Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24.September 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Weitzenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Manuela H*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 sowie 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 25. März 1986, GZ 3 a Vr 197/86-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Ersten Generalanwaltes Dr. Nurscher als Verteter des Generalprokurators, der Angeklagten und deren gesetzlichen Vertreters zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß §§ 290 Abs. 1 StPO, 38 Abs. 1 Z 1 StGB wird der Angeklagten auch die Vorhaft vom 23.Juli 1985, 16.55 Uhr, bis 24. Juli 1985, 21.45 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 31.Jänner 1971 geborene Schülerin Manuela H*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten (zu ergänzen: schweren) Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 sowie 15 StGB schuldig erkannt, weil sie zwischen Juni und Oktober 1985 teils allein, teils in Gesellschaft abgesondert verfolgter Erwachsener drei Diebstähle (Wert der Beute über 5.000 S) begangen und vier weitere versucht hatte.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Angeklagten dagegen aus den Z 4, 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht begründet.
Die sich gegen die Nichtbeiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen richtende Verfahrensrüge (Z 4) scheitert schon am Mangel der gesetzlichen Voraussetzungen dieses Nichtigkeitsgrundes; wird doch nicht einmal in der Beschwerde behauptet, daß über einen von der Anklagten in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht erkannt oder ein solcher Antrag abgewiesen worden wäre (Der vor der Hauptverhandlung schriftlich gestellte Beweisantrag wurde in der Hauptverhandlung nicht nur nicht wiederholt, sondern war bereits vor dieser ausdrücklich zurückgezogen worden; vgl. Seite 1 k verso). In der Mängelrüge (Z 5) werden insgesamt keine formalen Begründungsmängel dargetan, sondern, ebenso wie in der Rechtsrüge (Z 9 lit. b), Feststellungsmängel in Richtung des § 10 JGG behauptet. Auch dies jedoch nicht zu Recht.
Auszugehen ist davon, daß nach Ansicht des Gesetzgebers der normal entwickelte Mensch mit vierzehn Jahren die nötige Reife hat, vom Gesetz verbotene Handlungen als solche zu erkennen und sich ihrer im Bewußtsein ihrer Rechtswidrigkeit zu enthalten (Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht 2 § 10 JGG RN 47), und daß die Unrechtmäßigkeit von Diebstählen zu den fundamentalen Prinzipien des Strafrechtes gehört, welche schon jedem Schulkind geläufig sind (Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 , § 10 JGG RN 11 und 12). Grundlegend ist im gegebenen Fall ferner, daß die Angeklagte selbst zugestand, sich der Rechtswidrigkeit von Einbruchsdiebstählen bewußt gewesen zu sein (S 345) - daß sie auch "Spaß" als Motiv ihrer Straftaten angab, vermag an dieser Bewußtseinslage nichts zu ändern - und daß den Verfahrensergebnissen zahlreiche Anhaltspunkte für eine - im Zigeunermilieu, auf welches die Beschwerde hinweist, erfahrungsgemäß sehr häufig zu beobachtende - beschleunigte körperliche und geistige Entwicklung der Beschwerdeführerin zu entnehmen sind, wobei namentlich das (ersichtlich intime) Verhältnis mit "Dragan" (J***), die Frequentierung von Hotels und Kaffeehäusern und die sachkundige Unterstützung einer Freundin bei der Verhehlung einer gestohlenen Kamera (vgl. S 65-67) hervorzuheben sind. Unter diesen Umständen, die in keiner Weise reifungsverzögernde besondere Gründe im Sinn des § 10 JGG erkennen lassen, vielmehr deren Annahme geradezu ausschließen, waren spezielle Konstatierungen über den Reifezustand der Angeklagten nicht indiziert, und zwar auch nicht angesichts der in der Beschwerde hervorgekehrten Momente - ungünstige häusliche Verhältnisse, Herumreisen im Wohnwagen, verschiedene Haftaufenthalte von Angehörigen, schwierige Schul- und Erziehungsverhältnisse, nicht erfolgreiche Heimaufenthalte, Selbstmordversuche, impulsives Verhalten, häufiger Wechsel der Bezugspersonen -, die ja durchaus ambivalent sind, mitunter sogar eine Beschleunigung der Persönlichkeitsreifung zur Folge haben können und insgesamt daran, daß die Beschwerdeführerin - wie oben gezeigt - im Tatzeitraum eine über ihr tatsächliches Alter hinausreichende physische und psychische Reife an den Tag legte, nichts zu ändern vermögen. Nach dem Gesagten erweist sich sohin die Nichtigkeitsbeschwerde zur Gänze als nicht begründet.
Aus Anlaß dieser Beschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß das Urteil insoweit an einer von Amts wegen wahrzunehmenden materiellen Nichtigkeit (Z 11) leidet, als der Angeklagten die aus dem Spruch ersichtliche Vorhaftzeit nicht angerechnet wurde. Gemäß § 290 Abs. 1 StPO war dieses Versäumnis spruchgemäß zu sanieren.
Die von der Angeklagten angemeldete Berufung "wegen Schuld und Strafe" (S 360) war zurückzuweisen, weil eine Schuldberufung im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen ist und in Ansehung der Berufung wegen Strafe weder bei deren Anmeldung noch später die Punkte des Erkenntnisses, durch die sich die Berufungswerberin beschwert findet, deutlich und bestimmt bezeichnet wurden (§§ 294 Abs. 4, 296 Abs. 2 StPO).
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E09434European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00095.86.0924.000Dokumentnummer
JJT_19860924_OGH0002_0090OS00095_8600000_000