Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Lachner und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kastner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helga S*** und Horst N*** wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Helga S*** und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 16.Dezember 1985, GZ 12 Vr 2995/85-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Gehart, der Angeklagten und der Verteidiger Dr. Blume und Dr. Wagner zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in Ansehung der Angeklagten Helga S***, soweit gewerbsmäßige Begehung der Tat nicht angenommen und die ihr zur Last liegende Betrugsstraftat demnach nicht dem § 148 zweiter Fall StGB unterstellt wurde, sowie demgemäß auch in der rechtlichen Beurteilung dieser Tat als Vergehen und in dem diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Helga S*** und Horst N*** werden verworfen.
Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft, soweit deren Rechtsmittel die Angeklagte Helga S*** betrifft, und diese Angeklagte selbst auf die kassatorische Entscheidung verwiesen. Der Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Horst N*** wird Folge gegeben und die Strafe auf 6 Monate erhöht. Der Berufung des Angeklagten Horst N*** gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird Folge gegeben, das diesen Angeklagten betreffende Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Privatbeteiligte, D*** Allgemeine Versicherungs-AG, mit ihren Ersatzansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Helga S*** und Horst N*** des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Darnach liegt ihnen zur Last, im April und Mai 1983 in Villach im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, versucht zu haben, Angestellte der D*** Allgemeine Versicherungs-AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch das wahrheitswidrige Vorbringen, Horst N*** habe am 9. April 1983 bei der Bahnunterführung der Schütter Landesstraße in Neuhaus mit seinem bei der genannten Versicherungsgesellschaft haftpflichtversicherten Personenkraftwagen den entgegenkommenden Personenkraftwagen der Helga S*** gestreift, wobei letzteres Fahrzeug auch noch die Mauer der Bahnunterführung gestreift habe und beidseitig beschädigt worden sei, zu einer Schadenersatzzahlung im Betrag von 78.723 S an Helga S*** zu verleiten, um welchen Betrag die Versicherungsgesellschaft an ihrem Vermögen geschädigt werden sollte.
Gegen den Schuldspruch richten sich die aus der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, während die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf Z 10 der zitierten Gesetzesstelle gestützten Nichtigkeitsbeschwerde die Nichtannahme gewerbsmäßiger Begehung des (schweren) Betruges in Ansehung der Angeklagten Helga S*** bekämpft.
A/ Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten:
Das Schöffengericht hat nicht ausgeschlossen, daß es - wie der beigezogene Sachverständige ausführte (S 149 iVm S 241) - fahrtechnisch an sich möglich wäre, die beiden Fahrzeuge (an der behaupteten Unfallstelle) bei geringer Geschwindigkeit so zu lenken, daß sie die vorgegebene Zusammenstoßstellung erreichen und die der Schadensanzeige zugrundegelegten Beschädigungen erfahren könnten; es hat jedoch, insoweit gedeckt durch das in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten (vgl. S 241 bis 243), die Angaben der beiden Angeklagten über den konkreten Ablauf des angeblichen Unfallgeschehens für miteinander nicht vereinbar und technisch unstimmig ("nicht möglich") erachtet. Unter Berücksichtigung aller beim Ortsaugenschein festgestellten Umstände gelangte das Gericht ferner zu der Ansicht, daß ein Unfallgeschehen wie das behauptete (nur) "äußerst schwierig" zustandekommen hätte können, wobei es noch dazu "äußerst unwahrscheinlich" sei, daß sich ein Autolenker gerade knapp vor der auf dem betreffenden Straßenstück weit und breit das einzige (Sicht-)Hindernis darstellenden Bahnunterführung - so wie dies der Angeklagte Horst N*** von sich behauptete - nach einer im Fahrzeug zu Boden gefallenen Zigarettenschachtel bücke. Schließlich führte das Erstgericht als weiteres Argument gegen die Glaubwürdigkeit insbesondere des Angeklagten N*** an, daß er die angebliche Unfallgegnerin nicht zu kennen vorgab, obwohl es sich bei ihr um die Lebensgefährtin seines Bruders Emil N*** handelte. Aus all dem zog das Erstgericht den Schluß, daß die Angaben der Angeklagten nicht glaubwürdig waren und eine Kollision der beiden Fahrzeuge vorsätzlich herbeigeführt worden war, um der Angeklagten Helga S*** den Ersatz der Kosten der Reparatur (einschließlich Abgeltung der Wertminderung) ihres (schon anderweitig) beschädigten Fahrzeugs aus der Haftpflichtversicherung des Angeklagten Horst N*** zu verschaffen.
Rechtliche Beurteilung
Soweit der Angeklagte Horst N*** in seiner Mängelrüge die Urteilsfeststellung, der von den Angeklagten geschilderte Unfallshergang sei nicht möglich, die Kollision sei absichtlich herbeigeführt worden, um eine Schadensliquidierung zu erreichen, als "durch das Beweisverfahren nicht gedeckt" bezeichnet, übergeht die Rüge die eben erwähnte, vom Erstgericht dafür gegebene Begründung und stellt damit nicht auf den hier wesentlichen Urteilssachverhalt ab. Wenn die Rüge Passagen des Urteils (wie: es sei äußerst unwahrscheinlich, daß sich ein Autofahrer gerade knapp vor einem Hindernis nach Zigaretten bücke) und des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.Ing. Jörg Z*** (wonach der von den Angeklagten behauptete Zusammenstoß technisch prinzipiell möglich sei) aus dem Zusammenhang gerissen wiedergibt und behauptet, daß diese in Widerspruch zu den oben angeführten Konstatierungen stünden, wird damit lediglich nach Art einer Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft, ohne daß ein Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt wird.
Auch die von der Angeklagten Helga S*** der Sache nach behauptete unzureichende Begründung liegt nicht vor. Wegen eines solchen Mangels tritt Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO nur dann ein, wenn aus den vom Erstgericht ermittelten Prämissen die von ihm gezogene Schlußfolgerung entweder nach den Denkgesetzen überhaupt nicht abgeleitet werden konnte oder doch so weit hergeholt erscheint, daß ein logischer Zusammenhang nicht ohne weiteres erkennbar ist (EvBl 1975/180 ua). Weder den einen noch den anderen Fehler vermag die Beschwerde - wie ein Vergleich ihrer Ausführungen mit den Urteilsgründen ergibt - aufzuzeigen; sie beschränkt sich vielmehr im wesentlichen auf die Behauptung, daß eine exakte Begründung fehle und daß "Unsicherheitsfaktoren" im Gutachten des genannten Sachverständigen vorlägen. Die Beschwerde geht daher auch in dieser Richtung fehl.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Helga S*** und Horst N*** waren daher zu verwerfen.
B/ Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die Anklage gegen Helga S*** lautete auf das Verbrechen des (in insgesamt acht Fällen) teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und § 15 StGB (ON 10). In der über diese Anklage am 29. Juli 1985 durchgeführten Hauptverhandlung ist das nunmehr abgeurteilte Faktum II/3 der Anklageschrift ausgeschieden worden (S 220); über die anderen Anklagepunkte ist bereits das (anklagekonforme) Urteil vom 30.September 1985, GZ 12 Vr 2681/83-51, ergangen, gegen welches (ua) die Angeklagte Helga S*** die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ergriffen hat. Wegen noch nicht eingetretener Rechtskraft des Urteils vom 30. September 1985 vermeinte das Schöffengericht, im vorliegenden Verfahren über die gewerbsmäßige Begehung des hier abgeurteilten Betruges nicht positiv absprechen zu können. Diese Ansicht ist verfehlt, das Gericht wäre vielmehr nicht nur berechtigt, sondern vielmehr auch verpflichtet gewesen, im vorliegenden Verfahren - unter Berücksichtigung der relevanten Ergebnisse des hinsichtlich der übrigen Anklagepunkte gesondert (wenngleich noch nicht rechtskräftig) zum Abschluß gebrachten Verfahrens, dessen Akten in der Hauptverhandlung verlesen und damit zum Prozeßstoff gemacht worden waren (S 243) - selbständig festzustellen und zu entscheiden, ob (auch) bei der hier abgeurteilten Tat die Kriterien gewerbsmäßiger Begehung (§§ 70, 148 StGB) gegeben sind. Weil dies nicht geschehen ist, haftet dem Urteil insoweit ein von der Staatsanwaltschaft zutreffend gerügter Feststellungsmangel an (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO), der zur Kassierung des die Angeklagte S*** betreffenden Urteils in dem im Spruch bezeichneten Umfang und diesbezüglich zur Anordnung der Verfahrenserneuerung in erster Instanz zwingt (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO). Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Horst N*** nach § 147 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, deren Vollzug es unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen hat. Gemäß § 369 StPO verurteilte es die beiden Angeklagten überdies zur Bezahlung eines Betrages von 531 S an die D*** Allgemeine Versicherungs-AG. Bei der Strafbemessung war erschwerend nichts, mildernd der Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist und der bisher untadelige Lebenswandel. Der gegen das Strafmaß gerichteten Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt, wie die Anklagebehörde jedoch mit Recht hervorhebt, wurde bei der Bemessung der Strafe zu wenig auf die Höhe des Schadensbetrages Bedacht genommen, auf die sich das Verschulden des Angeklagten erstreckt hat (§ 32 Abs 2 StGB). Bei richtiger Würdigung dieses Umstandes war die Strafe auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß, das der Schwere der personalen Tatschuld und auch dem Unrechtsgehalt der Tat entspricht, zu erhöhen. Der Ausspruch über die bedingte Strafnachsicht bleibt hievon als unangefochten naturgemäß unberührt.
Der allein gegen den Zuspruch eines Betrages von 531 S an die Privatbeteiligte D*** Allgemeine Versicherungs-AG gerichteten Berufung des Angeklagten Horst N*** war Folge zu geben, weil dieser bekämpfte Ausspruch im Urteil gänzlich unbegründet blieb, sodaß eine Nachprüfung der Erwägungen, von denen sich das Gericht in diesem Zusammenhang leiten ließ, nicht möglich war (vgl. LSK 1980/67; RZ 1985/29 S 90).
Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft - soweit deren Rechtsmittel die Angeklagte Helga S*** betroffen hat - und diese Angeklagte selbst auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E09484European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00086.86.1009.000Dokumentnummer
JJT_19861009_OGH0002_0120OS00086_8600000_000