TE OGH 1986/10/15 3Ob615/86

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Veröffentlicht am 15.10.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 29. Oktober 1968 geborenen mj.Roman S***, derzeit ohne Beschäftigung, 1100 Wien, Ahornhof 4/10, hier vertreten durch das Bezirksjugendamt für den 10.Bezirk, 1100 Wien,

Van der Nüll-Gasse 20, als besonderen Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche, infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters, Rudolf S***, Monteur, 2440 Gramatneusiedl,

Dr. Hauswirthgasse 6, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 2.Juli 1986, GZ 44 R 3282/86-71, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 28.April 1986, GZ 6 P 628/85-62, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der pflegebefohlene Minderjährige wird nach Scheidung der Ehe seiner Eltern in dem von der Mutter geführten Haushalt von dieser betreut.

Nach der zwischen dem besonderen Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche und dem Vater geschlossenen Vereinbarung vom 20.1.1982, BJA 10/V/Sw, hatte dieser für den Minderjährigen ab 1.1.1982 bis zu dessen Selbsterhaltungsfähigkeit einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 2.500 S zu leisten, der durch eine spätere Vereinbarung auf 2.265 S herabgesetzt wurde. Der erstgenannten Vereinbarung lag zugrunde, daß der Unterhaltspflichtige als Heizungsmonteur ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 16.700 S bezog, vermögenslos war und mit einer erwerbstätigen Frau verheiratet war, die ein Kind erwartete.

Am 29.11.1985 beantragte der Vater, seinen Unterhaltsbeitrag ab 1.12.1985 auf 660 S herabzusetzen, weil sein Sohn 14 mal im Jahr eine Lehrlingsentschädigung von etwa 3.800 S netto erhalte. Der Antragsteller selbst habe für seine im Haushalt tätige Ehefrau und ein am 25.7.1982 geborenes weiteres eheliches Kind zu sorgen. Der besondere Sachwalter beantragte die Abweisung des Antrages und teilte mit, daß der Minderjährige seit 3.9.1984 als Stahlbauschlosserlehrling beschäftigt sei und im 2.Lehrjahr eine monatliche Lehrlingsentschädigung von 3.830 S beziehe. Der Vater habe ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von rund 17.050 S. Die Mutter erklärte am 10.12.1985, daß der Minderjährige wegen eines Arbeitsunfalls, bei dem die linke Hand völlig gebrochen worden und aufgrund dessen der Mittelfinger amputiert worden sei, im Krankenstand sei und es fraglich sei, ob er seine Lehre fortsetzen könne.

Aus einer Behandlungsunterlage des Unfallkrankenhauses Meidling geht hervor, daß der Minderjährige nach dem Arbeitsunfall vom 24.10.1985 bis 22.11.1985 wegen Frakturen im Bereich der linken Hand in stationärer Behandlung war, während der am 11.11.1985 der linke Mittelfinger in der Mitte des Grundgliedes amputiert wurde. Am 25.4.1986 berichteten die Mutter und der Minderjährige, daß dieser bis 13.4.1986 im Krankenstand gewesen und (seither) ohne Einkommen sei. Er müsse einen neuen Beruf erlernen und besuche derzeit keinen Umschulungskurs. Er sei seit 24.2.1986 beim Arbeitsamt Metall-Chemie als arbeitssuchend gemeldet, habe aber noch keine Lehrstelle finden können.

Daraufhin wies das Erstgericht den Herabsetzungsantrag des Vaters ab und stellte fest, daß der Minderjährige wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 24.10.1985 die Lehre nicht fortsetzen könne, sondern einen neuen Beruf erlernen müsse, weshalb er keinen Umschulungskurs besuche. Er sei seit 24.2.1986 beim Arbeitsamt Metall-Chemie als arbeitssuchend gemeldet, doch habe - auch wegen der Behinderung - noch keine Lehrstelle gefunden werden können. Der Minderjährige sei daher weiterhin auf die Unterhaltsleistungen des Vaters angewiesen.

Dagegen, daß der Unterhaltsbeitrag nicht ab 1.12.1985 auf 1.200 S herabgesetzt wurde, erhob der Vater mit der Begründung Rekurs, daß der Minderjährige seine Lehrstelle selbst gekündigt habe und einen Umschulungskurs machen könnte. Er habe etwa im April 1986 eine Abfertigung von rund 8.000 S (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) erhalten.

Die Mutter und der Minderjährige erklärten dazu am 6.6.1986, daß der Minderjährige wegen des Arbeitsunfalls selbst gekündigt habe, aber keinen Umschulungskurs besuchen könne, weil er dazu eine Lehre beendet haben müßte. Er sei derzeit beim Arbeitsamt für Jugendliche gemeldet und erhalte vom 16.4. bis 8.7.1986 ein tägliches Arbeitslosengeld von 52,20 S, dann werde er die Notstandshilfe beantragen.

Die Kammer der gewerblichen Wirtschaft gab bekannt, daß der Minderjährige den Lehrvertrag trotz Aufklärung durch die Arbeiterkammer im Beisein seiner Mutter mit 15.4.1986 "einvernehmlich gekündigt" habe.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel nicht Folge, weil der bisherige Unterhaltsbeitrag des Vaters auch bei Berücksichtigung des halben Arbeitslosenbezuges bzw. der zu erwartenden Notstandshilfe weiterhin nötig sei. Die Kündigung der Lehrstelle sei unter den gegebenen Umständen menschlich verständlich, so daß ein neuer Ausbildungsweg gefunden werden müsse.

In seinem auf Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages gerichteten (außerordentlichen) Revisionsrekurs führt der Vater im wesentlichen aus, daß sein Sohn, wenn er nicht selbst gekündigt hätte, trotz der Folgen seines Arbeitsunfalls noch immer als Stahlbauschlosserlehrling tätig sein könnte. Er könnte auch beim Arbeitgeber des Vaters als Installateur arbeiten, warte aber, bis er vom Arbeitsamt vermittelt werde. Der Unterhaltsberechtigte und dessen Mutter hätten daher den derzeitigen Zustand selbst herbeigeführt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist nach § 14 Abs.2 AußStrG unzulässig, weil es sich gegen eine Entscheidung der zweiten Instanz über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches richtet.

Nach dem Judikat 60 neu (SZ 27/177) gehört zur Bemessung u.a. die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten und der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, wie Vermögen, Einkommen, Arbeitsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten, Leistungen anderer Personen, wobei die Beurteilung dieser Umstände durch die zweite Instanz auch dann nicht anfechtbar ist, wenn es strittig ist, ob sie zur völligen Ablehnung eines Anspruchs auf Unterhaltsleistung führt.

Die Arbeitsfähigkeit und damit auch die Selbsterhaltungsfähigkeit sind Bemessungsfragen. Daher ist dem Obersten Gerichtshof die Prüfung der vom Unterhaltspflichtigen aufgeworfenen Fragen entzogen, insbes.,ob sein Sohn sein Lehrverhältnis als Stahlbauschlosser freiwillig lösen durfte, trotz der Folgen seines Arbeitsunfalls weiterhin als Stahlbauschlosserlehrling tätig sein könnte, ob und in welchem Umfang der Unterhaltsberechtigte selbst verpflichtet wäre, einen anderen Erwerb - nicht nur im Wege des Arbeitsamtes - zu suchen, welche Tätigkeiten ihm trotz der Folgen seines Arbeitsunfalls zumutbar wären und wie weit das, was er allenfalls zu erwerben verabsäumt, bei der Höhe des väterlichen Unterhaltsbeitrags zu berücksichtigen ist (Fasching, Komm.Ergänzungsband 86; ständige Rechtsprechung, z.B.EFSlg.34.997, 34.998, 44.595, 47.161 bis 163). Die Rechtsmittelbeschränkung des § 14 Abs.2 AußStrG schließt die Anfechtung der Entscheidung der zweiten Instanz - aus welchem Rekursgrund immer, also selbst nach § 16 AußStrG. - aus (zuletzt EFSlg.47.171).

Der unzulässige Revisionsrekurs, der nach § 14 Abs.2 letzter Satz AußStrG bereits vom Erstgericht, sodann von der zweiten Instanz (zuletzt EFSlg.39.709) zurückzuweisen gewesen wäre, ist daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E09336

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00615.86.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19861015_OGH0002_0030OB00615_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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