TE OGH 1986/10/9 8Ob641/86

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Veröffentlicht am 09.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Klaus E***, geboren am 25.Juli 1981, infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Dr. Kurt E***, Universitätsprofessor, Serlesweg, 6082 Patsch, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 20.Juni 1986, GZ 2 b R 124/86-74, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 9. April 1986, GZ 2 P 43/85-57, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 25. Juli 1981 geborene Klaus E*** ist das eheliche Kind des ordentlichen Univ.Prof.Dr.Kurt E*** und der Augenärztin Dr. med.Laura E***. Die Eltern des Minderjährigen, beide österreichische Staatsbürger, leben seit Jahren nicht bloß vorübergehend getrennt. Während der Vater an der Universität Innsbruck lehrt, arbeitet die Mutter als Augenärztin in Bozen. Etwa seit Ende des Jahres 1981 lebt der Minderjährige mit seiner Mutter bei seinen mütterlichen Großeltern in Bozen.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 9. April 1986 (ON 57) wurde das Recht, den Minderjährigen zu pflegen und erziehen, sein Vermögen zu verwalten und ihn zu vertreten, der ehelichen Mutter allein zuerkannt, der diesbezügliche Antrag des Vaters abgewiesen und Dr. Kurt E*** als Vater des Minderjährigen schuldig erkannt, zu dessen Unterhalt beginnend mit 5.März 1985 einen monatlichen Betrag von 3.430 S zu Handen der ehelichen Mutter zu bezahlen. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Zuerkennung eines weiteren monatlichen Unterhaltsbetrages von 2.570 S wurde abgewiesen. Die vom Erstgericht über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus getroffenen Feststellungen lassen sich - soweit sie im Revisionsrekursverfahren noch bedeutsam sind - im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

Seit 1. Jänner 1986 arbeitet die eheliche Mutter nicht mehr in Brixen, sondern im Regionalkrankenhaus in Bozen. Dr. Laura E*** führt nunmehr dem Minderjährigen den Haushalt und übt die Pflege und Erziehung ihres Sohnes persönlich aus; nur während ihrer dienstlichen Abwesenheit verrichten einzelne Aufgaben in der Obsorge für das Kind die mütterlichen Großeltern Reinhold und Elsa M***. Die volle Verantwortung für das Kind trägt aber die Mutter. Sie bezahlt auch für ihren Sohn die gesamten monatlichen Auslagen, die jedoch infolge der gemeinsamen Wirtschaftskassa aller im Hause lebenden Personen nicht konkret beziffert werden können. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 bis 44 Stunden verdient sie etwa 1,9 Mill. Lit d.s. etwa 20.900 S. Das vom ehelichen Vater als Ordinarius der Universität Innsbruck bezogene und der Unterhaltsbemessung zugrunde gelegte monatliche Nettoeinkommen errechnete das Erstgericht unter Bedachtnahme darauf, daß der Vater die vorerst bezogene Familienbeihilfe für den Minderjährigen mangels Anspruchsberechtigung zurückzahlen mußte, für die Jahre 1985 und 1986 zwischen 30.750,15 S und 31.853,83 S. Das vom ehelichen Vater aus seiner Reisetätigkeit für ein deutsches Reiseunternehmen darüber hinaus bezogene Nebeneinkommen ließ das Erstgericht bei der Unterhaltsbemessung außer acht.

Bei der rechtlichen Beurteilung des im Revisionsrekursverfahren allein strittig gebliebenen Unterhaltsbegehrens ging das Erstgericht davon aus, daß nach den derzeit in Verwendung stehenden Regelbedarfssätzen ein Kind im Alter des Minderjährigen einen Unterhaltsanspruch von monatlich 1.870 S habe. Nach der Prozentsatzmethode bestehe der Anspruch mit 16 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen, somit im vorliegenden Fall der Höhe nach mit einem Betrag zwischen 4.900 S und 5.100 S. Da der nach der Prozentsatzmethode ermittelte Betrag den Durchschnittsbedarf wesentlich übersteige, das Kind aber an der überdurchschnittlich guten finanziellen Situation, in der sich beide Elternteile befänden, angemessen teilzunehmen habe, erscheine ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 3.430 S (Regelbedarf zuzüglich 50 % der Differenz zwischen Regelbedarf und Prozentsatz) angemessen, zumal weder ein Sonder- noch Luxusbedarf vorliege.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem vom ehelichen Vater sowohl in Ansehung der Entscheidung über die Übertragung der elterlichen Rechte und Pflichten als auch gegen den Ausspruch über die ihn treffende Unterhaltspflicht, soweit sie den Betrag von 2.230 S monatlich übersteigt, erhobenen Rekurs keine Folge. Zu der vom Erstgericht vorgenommenen Unterhaltsfestsetzung führte das Rekursgericht rechtlich aus, daß die Eltern gemäß § 140 Abs 1 ABGB zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen hätten. Bei der Anwendung der Prozentsatzmethode werde die Leistungsfähigkeit hinreichend berücksichtigt. Durch die Festsetzung des monatlichen Unterhaltsbeitrages mit 3.430 S, also durch den unter dem nach der Prozentsatzmethode errechneten Wert, könne sich der Rekurswerber nicht beschwert erachten. Ein Akademiker habe - wie es in der intakten Familie selbstverständlich wäre - nicht nur den Durchschnittsbedarf des Kindes zu decken, sondern darüber hinaus so zum Unterhalt des Kindes beizutragen, daß es an den üblicherweise gegebenen Lebensverhältnissen solcher Kreise angemessen teilhabe (EFSlg. 45.131). Nach § 140 Abs 2 ABGB leiste der Elternteil, der den Haushalt führe, in dem er das Kind betreue, dadurch seinen Beitrag. Der Elternteil, dem die Elternrechte zuerkannt seien, müsse Pflege und Erziehung nicht selbst besorgen, er sei berechtigt, einen Teil der unmittelbaren Betreuung durch eine Person seiner Wahl ausüben zu lassen, insbesondere auch seinen Eltern zu überlassen. Das bedeute noch nicht, daß diesen Personen Pflege und Erziehung zukomme. Diese übten sie unter Kontrolle und Verantwortung des Elternteils aus, dem diese Rechte und Pflichten zustünden (EFSlg. 38.412, 40.928, 43.389, 45.870, 45.899). Nach dem festgestellten Sachverhalt übe die Mutter die Pflege und Erziehung in eigener Verantwortung aus, nur einzelne Aufgaben in der Obsorge würden von den Großeltern verrichtet, wobei jedoch die Mutter die Oberaufsicht behielte. Damit leiste sie aber ihren Beitrag im Sinne des § 140 Abs 2 erster Satz ABGB.

Gegen diesen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz in seinem Ausspruch über das Unterhaltsbegehren richtet sich der auf den Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 AußStrG gestützte Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den angefochtenen rekursgerichtlichen Beschluß im Sinne der Festsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung mit 2.230 S monatlich abzuändern; hilfsweise wird im Rahmen der Anfechtung ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Die offenbare Gesetzwidrigkeit erblickt der Revisionsrekurswerber darin, daß die Vorinstanzen die Erfüllung der Voraussetzungen des § 140 Abs 2 ABGB zu Unrecht angenommen hätten, weil die Mutter des Minderjährigen ausschließlich im Haushalt ihrer Eltern lebe, die auch diesen Haushalt führten und das Kind als eine willkommene Bereicherung ihres grauen Pensionistenalltags gerne betreuten. Auch die Mutter des Minderjährigen werde dort als Einzelkind nach wie vor von ihren Eltern betreut, sodaß sie auch für ihre eigene Person jeglicher haushaltlichen Belastung enthoben sei. Der Gesetzgeber der Familienrechtsreform der Siebzigerjahre habe im Sinne der Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung im Familienrecht die Regelung nach § 140 Abs 2 ABGB gerade zu dem Zweck vorgenommen, um einer Frau und Kindesmutter die zusätzliche Belastung, die ihr durch die Haushaltsführung erwachse, entsprechend abzugelten. Das Rekursgericht habe zu Unrecht lediglich auf die Betreuung des Minderjährigen durch seine Mutter, nicht jedoch auf deren Haushaltsführung Bedacht genommen. Da das Gesetz aber beide Qualifikationen, also auch die Haushaltsführung durch die Mutter verlange, letztere hier aber nicht gegeben sei, liege der Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit vor. Der Revisionsrekurswerber geht damit offensichtlich von der Annahme aus, daß die Frage, ob die Mutter unter den gegebenen Umständen ihren Beitrag im Sinne des § 140 Abs 2 ABGB leistet, nicht in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof gemäß § 14 Abs 2 AußStrG unüberprüfbaren Unterhaltsbemessung gehört, sondern den Anspruchsgrund betrifft und damit sein Rechtsmittel unter den Voraussetzungen des § 16 AußStrG zulässig sei. Im vorliegenden Fall kann es allerdings dahingestellt bleiben, ob die vom Revisionsrekurswerber relevierte Frage zum Unterhaltsbemessungskomplex gehört, weil es dabei nur darum geht, inwieweit sich die gemäß § 140 ABGB bestehende Unterhaltspflicht des einen Elternteiles auf die Höhe der Unterhaltsverpflichtung des anderen Teils auswirkt (vgl. etwa EFSlg. 35.002, 39.733, 44.591; 5 Ob 541/86) oder doch nicht die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes im Sinne des § 14 Abs 2 AußStrG betrifft, weil selbst eine Prüfung des Rechtsmittels nach § 16 AußStrG die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt.

Nach den für die kontrollierende Funktion des Obersten Gerichtshofes in rechtlicher Hinsicht allein maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage wird von der ehelichen Mutter der Minderjährige - abgesehen von ihrer berufsbedingten Abwesenheit von zu Hause - nicht nur tatsächlich gepflegt und erzogen, im Hinblick auf ihren ab 1.Jänner 1986 vollzogenen Arbeitsplatzwechsel wird von ihr auch dem Minderjährigen der Haushalt geführt; dazu kommt noch, daß es auch sie ist, die für alle monatlichen Auslagen des Kindes aufkommt und schließlich auch eine für alle im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen gemeinsame Wirtschaftskasse besteht. Wenn der Revisionsrekurswerber unter diesen Umständen seinem Rechtsmittel die Annahme zugrunde legt, der Haushalt, in dem seine Frau und das Kind lebten, werde ausschließlich von den mütterlichen Großeltern des Minderjährigen geführt, seine Frau werde dort nach wie vor als Einzelkind von ihren Eltern betreut, sodaß sie auch für ihre eigene Person jeglicher haushaltlichen Tätigkeit enthoben sei, und er daraus ableiten möchte, daß die zweite in § 140 Abs 2 ABGB geforderte Voraussetzung für die Annahme fehle, seine Frau leiste im Sinne der genannten Bestimmung dadurch ihren Beitrag zum Unterhalt des Kindes, so geht er von einem feststellungsfremden Sachverhalt aus. Wollte man die Ausführungen des Revisionsrekurswerbers aber dahin verstehen, daß er den Vorinstanzen zum Vorwurf macht, sie seien unrichtig zur Annahme der Haushaltsführung durch die eheliche Mutter gelangt, so bekämpft er damit die Beweiswürdigung der Vorinstanzen, was mit einem außerordentlichen Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG nicht zulässig ist (EFSlg. 44.640, 47.206 ua). Mangels Vorliegens einer offenbaren Gesetzwidrigkeit erweist sich der Revisionsrekurs selbst unter der Annahme der Prüfung seiner Zulässigkeit nach § 16 AußStrG als unzulässig.

Der außerordentliche Revisionsrekurs mußte daher zurückgewiesen werden.

Anmerkung

E09229

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00641.86.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19861009_OGH0002_0080OB00641_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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