TE OGH 1986/9/24 9Os91/86

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Veröffentlicht am 24.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.September 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Weitzenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Raimund Hermann L*** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 14. April 1986, GZ 21 Vr 32/86-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers DDr. Nordmeyer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB (Punkt A/3/b des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Raimund Hermann L*** wird für die ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruches weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB (A/1), das Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB (A/2), das Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs. 1 StGB (A/3/a) und das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (A/4 und 5), nach §§ 28, 201 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr verurteilt. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden) Urteil wurde der 38-jährige Raimund Hermann L*** des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB (A/1), des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB (A/2), des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs. 1 StGB (A/3/a), des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB (A/3/b) sowie (in zwei Fällen) des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (A/4 und/5) schuldig erkannt. Zusammengefaßt wiedergegeben liegt ihm zur Last, in Linz von Juni 1982 bis März 1985 seine am 3.März 1969 geborene Tochter Helga L*** (jun.) wiederholt - mehrfach auch vor Erreichung ihres 14. Lebensjahres - durch Versetzen von Schlägen und Androhung weiterer Schläge widerstandsunfähig gemacht und sie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht zu haben, wobei er seine Stellung gegenüber dieser seiner Erziehung unterstehenden Minderjährigen ausnützte (A/1 bis A/3/b). Weiters hat er die Genannte im Juni 1982 nach dem ersten an ihr durchgeführten Geschlechtsverkehr durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich durch die Äußerung, er werde sie erschlagen, wenn sie jemand von diesem Vorfall Mitteilung machen sollte, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung (A/4) und Ende März 1986 durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz und ihrer gesellschaftlichen Stellung, nämlich durch die Äußerung "Entweder du läßt das Kind abtreiben, dann kannst du bleiben, oder du schleichst dich hinaus", zur Vornahme einer Abtreibung (A/5) genötigt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Z 4, 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der den Gegenstand der Verfahrensrüge (Z 4) bildende Antrag des Angeklagten auf Einvernahme der Zeugen Manfred L*** und Hermann L*** zum Beweis dafür, daß sein Verhältnis zur Tochter Helga L*** bis 1985 sehr gut war (S 165), wurde vom Erstgericht zu Recht mit dem Hinweis darauf abgelehnt, daß das Verschweigen der Straftaten des Angeklagten durch seine Tochter bis zur Anzeigeerstattung am 6.Jänner 1986 (S 11) ohnehin aus den Verfahrensergebnissen hervorgeht. Angesichts des aktenkundigen jahrelangen Bestrebens des Mädchens, die Verfehlungen ihres Vaters auch vor den Angehörigen zu verheimlichen, wäre es daher, um die Relevanz der begehrten Beweisaufnahmen darzutun, geboten gewesen, schon bei der Antragstellung anzugeben, aus welchen besonderen Gründen dessenungeachtet die Bekundung eines nach außen hin ungetrübten Verhältnisses der Genannten zum Angeklagten für die Lösung der Tatfrage von Bedeutung gewesen wäre. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr - erst im Rechtsmittelverfahren - vorbringt, die beantragten Beweisaufnahmen hätten der Überprüfung der Aussage seiner Tochter hinsichtlich seiner Annäherungsversuche während eines Kuraufenthaltes seiner Gattin und dem Nachweis ihrer Neigung zu phantastischen, geradezu halluzinatorischen Vorstellungen und zu unwahren Bezichtigungen gedient, geht er nicht von der Begründung seines Antrages in erster Instanz aus, womit die Verfahrensrüge insoweit überhaupt einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung entbehrt (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 ENr. 40, 41 zu § 281 Z 4).

Rechtliche Beurteilung

Die Einwände in der Mängelrüge (Z 5) hinwieder sind - abgesehen von der als Rechtsrüge zu erledigenden Behauptung, es mangle an jeglicher Feststellung zur subjektiven Tatseite - nur insoweit konkretisiert und damit einer sachbezogenen Erwiderung zugänglich, als dem Erstgericht vorgeworfen wird, entlastende Hinweise aus psychiatrischer Sicht stillschweigend übergangen, einen (vermeintlichen) Gegensatz zwischen den psychiatrischen Gutachten der Sachverständigen Univ.Prof. Dr. J*** und Univ.Prof. Dr. K*** unerörtert gelassen und sich nicht mit den sowohl in den Angaben der Belastungszeugin Helga L*** als auch zwischen deren Aussage und anderen Verfahrensergebnissen aufgetretenen (vermeintlichen) Widersprüchen auseinandergesetzt zu haben. Diese Vorwürfe bestehen indes nicht zu Recht:

Die an sich nicht gravierenden Unterschiede in der - im übrigen

primär unter dem Gesichtspunkt des § 21 Abs. 2 StGB

erfolgten - Beurteilung der intellektuellen Ausstattung des

Angeklagten durch die erwähnten Sachverständigen (vgl. S 165; "etwas

primitiv strukturiert" ..., "... Intelligenz ist eher unter als über

dem Durchschnitt, aber nicht im Sinne eines Schwachsinns .." mit

S 100: ".. durchschnittliche intellektuelle Ausstattung. Von

angeborenem Schwachsinn kann bei ihm also nicht gesprochen werden

..", "... auch keine Zeichen einer erworbenen Geistesschwäche ..")

betreffen keinen für die Lösung der Schuldfrage

entscheidungswesentlichen Umstand. Demnach bedurften aber auch die

Folgerungen der Sachverständigen, wonach weder für noch gegen eine

Anfälligkeit des Angeklagten bezüglich der Anklagedaten sprechenden

Hinweise hervorgekommen seien (S 101) bzw. (nur) bei Annahme solcher

Tathandlungen seine Abnormität auf diesem Gebiet vorläge (S 165),

keiner besonderen Erörterung in der Urteilsbegründung.

Soweit der Beschwerdeführer aus der vom Erstgericht nicht gesondert erörterten Widersprüchlichkeit der Angaben der Zeugen Helga L*** jun. und Helmut E*** über von ihnen ergriffene Maßnahmen zur Empfängnisverhütung (S 158, 163) Schlüsse auf die generelle Glaubwürdigkeit ersterer Belastungszeugin zu ziehen sucht, macht er keinen Begründungsmangel hinsichtlich einer entscheidenden - dh für die rechtliche Unterstellung oder die Anwendung eines bestimmten Strafsatzes

maßgeblichen - Tatsachenfeststellung geltend, sondern wendet sich gegen die im Nichtigkeitsverfahren nicht anfechtbare Beweiswürdigung des Schöffengerichtes. Das gilt gleichermaßen für das Bestreben der Beschwerde, die Beweiskraft der belastenden Angaben der erwähnten Zeugin mit dem Hinweis darauf in Zweifel zu ziehen, daß ihre gedrängte, zusammenfassende Darstellung der Ereignisse in der kurzen niederschriftlichen Anzeige (S 11 und vso) nicht alle bei den folgenden längeren Einvernahmen geschilderten Details, etwa das gewaltsame Ausziehen durch den Angeklagten (S 13 und 156), enthält. Eine Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung stellen schließlich auch jene Beschwerdeausführungen dar, welche sich auf die subjektiv unterschiedliche Bewertung des Mutter-Kind-Verhältnisses durch die Zeuginnen Helga L*** jun. und sen. (S 157, 161), auf die gleichfalls subjektive, keineswegs entscheidungswesentliche Würdigung der von der ersteren gegen ihren Vater erhobenen Bezichtigung durch Margarete M*** (S 155) sowie auf die frühere (angebliche) Verleumdung anderer Personen durch Helga L*** jun. beziehen (die im Falle des früheren Nachbarn B*** nur vom Angeklagten selbst - siehe S 148 - behauptet wird und im Falle des Aktes 19 Vr 1533/72 des Landesgerichtes Linz die Interpretation einer Äußerung der damals dreijährigen Tochter betrifft, die zur Einleitung des Strafverfahrens wegen eines Sexualdelikts gegen einen unabhängig hievon auch von anderer Seite verdächtigten Pensionisten Anlaß gab, zu dessen Überführung allerdings nicht ausreichte).

Inwiefern die in der Urteilsbegründung unerwähnt gebliebene Nachgiebigkeit der Helga L*** sen. gegenüber dem Drängen des Angeklagten auf Veranlassung eines Schwangerschaftsabbruches bei seiner Tochter (S 162) und die gleichfalls nicht erörterte Einigung der letzteren in dieser Richtung mit ihrem Freund Helmut E*** (S 29) den gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf der Nötigung (in Ansehung der Urteilstat A/5) zu entkräften geeignet sein sollte, geht weder aus der Mängelrüge selbst noch aus dem Sachzusammenhang hervor; wird doch die Ausübung unerlaubten Zwanges durch den Angeklagten nicht dadurch ausgeschlossen, daß sich die Mutter des Mädchens dem Ansinnen ihres Gatten nicht zu widersetzen vermochte und Helga L*** jun. vor Durchführung des ihr aufgezwungenen Schwangerschaftsabbruches noch die Zustimmung ihres Freundes einholte (der sich nach seinen Angaben S 29 und 163 sogar an der Bezahlung des Eingriffes beteiligte).

Jene Urteilsfeststellungen, welche den Zusammenhang zwischen der im Jänner 1986 erfolgten Anzeigeerstattung durch Helga L*** jun. und neuerlichen Annäherungsversuchen des Angeklagten während eines Kuraufenthaltes ihrer Mutter im Herbst 1985 betreffen (S 172 letzter Absatz), stehen nur insoweit mit den Verfahrensergebnissen (S 11 mit Beilage, S 49 ganz unten und vso, S 89, S 155 unten, S 162) nicht ganz im Einklang, als dabei nicht eindeutig zum Ausdruck kommt, daß Helga L*** jun. erst unmittelbar vor der Anzeigeerstattung (nicht bereits im Herbst 1985) den Zeugen Alfred B*** ins Vertrauen zog. Diese Ungenauigkeit ist aber keineswegs entscheidungswesentlich, zumal für die Tatrichter - den darauf bezogenen abschließenden Ausführungen der Mängelrüge zuwider - nicht der unmittelbare zeitliche, sondern der innere (psychologische) Zusammenhang zwischen den Ereignissen im Herbst 1985 und der Anzeigeerstattung bedeutungsvoll war; ein Konnex in letzterem Sinne wird aber selbst durch die größere zeitliche Distanz nicht ausgeschlossen, zumal Helga L*** nie behauptet hat, auf die Annäherungsversuche des Vaters spontan mit der Anzeigeerstattung reagiert zu haben.

Die Rechtsrügen (Z 9 lit. a und Z 10) sind, soweit darin die zu A/4 urteilsgegenständliche Äußerung (deren Wortlaut den Angaben der Zeugin Helga L*** jun. in der Anzeige S 14 entsprechend festgestellt wurde) sowie jegliche sexuelle Annäherung an die Genannte bestritten und (mit Beziehung auf A/2 des Schuldspruches) die Feststellung, dem Tatopfer sei eine Gegenwehr gegen seine sexuellen Angriffe unmöglich, aussichtslos und unzumutbar gewesen (S 175 oben), negiert wird, nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, denn sie vergleichen nicht den im Urteil festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz. Gleiches gilt für den Einwand, die Äußerung A/5 des Urteilsspruches sei nicht geeignet gewesen, der Helga L*** jun. die gegründete Besorgnis der Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz einzuflößen, weil mit dem Bezug von Arbeitslosen-(später Karenz-)geld und auch mit dem Erhalt von Unterhaltsbeiträgen zu rechnen gewesen wäre. Im Gegensatz hiezu hat das Erstgericht nämlich (in S 172 und S 175) festgestellt, daß Helga L*** jun. im Falle des Verlassens der elterlichen Wohnung über keinerlei finanzielle Mittel verfügt hätte. Auf der Basis dieser Konstatierung ist aber die angedrohte Aufhebung der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit den Eltern dem völligen und ersatzlosen Entzug der wirtschaftlichen Lebensgrundlage der Bedrohten gleichzuhalten.

Soweit der Angeklagte - formal in der Mängelrüge, der Sache nach aber aus der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO - das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite reklamiert, so übersieht er, daß bei einem erheblichen Teil der ihm zur Last gelegten Delikte der Tatbestandsvorsatz schon im Hinblick auf den konstatierten Hergang der Tat evident ist, mithin keiner darüber hinausgehenden, ihn eigens herausstellenden Erwähnung in den Urteilsgründen bedurfte. Dies gilt insbesondere in Ansehung der (an der im elterlichen Haushalt lebenden Tochter verübten) Straftaten nach § 206 Abs. 1 StGB (A/1) und nach § 211 Abs. 1 StGB (A/3/a). Mangels im Verfahren hervorgekommener Anhaltspunkte für einen Irrtum des Angeklagten, auf Grund dessen er nicht erkannt hätte, daß er zur Verwirklichung seines auf die Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit der Tochter abzielenden Vorhabens deren Widerstand brechen (nicht nur beugen) mußte, liegt aber auch in Ansehung des Verbrechens der Notzucht (A/2) der behauptete Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite nicht vor. In bezug auf das Verbrechen der schweren Nötigung (A/5 des Urteilsspruches) wurde der vom Angeklagten verfolgte Vorsatz durch jene Konstatierung, wonach er, weil er seine Vaterschaft zum von der Tochter erwarteten Kind nicht auszuschließen vermochte, sich veranlaßt sah, seine Tochter zur Abtreibung zu zwingen, indem er der Arbeits- und Mittellosen den Hinauswurf aus der elterlichen Wohnung androhte, hinreichend klargestellt (S 172). Angesichts der Erfüllung der Qualifikation nach § 106 Abs. 1 Z 1 StGB durch Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz kann die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die im Schuldspruch unter A/5 angeführte Äußerung diese Qualifikation noch zusätzlich deshalb erfüllte, weil darin (auch) eine Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung zu erblicken sei, auf sich beruhen. Nur der Vollständigkeit halber sei angeführt, daß die Nötigung zu einem Schwangerschaftsabbruch überdies der Qualifikation nach § 106 Abs. 1 Z 3 StGB. zu unterstellen gewesen wäre (ÖJZ-LSK 1983/185 zu § 98 Abs. 1 StGB = EvBl. 1984/93). Der den Grundtatbestand (§ 105 Abs. 1 StGB) im Faktum A/4 erfüllende Vorsatz des Angeklagten schließlich, seine Tochter durch gefährliche Drohung (wenigstens) mit einer Verletzung ihrer körperlichen Integrität zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu zwingen, hat im urteilsmäßig festgestellten äußeren Verhalten (S 173 oben) eine derart klar erkennbare Darstellung gefunden (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar 2 § 5 RN 23), daß es seiner (zusätzlichen) ausdrücklichen Konstatierung nicht bedurfte. Darüber hinaus ist das Erstgericht - wie aus dem Zusammenhang von Urteilsspruch und -begründung ersichtlich ist - davon ausgegangen, daß der Vorsatz des Angeklagten sogar die Ankündigung eines Mordes mitumfaßte, mithin darauf gerichtet war, daß die drohende Äußerung wörtlich genommen werden sollte. Wenn sich der Beschwerdeführer hierüber mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer durch das aggressive Milieu der Familie bedingten Übertreibung hinwegsetzt, bringt er weder den von ihm herangezogenen Nichtigkeitsgrund nach Z 9 lit. a noch jenen nach Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, sondern bekämpft erneut (unzulässigerweise) die Würdigung der Verfahrensergebnisse durch den Schöffensenat. Auf die den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 212 Abs. 1 StGB (Urteilstat A/3/b) betreffenden Ausführungen der Rechtsrüge einzugehen erübrigt sich, weil insoweit dem Urteil eine vom Beschwerdeführer nicht geltendgemachte, jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmende materielle Nichtigkeit (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO) anhaftet: Die schon nach der Überschrift des § 212 StGB deliktsgegenständliche (mißbräuchliche) Ausnützung des Autoritätsverhältnisses wird in Ansehung des Mißbrauches des eigenen minderjährigen Kindes, Wahlkindes oder Mündels zur Unzucht im Sinne des ersten Falles des ersten Absatzes dieser Gesetzesstelle vom Gesetzgeber als falltypisch vorausgesetzt; nur deshalb ist auf die Hervorhebung dieses Erfordernisses insoweit verzichtet worden (EBRV 355 rechte Spalte oben; Mayerhofer-Rieder StGB 2 ENr. 8 zu § 212). Der sexuelle Mißbrauch einer widerstandsunfähigen Person kann aber nicht unter Ausnützung einer Autorität erfolgen; denn diese bleibt ohne Bedeutung für die Verwirklichung des Tatvorhabens durch völlige Überwältigung des Opfers. Anders als beim Einsatz von Gewalt oder gefährlicher Drohung zur (bloßen) Willensbeugung ist daher bei jenen Delikten, welche die Brechung des dem sexuellen Mißbrauch entgegenstehenden Willens des Tatopfers voraussetzen, ein eintätiges Zusammentreffen mit Deliktsfällen des § 212 StGB begrifflich ausgeschlossen (Mayerhofer-Rieder StGB 2 ENr. 36 zu § 212).

Der Schuldspruch zu Punkt A/3/b des Urteilsssatzes war deshalb aufzuheben, was auch die Kassierung des Strafausspruches und die Neubemessung der Strafe für die dem Angeklagten nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruches weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen zur Folge hat; die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war hingegen zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art, die Wiederholung der Unzuchtsakte durch einen längeren Zeitraum und die Wiederholung der schweren Nötigung; als mildernd kann dem Angeklagten lediglich dessen bisheriger unbescholtener Lebenswandel zugute gehalten werden. Der vom Angeklagten ins Treffen geführte gute Leumund stellt keinen eigenen Milderungsgrund dar; auch liegen - entgegen der Meinung des Angeklagten - die Voraussetzungen des § 34 Z 18 StGB angesichts des Umstands, daß seit den letzten Tathandlungen nur rund eineinhalb Jahre verstrichen sind, nicht vor.

Ausgehend von den gegebenen besonderen Strafzumessungsgründen, die angesichts des Überwiegens der erschwerenden Umstände eine Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) nicht zulassen, war die Strafe trotz der erfolgten Korrektur der rechtlichen Beurteilung und des Entfalls eines Delikts mit dem Mindestmaß der anzuwendenden gesetzlichen Strafdrohung (die von einem Jahr bis zu zehn Jahren reicht) auszumessen, wie dies auch schon in erster Instanz geschehen ist.

Im Hinblick auf die Art der strafbaren Handlungen, insbesondere aber deren Wiederholung durch längere Zeit und des dadurch charakterisierten erhöhten Grades personaler Täterschuld bedarf es vorliegend aus spezialpräventiver Sicht, darüber hinaus aber auch aus Gründen der Generalprävention der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe, sodaß deren bedingte Nachsicht nicht in Erwägung gezogen werden konnte. Daß es für die Anwendung des § 43 StGB nicht allein - wie der Angeklagte vermeint - auf das Vorleben des Rechtsbrechers ankommt, hat die Judikatur seit längerem unmißverständlich klargestellt (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB 2 ENr. 19 zu § 43 StGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E09248

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00091.86.0924.000

Dokumentnummer

JJT_19860924_OGH0002_0090OS00091_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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