Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Stephan Seper und Dr. Willibald Aistleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei August T***, Angestellter, Kapfenberg, Berggasse 23, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei L*** C*** Gesellschaft mbH in Wien 1., Schwarzenbergplatz 16, vertreten durch Dr. Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 174.811,26 sA, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 10. März 1986, GZ 1 Cg 38/85-52, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Bruck an der Mur vom 25. September 1985, GZ Cr 79/81-47, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
1) zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision des Klägers wird nicht Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird in seinem abändernden Teil (Punkt 2.) als Teilurteil bestätigt.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt insoweit dem Endurteil vorbehalten.
2) den Beschluß
gefaßt:
Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem bestätigenden Teil (Punkt 1.) einschließlich der Kostenentscheidung (Punkt 3.) aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insoweit weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 6.10.1970 bis 9.3.1981 als Handlungsreisender mit einem Fixum von zuletzt S 12.900,-- brutto monatlich und Provisionsbezügen angestellt. Grundlage der Provisionsvereinbarungen der Streitteile war ab 24.2.1975 eine zwischen dem Angestelltenbetriebsrat der beklagten Partei und dieser abgeschlossene Betriebsvereinbarung, die am 31.3.1980 abgeändert wurde. Am 9.3.1981 trat der Kläger vorzeitig wegen behaupteter Vorenthaltung von Provisionsbezügen aus.
Der Kläger begehrt von der beklagten Partei zuletzt an
Kündigungsentschädigung einschließlich aliquoter Sonderzahlungen,
Urlaubsentschädigung und Abfertigung den der Höhe nach
unbestrittenen Betrag
von brutto S 162.741,07
sowie eine (bestrittene) Provisions-
differenz von netto S 12.071,19
zusammen (richtig 174.812,26, begehrt).S 174.811,26 sA
Der Kläger behauptet, er sei mit der Änderung des Provisionssystems durch die Betriebsvereinbarung vom 31.3.1980 nicht einverstanden gewesen. Er habe 1980 um S 12.515,30 weniger an Provision verdient als 1979, was nicht auf Auftragseinbußen, sondern auf die Änderung des Provisionssystems sowie darauf zurückzuführen sei, daß er außerdem 120 potente Kunden an den Händler Helmut W*** abgeben mußte. Die beklagte Partei habe dem Kläger für 1980 umsatzunabhängig mindestens dieselbe Provision wie für 1979 garantiert. Der Kläger habe den kaufmännischen Direktor der beklagten Partei, Ing. Georg R***, ab Mitte Jänner 1981 wiederholt zu einer Bereinigung dieser Angelegenheit aufgefordert und am 9.3.1981 letztmalig vergeblich die Nachzahlung der Provisionsdifferenz verlangt, weshalb der vorzeitige Austritt berechtigt sei.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Betriebsvereinbarung vom 31.3.1980 normative Wirkung habe. Außerdem habe ihr der Kläger zugestimmt. Der absolute Provisionsrückgang des Klägers im Jahre 1981 sei auf Auftragseinbußen (bei teueren Produkten mit höherem Provisionssatz) zurückzuführen. Der Kläger habe wohl eine größere Anzahl von Kunden an Helmut W*** abgegeben, aber daraus keinen Provisionsnachteil erlitten. Dem Kläger sei nie zugesagt worden, daß er im Jahre 1980 umsatzunabhängig mindestens dieselbe Provision wie 1979 erhalten werde. Die Betriebsvereinbarung vom 31.3.1980 sei zunächst nur probeweise auf ein Jahr in Kraft gesetzt und den Vertretern zugesichert worden, Schlechterstellungen aus der Neufestsetzung der Provisionsgrundlagen nach Ablauf des Jahres auszugleichen. Die Neuregelung habe sich bewährt und sei inzwischen verlängert worden. Der Kläger habe erstmals am 9.3.1981 bei Ing. Georg R*** vorgesprochen und die Nachzahlung einer Provisionsdifferenz von S 14.746,42 verlangt. Ing. Georg R*** habe den Kläger darauf aufmerksam gemacht, daß die komplizierte Provisionsvergleichsberechnung einige Zeit in Anspruch nehmen werde. Er habe dem Kläger aber zugesagt, seine Vergleichsberechnung innerhalb einer Woche durchzuführen. Der Kläger sei damit nicht einverstanden gewesen. Die Durchrechnung der Provisionsansprüche des Klägers auf der Basis der alten Vereinbarung habe nur eine Minderzahlung von S 444,11 ergeben.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es nahm als erwiesen an, daß dem Kläger der volle Ausgleich zwischen den Provisionen der Jahre 1979 und 1980 zugesagt worden sei, und hielt daher den vorzeitigen Austritt des Klägers für berechtigt.
Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und gab der Berufung der beklagten Partei auf der Grundlage geänderter Tatsachenfeststellungen dahin teilweise Folge, daß es dem Kläger nur S 12.071,19 netto sA (an Provisionsdifferenz) zusprach und das Mehrbegehren von S 162.740,07 sA an Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung abwies.
Die zweite Instanz legte ihrer Entscheidung folgenden wesentlichen Sachverhalt zugrunde:
Dem Abschluß der Betriebsvereinbarung vom 31.3.1980 ging eine Tagung aller Provisionsvertreter der beklagten Partei ("Verkaufstagung") im März 1980 voraus, bei der der Inhalt der abzuschließenden Provisionsvereinbarung vorgestellt und darüber diskutiert wurde. Das neue Provisionssystem sah eine allgemeine Kürzung der Provision um den Mehrwertsteuersatz von 18 % vor, der aber durch eine gleichzeitige Preiserhöhung nahezu aller Produkte um 20 % ausgeglichen werden sollte. Der Kläger war bei dieser Tagung anwesend. Der Angestelltenbetriebsrat war durch dessen Obmann Eduard H***, die Firmenleitung durch Ing. Georg R*** und Ing. Herbert P*** vertreten. Nach Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses erhoben die Vertreter keine Einwendungen gegen die abzuschließende Betriebsvereinbarung.
Diese wurde am 31.3.1980 befristet bis 31.12.1980 abgeschlossen. Begründet wurde die Änderung des Provisionssystems mit großen Kostensteigerungen. Die schon mit der Betriebsvereinbarung vom 24.2.1975 bezweckte Verlegung der Verkäufe an Kleinkunden zur Industrie war nämlich nicht eingetreten und die mit der Abwicklung von Kleinaufträgen verbundenen Kosten hatten der beklagten Partei empfindliche Verluste gebracht. Als Gegenmaßnahme wurde daher die Provision für Lieferungen an Händler von 1 % auf 3 % angehoben, Vertreter mit umsatzstarken Anteilen an Kleinlieferungen befürchteten deshalb eine Schlechterstellung. Als wesentliche Neuerung wurde die Provision nur mehr vom Nettoumsatz berechnet. Für den Fall, daß einzelne Vertreter 1980 einen geringeren Bruttobetrag an Provisionen als 1979 erzielen sollten, wurde vereinbart, daß die Gründe für den eventuellen Rückgang vom Betroffenen, dem Angestelltenbetriebsrat und der Verkaufsleitung gemeinsam festgestellt werden sollten. Sollte die Ursache dafür im neuen Provisionssystem liegen, verpflichtete sich die beklagte Partei, dem Betroffenen den Bruttodifferenzbetrag als einmalige Sonderprämie zu bezahlen. Die Ermittlung dieser Ursache war insofern schwierig, als 1979 der Bruttofakturenwert, 1980 aber der Nettofakturenwert Provisionsbemessungsgrundlage war.
Schon vor der Verkaufstagung räumte die beklagte Partei der Firma Helmut W*** in Graz mit Schreiben vom 11.3.1980 den Status eines Vertrauenshändlers (Vertragshändlers) für die Steiermark, das südliche Burgenland, Kärnten und Osttirol mit dem Rechte ein, bei der beklagten Partei mit einem Vorzugsrabatt von 25 % einzukaufen, und übergab ihm in der Folge eine Aufstellung über ca. 500 bis 550 Kunden, mit denen im Vorjahr ein Nettoumsatz (ohne Umsatzsteuer) von 2,5 Mio. Schilling erzielt worden war. Hiebei handelte es sich vorwiegend um Kunden des Klägers und des Vinzenz S***, eines zweiten Vertreters der beklagten Partei, so daß diese beiden Vertreter durch die Umstellung auf das neue Provisionssystem besonders betroffen wurden, da ihre Provision aus den über die Fa. Helmut W*** abgeführten Geschäften nur von einem um 25 % verminderten Preis berechnet wurde. Dennoch sprachen sie sich bei der erwähnten Verkaufstagung nicht ausdrücklich gegen den Abschluß der Betriebsvereinbarung aus, obwohl sie damit zunächst nicht einverstanden waren.
Es kann nicht festgestellt werden, daß Ing. Georg R*** bei dieser Verkaufstagung dem Kläger und Vinzenz S*** garantierte, ihnen als Ausgleich für das Jahr 1980 umsatzunabhängig mindestens dieselbe Provision wie im Jahre 1979 zu bezahlen.
Etwa um den 20.1.1981 erhielt der Kläger die Provisionsabrechnung für das Jahr 1980. Er meinte, in diesem Jahr weniger als im Jahr 1979 verdient zu haben, und rief daher in den letzten Jännertagen Ing. Georg R*** an, teilte ihm mit, daß er nach seinen Unterlagen um rund S 14.000,-- weniger an Provisionen verdient habe als 1979, und bat um ein Gespräch. Ing. Georg R*** erwiderte, er komme in nächster Zeit ohnehin nach Graz zur Fa. Helmut W***; dort könnten sie dies besprechen. Als sich nichts rührte, versuchte der Kläger wiederholt, Ing. Georg R*** in der Wiener Zentrale der beklagten Partei zu erreichen, konnte ihn aber nur einmal sprechen und wurde wieder auf ein Gespräch in Graz vertröstet. In der dritten Februarwoche 1981 war der Kläger auf Urlaub. Am 27.2.1981 urgierte er bei Ing. Georg R*** wieder sein Gespräch, doch sagte dieser nur, er werde den Kläger verständigen. Am darauffolgenden Montag erfuhr der Kläger, daß Ing. Georg R*** bei der Fa. Helmut W*** in Graz sei, ohne ihn zu einem Gespräch eingeladen zu haben. Er war darüber sehr verärgert und versuchte, Ing. Georg R*** in Wien zu erreichen. Als ihm dies schließlich gelang, lehnte Ing. Georg R*** ein für Freitag vorgeschlagenes Gespräch ab, worauf der Kläger ankündigte, am Montag, den 9.3.1981 auf jeden Fall in die Zentrale der beklagten Partei nach Wien zu kommen. Bei diesem Gespräch drohte der Kläger einen vorzeitigen Austritt für den Fall der Nichterfüllung seiner Provisionsforderung nicht an.
Am 9.3.1981 kam es dann in Gegenwart der beiden Mitglieder des Angestelltenbetriebsrates der beklagten Partei, Ing. Walter H*** und Christian S***, zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und Ing. Georg R***. Der Kläger forderte Ing. Georg R*** auf, die Provisionsdifferenz zwischen 1979 und 1980 in der von ihm errechneten Höhe von S 14.766,-- sofort anzuerkennen und zu bezahlen. Ing. Georg R*** erklärte sich dazu nicht bereit, bot aber dem Kläger an, für ihn die Vergleichsberechnung zwischen den Provisionen 1979 und 1980 als ersten Vertreter durchführen zu lassen und die so ermittelte Differenz sofort zu überweisen. Ing. Georg R*** meinte, daß ihm die geforderte Provisionsnachzahlung zu hoch erscheine. Der Kläger sagte, daß er mit der Neuregelung des Provisionssystems schon im März 1980 nicht einverstanden gewesen sei, berief sich aber nicht auf eine ihm von Ing. Georg R*** gewährte Provisionsgarantie. Der Kläger ging dann in einen Nebenraum, beriet sich dort telefonisch mit dem Bezirkssekretär des ÖGB in Bruck an der Mur, der ihm zum vorzeitigen Austritt riet, und erklärte daraufhin wegen der Nichterfüllung seiner Provisionsnachforderung für 1980 den vorzeitigen Austritt. Ing. Georg R*** wollte diese Erklärung des Klägers zunächst nicht akzeptieren und verwies darauf, daß er auf Grund von Differenzen mit der Betriebsauswertungsgesellschaft in Graz, die die EDV-Verrechnung der beklagten Partei durchführte, noch nicht über die notwendigen Vergleichsziffern verfügen könne. Der Kläger blieb aber bei seinem Austritt und übergab sofort den Firmenwagen.
Mit Schreiben vom 11.3.1981 forderte der Kläger Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung, sowie vorenthaltene Provision in Höhe von S 14.746,42. Mit Schreiben vom 11.5.1981 teilte die beklagte Partei dem Kläger mit, daß ihm auf Grund der Betriebsvereinbarung vom 31.3.1980 nach der vorgenommenen Vergleichsberechnung zwischen den Jahren 1979 und 1980 eine Ausgleichszahlung von S 444,11 gebühre. Dieser Berechnung legte die beklagte Partei eine im Jahre 1980 vom Kläger verdiente Provision von S 90.723,08 und die Provision nach dem alten Provisionssystem in Höhe von S 91.167,11 zugrunde, und überwies den Differenzbetrag von S 444,11 am 2.6.1981. Die absolute Provisionsdifferenz zwischen 1979 (S 103.238,33) und 1980 beträgt S 12.515,30.
Das Berufungsgericht war der Ansicht, die Betriebsvereinbarung vom 31.3.1980 könne nur eine fakultative sein, es sei denn, daß man sie dem § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG unterstelle. Diese Frage könne jedoch auf sich beruhen, weil die beklagte Partei nicht einmal behauptet habe, daß die Betriebsvereinbarung im Betrieb durch Anschlag kundgemacht worden sei. Die Betriebsvereinbarung könne schon aus diesem Grund nicht normativ auf den Einzelvertrag des Klägers einwirken, so daß er auch nicht verpflichtet gewesen sei, sich zunächst mit dem Angestelltenbetriebsrat und der Verkaufsleitung der beklagten Partei über die Gründe des Provisionsrückganges zu beraten. Das Vorenthalten der Provisionsnachzahlung für 1980 bilde aber, ob es sich nun um einen Betrag von S 444,11 oder um den vom Kläger ermittelten Betrag von S 14.746,42 handle, keinen Austrittsgrund im Sinn des § 26 Z 2 AngG, weil der Kläger die Nichtzahlung der Provisionsdifferenz zunächst hingenommen und lediglich getrachtet habe, zu einem Gespräch mit dem kaufmännischen Direktor der beklagten Partei zu kommen. Er habe es bis zum Austrittstag unterlassen, die beklagte Partei aufzufordern, die Provisionsdifferenz von S 14.746,42 innerhalb einer von ihm gesetzten Frist zu bezahlen. Habe ein Arbeitnehmer einen Zahlungsrückstand durch längere Zeit hingenommen, verwirke er zwar nicht sein Austrittsrecht, könne aber diesen Umstand nicht zum Anlaß seines plötzlichen Austrittes machen. Vielmehr müsse er in einem solchen Fall den Arbeitgeber unter, wenn auch kurzer Nachfristsetzung zur Bezahlung des Rückstandes auffordern und könne erst bei Nichtzahlung innerhalb dieser Frist berechtigt vorzeitig austreten.
Der Kläger habe am 9.3.1981 erstmals die sofortige Anerkennung und Überweisung der Provisionsdifferenz von S 14.746,42 gefordert, das Angebot der beklagten Partei, seine Vergleichsberechnung vorzuziehen, ausgeschlagen und sei ohne Setzung einer auch nur kurzen Nachfrist ausgetreten. Da sein vorzeitiger Austritt nicht berechtigt gewesen sei, gebühre ihm weder Kündigungsentschädigung noch Urlaubsentschädigung und Abfertigung.
Da die Betriebsvereinbarung vom 31.3.1980 auf den Einzelarbeitsvertrag des Klägers nicht eingewirkt habe, gebühre ihm die Provision auf der Grundlage der von ihm anerkannten früheren Betriebsvereinbarung vom 24.2.1975, so daß ihm noch ein Betrag von S 12.071,19 zustehe.
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt, wohl aber die auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei.
Rechtliche Beurteilung
1.) Zur Revision des Klägers:
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 23 ArbGG).
Gemäß § 26 Z 2 AngG ist es als wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritt berechtigt, anzusehen, wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zukommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält. Unter "Schmälerung" versteht man die einseitige rechtswidrige Herabsetzung des dem Angestellten zukommenden Entgelts, wobei es gleichgültig ist, ob dies durch Verletzung eines Gesetzes, eines Kollektivvertrages oder einer Einzelvereinbarung geschieht (Martinek-Schwarz, AngG 6 562 f;
Arb 6193). Es ist auch, wie die Revision zutreffend ausführt,
gleichgültig, ob das Entgelt in Benachteiligungsabsicht, aus
Nachlässigkeit oder aus Unvermögen des Arbeitgebers geschmälert oder
zurückgehalten wird (Martinek-Schwarz aaO 563; Arb 8297, 9956,
10.147). Der Tatbestand ist aber nur dann erfüllt, wenn der
Arbeitgeber wußte oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, daß seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist (Martinek-Schwarz aaO; Arb 9082, RdA 1979, 224; auch Arb.10.147). Durch eine bloß objektive Rechtswidrigkeit, die insbesondere dann vorliegt, wenn über das Bestehen eines Anspruches verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines hierüber zu führenden Rechtsstreites nicht abzusehen ist, wird der Tatbestand des § 26 Z 2 AngG nicht erfüllt (Martinek-Schwarz aaO; Arb.9.082, 10.147; zu allem auch 4 Ob 73/85).
Die Rechtsrüge des Revisionswerbers geht von einer Fälligkeit der vom Kläger begehrten Provisionsnachzahlung mit Ende Jänner 1981, von einem absichtlichen Hinhalten des Klägers bei der Ermittlung der Höhe der Nachzahlung, oder mindestens von einer fahrlässigen Verzögerung der Ermittlung und Bezahlung aus. Der Revisionswerber läßt damit außer acht, daß der von ihm zunächst mit S 14.746,72 geltend gemachte und während des Verfahrens auf S 12.505,30 (abzüglich einer Teilzahlung von S 444,11) eingeschränkte Provisionsanspruch strittig ist, so daß, wie bei der Revision der beklagten Partei noch auszuführen sein wird, nicht einmal im bisherigen Verfahren geklärt werden konnte, welcher Betrag dem Kläger noch gebührt.
Die zwischen den Streitteilen strittige Provisionsdifferenz haben zwei Ursachen: Zum einen die Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Provisionssystem, die bei gleichem Geschäftserfolg in aller Regel zu einer unterschiedlich hohen Gesamtprovision führen müßten, und zum anderen die Tatsache, daß die beklagte Partei im Verkaufsgebiet des Klägers nahezu gleichzeitig mit der Änderung des Provisionssystems einen Vertrauenshändler einsetzte; auch diese Maßnahme, die nicht Gegenstand der Betriebsvereinbarung vom 31.3.1980 war, konnte zu einer Änderung der Provisionseinkünfte des Klägers führen, obwohl er für die Direktgeschäfte dieses Händlers weiterhin Provision bezog.
Da das neue Provisionssystem auf einer zwischen der beklagten Partei und dem Angestelltenbetriebsrat des Unternehmens zustandegekommenen schriftlichen Betriebsvereinbarung (Beilage 3) beruhte und dem Abschluß dieser Betriebsvereinbarung außerdem eine Verkaufstagung aller Provisionsvertreter vorausging, bei der diese gegen das dort vorgestellte neue Provisionssystem keine Einwendungen erhoben, durften die Organe der beklagten Partei mit guten Gründen von der Verbindlichkeit der damals getroffenen Vereinbarungen ausgehen, sei es, daß es sich um eine zulässige Betriebsvereinbarung im Sinne des ArbVG mit normativer Wirkung, oder wenigstens um eine einverständliche Abänderung der mit den Vertretern bestehenden einzelnen Arbeitsverträge handelte. Die Frage des Rechtsbestandes der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung und ihrer Wirkung auf das Dienstverhältnis des Klägers muß daher nicht geprüft werden. Der kaufmännische Direktor der beklagten Partei, Ing. Georg R***, durfte bei dieser Sachlage, ohne daß ihm deshalb Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre, den Standpunkt vertreten, daß die Provisionen der Vertreter zunächst nur nach den in der neuen Betriebsvereinbarung ausgehandelten Grundsätzen zu berechnen und zu bezahlen seien. Er mußte nicht schon nach Jahresende 1980 von sich aus Vergleichsberechnungen bei allen jenen Vertretern anstellen lassen, deren Provisionseinkommen im Jahre 1980 im ganzen niedriger war als im Jahre 1979, sondern durfte davon ausgehen, daß es in strittigen Fällen zu einer gemeinsamen Feststellung der Gründe für den Provisionsrückgang durch die Betroffenen, den Angestelltenbetriebsrat und den Verkaufsleiter im Sinne der Betriebsvereinbarung kommen werde. Die beklagte Partei traf daher am 9.3.1981 kein subjektiv vorwerfbarer Verzug mit der Durchführung der Vergleichsberechnung, so daß der Vorwurf des Revisionswerbers, die ihm gebührende Provisionsdifferenz sei schon längst fällig gewesen und hätte auch schon ziffernmäßig berechnet werden können, ins Leere geht.
Der Kläger hat, als er Ing. Georg R*** in den letzten Jännertagen erstmals wegen des Minderverdienstes an Provision anrief, nicht behauptet, daß die beklagte Partei ihm gebührende Provisionen vorenthalten habe, sondern - im Sinne seines im Rechtsstreit widerlegten Standpunktes einer umsatzunabhängigen Provisionsgarantie - lediglich, daß er im Jahre 1980 "um rund S 14.000,-- weniger an Provisionen verdient habe." Der Kläger hat daher damals keine konkrete Forderung auf Nachzahlung wirklich vorenthaltener Beträge gestellt, und er konnte bei richtiger Beurteilung der Rechtslage einen Verhandlungstermin auch nur über das Thema des Minderverdienstes und die deshalb allenfalls zu gewährende Sonderprämie anstreben. Er kann schon aus diesem Grunde aus dem verzögerten Zustandekommen des Besprechungstermins nichts für sich ableiten.
Da nicht erwiesen ist, daß Ing. Georg R*** dem Kläger bei der Verkaufstagung im März 1980 zugesagt hat, für das Jahr 1980 umsatzunabhängig mindestens dieselbe Provision wie für das Jahr 1979 zu bezahlen, steht im derzeitigen Verfahrensstadium nicht einmal objektiv das Vorenthalten eines dem Kläger zukommenden Entgelts fest, wenn man von dem von der beklagten Partei später errechneten geringfügigen Betrag von S 444,11 absieht. Der von Ing. Georg R*** auf Grund der ultimativen Forderung des Klägers geäußerte Zweifel, der verlangte Betrag von S 14.742,42 erscheine ihm zu hoch, fand im bisherigen Verfahren jedenfalls insoweit eine Bestätigung, als der Kläger seine Forderung nach Einholung eines Sachverständigengutachtens auf S 12.505,-- (abzüglich der geleisteten Teilzahlung von S 444,11) einschränkte. Wenn Ing. Georg R*** in dieser Situation, in der ein allfälliger Anspruch des Klägers auf eine einmalige Sonderprämie nicht sofort zu ermitteln war, anbot, die den Kläger betreffende Vergleichsberechnung zwischen dem alten und neuen Provisionssystem vorzuziehen, handelt er nach dem Sinn der in der Betriebsvereinbarung für solche Fälle getroffenen Vereinbarung. Durch die Vergleichsberechnung sollte ja, so wie durch ein Gespräch zwischen Betroffenem, Angestelltenbetriebsrat und Verkaufsleitung, festgestellt werden, ob das neue Provisionssystem überhaupt Ursache für den Minderverdienst des Klägers war. Die Nichterfüllung der vom Kläger gestellten Forderung, den Betrag von S 14.742,42 sofort anzuerkennen und zu bezahlen, bildete daher jedenfalls keine ungebührliche Schmälerung seines Entgelts, weil es sich um einen Anspruch handelte, über dessen Bestehen verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden konnten und dessen ziffernmäßige Höhe zudem nur mit erheblichen Schwierigkeiten zu ermitteln war. Sollte die bei der späteren Vergleichsberechnung ermittelte Restforderung des Klägers in Höhe von S 444,11 den Tatsachen entsprechen, läge aus dem Rechtsgrund der Abänderung des Provisionssystems auch objektiv keine nennenswerte Schmälerung des Entgelts des Klägers vor.
Möglich ist allerdings, daß das dem Kläger gebührende Provisionsentgelt (objektiv) auch dadurch geschmälert wurde, daß die beklagte Partei in seinem Verkaufsgebiet die Fa. Helmut W*** als Vertrauenshändler (Vertragshändler) mit Sonderkonditionen einsetzte. Nach den Behauptungen der beklagten Partei soll allerdings dem Kläger dadurch kein Nachteil entstanden sein, weil ihm für alle Lieferungen an diesen Händler höhere Provisionssätze gewährt wurden (AS 21). Nach Ansicht des bestellten Buchsachverständigen läßt sich weder eine Benachteiligung des Klägers, noch das Gegenteil beweisen (AS 115, 138 f). Erst auf Grund verschiedener Hypothesen kam der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten zum Ergebnis, daß der Kläger 1980 höhere Provisionen erhalten hätte, wenn die Fa. W*** nicht als Vertragshändler eingesetzt worden wäre (AS 149 ff). Wenn auch das Berufungsgericht dazu noch keine Feststellungen getroffen hat, zeigt schon der bisherige Verfahrensgang die Schwierigkeiten, die die Beurteilung dieser Frage aufwirft. Daraus folgt, daß die Parteien auch über das Bestehen eines Provisionsmehranspruchs aus dem Rechtsgrund der Einschaltung eines Zwischenhändlers mit guten Gründen verschiedene Rechtsmeinungen vertreten konnten und der Ausgang eines diesbezüglichen Rechtsstreites nicht absehbar war. Es liegt daher auch in diesem Punkt, den der Kläger ohnehin nur undeutlich geltend macht und nach den Feststellungen der zweiten Instanz bei den Verhandlungen am 9.3.1985 nicht berührt hat, kein ungebührliches Vorenthalten von Provisionsbezügen vor.
2.) Zur Revision der beklagten Partei:
Da nicht festgestellt werden konnte, daß Ing. Georg R*** dem Kläger garantiert hat, ihm für das Jahr 1980 umsatzunabhängig mindestens dieselbe Provision wie im Jahre 1979 zu bezahlen, gebührt dem Kläger der noch geforderte Provisionsbetrag von S 12.071,19 sA jedenfalls nicht aus dem Titel einer absoluten Provisionsgarantie. Sowohl die Annahme des Berufungsgerichtes, die Betriebsvereinbarung vom 31.3.1980 wirke wegen Formmängeln nicht auf den Einzelvertrag des Klägers ein, als auch die Anwendung dieser Betriebsvereinbarung mit der darin enthaltenen Klausel über die Zahlung einer Sonderprämie an Vertreter, die 1980 eine geringere Bruttoprovision als 1979 erzielen sollten, führt dann jedoch zum selben Ergebnis:
Der Kläger ist in beiden Fällen nicht einfach gleich wie im Vorjahr zu stellen, sondern so als ob auf die im Jahr 1980 getätigten Geschäfte die Provisionssätze der von ihm anerkannten Betriebsvereinbarung vom 24.2.1975 anzuwenden wären, sofern sich daraus eine Mehrprovision ergibt. Vom Berufungsgericht wurde aber nicht festgestellt, welchen Betrag diese Vergleichsberechnung tatsächlich ergibt, sondern nur, welchen geringeren(?) Betrag die beklagte Partei bei dieser Vergleichsberechnung ermittelt hat (der Sachverständige hält allerdings diesen Betrag für rechnerisch richtig, AS 115, 196). Eine Aufhebung der Entscheidung der zweiten Instanz im stattgebenden Teil der Entscheidung ist aber schon deshalb unumgänglich, weil der Kläger den Anspruch auf Zahlung von S 12.071,19 auch auf jenen Provisionsentgang stützt, der - unabhängig vom gleichzeitigen Wechsel des Provisionssystems - durch die von der beklagten Partei einseitig angeordnete Maßnahme der Bestellung eines Vetragshändlers in seinem Vekaufsgebiet eingetreten sein soll (§ 11 Abs 2 AngG). Zu diesem Klagsgrund fehlt es an ausreichenden Feststellungen über Grund und Höhe des Anspruches. Sollte die Höhe des Anspruches schwer feststellbar sein, erscheint die Anwendung des § 273 ZPO angezeigt. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs.2 ZPO.
Anmerkung
E09363European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00131.86.0930.000Dokumentnummer
JJT_19860930_OGH0002_0140OB00131_8600000_000