Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am 4. November 1980 verstorbenen Hans P***, zuletzt wohnhaft Wien 19., Hohe Warte 17, vertreten durch den erbserklärten Erben mj. Hans Christoph L***, dieser vertreten durch Dr. Walter Kausel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Hannes N***, Kaufmann, Wien 1., Parkring 18, vertreten durch Dr. Walter Schuppich und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer (Streitwert 2 Mill. S), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 11. Juli 1986, GZ. 5 Nc 37/84-23, womit dem Bezirksgericht Döbling die Leistung von Rechtshilfe an das Handelsgericht Wien aufgetragen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Zum Beweis für von ihm aufgestellte Prozeßbehauptungen hat der Beklagte die Beischaffung des Aktes 3 A 669/80 des Bezirksgerichtes Döbling beantragt. Dem Ersuchen des Erstgerichtes auf Übersendung dieses Aktes hat das Bezirksgericht Döbling nicht entsprochen und zwar mit der Begründung, einerseits werde der Akt dort benötigt und andererseits sei dem Beklagten im Verlassenschaftsverfahren Akteneinsicht verwehrt worden. Es gehe nicht an, daß der Beklagte diese Einsicht auf dem Umweg einer Übersendung des Aktes an das Handelsgericht Wien erlange.
Einen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien, der den Antrag auf Entscheidung nach § 37 JN zurückwies, hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 11. Oktober 1984, 7 Ob 646/84, aufgehoben. Er hat hiebei die Rechtsansicht vertreten, im vorliegenden Fall habe das Bezirksgericht Döbling die vom Handelsgericht Wien erbetene Rechtshilfe verweigert. In analoger Anwendung des § 47 JN habe das Oberlandesgericht Wien über die Rechtmäßigkeit der Weigerung des ersuchten Gerichtes zu entscheiden. Der Gerichtsvorsteher jenes Gerichtes, dessen Akt übersendet werden soll, könne nur über die Frage der Akteneinsicht bei seinem eigenen Gericht entscheiden. Ob Akteneinsicht beim ersuchenden Gericht zu gewähren sei, habe dieses zu entscheiden. Allenfalls sei der Vorsteher dieses Gerichtes hiezu berufen.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat nunmehr das Oberlandesgericht Wien ausgesprochen, daß das Bezirksgericht Döbling dem Handelsgericht Wien Rechtshilfe in Form der Übersendung des Aktes zu leisten hat. Der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes folgend erklärte es sich nunmehr in analoger Anwendung des § 47 JN für die begehrte Entscheidung zuständig. Die Beurteilung der Frage, ob in einen von einem anderen Gericht beigeschafften Akt einer in bezug auf diesen Akt als dritter zu bezeichnenden Person Einsicht zu gewähren sei oder nicht, habe jenes Gericht zu entscheiden, das um die Übersendung des Aktes ersucht hat. Da das Oberlandesgericht Wien bei seiner Entscheidung nur das zu beachten habe, was das ersuchte Gericht vorzunehmen hätte, könne es nicht prüfen, ob das ersuchende Gericht Akteneinsicht zu gewähren habe oder nicht.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt. Was die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien für die Fällung der von ihm begehrten Entscheidung anlangt, kann auf den Beschluß vom 11. Oktober 1984, 7 Ob 646/84, verwiesen werden. Die Klägerin macht in ihrem Rekurs ausschließlich Gründe geltend, die gegen die Gewährung der Akteneinsicht an den Beklagten sprechen sollen. Wie der Oberste Gerichtshof jedoch bereits in der zitierten Entscheidung ausgesprochen hat, betrifft die angefochtene Entscheidung eine Frage der Gewährung der Rechtshilfe durch Übersendung eines Aktes und nicht eine Frage der Akteneinsicht. Das Oberlandesgericht Wien hatte hier lediglich zu prüfen, ob das ersuchte Gericht (Bezirksgericht Döbling) berechtigt war, das Rechtshilfeersuchen des Handelsgerichtes Wien abzulehnen oder nicht. Es durfte daher bei seiner Entscheidung nur jene Umstände berücksichtigen, die auch das ersuchte Gericht zu berücksichtigen hat. Grundsätzlich ist dem ersuchten Gericht die Prüfung der Zweckmäßigkeit und der prozessualen Richtigkeit des Rechtshilfeersuchens versagt (ÖAmtsVmd 1984, 49 8 Nd/86, 2 Nd 509/83 ua.). Dies hat der Oberste Gerichtshof im übrigen schon in seiner bereits erwähnten Entscheidung in diesem Verfahren klar zum Ausdruck gebracht, indem dort ausgeführt wurde, daß erst nach Übersendung der Akten an das ersuchte Gericht von diesem entschieden werden kann ob Akteneinsicht zu gewähren ist oder nicht. Die im Rekurs angestellten Erwägungen waren daher vom Oberlandesgericht Wien bei seiner Entscheidung nicht in Betracht zu ziehen. Insbesondere durfte das Oberlandesgericht Wien nicht prüfen, ob durch eine allfällige Gewährung der Akteneinsicht an den Beklagten wesentliche Interessen der Klägerin verletzt werden könnten. Diese Frage hat ausschließlich das Prozeßgericht (Handelsgericht Wien) zu entscheiden. Es ergibt sich sohin, daß sämtliche der im Rekurs angeführten Umstände keinerlei Einfluß auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien haben konnten. Gründe, die dem Rechtshilfeersuchen grundsätzlich entgegenstehen würden, wie etwa örtliche Unzuständigkeit des Gerichtes oder Unzulässigkeit des Rechtsweges, werden im Rekurs gar nicht behauptet. Allfällige, mit der Akteneinsicht durch den Beklagten für die Klägerin verbundene Nachteile kann aber, wie bereits oben dargelegt wurde, nur das Prozeßgericht in seine Erwägungen miteinbeziehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.
Anmerkung
E09406European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00663.86.1002.000Dokumentnummer
JJT_19861002_OGH0002_0070OB00663_8600000_000