinen Ausspruch, daß die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei, begründete das Berufungsgericht damit, daß zwar die Frage, welcher Zeitpunkt für die Zulässigkeit der Exekution zur Hereinbringung künftig fällig werdender Unterhaltsbeiträge auf Arbeitseinkommen maßgeblich ist, in der auf § 6 Abs. 3 LPfG abgestellten Entscheidung SZ 26/19 gelöst worden sei, aber zur Frage, ob diese Grundsätze auch bei einer rechtskräftig bewilligten Exekution zur Hereinbringung künftiger Unterhaltsforderungen auf eine Forderung, die weder Arbeitseinkommen noch ein diesem gleichgestelltes Exekutionsobjekt betreffe, anzuwenden seien, keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Den abändernden Teil des Berufungsurteils bekämpft die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, die Anlaßexekution auch hinsichtlich der ab 1. Dezember 1985 betriebenen Unterhaltsbeiträge für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig; es ist auch begründet.

Nach § 7 Abs. 2 EO kann vor Eintritt der Fälligkeit einer Forderung und vor Ablauf der in einem Urteil oder in einem anderen Exekutionstitel für die Leistung bestimmten Frist die Exekution nicht bewilligt werden.

Bei der Exekution wegen der im § 6 Abs. 1 LPfG bezeichneten Ansprüche, das sind Unterhaltsansprüche, die bestimmten Personen, darunter Kindern, kraft Gesetzes zustehen, sowie wegen der aus Anlaß einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu zahlenden Renten, kann nach dem dritten Absatz dieser Gesetzesstelle allerdings zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche auch künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Ansprüche gepfändet und überwiesen werden. Nach dem durch das Bundesgesetz vom 20. Mai 1976 über die Erweiterung der Exekution zur Sicherstellung, BGBl. Nr. 251, eingefügten § 372 Abs. 1 EO kann zur Sicherung noch nicht fälliger Unterhaltsansprüche und noch nicht fälliger Geldrenten wegen Tötung, Verletzung des Körpers oder der Gesundheit, soweit § 6 Abs. 3 LPfG nicht anzuwenden ist, zugleich mit der Exekution zur Hereinbringung fälliger Beträge Exekution zur Sicherung der innerhalb eines Jahres fällig werdenden Beträge begehrt werden.

Für die Beurteilung des Exekutionsansuchens ist nach nunmehr ständiger, von der Lehre (vgl. Heller-Berger-Stix I 202 f.) gebilligter Rechtsprechung (SZ 17/79, 28/184, 45/9; JBl. 1979, 492; SZ 55/33 ua.) in der Regel der Zeitpunkt der Beschlußfassung maßgebend. Nach Lehre und Rechtsprechung gilt nämlich grundsätzlich auch für Beschlußfassungen im Exekutionsverfahren, daß sie der jeweiligen und nicht einer früheren Lage zu entsprechen haben, weshalb der Richter im allgemeinen berechtigt und verpflichtet ist, alle bis zu seiner Entscheidung sich ergebenden Umstände zu berücksichtigen. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch wiederholt ausgesprochen, daß für die Zulässigkeit der Exekutionsführung nach § 6 Abs. 3 LPfG der Tag der Antragstellung maßgebend ist und daß die Berechtigung des Exekutionsantrages in diesem Zeitpunkt genügt, um der betreibenden Partei die Vorteile der zitierten Gesetzesstelle zu verschaffen, auch wenn die bereits fällig gewordenen Unterhaltsbeiträge zwischen der Einbringung des Exekutionsantrages und seiner Erledigung beglichen wurden (SZ 26/19; EFSlg. 9015; SZ 45/121, 46/6 ua.). Aus dem Sicherungscharakter der Exekution nach § 6 Abs. 3 LPfG folge auch keineswegs, daß es nur auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankäme und deshalb beim Fehlen eines Unterhaltsrückstandes in diesem Zeitpunkt die Exekution auch zur Hereinbringung künftig fällig werdender Unterhaltsbeiträge abzuweisen wäre, selbst wenn im Entscheidungszeitpunkt ein Rückstand aufgelaufen sein sollte. Die Bewilligung einer Exekution zur Hereinbringung künftiger Unterhaltsforderungen im Sinn des § 6 Abs. 3 LPfG ist vielmehr in der Regel zulässig, wenn der Verpflichtete im Zeitpunkt der Entscheidung über den Exekutionsantrag oder wenigstens zur Zeit des Einlangens dieses Antrages bei Gericht in Verzug war (3 Ob 23/76, teilweise wiedergegeben bei Heller-Berger-Stix III LXV und die darin zitierte Entscheidung 3 Ob 126/71).

Bei der Exekution wegen der im § 6 Abs. 1 und 3 LPfG genannten Unterhaltsansprüche und Renten nach der letztzitierten Gesetzesstelle kann (zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche) - anders als bei Exekution zur Sicherung nach § 372 EO - nur künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Ansprüche gepfändet und überwiesen werden. Andere Sachen, Rechte oder Forderungen sind einer solchen Exekutionsführung entzogen (Heller-Berger-Stix I 195 und III 2066; SZ 50/58, 56/115 ua.).

Für die Beurteilung eines nicht nach § 372 EO gestellten Exekutionsantrages, nach dem zugleich wegen fälliger Ansprüche und auch wegen erst fällig werdender Ansprüche auf Vermögensteile gegriffen werden soll, die nicht Arbeitseinkommen des Verpflichteten sind, für dessen Bewilligung hinsichtlich der erst fällig werdenden Ansprüche eine gesetzliche Grundlage fehlt, ist daher nicht wie bei Exekutionsanträgen nach § 6 Abs. 3 LPfG auch der Tag der Antragstellung, sondern nach der oben dargelegten, für die meisten anderen Exekutionsanträge geltenden Regel der Zeitpunkt der Beschlußfassung maßgebend.

Erweist sich daher - wie im vorliegenden Fall - die gegen den betriebenen Unterhaltsrückstand nach § 35 EO erhobene Einwendung, daß dieser im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Exekutionsantrag durch Zahlung aufgehoben war, als begründet, dann ist die Exekution nicht bloß hinsichtlich dieses Unterhaltsrückstandes einzuschränken (§§ 35 Abs. 4 und 41 Abs. 1 EO), sondern auch hinsichtlich der künftig fällig werdenden Ansprüche einzustellen (vgl. Heller-Berger-Stix III 2066 f.), weil der Verpflichtete erfolgreich bestritten hat, daß die für die ausnahmsweise Vollstreckbarkeit der künftig fällig werdenden Unterhaltsansprüche maßgebende Tatsache (Unterhaltsrückstand) nicht eingetreten ist (§§ 36 Abs. 1 Z 1 und 41 Abs. 1 EO).

Die am 30. Dezember 1985 erhobene Klage enthält daher eigentlich zwei Einwendungen: 1. die Einwendung nach § 35 EO, daß die restlichen Unterhaltsansprüche für Oktober 1985 von je 1.000 S und die Unterhaltsansprüche für Dezember 1985 von je 1.500 S, zu deren Gunsten die Exekution bewilligt wurde, durch Zahlungen am 12. November bzw. 3. Dezember 1985, also noch vor der Exekutionsbewilligung vom 9. Dezember 1985, aufgehoben wurden;

2. die Einwendung nach § 36 Abs. 1 Z 1 EO, daß deshalb künftig fällig werdende Unterhaltsansprüche im Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung noch nicht vollstreckbar gewesen seien. Bei gebotener Berücksichtigung des diese Einwendungen begründenden Tatsachenvorbringens (z.B. Fasching III 645 f.) ergibt sich, daß das Urteilsbegehren nur darauf gerichtet ist, nur die nach dem Klagevorbringen bereits geleisteten, aber dennoch betriebenen Unterhaltsansprüche für erloschen, im übrigen aber die gesamte Exekution für unzulässig zu erklären.

In diesem Sinn muß auch bei gebotener Bedachtnahme auf die Entscheidungsgründe der Spruch des erstgerichtlichen Urteils verstanden werden.

Der Revision ist daher Folge zu geben und das Urteil des Berufungsgerichtes durch Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils mit der aus dem Spruch ersichtlichen verdeutlichenden Maßgabe abzuändern.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 41, 46 Abs. 1 und 50 ZPO.

Anmerkung

E09343

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00085.86.0924.000

Dokumentnummer

JJT_19860924_OGH0002_0030OB00085_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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