TE OGH 1986/10/9 6Ob593/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.10.1986
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Warta und Dr. Schlosser als Richter in der Familienrechtssache Stefan L***, Maurergehilfe, 1210 Wien, Carabelligasse 5/129, vertreten durch Dr. Emil Schreiner, Rechtsanwalt in Eisenstadt, und Maria L***, Montiererin, Neckenmarkt, Mühlackerweg 6, vertreten durch Dr. Eugen Radel, Rechtsanwalt in Mattersburg, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens infolge Revisionsrekurses des Stefan L*** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgerichtes vom 22. August 1984, GZ R 268/84-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Oberpullendorf vom 8. Mai 1984, GZ F 5/83-9, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die zwischen den Parteien am 21. September 1963 geschlossene Ehe wurde mit Urteil vom 5. Juli 1983 rechtskräftig aus dem überwiegenden Verschulden des Mannes geschieden. Aus der Ehe entstammt ein am 30. Oktober 1963 geborener Sohn. Der Ehemann stellte fristgerecht den Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens. In der Tagsatzung vom 1. März 1984 schlossen die Parteien einen Vergleich, in dessen Punkt 6. sie vereinbarten, daß damit alle Ansprüche aus dem Titel der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Mitwirkung am Erwerb verglichen sind, wobei festgehalten wurde, daß hinsichtlich der Zuweisung der ehelichen Wohnung (die sich in einem beiden Teilen je zur Hälfte gehörigen Einfamilienhaus befindet) und der damit verbundenen Rechtsfragen die Entscheidung des Gerichtes weiterhin zu erfolgen hat.

Im Verfahren waren sich die vormaligen Ehegatten darüber einig, daß die eheliche Wohnung vorderhand der Ehefrau zugewiesen werden sollte. Hinsichtlich der Dauer der Zuweisung war der Mann damit einverstanden, ein Jahr mit der Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft zuzuwarten, während die Frau die Wohnung bis zu einer allfälligen Wiederverehelichung benützen wollte und daher beantragte, dem Mann zu verbieten, bis zu diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft zu stellen. Auch hinsichtlich der Höhe des Benützungsentgeltes bestanden Differenzen, die Frau wollte maximal S 1.000 pro Monat bezahlen, während der Mann ein Benützungsentgelt von S 2.000 zuzüglich der Betriebskosten begehrte. Über die Rechtsform der weiteren Benützung wurde in erster Instanz nicht verhandelt.

Das Erstgericht wies entsprechend den Anträgen beider Parteien die eheliche Wohnung der Frau zur alleinigen Benützung zu (Punkt 1.) und verpflichtete diese dem Mann, beginnend mit 19. Dezember 1983 eine Benützungsentschädigung von monatlich S 900 zuzüglich der jeweiligen Betriebskosten zu bezahlen (Punkt 2.). Dem Mann verbot es, vor dem 31. Dezember 1986 die Aufhebung des Miteigentums betreffend der Liegenschaft gerichtlich geltend zu machen (Punkt 3.). Dem Erstgericht erschien ein Teilungsverbot für ein Jahr zu gering und es hielt es für billig, den Miteigentumsanteil des Mannes bis 31. Dezember 1986 zu binden. Es meinte, in der verbleibenden Zeit könnte es beiden Parteien möglich sein, sich wegen Kaufinteressenten für die gesamte Liegenschaft umzusehen, sodaß eine Veräußerung nach dem genannten Zeitpunkt zu möglichst guten Bedingungen erfolgen könnte. In diesem Zeitraum habe außerdem die Frau Zeit genug, sich in Neckenmarkt oder Umgebung eine andere Wohnung zu suchen, weil sie ihre dort befindlichen Weingärten zu bewirtschaften und ihre in Neckenmarkt wohnhaften Eltern zu versorgen habe.

Das Rekursgericht gab den Rekursen beider Parteien Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Fortsetzung des Verfahrens auf. Es sprach ferner aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, auf Grund der Bestimmung des Punktes 6. des Vergleiches erübrige es sich, das gesamte der Aufteilung unterliegende Vermögen zu erfassen, die für die Billigkeitserwägung bestimmenden Umstände zu erheben und sie bei der Regelung der Wohnungsverhältnisse zu berücksichtigen. Da sich beide Parteien einig seien, daß der Frau eine Benützungsbefugnis an der der Aufteilung zu unterziehenden Ehewohnung zumindest vorläufig zustehen solle, habe der Außerstreitrichter bei der von ihm anzuordnenden Rechtsgestaltung alle vorhersehbaren künftigen Interessenlagen in seine Billigkeitsabwägung einzubeziehen, da eine nachträgliche Änderung der einmal getroffenen Entscheidung nicht mehr möglich sei. Zur rechtlichen Absicherung der Benützungsbefugnis sei die Anordnung eines neuen Rechtsverhältnisses nötig, wobei das Gesetz den allgemeinen Begriff eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses verwende, sodaß das Gericht bei seinen Handlungen nicht an einen bestimmten Rechtsgeschäftstyp gebunden sei. "Die Rechtsstellung" (richtig wohl: Rechtsgestaltung) sollte aber durch entsprechende Ausformung des angeordneten Rechtsverhältnisses tunlichst klare Regelungen für alle vorhersehbaren künftigen Wechselfälle treffen. Im Regelfall solle daher ein gesetzlich geregeltes Schuldverhältnis angeordnet werden, weil erst dann klargestellt sei, welche Regelung mangels abweichender Anordnungen gelten solle. Der Beschluß des Erstgerichtes entspreche diesen Anforderungen nicht. Die Absicht des Erstrichters, der Frau die Wohnmöglichkeit in der ehelichen Wohnung jedenfalls bis zum 31. Dezember 1986 zu sichern, könne vermutlich verwirklicht werden, doch fehle es an einer Regelung für die Wechselfälle, die während dieser Benützung auftreten könnten. Es sei schwierig, das angeordnete Benützungsverhältnis rechtlich zu qualifizieren, ob ein Mietvertrag, eine persönliche Dienstbarkeit oder eine sonstige Regelung, kündbar oder befristet, getroffen worden sei, was letztlich auch für die Rechtsstellung der Frau nach Aufhebung des Miteigentums von wesentlicher Bedeutung sein könnte, wie überhaupt die Frage, ob diese Regelung einen Teilungsanspruch des Mannes auch nach dem 31. Dezember 1986 beeinflussen könnte. Es sei allerdings richtig, daß das ausgesprochene Teilungsverbot als eine Maßnahme zulässig sei, die dem Außerstreitrichter im Verfahren nach den §§ 81 ff. EheG zur Verfügung stehe. Damit erweise sich eine Ergänzung der Verhandlung erster Instanz notwendig, in der die beabsichtigte, von beiden Parteien vorerst unbestrittene Zuweisung der Wohnung an die Frau rechtlich so ausgeformt werden müsse, daß sich weitere Streitigkeiten in Zukunft erübrigten, die anstehende und schon jetzt erkennbare Probleme des zu begründenden, wenn auch befristeten Dauerschuldverhältnisses mit sich bringen könnten. Sollte sich die Regelung nicht wesentlich von der vom Erstgericht ausgedrückten unterscheiden, sei eine Benützungsentschädigung im Ausmaß von monatlich S 900 zusätzlich der jeweiligen Betriebskosten angemessen. Bei einem längeren Zeitraum der Benützung werde allerdings die Zweckmäßigkeit einer Wertsicherung des Entgeltes mit den Parteien zu erörtern sein.

Dieser Beschluß wurde von beiden Parteien mit Revisionsrekurs bekämpft. Mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 7. März 1985, 6 Ob 688/84, wurde jedoch bereits der Revisionsrekurs der Frau wegen Verspätung zurückgewiesen.

Der Mann beantragt, den Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß Punkt 3. des erstgerichtlichen Beschlusses (Verbot der Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft bis zum 31. Dezember 1986) aufgehoben werde, oder den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung in dem Sinne aufzutragen, daß ein Verbot, die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft zu begehren, nicht ausgesprochen werde.

Die Frau hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Antrag des Mannes strebt zwar ausdrücklich nur die Abänderung des Punktes 3. des erstgerichtlichen Beschlusses an. Dem Vorbringen im Revisionsrekurs ist jedoch eindeutig zu entnehmen, daß er sich gegen die Einräumung eines dauernden Benützungsrechtes für die Frau an der Wohnung wendet, weil ihm dadurch die Verwertung seines Miteigentumsanteiles unmöglich gemacht werde. In Wahrheit wendet sich der Revisionsrekurs daher auch gegen die Einräumung eines zeitlich nicht beschränkten Benützungsrechtes an der Wohnung zugunsten der Frau.

Dem Rekursgericht ist beizupflichten, daß der Beschluß des Erstgerichtes die beiderseitigen Rechte aus der getroffenen Regelung nicht klar erkennen läßt. Einerseits wurde der Frau die eheliche Wohnung ohne rechtliche Ausformung des Rechtsverhältnisses und ohne jede Beschränkung auch in zeitlicher Hinsicht zur alleinigen Benützung zugewiesen, andererseits dem Mann bis 31. Dezember 1986 die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft verboten. Nun wurde zwar schon ausgesprochen (EFSlg. 43.787), daß eine bloße Benützungsregelung zwar auch im Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff. EheG nicht geradezu ausgeschlossen sei, wenngleich sie vom Gesetz nicht besonders erwähnt werde. Sie trage aber dem Sicherungsbedürfnis des Ehegatten an der fortdauernden Benützung der Wohnung nicht Rechnung, weil bei Zivilteilung der Liegenschaft, der nach rechtskräftigem Abschluß des Aufteilungsverfahrens kein rechtliches Hindernis entgegenstehe, dieses Benützungsrecht mit dem Eigentum, dessen Ausfluß es sei, erlösche. Andererseits hat der Oberste Gerichtshof jedoch in Fällen einer solchen im Rahmen des Aufteilungsverfahrens getroffenen Benützungsregelung ausgesprochen, daß das Benützungsrecht gegenüber einem gutgläubigen Erwerber der anderen Liegenschaftshälfte nicht gesichert sei (JBl 1982, 321; SZ 52/145) und der Erwerber einer Liegenschaftshälfte, dem eine solche Regelung bekannt gewesen sei, an das Benützungsrecht gebunden sei, weil der Verkäufer ohne Überbindung der getroffenen Vereinbarung auf den Käufer die Pflicht verletzt habe, dem anderen Teil die Benützung des Hauses in der vorgesehenen Form zu ermöglichen und der Dritte nicht im Bewußtsein der wahren Sachlage an einem Vertragsbruch bewußt zum Nachteil eines Gläubigers mitwirken dürfe (EFSlg. 46.016).

Auch der erkennende Senat vertritt die Auffassung, daß der Mann bei Einräumung eines unbeschränkten Benützungsrechtes für die Frau verpflichtet wäre, sowohl bei Verkauf nur seiner Liegenschaftshälfte als auch im Falle der Zivilteilung vorzukehren, daß dieses Benützungsrecht vom Erwerber der Liegenschaft übernommen wird. Im Falle der Zivilteilung könnte dies durch entsprechende Versteigerungsbedingungen geschehen (vgl. dazu Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 843; MietSlg. 30.067). Das bloße an sich zulässige Verbot, die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft während einer bestimmten Zeit zu betreiben (vgl. JBl 1982, 321), ändert daran nichts. Das Erstgericht ist allerdings, wie aus seiner Begründung hervorgeht, davon ausgegangen, daß der Frau kein zeitlich unbeschränktes Benützungsrecht eingeräumt werden soll, doch ist dies im Spruch jedenfalls nicht zum Ausdruck gekommen. Gegen ein zeitlich unbeschränktes Benützungsrecht, das auf einen Erwerber sowohl seines Hälfteanteiles als auch bei Zivilteilung auf den Erwerber der ganzen Liegenschaft zu übertragen der Mann verpflichtet wäre, wendet sich der Revisionsrekurs jedoch mit Recht. Damit würde der Mann sogar über den Antrag der Frau hinaus auf unbeschränkte Zeit an der Verwertung seines Eigentums praktisch gehindert.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren alle jene Feststellungen zu treffen haben, welche eine Entscheidung über die Art und Dauer der Benützung der Wohnung durch die Frau nach Billigkeitsgrundsätzen ermöglichen. Dabei ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes auch auf die bereits getroffene vergleichsweise Regelung über das übrige eheliche Gebrauchsvermögen Bedacht zu nehmen. Aus Punkt 6. des Vergleiches, wonach "damit alle Ansprüche aus dem Titel der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens bzw. der Mitwirkung am Erwerb verglichen sind, wobei allerdings festgehalten wird, daß hinsichtlich der Zuweisung der ehelichen Wohnung und der damit verbundenen Rechtsfragen die Entscheidung des Gerichtes weiter zu erfolgen hat", kann nicht abgeleitet werden, daß bei der Entscheidung über die Wohnung auf die getroffene Regelung über das andere Gebrauchsvermögen nicht Bedacht zu nehmen wäre. Auch wird sich das Erstgericht mit der Behauptung des Mannes, er könne nur vorübergehend bei seiner Schwester wohnen, ebenso auseinanderzusetzen haben, wie mit jener der Frau, sie benötigte die Wohnung dringend.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E09215

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00593.85.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19861009_OGH0002_0060OB00593_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten