TE OGH 1986/10/2 7Ob627/86

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Veröffentlicht am 02.10.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth P***, Laborhelferin, Leverkusen 3, Am Weidenbusch 13, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Dietmar Ritzberger und Dr. Erich Janovsky, Rechtsanwälte in Schwaz, wider die beklagte Partei Melitta W***, Friseurin, Schwaz, Knappenanger 11, vertreten durch Dr. Oswin Bakay, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung, Abgabe einer Willenserklärung und Zahlung (Gesamtstreitwert S 340.360,71), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 29. April 1986, GZ 5 R 150/86-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. Februar 1986, GZ 6 Cg 18/85-25, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.901,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.081,95 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat der Beklagten - ihrer Schwiegertochter - mit dem am 11.7.1984 vom Notar Dr. Norbert Forster errichteten Kaufvertrag die Liegenschaft EZ 447 II, KG Schwaz, zum Pauschalkaufpreis von insgesamt S 305.000,- verkauft. Dabei verpflichtete sich die Beklagte, sämtliche mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung des Vertrages verbundenen Kosten und Gebühren einschließlich der Grunderwerbssteuer zur Gänze allein und ohne Abzug vom Kaufpreis zu bezahlen.

Mit der am 23.1.1985 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin

1. die Feststellung, daß der die Liegenschaft EZ 447 II, KG Schwaz, betreffende Kaufvertrag der Streitteile aufgehoben sei;

2. die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Herausgabe der Originalurkunde über den zu 1. angeführten Vertrag an die Klägerin einzuwilligen;

3. die Beklagte zur Bezahlung von S 15.360,17 (kapitalisierte Zinsen aus dem Zeitraum vom 15.9.1984 bis 23.1.1985) samt 14,25 % Zinsen aus S 305.000,- seit 23.1.1985

zu verurteilen.

Die Klägerin brachte hiezu vor, die Beklagte habe ungeachtet der von ihr übernommenen Verpflichtung weder die ihr in der Höhe von S 3.070,- vorgeschriebenen Gebühren für die grundverkehrsbehördliche Genehmigung noch die Grunderwerbssteuer in der Höhe von S 6.234,-

beglichen. Eine am 19.12.1984 erfolgte Aufforderung, die Angelegenheit in der Kanzlei des Klagevertreters zu regeln, sei von der Beklagten mißachtet worden. Mit Schreiben vom 8.1.1985 habe die Klägerin daraufhin unter Setzung einer Nachfrist von acht Tagen den Rücktritt vom Vertrag erklärt und von der Beklagten verlangt, in die Herausgabe der bei Dr. Forster befindlichen Originalvertragsurkunde an die Klägerin einzuwilligen. Da der genannte Notar nach den Vertragsbestimmungen ermächtigt sei, den Kaufvertrag ohne Sicherung der Kaufpreiszahlung verbüchern zu lassen und die Klägerin mit der Beklagten für die zu entrichtende Grunderwerbssteuer solidarisch hafte, bestehe ein erhebliches rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Vertragsaufhebung und der Ausfolgung der Vertragsurkunde an sie. Da die Beklagte mit der Entrichtung des Kaufpreises für die Liegenschaft schuldhaft in Verzug geraten sei, habe die Klägerin zur Finanzierung des Ankaufes einer Eigentumswohnung am 15.9.1984 einen mit 14,25 % zu verzinsenden Bankkredit aufnehmen müssen. Die Beklagte habe der Klägerin den "Zinsschaden" zu ersetzen. Nachdem im Sommer 1985 erfolgte Bemühungen, eine vergleichsweise Regelung herbeizuführen, ohne Erfolg geblieben seien, habe die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 16.9.1985 letztmalig zur Erfüllung des Vertrages binnen 14 Tagen aufgefordert, widrigenfalls am bereits erklärten Vertragsrücktritt festgehalten werde. Die Beklagte sei mittellos und nicht kreditwürdig. Sie sei aus diesem Grund nicht in der Lage, den Kaufpreis aufzubringen. Die Klägerin habe jedes Vertrauen zur Beklagten verloren.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, den Streitteilen sei von Anfang an bewußt gewesen, daß die Beklagte den Kaufpreis für die Liegenschaft sich nur durch Aufnahme eines Bankkredites beschaffen könne, wobei vorgesehen gewesen sei, zugunsten der geldgebenden Bank gleichzeitig mit der Verbücherung des Kaufvertrages ein Hypothekarpfandrecht zu begründen, und zwar Zug um Zug gegen Auszahlung des zur Aufbringung des Kaufpreises bestimmten Kredites. In der Folge habe die Klägerin die Kreditgewährung sabotiert. Da für die Bezahlung des Kaufpreises eine bestimmte Frist nicht bedungen worden sei, könne ein Vertragsrücktritt nicht mit Erfolg auf einen Verzug der Beklagten bei der Entrichtung des Kaufpreises gestützt werden. Auch dem von der Klägerin in Anspruch genommenen Ersatz eines Zinsschadens stehe dieser Umstand entgegen. Der am 8.1.1985 von der Klägerin erklärte Vertragsrücktritt sei zu Unrecht erfolgt, weil die grundverkehrsbehördliche Gebühr zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten bereits entrichtet gewesen und eine Grunderwerbssteuer nicht angefallen sei. Die Abwicklung des mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrages wäre möglich gewesen, wenn die Klägerin an dem ins Auge gefaßten Weiterverkauf der Liegenschaft an Hans H*** "gehörig mitgewirkt" hätte. Das Feststellungsbegehren sei unzulässig, da eine Leistungsklage möglich sei. Das Begehren auf Einwilligung der Beklagten in die Herausgabe der Originalurkunde an die Klägerin sei unnötig, weil es niemandem schade, wenn die Urkunde beim Notar liegen bleibe. Im übrigen sei der Notar Dr. Forster zu einer Herausgabe der Urkunde ohnehin nicht bereit. Die den Gegenstand des Vertrages bildende Liegenschaft sei inzwischen nicht mehr lastenfrei und könne von der Klägerin daher nicht im Sinne der vertraglichen Vereinbarungen an die Beklagte übergeben werden. Der zur Aufbringung des Kaufpreises erforderliche Bankkredit sei inzwischen bewilligt worden.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:

Bei Abfassung des Kaufvertrages vom 11.7.1984 war beiden Teilen klar, daß der Kaufpreis von der Beklagten nicht aus eigenen Mitteln entrichtet werden kann und daß die Beklagte daher ein Darlehen aufnehmen muß. Die Beklagte hatte diesbezüglich bereits eine Zusage der Länderbank, Filiale Schwaz. Der Vertragsverfasser Notar Dr. Norbert Forster wurde daher ermächtigt, den Kaufvertrag ohne Schuldurkunde verbüchern zu lassen. Eine von Notar Dr. Forster vorgeschlagene treuhändische Abwicklung wurde vom Ehegatten der Klägerin für nicht erforderlich erachtet. Als der Ehegatte der Beklagten kurze Zeit darauf eine Haftstrafe verbüßen mußte und sich die Beklagte nicht in der Lage fühlte, die Darlehensraten allein zurückzuzahlen, unterblieb die Darlehensaufnahme. In der Folge zahlte die Beklagte weder die Gebühren für die grundverkehrsbehördliche Bewilligung in der Höhe von S 3.070,-, noch die Grunderwerbssteuer in der Höhe von S 6.234,-, noch auch die Kosten des Notars für die Vertragserrichtung. Den zur Abdeckung der Gebühren für die grundverkehrsbehördliche Bewilligung notwendigen Betrag hatte die Beklagte dem wegen schweren Betruges und anderer Vermögensdelikte mehrfach vorbestraften Willibald K*** zur Einzahlung übergeben, der die Einzahlung jedoch offenbar nicht vorgenommen hat; die Bezahlung erfolgte schließlich im Jahre 1985. Die Grunderwerbssteuer wurde bis heute nicht bezahlt. Wegen Nichtdurchführung des Kaufvertrages erfolgte diesbezüglich eine Nullstellung durch die Finanzbehörde. Auch die Kosten des Notars für die Vertragserrichtung wurden bis heute nicht bezahlt. Mit Schreiben vom 19.12.1984 lud der Klagevertreter die Beklagte in seine Kanzlei ein, um die Angelegenheit zu regeln. Das Schreiben blieb unbeantwortet. Mit Schreiben vom 8.1.1985 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag unter Setzung einer Nachfrist von acht Tagen, innerhalb welcher die Beklagte die Grundverkehrssteuern, die Gebühren für die grundverkehrsbehördliche Bewilligung und den Kaufpreis in der Höhe von S 305.000,- zu erlegen habe. Für den Fall der Nichterfüllung wurde die Beklagte aufgefordert, in die unverzügliche Herausgabe des Kaufvertrages durch den Notar Dr. Forster einzuwilligen. Auch darauf hat die Beklagte nicht reagiert.

Die Klägerin ersuchte daraufhin den Notar um die Herausgabe der durch beide Streitteile unterfertigten Originalkaufvertragsurkunde. Am 18.1.1985 teilte das Notariat Schwaz dem Klagevertreter mit, daß die Originalvertragsurkunde nur mit Zustimmung der Beklagten ausgefolgt werden könne, daß aber eine solche Zustimmung nicht vorliege. Die Klägerin ließ nun ob der Kaufliegenschaft eine Ranganordnung für die beabsichtigte Veräußerung mit Rechtswirksamkeit bis 21.1.1986 im Grundbuch anmerken. Inzwischen hatte die Beklagte die Liegenschaft EZ 447 II KG Schwaz zum Verkauf angeboten. Als Kaufinteressent meldete sich der Steinmetz und Bildhauer Hans H*** aus Schwaz, der bereit war, für die Liegenschaft einen Kaufpreis von S 450.000,- unter der Bedingung zu bezahlen, daß ihm die Liegenschaft geräumt übergeben werde.

Derzeit wird die Liegenschaft von der Beklagten und ihrem Ehegatten bewohnt. Die auf die Liegenschaft entfallenden öffentlichen Angaben bezahlt nach wie vor die Klägerin. Mit dem Hinweis, daß es zur Durchführung des Kaufvertrages nicht gekommen sei, brachte die Klägerin gegen die Beklagte zu C 168/85 des Bezirksgerichtes Schwaz am 27.2.1985 die Räumungsklage ein. Bei der Streitverhandlung vom 29.8.1985 vereinbarten die Streitteile Ruhen des Verfahrens, um den Ausgang des gegenständlichen Verfahrens abzuwarten.

Im Hinblick auf den beabsichtigten Weiterverkauf der Liegenschaft an Hans H*** verfaßte der Notar Dr. Forster einen Kaufvertragsentwurf, in den er die Mitunterfertigung durch die Klägerin bzw. den Klagevertreter wegen des anhängigen Verfahrens aufnahm. Dieser Vertragsentwurf wurde noch von keinem Teil unterfertigt. Die Ranganmerkung für die beabsichtigte Veräußerung hatte der Klagevertreter dem Beklagtenvertreter zur Verfügung gestellt. Dieser stellte sie erst in der Streitverhandlung vom 20.1.1986 an den Klagevertreter zurück.

In der Folge ließ die Beklagte die Absicht des Weiterverkaufs der Liegenschaft an Holzer fallen, offenbar deshalb, weil sie sich nicht der Wohnmöglichkeit begeben wollte. Im November 1985 trat sie an die Filiale der Volksbank in Schwaz wegen eines Kredites zur Kaufpreiszahlung heran. Die Volksbank Schwaz schlug der Beklagten die Finanzierung über die Bausparkasse der Volksbanken vor, die jedoch nur dann möglich gewesen wäre, wenn die Beklagte Eigenmittel von 40 % aufgebracht hätte. Die Eigenmittel sollten im Wege der Aufnahme eines Privatkredites durch die Beklagte bei der Volksbank Schwaz beschafft werden. Diesbezüglich wäre die Bürgschaftsübernahme durch eine vom Ehegatten der Beklagten verschiedene Person erforderlich gewesen. Eine solche Bürgenstellung war jedoch der Beklagten nicht möglich, sodaß sie die 40 % Eigenmittel nicht beschaffen konnte und daher die Bausparfinanzierung, die an sich bewilligt war, nicht erfolgen konnte. Die Kaufpreiszahlung und die Verbücherung sind daher bis heute nicht erfolgt.

Die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin am restlichen Hälfteanteil erfolgte am 28.11.1984, sodaß die Klägerin seit diesem Zeitpunkt grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft ist.

Am 1.9.1984 bewilligte die Sparkasse Leverkusen der Klägerin auf ihrem Girokonto einen Überziehungskredit von DM 43.000,- zur Anschaffung einer Eigentumswohnung. Für diesen Kredit waren vom Erstgricht näher festgestellte Zinsen und Gebühren zu bezahlen. Mit Schreiben vom 5.7.1985 teilte der Klagevertreter dem Beklagtenvertreter mit, daß die Festsetzung der Grunderwerbssteuerschuld mit Null nur erfolgt sei, weil die Beklagte dem Finanzamt mitgeteilt habe, daß die grundverkehrsbehördliche Bewilligung noch nicht vorliege und sie deutsche Staatsbürgerin sei. Da nunmehr die grundverkehrsbehördliche Bewilligung vorliege, sei unverzüglich um Vorschreibung der Grunderwerbssteuer anzusuchen, um die Verbücherung zu ermöglichen. Der Klagevertreter ersuchte um die Übermittlung des Originals des Ranganmerkungsbeschlusses und unter Setzung einer Frist von drei Wochen umd die grundbücherliche Durchführung des Vertrages. Diese Forderung wurde von der Beklagten nicht erfüllt. Mit Schreiben vom 16.9.1985 forderte die Klägerin die Beklagte letztmalig auf, den Vertrag binnen 14 Tagen zu erfüllen, widrigenfalls am bereits erklärten Vertragsrücktritt festgehalten werde.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Klägerin habe in ihrer Klage als Rechtsgrund für den behaupteten Vertragsrücktritt den Verzug der Beklagten bei der Entrichtung der Gebühren der Grundverkehrsbehörde und der Grunderwerbssteuer ins Treffen geführt, also einen Verzug in der Erfüllung unselbständiger Nebenpflichten, deren Verletzung im Regelfall zum Vertragsrücktritt nicht berechtige. In der Folge habe die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag aber auch wegen der Nichtleistung des von der Beklagten geschuldeten Kaufpreises erklärt. Hiebei sei zu berücksichtigen, daß zwar im Vertrag eine bestimmte Frist zur Verbücherung und Entrichtung des Kaufpreises nicht festgesetzt worden sei, daß beide Teile jedoch davon ausgegangen seien, daß die Beklagte das zur Aufbringung des Kaufpreises erforderliche Geld im Wege der Darlehensaufnahme alsbald erhalte, und daß sodann die Bezahlung des Kaufpreises und die Verbücherung des Vertrages erfolgen werde. Es seien nunmehr eineinhalb Jahre seit dem Vertragsabschluß vergangen, ohne daß die Erfüllung des Vertrages durch die Beklagte auch nur absehbar sei. Die Klägerin treffe daran kein Verschulden. Die von der Beklagten in die Wege geleiteten Weiterverkaufsverhandlungen seien daran gescheitert, daß die Beklagte die Liegenschaft offenbar nicht räumen wolle, ohne Räumung aber Kaufinteressenten nicht zu finden gewesen seien. Die Beklagte versuche offensichtlich, den Schwebezustand möglichst lange hinauszuschieben, um die Liegenschaft unentgeltlich benützen zu können; dies sei der Klägerin aber nicht zumutbar. Die erfolgten Nachfristsetzungen seien unter diesen Umständen angemessen und ausreichend. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse an der von ihr begehrten Feststellung. Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes nur hinsichtlich des Zuspruches von Zinsen (Punkt 3. des Urteilsspruches) teilweise ab. Es sprach aus, daß der von der bestätigenden Entscheidung des Berufungsgerichtes betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 60.000,- übersteigt; daß der von der abändernden Entscheidung des Berufungsgerichtes betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden habe, S 15.000,- nicht übersteigt; und daß der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden habe, insgesamt S 300.000,- übersteigt. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Sei keine gewisse Zeit für die Erfüllung des Vertrages bestimmt worden, könne sie gemäß § 904, Satz 1, ABGB sogleich, nämlich ohne unnötigen Aufschub, gefordert werden. Da beide Teile davon ausgegangen seien, daß sich die Beklagte den Kaufpreis im Kreditweg beschaffen müsse, und zudem die Einholung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung notwendig gewesen sei, sei unter "ohne unnötigen Aufschub" jener Zeitraum zu verstehen, der für die Einräumung eines Hypothekarkredites und die Einholung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung erforderlich sei. Die Beklagte habe von der zur Aufbringung des Kaufpreises notwendigen Darlehensaufnahme bereits im Sommer bzw. Herbst 1984 bewußt Abstand genommen, weil ihr Ehegatte eine Haftstrafe zu verbüßen gehabt habe und sie sich nicht in der Lage gefühlt habe, das Darlehen allein zurückzuzahlen. Da zur Abwicklung der für die Aufnahme eines Hypothekardarlehens sowie der Beischaffung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung und der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes ein Zeitraum von etwa sechs Monaten ausreichend gewesen wäre, habe sich die Beklagte zum Zeitpunkt des Schreibens des Klagevertreters vom 8.1.1985 mit der Erfüllung der ihr obliegenden Verpflichtung zur Verschaffung und Anbietung des Zug um Zug mit der Verbücherung des Kaufvertrages an die Klägerin zu leistenden Kaufpreises bereits in Verzug befunden. Dieser Verzug habe die Hauptleistung und nicht nur eine vertragliche Nebenleistung betroffen und der Klägerin das Recht gegeben, nach § 918 ABGB vorzugehen. Es bedürfe keiner Erörterung, ob die im Schreiben des Klagevertreters vom 8.1.1985 gesetzte Nachfrist von (nur) acht Tagen als angemessen anzusehen sei, da die Beklagte in der Folge keine Anstalten zur Beschaffung und Entrichtung des Kaufpreises gemacht und auch nicht um eine Verlängerung der ihr eingeräumten Nachfrist angesucht habe. Über eine von den Parteien nach der Streitverhandlung vom 3.7.1985 ins Auge gefaßte Treuhandabwicklung sei letztlich, wie sich aus dem Schreiben des Klagevertreters vom 5.7.1985 und jenem des Beklagtenvertreters vom 19.7.1985 ergebe, kein Einvernehmen erzielt worden, sodaß es bei jener Rechtslage zu verbleiben habe, die durch die Rücktrittserklärung der Klägerin vom 8.1.1985 geschaffen worden sei. Die von der Beklagten im November 1985 wieder aufgenommenen Bemühungen, den der Klägerin geschuldeten Kaufpreis im Wege der Kreditaufnahme doch noch zu beschaffen, seien nicht geeignet, die Entscheidung zu ihren Gunsten zu beeinflussen, weil durch den von der Klägerin am 8.1.1985 erklärten Vertragsrücktritt der Vertrag aufgehoben und in der Folge nicht wieder in Kraft gesetzt worden sei. Die Bemühungen der Beklagten seien im übrigen ohne Erfolg geblieben. - Da sich der Notar Dr. Forster für ermächtigt erachtet habe, den Kaufvertrag vom 11.7.1984 auch "ohne Schuldurkunde", also ohne Sicherung der Kaufpreiszahlung, verbüchern zu lassen, habe die Klägerin ein rechtliches Interesse an der Herausgabe der im Besitz des Notars befindlichen Originalvertragsurkunde. Die Herausgabe der Urkunde sei vom Notar von der Einwilligung der Beklagten abhängig gemacht worden. Gegen den unter Punkt 2. des Urteils erfolgten Ausspruch bestünden daher keine rechtlichen Bedenken. Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im klageabweisenden Sinn abzuändern oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte macht geltend, das Feststellungsbegehren Punkt 1. des Urteils wäre abzuweisen gewesen, weil ein Leistungsbegehren möglich gewesen und auch gerichtlich geltend gemacht worden sei. Die Klägerin habe nämlich Klage auf Herausgabe des Kaufvertrages und - zu C 168/85 des Bezirksgerichtes Schwaz - auf Herausgabe (Räumung und Übergabe) der Liegenschaft erhoben. Mit diesen beiden Begehren sei ausreichend dokumentiert, daß der gegenständliche Kaufvertrag unwirksam sei. An der Herausgabe der Urschrift des Kaufvertrages (Punkt 2. des Urteils) habe die Klägerin kein rechtliches Interesse, da der Vertrag mangels einvernehmlicher Weisung der Parteien ohnedies nicht vom Notar herausgegeben werde, sodaß die Beklagte keine Möglichkeit habe, das Eigentumsrecht zu ihren Gunsten einverleiben zu lassen. Der Vertragsrücktritt der Klägerin sei nicht berechtigt, weil er den Vereinbarungen über die Abwicklung des Kaufes widerspreche. Die Beklagte hätte den Kaufpreis ohne weiteres aufgebracht, wenn die Klägerin an der Abwicklung des Verkaufes an Holzer mitgewirkt hätte. Da sich die Klägerin gesträubt habe, sei es der Beklagten nicht zu verdenken, sich weiterhin um die Kreditaufnahme zu bemühen. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, am Verkauf an H*** "entsprechend den Vereinbarungen" mitzuwirken. Es sei die entscheidungswesentliche Feststellung über die anschließend an die Streitverhandlung vom 3.7.1985 getroffene Vereinbarung unterblieben, nach der die Beklagte die Liegenschaft an H*** verkaufen und aus dem Erlös den Kaufpreis decken könne. Die Ausführungen der Beklagten sind nicht berechtigt. Der prozeßökonomische zweck einer Feststellungsklage ist es, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht (JBl 1979, 602). Das Feststellungsurteil soll durch Klarstellung der Rechtslage die Voraussetzungen für die weiteren Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen schaffen. Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses liegt dann vor, wenn durch das Verhalten des Beklagten eine erhebliche objektive Ungewißheit über das Bestehen des Rechts hervorgerufen wurde und diese Ungewißheit durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils beseitigt werden soll (JBl 1980, 31). Nur dann, wenn eine Leistungsklage alles bietet, was mit der Feststellungsklage angestrebt wird, bzw. wenn zumindest über das Leistungsbegehren hinausgehende Forderungen nach menschlichem Ermessen auszuschließen sind, ist die Feststellungsklage neben einer Leistungsklage unzulässig (EvBl 1969/411; JBl 1980, 31).

Die Frage, ob der zwischen den Streitteilen am 11.7.1984 abgeschlossene Kaufvertrag aufrecht oder aufgehoben ist, ist bei der Beurteilung der Berechtigung des Begehrens auf Herausgabe des Kaufvertrages (Punkt 2. des Urteils) und auf Räumung der Liegenschaft (C 168/85 des Bezirksgerichtes Schwaz) als eine wesentliche Vorfrage zu prüfen. In Rechtskraft erwächst jedoch nur die Entscheidung über den Anspruch; die einzelnen Entscheidungselemente können für sich allein nicht in Rechtskraft erwachsen. Die Vorfragenbeurteilung ist daher nicht isoliert rechtskraftfähig (Fasching, Lehrbuch, Rdz 1520). Das Gericht ist dagegen in einem Zweitprozeß bei Beurteilung einer Vorfrage an eine zwischen den Parteien ergangene rechtskräftige Entscheidung gebunden, mit der darüber als Hauptsache entschieden wurde (Fasching aaO, Rdz 1501). Das Feststellungsurteil stellt den Bestand oder Nichtbestand des anspruchsbegründenden Rechtsverhältnisses selbst rechtskräftig fest, während das Leistungsurteil den Bestand des dem Leistungsanspruch zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses nur als Vorfrage - und damit ohne Rechtskraftwirkung für die Folgeprozesse - beurteilt (Fasching aaO Rdz 1072). Die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen als Vorfrage in den beiden von der Beklagten angeführten Leistungsansprüchen der Klägerin würde daher bei weiteren Streitigkeiten der Parteien aus dem Kaufvertrag vom 11.7.1984 und dessen von der Klägerin behaupteter Aufhebung eine neuerliche Aufrollung dieser Beziehungen und deren neue und allenfalls geänderte Beurteilung nicht hindern. Daß aber nach der Entscheidung über das Räumungsbegehren der Klägerin und ihr Begehren auf Herausgabe des Kaufvertrages (richtig:

auf Zustimmung der Beklagten zur Herausgabe des Kaufvertrages durch den Notar Dr. Forster) weitere Streitfälle aus dem Kaufvertrag auszuschließen sind, kann keinesfalls gesagt werden und wird von der Klägerin auch gar nicht behauptet. Bemerkt sei im übrigen, daß das Verfahren C 168/85 des Bezirksgerichtes Schwaz offensichtlich auf Grund der oben angestellten Erwägungen ruht.

Den Rücktritt der Klägerin vom Vertrag sieht die Beklagte nach ihren Revisionsausführungen deswegen als nicht berechtigt an, weil die Klägerin vereinbarungswidrig am Weiterverkauf der Liegenschaft an H*** - aus dessen Erlös der von der Beklagten an die Klägerin zu zahlende Kaufpreis zu decken gewesen wäre - nicht mitgewirkt habe. Daß zwischen den Parteien eine Vereinbarung über eine Mitwirkung der Klägerin am Weiterverkauf der Liegenschaft an H*** zustandegekommen ist, hat aber das Erstgericht nicht festgestellt und konnte auf Grund der hiezu vorgelegten Schreiben der Parteienvertreter vom 5. und 19.7.1985, wie vom Berufungsgericht in zutreffender Weise dargelegt wurde, auch gar nicht festgestellt werden, da die Beklagte die von der Klägerin mit Schreiben vom 5.7.1985 angebotene Vereinbarung mit Schreiben vom 19.7.1985 nicht angenommen, sondern in diesem Schreiben eine andere Vereinbarung vorgeschlagen hat, die wiederum von der Klägerin nicht akzeptiert wurde (Schreiben der Klägerin vom 16.9.1985, Beilage H). Es ist keine Frage, daß der von der Klägerin mit Schreiben vom 8.1.1985 erklärte Rücktritt vom Vertrag durch das Zustandekommen der von der Beklagten behaupteten Vereinbarung gegenstandslos geworden wäre. Mangels eines derartigen Zustandekommens aber ist der Rücktritt aufrecht. Gegen die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes über die Berechtigung dieses Rücktritts bringt die Beklagte in der Revision nichts mehr vor.

Das "rechtliche Interesse" der Klägerin an der Zustimmung der Beklagten zur Herausgabe des Originals des Kaufvertrages durch den Notar Dr. Forster haben die Vorinstanzen in zutreffender Weise bejaht. Es steht fest, daß Dr. Forster ermächtigt wurde, den Kaufvertrag auch ohne Schuldurkunde - also ohne Sicherung der Kaufpreiszahlung - verbüchern zu lassen. Da Dr. Forster nicht bereit ist, den in seinen Händen befindlichen Kaufvertrag an die Klägerin ohne Zustimmung der Beklagten herauszugehen, die Beklagte diese Zustimmung aber verweigert (ON 5), ist das Begehren Punkt 2. des Spruches im Hinblick auf die Aufhebung des Kaufvertrages berechtigt. Die Revision erweist sich damit als unberechtigt, sodaß ihr ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E09408

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00627.86.1002.000

Dokumentnummer

JJT_19861002_OGH0002_0070OB00627_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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