TE OGH 1986/10/14 5Ob111/85

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Veröffentlicht am 14.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Ernst F***, Pensionist, Baden, Weilburgstraße 10/V/6, vertreten durch Dr. Michael Stern und DDr. Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Franz N***, Angestellter, Wien 13., Mariensteig 3/2/2, vertreten durch Dr. Günther Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 189.262,06 S s.A. (Revisionsinteresse: 85.054,52 S s. A.) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. September 1985, GZ 13 R 153/85-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 15. März 1985, GZ 26 Cg 102/84-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.443,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.200,-- S an Barauslagen und 385,80 S an Ust.) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 14.4.1981 verstorbene Gattin des Klägers, Katharina F***, hatte den Beklagten, der ihr Neffe ist, zu ihrem Erben eingesetzt. Ihr Nachlaß wurde dem Beklagten aufgrund der von ihm abgegebenen Erbserklärung zu 2 A 299/81 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien zur Gänze eingeantwortet. Der Kläger und seine verstorbene Frau waren je zur Hälfte Eigentümer der mit 193/25.728-Anteilen der EZ 72 KG Rauhenstein verbundenen Eigentumswohnung in Baden, Weilburgstraße 10/V/6.

Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 189.262,06 S samt Anhang (AS 13). Er habe gegen den Beklagten, ausgehend von einem Reinnachlaß nach seiner verstorbenen Gattin von 255.163,57 S, einen Pflichtteilsanspruch von 85.054,52 S. Da ein von ihm allein angeschafftes und in seinem Alleineigentum stehendes Wertpapierguthaben von 72.960,-- S zu Unrecht in den Nachlaß der Katharina F*** einbezogen worden sei und da er 31.247,54 S an vom Beklagten als Erben zu tragenden Nachlaßpassiven beglichen habe, schulde ihm der Beklagte auch diese beiden Beträge. Die gemeinsame Eigentumswohnung in Baden habe dem Kläger und seiner verstorbenen Gattin seit vielen Jahren zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses und zum gewöhnlichen Aufenthalt gedient, sodaß er für den Übergang des Hälfteanteils seiner verstorbenen Gattin an dieser Wohnung gemäß § 10 Abs 1 WEG an ihn keinen Übernahmspreis zu zahlen habe (§ 10 Abs3 WEG). Das Gemälde (Makart), die Sitzgarnitur, der Fernsehapparat und das übrige Inventar dieser mit 558.475,-- S geschätzten Eigentumswohnung seien seit jeher Eigentum des Klägers gewesen und daher nicht zu veranschlagen. Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Das Wertpapierdepot mit Werten von 72.960,-- S sei im Eigentum der Katharina F*** gestanden und daher zu Recht in den Nachlaß einbezogen worden. Es sei richtig, daß der Schätzwert des Hälfteanteiles an der Eigentumswohnung in Baden, welcher der Erblasserin gehört habe, einschließlich des Inventars, das nicht im Alleineigentum des Klägers gestanden sei, 558.475,-- S betrage. Der Hälfteanteil der Katharina F*** an der Eigentumswohnung sei zwar dem Kläger als Vindikationslegat zugefallen, an dessen Stelle trete aber (gemäß § 10 Abs2 WEG, weil diese Eigentumswohnung dem Kläger nicht zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses und zu seinem gewöhnlichen Aufenthalt diene) eine Forderung in Höhe des Übernahmspreises von 558.475,-- S. Der Reinnachlaß einschließlich dieses Übernahmspreises betrage 777.967,81 S. Der dem Kläger hievon zustehende Pflichtteil in Höhe von einem Drittel, also 259.322,60 S, sowie die von ihm allein getragenen Nachlaßpassiven von 31.247,54 seien aber dadurch berichtigt, daß dem Kläger der Hälfteanteil an der gemeinsamen Eigentumswohnung mit Inventar im Wert von 558.475,-- S als Vermächtnis zugefallen sei, in welcher Form er seinen Pflichtteil erhalten habe. Im übrigen stünden dem Beklagten Gegenforderungen von 33.366,-- S und 13.158,11 S zu, die aufrechnungsweise eingewendet würden. Weiter wendet der Beklagte den Differenzbetrag von 267.986,-- S zwischen dem Übernahmspreis für den Hälfteanteil an der Eigentumswohnung und dem Anspruch des Klägers auf den Pflichtteil und den Nachlaßpassivenersatz compensando gegen die Klageforderung ein.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Kläger habe die von seinen Eltern übernommene Mietwohnung in Wien 3., Klimschgasse 1, mit seiner Gattin bis zu deren Ableben im Jahre 1981 bewohnt. Im Jahre 1977 habe er gemeinsam mit seiner Gattin eine Eigentumswohnung in Baden erworben. Diese Eigentumswohnung habe er nach ihrer Fertigstellung komplett möbliert und in der Folgezeit mit seiner Gattin zu etwa einem Drittel der Zeit bewohnt, während sich die beiden Ehegatten in der restlichen Zeit (rund zwei Drittel) - abgesehen von urlaubsbedingten Abwesenheiten an dritten Orten - in der Mietwohnung in der Klimschgasse aufgehalten hätten. Erst nach dem Ableben seiner Gattin im Jahre 1981, nämlich im Jahre 1983, habe der Kläger die Mietwohnung in Wien aufgegeben; er wohne nunmehr ausschließlich in Baden.

Aus seinen Feststellungen hat das Erstgericht rechtlich abgeleitet, daß die Wohnung in Baden im Zeitpunkt des Todes der Gattin des Klägers, welcher Zeitpunkt maßgeblich sei, dem Kläger weder als gewöhnlicher Aufenthaltsort noch zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses gedient habe. Die Sonderregelung des § 10 Abs3 WEG, nach welcher kein Übernahmspreis zu zahlen wäre, sei daher in diesem Fall nicht anzuwenden. Gemäß § 10 Abs2 WEG gehöre daher der Übernahmspreis für die auf den Kläger übergegangene Hälfte der Eigentumswohnung, welcher unbestritten 558.475,-- S betrage, zum Nachlaß der verstorbenen Gattin des Klägers. Gehe man davon aus, dann erhöhten sich der vom Kläger behauptete Reinnachlaß um den Wert dieses Wohnungsanteils und der dem Kläger gebührende Pflichtteil in Höhe eines Drittels dieses Reinnachlasses. Da der Wert des dem Kläger zugekommenen Vindikationslegates in Form des Wohnungsanteils seiner Gattin diesen Pflichtteilsanspruch aber bei weitem übersteige, sei das Klagebegehren unberechtigt, ohne daß auf die weiteren Gegenforderungen hätte eingegangen werden müssen. Selbst bei ungekürztem Zurechtbestehen der weiteren Ansprüche des Klägers hinsichtlich des Wertpapierdepots und der von ihm aufgewendeten Kosten seien diese nämlich zusammen mit dem Pflichtteilsanspruch bei weitem nicht so hoch wie der Wert der Hälfte der Eigentumswohnung, sodaß in keinem Fall ein Anspruch des Klägers offen bleibe. Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Abweisung des Pflichtteilsbegehrens von 85.054,52 S s.A. als Teilurteil und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs4 Z 1 ZPO zulässig sei. Im übrigen, also hinsichtlich der Abweisung des weiteren Begehrens von 104.207,54 S s.A., hob es das Ersturteil in Stattgebung der Berufung des Klägers auf und verwies es die Rechtssache in diesem Umfang zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Sein Teilurteil begründete das Berufungsgericht wie folgt:

Erwerbe beim Tod eines Ehegatten der überlebende Ehegatte den Anteil des Verstorbenen nicht ohnehin als Erbe oder Vermächtnisnehmer allein, so wachse gemäß § 10 Abs 1 Z 1 WEG der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum grundsätzlich dem überlebenden Ehegatten als gesetzliches Vermächtnis unmittelbar ins Eigentum zu. Erwerbe der überlebende Ehegatte aufgrund dieses Zuwachses den Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und Wohnungseigentum, so trete gemäß § 10 Abs2 WEG an die Stelle dieses Anteils des Verstorbenen die Forderung der Verlassenschaft gegen den überlebenden Ehegatten auf Zahlung eines Übernahmspreises, der, sofern er nicht (von dem überlebenden Ehgatten und den Erben des Verstorbenen mit Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten) einvernehmlich bestimmt werde, die Hälfte des gemeinen Wertes des Mindestanteiles und des damit verbundenen gemeinsamen Wohnungseigentums sei. Diese Regelung des Absatzes 2 gelte gemäß Absatz 3 dieser Gesetzesbestimmung nicht, wenn der Gegenstand des gemeinsamen Wohnungseigentums eine Wohnung sei, die dem überlebenden Ehegatten zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses und zu seinem gewöhnlichen Aufenthalt diene.

Wenn man von den Behauptungen des Klägers ausgehe, es habe sich um eine bedarfsqualifizierte Wohnung im Sinne des § 10 Abs3 WEG gehandelt, sodaß er keinen Übernahmspreis für den Zuwachs des Hälfteanteils zahlen müsse, erweise sich sein Pflichtteilsanspruch als unberechtigt. Er habe nämlich damit ein gesetzliches Vermächtnis erhalten, für das er keinen Übernahmspreis zu zahlen habe, sei somit um dessen Wert, der unbestritten jedenfalls 500.000,-- S betrage, bereichert und es sei dieses gesetzliche Vermächtnis somit gemäß § 787 Abs 1 ABGB in seinen Pflichtteilsanspruch einzurechnen (vgl. Kralik in Ehrenzweig, Erbrecht 3 , 252; Welser in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 774). Da dem Kläger gemäß §§ 765 und 757 Abs 1 ABGB im vorliegenden Fall ein Pflichteilsanspruch in Höhe von einem Drittel des Nachlasses zustünde, er aber durch den Hälfteanteil an der Eigentumswohnung ein gesetzliches Vermächtnis mit einem Wert erhalten habe, der den von ihm behaupteten Reinnachlaß übersteige, stehe ihm ein Pflichtteilsanspruch nicht zu.

Aber auch dann, wenn es sich nicht um eine bedarfsqualifizierte Eigentumswohnung handeln sollte und der Kläger für die Übernahme des Hälfteanteiles gemäß § 10 Abs2 WEG einen Übernahmspreis an die Verlassenschaft bzw. den Erben zahlen müßte, stünde ihm keine Pflichtteilsforderung mehr zu, wie bereits das Erstgericht ausgeführt habe. Es könnte nämlich sein Pflichtteilsanspruch diesfalls nur dazu führen, daß sich seine Verpflichtung zur Zahlung des Übernahmspreises entsprechend verringert; eine Pflichtteilsforderung bliebe nicht mehr offen, weil sie erheblich geringer sei als der Übernahmspreis.

Diese Überlegungen zeigten, daß das Klagebegehren, soweit es den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch von 85.054,52 S samt Anhang betreffe, jedenfalls mit Recht abgewiesen worden sei, ohne daß weitere Feststellungen oder Erörterungen hiezu notwendig wären. Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 und Abs2 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren auf Zahlung von 85.054,52 S samt Anhang stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs4 Z 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger wendet sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, er habe sich bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs3 WEG den Wert des gesetzlichen Vermächtnisses des Hälfteanteils an der Eigentumswohnung gemäß § 787 Abs 1 ABGB in seinen Pflichtteilsanspruch einrechnen zu lassen, zusammengefaßt mit nachstehenden Argumenten: Schon nach dem Wortlaut des § 10 Abs3 WEG bestehe im Falle einer "bedarfsqualifizierten Wohnung" - zum Unterschied von § 10 Abs2 WEG, wonach an die Stelle des Anteils des Verstorbenen eine Forderung der Verlassenschaft gegen den überlebenden Ehegatten auf Zahlung eines Übernahmspreises trete - lediglich eine Forderung der Pflichtteilsberechtigten gegen den übernehmenden (überlebenden) Ehegatten auf Zahlung eines Geldbetrages; auch der Wert des halben Mindestanteils des verstorbenen Ehegatten scheide aus dessen Nachlaß aus. Der Kläger (als übernehmender Ehegatte) hätte lediglich eine Zahlung an sich selbst (als Pflichtteilsberechtigter) zu leisten; eine Anrechnung des Vindikationslegats des § 10 WEG nach § 787 Abs 1 ABGB finde nicht statt (Welser in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 787). Dies entspreche aber auch der Intention des Gesetzgebers, durch § 10 Abs3 WEG die Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des überlebenden Ehegatten sicherzustellen.

Der Beklagte führt demgegenüber insbesondere aus, daß § 10 Abs3 WEG den Wert des halben Mindestanteils des Verstorbenen an der Ehegatteneigentumswohnung nur deshalb aus dessen Nachlaß herausnehme, weil er ihn dadurch - das Wohnbedürfnis des überlebenden Ehegatten höher bewertend als den Gedanken des Gläubigerschutzes - dem unmittelbaren Zugriff der Nachlaßgläubiger entziehen möchte (Faistenberger-Barta-Call, WEG 1975, Rz 70 und 71 zu § 10). Damit wolle der Gesetzgeber aber nicht zum Ausdruck bringen, daß dem überlebenden Ehegatten der halbe Mindestanteil und darüberhinaus vom restlichen Nachlaß noch der Pflichtteil zufallen solle; dies würde den pflichtteilsberechtigten überlebenden Ehegatten ungerechtfertigt besserstellen als andere Noterben. Kralik (Ehrenzweig, Erbrecht 3 , 252 und 309) lehrt, daß der Erwerb aufgrund eines gesetzlichen Vermächtnisses auf den Pflichtteil anzurechnen sei; was § 789 ABGB für den Voraus des Ehegatten ausdrücklich bestätige, gelte auch für die Hälfte der Ehegatteneigentumswohnung im Fall des § 10 Abs3 WEG. Soweit der überlebende Ehegatte nicht einen Übernahmspreis zu zahlen habe, sei der Wert, um den er bereichert werde, schon aufgrund des § 787 Abs 1 ABGB in seinen Pflichtteil einzurechnen.

Faistenberger (Gschnitzer, Erbrecht 2 , 97) vertritt gleichfalls den Standpunkt, daß die Anwachsung der Hälfte der Ehegatteneigentumswohnung, soweit der überlebende Ehegatte keinen Übernahmspreis zu zahlen habe, in dessen Erbteil, zumindest aber (gemäß § 787 Abs 1 ABGB) in dessen Pflichtteil einzurechnen sei. Welser führt einerseits (Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 774) aus, hinterlassen im Sinne des § 774 ABGB sei alles, was der Pflichtteilsberechtigte als Erbe oder Vermächtnisnehmer, also auch als gesetzlicher Erbe oder aufgrund eines gesetzlichen Legates oder nach § 10 WEG, erhalte; andererseits meint er (aaO Rz 1 zu § 787 und Rz 9 zu § 784), zum Pflichtteil anrechenbar im Sinne des § 787 Abs 1 ABGB sei alles, was ein Noterbe kraft Willens des Erblassers aus dem Nachlaß erhalte, in Verbindung mit § 774 ABGB aber auch alles, was dem Noterben von Gesetzes wegen anfalle, also zum Beispiel ein gesetzlicher Erbteil und das Vorausvermächtnis, nicht aber das Vindikationslegat des § 10 WEG, weil für diesen Wert ein besonderes Ausgleichsverfahren vorgesehen sei. Das Vindikationslegat des § 10 WEG scheide aus dem Nachlaß aus, zähle also für die Pflichtteilsermittlung nicht mit; statt dessen sei im Fall des § 10 Abs2 WEG die Forderung auf den Übernahmspreis als Nachlaßaktivum einzusetzen, das verhältnismäßig allen Noterben, daher auch dem pflichtteilsberechtigten Ehegatten selbst, zugute komme. Im Falle des § 10 Abs3 WEG werde nach Ausscheidung des Vindikationslegats dem Nachlaß nichts hinzugeschlagen, sondern die Noterben erhielten einen besonderen schuldrechtlichen Anspruch, der sich direkt gegen den überlebenden Ehegatten, nicht gegen den Nachlaß richte und neben den vom reinen Nachlaß ermittelten Pflichtteilsanspruch trete; er stehe aber nur dann zu, wenn durch die Einsetzung des fiktiven Übernahmspreises nach § 10 Abs2 WEG überhaupt Pflichtteilsansprüche entstünden oder vergrößert würden.

Der Oberste Gerichtshof tritt - Kralik und Faistenberger folgend - der Auffassung des Berufungsgerichtes bei. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn des § 10 Abs3 WEG, wonach im Falle des Zuwachses (§ 10 Abs 1 Z 1 WEG) dann, wenn die Ehegatteneigentumswohnung dem überlebenden Ehegatten zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses und zu seinem gewöhnlichen Aufenthalt dient, nicht an die Stelle des Mindestanteils und Wohnungseigentums des verstorbenen Ehegatten die Forderung der Verlassenschaft gegen den überlebenden Ehegatten auf Zahlung eines Übernahmspreises tritt, sondern der überlebende Ehegatte den Pflichtteilsberechtigten des verstorbenen Ehegatten einen Geldbetrag schuldet, der den vom Übernahmspreis im Sinne des § 10 Abs2 WEG zu ermittelnden Pflichtteilsansprüchen entspräche, läßt sich - wie der Beklagte zutreffend ausführt - ableiten, daß für das Vindikationslegat des § 10 Abs 1 Z 1 WEG bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs3 WEG der allgemeine Grundsatz, wonach in den Pflichtteil alles, was ein Noterbe kraft Willens des Erblassers aus dem Nachlaß erhält, aber auch alles, was dem Noterben von Gesetzes wegen anfällt (zutreffendenfalls abzüglich dessen, was der überlebende Ehegatte gemäß § 10 Abs3 WEG den Pflichtteilsberechtigten des verstorbenen Ehegatten zu leisten hat), einzurechnen ist, nicht gelten sollte. Eine Rechtfertigung für die Verschiedenbehandlung des gesetzlichen Vorausvermächtnisses des Ehegatten (§ 758 ABGB), das gemäß § 789 zweiter Halbsatz ABGB in den Pflichtteil des Ehegatten einzurechnen ist, und des gesetzlichen Vindikationslegates des § 10 Abs 1 Z 1 WEG ist nicht zu erkennen. Der Schutz des überlebenden Ehegatten, den die Regelung des § 10 Abs3 WEG bezweckt, erfordert es nicht, den Wert des diesem zuwachsenden Hälfteanteils an der Ehewohnung (abzüglich dessen, was der überlebende Ehegatte gemäß dieser Bestimmung des Pflichtteilsberechtigten des verstorbenen Ehegatten zu leisten hat) von der Anrechnung auf den Pflichtteil auszunehmen. Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E09372

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00111.85.1014.000

Dokumentnummer

JJT_19861014_OGH0002_0050OB00111_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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