Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paula W***, Hausfrau, Siedlerweg Nr. 23, 6401 Hatting, vertreten durch Dr. Richard Larcher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) D*** Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft, 1010 Wien, Schottenring 15,
2.) Johann L***, Maurer, 4800 Attnang-Puchheim,
Tommerlweg Nr. 33 b, beide vertreten durch Dr. Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Leistung und Feststellung (Streitwert insgesamt S 510.088,-- s.A.), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 1. April 1986, GZ 1 R 26/86-12, womit das Teilurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 31. Mai 1985, GZ 16 Cg 643/83-7, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Am 25. Oktober 1980 wurde der Ehegatte der Klägerin, Karl W***, als Fußgänger bei einem Verkehrsunfall, an dem der Zweitbeklagte als Halter und Lenker eines Personenkraftwagens beteiligt war, getötet. Die Erstbeklagte war Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges des Zweitbeklagten. Dieser wurde aufgrund dieses Unfalles mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 17. März 1982, GZ 11 E Vr 1677/80, 11 E Hv 17/81-34, des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne des § 81 Z 2 StGB schuldig erkannt. Das Strafurteil ist in Rechtskraft erwachsen. Gestützt auf diesen Sachverhalt begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung des Betrages von S 203.016,-- s.A. sowie beginnend ab 1. November 1983 zur Leistung einer monatlichen Rente von S 5.752,-- und die Feststellung, daß die Beklagten ihr für alle Schäden aus dem Unfall zu haften haben. Ihr Ehegatte sei zur Zeit des Unfalles Frühpensionist gewesen. Die Klägerin, eine ausgebildete Diplomkrankenschwester, habe ihren Beruf nicht ausüben können, solange die beiden ehelichen Kinder Alexandra, geboren am 3. Juli 1972, und Simone, geboren am 23. Dezember 1976, noch klein waren. Es sei jedoch geplant gewesen, daß sie diesen Beruf wieder ausüben werde, während ihr Ehegatte sodann den Haushalt versorgen sollte. Schon vor dem tödlichen Unfall des Ehegatten sei ihr vom Krankenhaus Schwaz die Stelle einer Stationsschwester zugesichert worden. Die Klägerin wäre mit ihrer Familie nach Schwaz gezogen und hätte dort eine Dienstwohnung bekommen. Infolge des Todes des Ehegatten sei ihr die Aufnahme dieser Tätigkeit nicht mehr möglich gewesen. Sie müsse sich seither selbst um die Kinder kümmern, die noch im schulpflichtigen Alter stünden. Hätte sie die Stelle im Krankenhaus antreten können, so hätte sie netto monatlich S 10.900,-- verdient. Die Dienstwohnung hätte S 1.524,-- gekostet. Bei Berücksichtigung der Witwenrente von monatlich S 3.448,-- ergebe sich daher ein Verdienstentgang von monatlich S 5.928,--, für die Zeit bis 1. November 1983 sohin insgesamt S 203.016,--. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch stelle keinen indirekten Schaden dar. Der Ehegatte der Klägerin hätte den Haushalt versorgt, während die Klägerin verdienen hätte können. Es gelte hier dasselbe, wie wenn der Ehemann einer getöteten Frau wegen des Entganges des von ihr für den Haushalt durch Arbeit geleisteten Beitrages Schadenersatz fordert. Der Unfall sei vom Zweitbeklagten allein verschuldet worden. Den Ehemann der Klägerin treffe kein Verschulden. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, daß der Ehemann der Klägerin den Unfall zumindest zu 50 % mitverschuldet habe, weil er unmittelbar vor dem herannahenden Wagen des Erstbeklagten bei Dunkelheit und in der Nähe eines Schutzweges die Straße zu überqueren versuchte, obwohl der Wagen des Erstbeklagten schon zu nahe herangekommen war. Die Klägerin habe einen Unterhaltsentgang im Sinne des § 1327 ABGB nicht erlitten, weil sie und ihre Kinder Witwen- und Waisenrenten von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter ausbezahlt erhalten und so unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Karl W*** und des Quotenvorrechtes des Sozialversicherungsträgers kein Unterhaltsentgang mehr bestehe. Der in der Klage behauptete Wegfall eines eigenen Verdienstes stelle keinen Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB dar. Die Klägerin habe auch keine verbindliche Vereinbarung abgeschlossen, nach der sie ab 1. November 1980 als Stationsschwester im Krankenhaus Schwaz beschäftigt worden wäre. Auch die Zusage einer Dienstwohnung sei nicht gegeben worden. Man hätte der Klägerin bestenfalls eine Garconniere im Schwesternheim zur Verfügung stellen können, dort sei es aber nicht möglich, mit einer Familie einzuziehen. Karl W*** habe sich vor seinem Tod nicht um die Kinder gekümmert und wäre aufgrund seiner Behinderung dazu auch nicht in der Lage gewesen. Auch die Höhe der Klagsforderung werde bestritten.
Das Erstgericht entschied durch Teilurteil über das Leistungs- und Rentenbegehren der Klägerin ohne Aufnahme von Beweisen im klagsabweisenden Sinn. Es führte aus, daß Karl W*** als Ehemann nach dem Gesetz für die Klägerin und deren Unterhalt zu sorgen gehabt habe. Dies sei durch den Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente geschehen, von der die Familie gelebt habe. Die Klägerin habe nicht geltend gemacht, daß sie nach dem Tod und durch den Tod ihres Ehegatten weniger erhalte, als vergleichsweise vorher. Sie stütze ihren Anspruch auf eine geplante Situation, wonach der Ehegatte durch Haushaltsführung und Kindererziehung der Klägerin die beabsichtigte Berufstätigkeit ermöglicht hätte. Damit mache die Klägerin einen mittelbaren Schaden geltend, weshalb das Leistungsbegehren mittels Teilurteiles abzuweisen sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Teilurteil auf und trug dem Erstgericht auf, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. Es sprach weiters aus, daß das Verfahren erst nach eingetretener Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei.
Das Berufungsgericht verwies darauf, daß die Klägerin in Ergänzung ihres Klagevorbringens weiter ausgeführt habe, daß ihr Ehegatte den Haushalt versorgt hätte und sie dadurch in den Stand versetzt worden wäre, selbst einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, so daß hier derselbe Fall vorliege, wie wenn der Ehemann einer getöteten Frau wegen des Entganges der von ihr für den Haushalt durch Arbeit geleisteten Beiträge Schadenersatz fordert, was zulässig sei. Mit diesem Vorbringen mache die Klägerin tatsächlich einen unmittelbaren Schaden geltend. Nach ständiger Lehre und Rechtsprechung sei nämlich der durch die Tötung eines Ehegatten entstehende Mehraufwand für die Haushaltsführung und Betreuung der Familie ersatzfähig, weil der Anspruch des hinterbliebenen Ehegatten auf Beistand durch den anderen in der Haushaltsführung dem Unterhaltsanspruch im Sinne des § 1327 ABGB gleichzustellen ist, weshalb ihm für infolge des Todes des anderen Ehegatten entgangene Beistandsleistungen grundsätzlich nach dieser Gesetzesstelle Ersatz gewährt wird. Dabei sei die Berechtigung eines solchen Schadenersatzanspruches nicht davon abhängig, ob eine Hilfskraft für die Familie eingestellt wurde oder nicht. Nichts anderes drücke die Klägerin zur Begründung ihres Begehrens aus, wenn sie darauf hinweist, daß sie bei der geplanten Heranziehung ihres Ehemannes zu Arbeiten im Haushalt und zur Betreuung der beiden Kinder die Möglichkeit gehabt hätte, durch eine eigene Erwerbstätigkeit zur Verbesserung der Einkommenssituation der Familie beizutragen. Dieser Entgang werde nicht einfach mit dem Brutto- oder Nettoeinkommen der Klägerin gleichgesetzt werden können, weil die Feststellung der Schadenshöhe immer nur unter dem Gesichtspunkt des entgangenen Unterhalts (hier der entgangenen Beistandsleistung) gesehen werden kann, wobei es allein darauf ankomme, den Überlebenden so zu stellen, wie er gestellt wäre, wenn der getötete Ehegatte seine Unterhaltsleistung (bzw. seine Beistandsleistung im Rahmen der Haushaltsführung) weiter leisten würde. Dies alles setze auch voraus, daß die Besorgung der Haushaltsaufgaben durch den Ehegatten im Hinblick auf die konkrete Zusage der Aufnahme der Klägerin in ein Arbeitsverhältnis beim Krankenhaus Schwaz ernstlich ins Auge gefaßt und auch durchführbar war, mit anderen Worten, daß die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin der Wahrheit entsprechen, was aber bisher nicht geprüft wurde. Wenn nun durch den Tod des Ehegatten die Führung des Haushaltes durch denselben wegfiel, so sei die Klägerin um den Wert dieser Arbeitsleistung, die der gemeinsamen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft diente, verkürzt worden, was, wie oben ausgeführt wurde, einen aus § 1327 ABGB ableitbaren Schadenersatzanspruch begründen könne.
Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht noch folgende Umstände zu beachten haben:
Sollte sich herausstellen, daß bei dem der Klägerin bereits konkret zugesagten Erwerbseinkommen, bei Berücksichtigung der Sorgepflichten für die beiden Kinder und des ebenfalls angemessen zu berücksichtigenden Eigeneinkommens ihres Ehegatten diesem rechnerisch gegenüber der Klägerin noch ein Unterhaltsanspruch zugekommen wäre, so müßte der demselben entsprechende Betrag nach den Grundsätzen der sogenannten Vorteilsausgleichung vom ermittelten Wert der Haushaltsführung des Mannes (= theoretischer Schaden abgezogen werden, weil die Unterhaltsleistung an den Ehegatten infolge seines Ablebens weggefallen ist. Die Differenz wäre dann noch um eine allfällige Mitverschuldensquote des getöteten Ehegatten, die diesen am Zustandekommen des Unfalles traf, zu kürzen. Ein allfälliges Mitverschulden desselben müßte sich die Klägerin deshalb anrechnen lassen, weil der Schädiger den Schaden nur so weit ersetzen muß, als er ihn verschuldet hat. Von dem so errechneten Betrag wären dann noch die Leistungen des Sozialversicherungsträgers für die Klägerin als Witwe in voller Höhe abzuziehen, soweit die Legalzession gemäß § 332 ASVG eingreift, weil die Klägerin vom Schädiger nur einen allfälligen durch die Leistungspflicht der Sozialversicherung nicht gedeckten Rest ihres gemäß § 1304 ABGB um die Mitverschuldensquote gekürzten Schadens verlangen kann. Sollte das Erstgericht zu dem Ergebnis kommen, daß dann immer noch ein zu ersetzender Schaden vorliegt, so werde auch die Dauer der Rentenleistung kalendermäßig zu begrenzen sein. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der Beklagten, mit welchem unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht und beantragt wird, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Beklagten stützen sich in ihrem Rechtsmittel auf die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Die Klägerin habe als Klagegrund niemals einen Mehraufwand für die Haushaltsführung durch den Tod des Ehegatten geltend gemacht. Es handle sich um einen nicht zu ersetzenden mittelbaren Schaden der Klägerin. Dazu war zu erwägen:
Nach ständiger Rechtsprechung ist unter dem Klagegrund das tatsächliche Vorbringen der klagenden Partei zu verstehen. Dieses besteht nicht nur aus dem Inhalte der Klage. Es sind vielmehr auch die in der Verhandlung vorgebrachten, für das Klagebegehren erheblichen Tatumstände zu berücksichtigen (RZ 1982/18; 1 Ob 582/81, 1 Ob 626/82 ua). Der Streitgegenstand wird nicht nur durch das, "was beantragt wurde", abgegrenzt, sondern auch durch das tatsächliche Vorbringen, aus dem die Partei den Sachantrag ableitet (8 Ob 167/76; 1 Ob 626/82 ua). zutreffend berücksichtigte daher das Berufungsgericht das gesamte Vorbringen der Klägerin, welches im hier maßgeblichen Belang ausdrücklich darin gipfelte, daß "ihr Ehegatte den Haushalt besorgt hätte und sie dadurch in den Stand gesetzt worden wäre, selbst einer Erwerbstätigkeit nachzugehen" (AS 16). Daß sie in diesem Zusammenhang eine vom Berufungsgericht nicht geteilte Berechnungsmethode wählte, verschlägt nichts, weil sie damit nur die ziffernmäßige Untermauerung ihres Ersatzanspruches verfehlte, nicht aber dessen Klagegrund selbst, den sie nach dem dargestellten Vorbringen ausreichend und eindeutig präzisierte. Es ist daher davon auszugehen, daß die Klägerin Schadenersatz für ihr entgangene Beistandsleistungen ihres getöteten Ehemannes verlangt. Die Verpflichtung von Ehegatten, sich gegenseitig Beistand zu leisten, hat ihrem Wesen nach durch das Inkrafttreten des EheRwG keine entscheidende Änderung erfahren (vor Inkrafttreten des EheRwG §§ 44, 92 ABGB; seither §§ 44, 90, 94 ABGB). Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß der Anspruch des hinterbliebenen Ehemannes auf Beistand durch seine Gattin in der Haushaltsführung dem Unterhaltsanspruch im Sinne des § 1327 ABGB gleichzustellen ist und daß dem Ehemann für infolge des Todes seiner Frau entgangene Beistandsleistungen grundsätzlich nach dieser Gesetzesstelle Schadenersatz gebührt (ZVR 1957/78; ZVR 1959/140;
ZVR 1960/203; ZVR 1963/203; ZVR 1966/189; 8 Ob 187/72;
8 Ob 127/76 ua). Gleiches muß auch dann gelten, wenn der Ehefrau infolge des Todes ihres Mannes derartige Beistandsleistungen entgehen (8 Ob 281/79 ua). Allerdings wird ein derartiger Schadenersatzanspruch nur insoweit in Betracht kommen, als die entgangenen Beistandsleistungen dem überlebenden Ehegatten selbst zugute gekommen wären (vgl. ZVR 1974/245). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, daß noch keine Beweise darüber vorliegen, ob und in welchem Umfang der verstorbene Ehegatte der Klägerin tatsächlich in der Haushaltsführung beigestanden wäre; es ist aber jedenfalls schon jetzt klarzustellen, daß eine ernstliche und konkrete Absicht der Ehegatten, die Führung des Haushaltes dem Ehemann aufzuerlegen, ab dem Zeitpunkt, zu welchem dieser als erwiesen angenommen wird,nicht anders zu beurteilen ist, als wenn der Ehemann schon vor seinem Tod den Haushalt gleichermaßen geführt hätte; dem Entgang im Sinne des § 1327 ABGB umfaßt auch "künftig Entgehendes" und ist alles, was der Hinterbliebene erhielte, wenn der zur Unterhaltsleistung aus dem Gesetz Verpflichtete nicht getötet worden wäre (ZVR 1962/257 uza).
Gegen die weiteren Aufträge des Berufungsgerichtes an das Erstgericht, wie sie oben dargestellt wurden, wenden sich die Parteien nicht. Es genügt daher darauf zu verweisen, daß sie der Literatur und ständigen Rechtsprechung entsprechen (vgl. etwa Koziol, Haftpflichtrecht II, 130; ZVR 1963/203; 8 Ob 127/76; 8 Ob 281/79 uza respektive SZ 33/101 uza).
Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E09426European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00051.86.1009.000Dokumentnummer
JJT_19861009_OGH0002_0080OB00051_8600000_000