TE OGH 1986/9/30 10Os78/86

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Veröffentlicht am 30.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.September 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Reinhold J*** wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 24.März 1986, GZ 11 Vr 3958/85-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Nachtnebel, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der jugendliche Angeklagte Reinhold J*** des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes kam es am 13. September 1985 in einem Lokal in Klagenfurt vorerst zu einer (folgenlos verlaufenen) Auseinandersetzung zwischen Stefan B*** und Christian T***. Als letzterer das Lokal verließ, folgten ihm Karl Ferdinand J*** (ein Bruder des Angeklagten), Stefan B***, der Angeklagte und dessen zwei unbekannt gebliebene Begleiter. Vor dem Lokal wurde T*** von Karl Ferdinand J*** festgehalten, während ihm B*** und einer der beiden unbekannt gebliebenen Burschen Faustschläge ins Gesicht versetzten, wodurch T*** - nach den Urteilsannahmen "offensichtlich" bereits zu diesem Zeitpunkt - einen Nasenbeinbruch erlitt. Nachdem Karl Ferdinand J*** den sich wehrenden T***, der bereits aus der Nase blutete, kurz losgelassen und der Angeklagte durch eine der Abwehrbewegungen T***'S einen Schlag gegen die Nase abbekommen hatte, wurde jener neuerlich von Karl Ferdinand J*** festgehalten, wobei B*** und der erwähnte Unbekannte auf ihn einschlugen, nunmehr aber auch der Angeklagte, der ihm einen Faustschlag gegen den Rücken versetzte. Als T*** schließlich zu Boden gefallen war, wurde er von dem unbekannten Burschen noch mit den Füßen mißhandelt. T*** erlitt eine Rißquetschwunde im Bereich der linken Augenbraue, Hautabschürfungen über beiden Jochbögen, eine Schleimhautwunde im rechten Mundwinkel sowie einen Bruch des Nasenbeines im körperfernen Drittel mit Verschiebung der Bruchstücke. Die Bruchstücke mußten, um eine Luftdurchlässigkeit zu gewährleisten und ein nachteiliges Aussehen der Nase zu vermeiden, im Landeskrankenhaus (Klagenfurt) operativ unter Narkose wieder eingerichtet werden und überdies mußten beide Nasengänge auftamponiert sowie zusätzlich ein Nasengips angelegt werden. T*** blieb vom 14. bis 23.September 1985 in stationärer Behandlung im Krankenhaus, seine Gesundheitsstörung betrug jedoch nicht mehr als 24 Tage.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5), die das Fehlen einer präzisen Feststellung darüber vermißt, daß der Nasenbeinbruch T***'S bereits vorlag, bevor ihm der Angeklagte den Faustschlag gegen den Rücken versetzte, geht fehl. Denn dem Urteil ist ohnedies unzweifelhaft zu entnehmen, daß das Erstgericht von dieser Tatsachenannahme ausging. Es konstatierte nämlich, daß der Angeklagte auf den "bereits Verletzten" einschlug (US 3), der in dieser Phase des Geschehens bereits "stark aus der Nase blutete" (US 2), dessen schwere Verletzung "nicht durch sein (des Angeklagten) Eingreifen verursacht wurde und offensichtlich auch bereits zuvor eingetreten war" (US 5), womit es erklärtermaßen die Verantwortung des Angeklagten, daß seiner Meinung nach die Verletzung T***'S vor seinem Faustschlag eingetreten war, auch zur Feststellungsgrundlage machte (US 4).

Auch der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) kommt keine Berechtigung zu.

§ 91 StGB verfolgt den Zweck, allein schon die tätliche Teilnahme an einer Schlägerei oder an einem Angriff mehrerer als erfahrungsgemäßer Gefahrenquelle für die körperliche Sicherheit zu pönalisieren, und wurde deshalb als "reines Gefährdungsdelikt" konzipiert. Lediglich aus der Erwägung, Mittel des Strafrechtes möglichst sparsam einzusetzen, wurde die Strafbarkeit für die bereits an sich vorwerfbare und strafwürdige Teilnahme an einem Raufhandel an die objektive Bedingung des Eintrittes einer durch diesen Raufhandel verursachten schweren Körperverletzung (oder des Todes) einer anderen Person geknüpft (EBRV 30 d.Beil. zu den sten.Prot.d.NR 13.GP, S 221 f; Leukauf-Steininger, Komm. 2 RN 1, 12 zu § 91, Foregger-Serini, StGB 3 , Erl. I, IV zu § 91, Mayerhofer/Rieder, StGB 2 , Anm. 4 zu § 91).

Strafgrund ist demnach nicht etwa (wie vormals nach §§ 143, 157 StG) der Verdacht einer Urheberschaft des Teilnehmers an einer bestimmten Verletzungsfolge (in Verbindung mit Beweisschwierigkeiten), sondern schon die generelle und abstrakte Gefährlichkeit des Raufhandels schlechthin, deretwegen jede Teilnahme daran pönalisiert wird, ohne daß dabei - wie Kienapfel (BT I 2 RN 1 zu § 91 sowie in RZ 1984, 286) vermeint - für jeden einzelnen Teilnehmer doch immerhin die zumindest theoretische (abstrakte) Möglichkeit gegeben sein müßte, daß seine schuldhafte Beteiligung die (zur Strafbarkeit aller Teilnehmer vorauszusetzende) schwere Folge des konkreten Raufhandels (mit-)verursacht haben könnte. Dementsprechend kommt eine bei abstrakten Gefährdungsdelikten gewiß grundsätzlich aktuelle teleologische Tatbestandsreduktion um solche Fallkonstellationen, bei denen in concreto jede Möglichkeit einer Gefährdung des tatbestandlichen Schutzobjektes absolut ausgeschlossen ist (vgl. Jescheck 3 , S 212; idS 10 Os 139/85 = ÖJZ-LSK 1986/46 zu § 298 Abs. 1 StGB, EvBl. 1983/113 zu § 223 StGB ua), beim Vergehen nach § 91 StGB nach der klaren Absicht des Gesetzgebers nicht in Betracht; nur dann ist die tatsächliche Teilnahme an einem Raufhandel straflos, wenn durch diesen Raufhandel in seiner Gesamtheit keine (wenigstens) schwere Verletzung eines anderen verursacht wird; darauf hingegen, ob gerade der jeweils zu beurteilende Tatbeitrag eines bestimmten Teilnehmers für die schwere Verletzung kausal war, oder immerhin theoretisch hätte sein können, kommt es darnach nicht an, sodaß es für dessen Strafbarkeit ohne Belang ist, ob letztere vor, während oder nach seiner Teilnahme eintrat, sofern dies nur im Verlauf desselben Raufhandels geschah (vgl. abermals EBRV aaO).

Sohin haftet jeder Teilnehmer an einem Raufhandel für die durch letzteren verursachte schwere Verletzung (oder den Tod) eines anderen selbst dann, wenn er erwiesenermaßen nicht als Urheber dieser schweren Verletzung (oder des Todes) in Betracht kommt (EvBl. 1976/45 = ÖJZ-LSK 1975/120, JBl. 1982, 328, 11 Os 26/86 uva). Wenn einer der mehreren Teilnehmer am Raufhandel als Urheber des schweren Erfolges ermittelt werden konnte, ist zwar er wegen des vorsätzlichen Körperverletzungs-(oder Tötungs-)deliktes zu bestrafen, für die weiteren Teilnehmer am Raufhandel bleibt jedoch nichtsdestoweniger die Haftung nach § 91 StGB bestehen (Leukauf-Steininger aaO RN 16, 18). Nur dann, wenn der erwähnte schwere Erfolg vor dem Einsetzen der Schlägerei, d.i. der Auseinandersetzung von mindestens drei Personen oder vor dem Angriff mehrerer, das ist der aktiven Teilnahme mindestens zweier Personen auf einer Seite (vgl. JBl. 1982, 328; SSt. 47/25, RZ 1976/96) oder erst nach dem Ende eines solchen Raufhandels eintrat, kommt eine Haftung nach § 91 StGB mangels eines durch die Schlägerei oder den Angriff mehrerer verursachten schweren Erfolges nicht in Betracht (vgl. EvBl. 1984/86 = RZ 1984/98).

Der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider ist er demnach für seine Beteiligung an jenem Raufhandel, bei dem T*** schwer verletzt wurde, nach § 91 Abs. 1 StGB ungeachtet dessen verantwortlich, daß letzterer diese Verletzung schon vor seiner eigenen tätlichen Teilnahme daran erlitt.

Inwieweit die vom Gesetzgeber gewählte Konzeption der in Rede stehenden Strafbestimmung verfassungswidrig sein sollte, ist nicht ersichtlich. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher insoweit zu einer (vom Beschwerdeführer angeregten) Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof nicht veranlaßt.

Unberechtigt ist die Rechtsrüge auch, soweit sie sich gegen die Beurteilung der Verletzung T***'S als schwer wendet. Zwar ist ein Nasenbeinbruch nicht unter allen Umständen als an sich schwere Verletzung anzusehen, wohl aber bei einer Verschiebung der Bruchstück (vgl. ÖJZ-LSK 1975/215 uvam), wozu vorliegend noch kommt, daß die Einrichtung der verschobenen Bruchstücke mittels einer Operation unter (allgemeiner) Narkose vorgenommen werden (vgl. 12 Os 11/63) und (überdies) beide Nasengänge auftamponiert und ein Nasengips angelegt werden mußten. Die vom Beschwerdeführer zitierte (kassatorische) Entscheidung (ZVR 1961/59) steht mit dieser Beurteilung durchaus im Einklang, lag ihr doch ein Nasenbeinbruch ohne nennenswerte Dislokation der Bruchstücke zugrunde, bei der erst zu klären war, ob sonstige Umstände zur Annahme einer an sich schweren Verletzung führen könnten. Darauf aber, ob von der Verletzung "nachteilige Folgen zurückgeblieben" sind, kommt es entgegen der Beschwerdeauffassung nicht an.

Aus den angeführten Gründen war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E09256

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00078.86.0930.000

Dokumentnummer

JJT_19860930_OGH0002_0100OS00078_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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