TE OGH 1986/10/9 12Os103/86

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Veröffentlicht am 09.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr.Steininger, Dr.Hörburger, Dr.Lachner und Dr.Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Kastner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter L*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 (zweiter Fall) StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.April 1986, GZ 12 b Vr 11.036/85-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Tschulik, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Karner zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird Folge gegeben, die Strafe auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt und unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehen.

Der Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter L*** (zu 1.) des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und (zu 2.) des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien in der Zeit vom 22. Juni 1983 bis Ende 1984 ihm als Geschäftsführer der Firma Fritz W*** anvertraute Bargeldbeträge von insgesamt 174.333,32 S sich durch Entnahme aus der Firmenkasse und Verwendung für eigene Zwecke mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern (1.), und am 25.Jänner 1985 einen Kassenausgangsbeleg über einen Betrag von 412 S, welchen er nachträglich im Ziffern- und Wortbereich auf den Betrag 412.000 S ausgebessert hatte, mithin eine verfälschte Urkunde, durch Vorlage an den Masseverwalter Dr. Rudolf Z*** im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht (2.). Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer, das angefochtene Urteil sei in mehrfacher Richtung unvollständig, offenbar unzureichend und aktenwidrig begründet. Die in der Mängelrüge angeführten Beweisergebnisse sind jedoch in den Urteilsgründen ohnedies im wesentlichen berücksichtigt worden: So wurde zum beruflichen Werdegang des Angeklagten festgestellt, daß dieser nach Absolvierung der Pflichtschulen zwei Jahre die Berufsschule für Hafner besucht (also keine kaufmännische Ausbildung erhalten) hat, am 3.Februar 1969 als Kraftfahrer in die Einzelhandelsfirma des Fritz W*** eingetreten ist, wo er 1972 in das Angestelltenverhältnis übernommen wurde und fortan eine Bürotätigkeit ausgeübt hat, und am 22.Juni 1983 als Einzelprokurist in das Handelsregister eingetragen worden ist (vgl. S 233). Die Zeugenaussage des Steuerberaters Dipl.Kfm.Walter K***, es sei ein Fehler gewesen, das Kassenbuch nicht mit dem tatsächlichen Kassenstand verglichen und sich mit der Auskunft des Angeklagten begnügt zu haben, daß sich anstelle von Bargeld Quittungen über Entnahmen in der Kasse befänden, wurde aktengetreu wiedergegeben und dahin gewürdigt, daß der Zeuge damit zur Klärung, wer tatsächlich das Geld aus der Firmenkasse entnommen hat, nichts beitragen könne (vgl. S 242). Warum die Angaben des Anton S*** vor der Wirtschaftspolizei, denenzufolge schon vor Übernahme der Einzelprokura durch den Angeklagten von Fritz W*** Privatentnahmen gegen Kassenbons getätigt worden sein sollen, nach Überzeugung des Gerichtes als Beweismittel nicht verwertbar waren, wurde in den Entscheidungsgründen unter Hinweis auf das Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Dr. Heinz P***, wonach Anton S*** infolge zweier bereits 1982 - mithin bereits vor seiner im Jahre 1985 erfolgten Vernehmung durch die Wirtschaftspolizei - erlittener Schlaganfälle und der dadurch verursachten neurologischen und psychischen Ausfallserscheinungen weder vernehmungs-, noch aussagefähig ist, eingehend begründet (vgl. S 243 ff). Das Erstgericht konnte diese Annahme den Denkgesetzen entsprechend auf Grund des eben erwähnten Gutachtens, das eine deutliche Störung des Neugedächtnisses und der Merkfähigkeit des Untersuchten erbrachte (S 207 f), treffen; daraus aber folgt nicht nur, daß Anton S*** aus gesundheitlichen Gründen im Zuge der Hauptverhandlung nicht einvernommen werden konnte, sondern ergeben sich auch die Grundlagen für die Annahme des Schöffengerichtes, die Angaben des Genannten vor der Wirtschaftspolizei im Jahre 1985 seien für das gegenständliche Verfahren ohne Beweiskraft. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der den Angeklagten belastenden Zeugenaussagen des Fritz W*** und der Hildegard R*** ist ausdrücklich in Erwägung gezogen worden, daß Fritz W*** seiner eigenen Darstellung nach regelmäßiger Besucher das Casinos Baden ist (vgl. S 241). Das Schöffengericht ist aber auch davon ausgegangen, daß sich das Unternehmen des Fritz W*** in einer aussichtslosen finanziellen Situation befunden hat, welche zur Eröffnung des Konkursverfahrens am 18.Jänner 1985 führte (vgl. S 235 f), und daß der Kassenstand laut Kassabuch mit dem tatsächlichen Kassenstand nicht übereinstimmte (vgl. insbesondere S 234). Demgemäß bedurfte aber auch die vom Masseverwalter Dr. Rudolf Z***, von Fritz W*** und vom Angeklagten übereinstimmend bekundete Tatsache der Zuführung eines Privatkredites von 40.000 S zur Abdeckung dringender Verbindlichkeiten durch den Firmeninhaber trotz eines ausgewiesenen Kassenstandes von 323.000 S per Ende 1983 keiner ausdrücklichen Erörterung. Daraus folgt nämlich keineswegs, daß der Zeuge Fritz W*** über den jeweils ausgewiesenen Kassenstand informiert gewesen sein muß, zumal vom Erstgericht - der Darstellung dieses Zeugen folgend - angenommen wurde, daß Fritz W*** seine Tätigkeit in der Firma wegen eines am 19.Mai 1981 erlittenen Schlaganfalles einstellen mußte und sich danach im wesentlichen auf die Entgegennahme der monatlichen Privatentnahmen von 5.000 S und später 3.500 S beschränkt hat (vgl. S 233, 240 f).

Im übrigen wurde in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausführlich und schlüssig dargelegt, auf Grund welcher Erwägungen der Schöffensenat die Verantwortung des Angeklagten Peter L***, Fritz W*** habe gegen Ausstellung und Erneuerung von Kassenbons über den jeweiligen gesamten Kassenfehlbetrag über die im Kassabuch eingetragenen Beträge hinaus Entnahmen getätigt, er selbst (der Angeklagte) habe keinesfalls eine Verfälschung des Beleges über 412 S auf 412.000 S vorgenommen, für widerlegt erachtet hat. Die Überzeugung des erkennenden Senates, der Angeklagte habe sich seit seiner Bestellung als Prokurist in mehrfachen Angriffen zumindest 174.333,32 S (hinsichtlich des restlichen Fehlbetrages von 237.254,68 S erfolgte ein Teilfreispruch) für private Zwecke mit Bereicherungsvorsatz zum Schaden der Firma Fritz W*** zugeeignet und einen Beleg über 412 S durch spätere Hinzufügung von drei Nullen und des Zusatzes "Tausend" zum Zwecke der Verschleierung der (gesamten) Fehlsumme bei der zu erwartenden Überprüfung des tatsächlichen Kontostandes durch den Masseverwalter verfälscht, basiert auf den hinsichtlich ihrer Verläßlichkeit und Beweiskraft positiv beurteilten Zeugenaussagen des Fritz W*** und der Hildegard R***, auf den Ergebnissen der kriminaltechnischen Untersuchung der Bundespolizeidirektion Wien - Büro für Erkennungsdienst, Kriminaltechnik und Fahndung und der Zeugenaussage des Bezirksinspektors Walter N***, wonach der bezügliche Kassenbeleg nicht in einem Zug ausgestellt, sondern mit einem offensichtlich farbgleichen Kugelschreiber zu einem späteren Zeitpunkt im Ziffern- und Wortbereich auf 412.000 S abgeändert worden ist, sowie auf der einleuchtenden Erwägung, daß es einer Belegfälschung durch den Angeklagten nicht bedurft hätte, falls tatsächlich Quittungen über Entnahmen des Firmeninhabers in der Kasse vorhanden gewesen wären (vgl. S 240, 242, 245 ff). Soweit daher der Beschwerdeführer auf in den Urteilsgründen ohnedies im wesentlichen verwertete Verfahrensergebnisse verweist, welche seiner Ansicht nach für die von ihm vorgebrachte Tatversion sprechen, wendet er sich in Wahrheit nur in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Weise gegen die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, ohne formelle Begründungsmängel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO aufzuzeigen.

Zum Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a (sachlich Z 10) des § 281 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, bei Zugrundelegung der getroffenen Konstatierungen könne ihm der Tatbestand der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB nicht gesondert neben dem Verbrechen der Veruntreuung angelastet werden, weil die Verfälschung eines Kassenbeleges, um eine Veruntreuung von Firmengeldern zu verschleiern, als straflose Nachtat zu werten sei.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Argumentation kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Deckungshandlungen, die ein Täter zur Verschleierung seiner Vortat setzt, sind nur dann straflos, wenn dadurch kein anderes Rechtsgut verletzt wird. Benützt der Täter jedoch zur Deckung einer von ihm verübten Veruntreuung eine von ihm zu diesem Zweck verfälschte Urkunde, so konkurriert die Urkundenfälschung mit der Veruntreuung, weil das durch § 223 StGB geschützte Rechtsgut die Verläßlichkeit und Sicherheit von Urkunden im Rechtsverkehr ist und daher die Begehung eines Urkundendelikts mit dem Ziel, die Entdeckung eines begangenen Vermögensdeliktes hintanzuhalten, ein weiteres Rechtsgut beeinträchtigt, sodaß der strafrechtliche Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhaltes durch die ausschließliche Unterstellung unter den zunächst verwirklichten Tatbestand nicht zur Gänze erfaßt würde (vgl. SSt 53/55; ÖJZ-LSK 1979/24 = EvBl 1979/106;

Mayerhofer-Rieder 2 , II, ENr. 105 bis 107 zu § 28 StGB;

Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2 , RN 51 und 52 zu § 28 StGB;

Kienapfel im WK, Rz 19, 23 zu Vorbem. sowie Rz 274 zu §§ 223 ff StGB). Der Angeklagte Peter L*** hat sohin, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, neben dem Tatbestand der Veruntreuung auch jenen der Urkundenfälschung in Realkonkurrenz zu verantworten. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, daß die in diesem Zusammenhang in der Nichtigkeitsbeschwerde zitierte Entscheidung "EvBl 1975/253" Fragen des Unterhaltsrechtes und der Klage nach § 1042 ABGB zum Inhalt hat und sich in keiner Weise mit strafrechtlichen Konkurrenzproblemen auseinandersetzt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 133 Abs 2 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten. Gemäß § 369 Abs 1 StPO sprach es dem Privatbeteiligten Dr. Rudolf Z*** als Masseverwalter zu 5 S 4/85 des Handelsgerichtes Wien einen Betrag von 174.333,32 S zu.

Bei der Strafbemessung wertete es die "Tathandlung über einen längeren Zeitraum" im Faktum 1.) und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel. Den Zuspruch an den Privatbeteiligten gründete es auf den Schuldspruch und die Annahme, daß der im Punkt 1.) des Urteils genannte Betrag laut Konkursordnung in die Konkursmasse des Konkursverfahrens 5 S 4/85 des Handelsgerichtes Wien gefallen wäre.

Mit seiner Strafberufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht; hinsichtlich des Zuspruches an den Privatbeteiligten beantragt er dessen Verweisung auf den Zivilrechtsweg.

Der Strafberufung kommt Berechtigung zu.

Da dem Erschwerungsgrund des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen bloß formelle Bedeutung zukommt, erweist sich bei wirtschaftlicher Betrachtung der Schadenshöhe die im Gesetz vorgesehene Mindeststrafe als tätergerecht und schuldangemessen. Demnach war die Freiheitsstrafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen.

Da Geständnis und Schuldeinsicht keine unabdingbaren Voraussetzungen für die Anwendung des § 43 StGB sind (ÖJZ-LSK 1986/71 zu § 43 StGB), der Mißbrauch der Vertrauensposition im Tatbestand der Veruntreuung aufgeht und überdies das tadelfreie Vorleben des Angeklagten die Annahme künftigen Wohlverhaltens gerechtfertigt erscheinen lassen, liegen nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Gewährung bedingter Strafnachsicht vor, zumal auch generalpräventive Bedenken der Anwendung dieser Rechtswohltat nicht entgegenstehen, da - der Ansicht des Erstgerichtes zuwider - der gegenständliche Fall der "Wirtschaftskriminalität" nicht zuzuordnen ist, er vielmehr dem Regelfall des Tatbestandes der Veruntreuung entspricht. Der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche hinwieder kommt keine Berechtigung zu. Der Berufungswerber stellt in diesem Teil seines Rechtsmittels lediglich sein Verschulden in Abrede, diesem Vorbringen ist aber durch die Verwerfung der Nichtigkeitsbeschwerde die Grundlage entzogen. Da vorliegend das Adhäsionserkenntnis geradezu die notwendige Folge des (rechtskräftigen) Schuldspruches ist, kommt der Berufung in diesem Anfechtungspunkte keine Berechtigung zu.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E09486

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00103.86.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19861009_OGH0002_0120OS00103_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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