TE OGH 1986/10/15 9Os82/86

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Veröffentlicht am 15.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr.Steininger, Dr.Horak, Dr.Lachner und Dr.Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Kastner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef B*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 19.März 1986, GZ 11 a Vr 558/84-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Schwach zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16. Februar 1927 geborene Hauptschuldirektor Josef B*** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Ernstbrunn als Bürgermeister dieser Marktgemeinde mit dem Vorsatz, Adalbert B*** und Erika B*** in ihrem konkreten Recht auf Entscheidung über von ihnen eingebrachte Anträge auf Parzellierung von im Bauland gelegenen Grundstücken zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Marktgemeinde Ernstbrunn als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er

1. in der Zeit von 7.März 1982 bis 16.Dezember 1982 über ein Ansuchen vom 6.März 1982, modifiziert am 3.Juni 1982, um Parzellierung der Grundstücke EZ 321, KG Klement, weder entschieden noch dieses dem Einschreiter zur Verbesserung gemäß §§ 10 und 13 AVG zurückgestellt hat, sodaß Adalbert B*** am 15.Dezember 1982 den Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG beantragen mußte; und

2. in der Zeit vom 15. September 1983 bis 30.März 1984 über ein Ansuchen vom 14.September 1983, GZ 1521 c, um Grundabteilung der Parzellen Nr. 291 und 292/1 der EZ 321 der KG Klement innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist von drei Monaten deshalb nicht entschieden hat, weil er nicht entscheiden wollte, sodaß Adalbert B*** am 30.März 1984 neuerlich einen Devolutionsantrag stellen mußte.

Der Angeklagte Josef B*** bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Vorwegzunehmen ist in rechtlicher Hinsicht, daß dem Angeklagten in Ansehung des Antrages vom 6.März 1982 (Faktum 1) eine mißbräuchliche Verletzung seiner Pflicht zur Erlassung eines den Antrag erledigenden Bescheides im Sinne des § 73 Abs 2 AVG durch vorsätzliches Verstreichenlassen der (dort bzw.) in § 118 Abs 2 der NÖ. Bauordnung angeführten Frist von (sechs bzw.) drei Monaten nicht anzulasten ist, weil er eine solche Entscheidungspflicht objektiv nicht hatte. Vielmehr durfte er die in Rede stehende Eingabe des Ehepaares B***, das im Verwaltungsverfahren durch den Planverfasser Dipl.Ing.Raimund F*** vertreten war, im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes meritorisch gar nicht erledigen, da die Bevollmächtigung des Vertreters durch die Eheleute B*** nicht ausgewiesen war. Denn es würde die Erlassung eines antragsgebundenen Bescheides ohne Vorliegen eines Antrags oder - was dem gleichzuhalten ist - über einen mit dem Formgebrechen der fehlenden schriftlichen Vollmacht (§§ 10 Abs 1 AVG iVm § 13 Abs 3 AVG) behafteten Antrag den ergangenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde belasten (VwGH 30. Jänner 1979, Zl. 387/78 u.a.). In gleicher Weise kann auf die Tatsache, daß der Angeklagte dem Einschreiter keinen, nach den oben bezeichneten Gesetzesstellen zwingend vorgeschriebenen Verbesserungsauftrag (dazu siehe VerwGH 9.Oktober 1965, Slg. 5082) erteilte, kein Schuldspruch nach § 302 Abs 1 StGB gestützt werden, weil der Angeklagte den Vollmachtsmangel nach den für die Beurteilung dieser Frage allein maßgeblichen Feststellungen des Erstgerichtes überhaupt nicht erkannte, er insoferne also nicht wissentlich handelte. Was dem Angeklagten aber in Ansehung des Antrages vom 6.März 1982 (Faktum 1) als Mißbrauch der Amtsgewalt angelastet werden muß, ist der von den Tatrichtern als erwiesen angenommene Umstand, daß er jegliche Behandlung des ihm aus Vorgesprächen bekannten, mit seinen Vorstellungen von der Gestaltung der zu parzellierenden Grundstücke nicht übereinstimmenden Begehrens mit dem Ziele ablehnte, die unter Zeitdruck stehenden Antragsteller dadurch zu der von ihm gewünschten Änderung ihres Ansuchens zu zwingen (US 10), obwohl das eingebrachte Gesuch - wie er wußte - inhaltlich den hiefür bestehenden Vorschriften entsprach, sohin an sich zu bewilligen war und er auch keinen plausiblen Grund für einen allfälligen "negativen" Bescheid gefunden hatte (US 16). Wurde doch solcherart die Entscheidung von ihm nicht nur verzögert sondern in Wahrheit sogar verweigert, wobei diese Weigerung nach den Urteilsannahmen auch sonst mit dem zum Tatbestand gehörigen Vorsatz begangen worden war.

Die einen solchen Mißbrauch - auch in Ansehung des Antrages vom 14. September 1983 (Faktum 2) - tragenden Tatsachenannahmen wurden aber, den Beschwerdeausführungen zuwider, mängelfrei begründet. Das Schöffengericht leitete die bekämpften Feststellungen zur subjektiven Tatseite nämlich daraus ab, daß der Angeklagte im Vorverfahren das Fehlen eines bezüglichen Entscheidungswillens zugegeben hatte und daß die im Rahmen der weiteren, als wechselhaft beurteilten Verantwortung aufgestellte Behauptung, von einer Verpflichtung zur Behandlung der Anträge nichts gewußt zu haben, nicht glaubhaft war, weil der Angeklagte schon seit 1970 das Amt des Bürgermeisters ausgeübt hatte und demgemäß langjährige Erfahrungen über die Obliegenheiten der Baubehörde erster Instanz aufwies. Das Erstgericht hat sich auch - wenngleich nicht ausdrücklich wohl aber inhaltlich - mit den vom Beschwerdeführer angegebenen Gründen dafür, warum er die Ansuchen nicht bewilligen zu können glaubte, auseinandergesetzt, indem es auf die Begründung des darüber absprechenden Bescheides des Amtes der NÖ Landesregierung vom 9. September 1983 verwies, diese in extenso wiedergab (US 7) und nach einläßlicher Würdigung seines Vorbringens, unter anderem gestützt darauf, daß ihm die Begründung des erwähnten Bescheides bekanntgegeben worden war (US 9 und 12), weiters feststellte, daß er von der Unhaltbarkeit der von ihm ins Treffen geführten Ablehnungsgründe Kenntnis hatte und dennoch - auch in weiterer Folge (Faktum 2) - nicht entschied (US 12).

Die Erwägung des Erstgerichtes, daß das Verhalten des Angeklagten durch das Bestreben motiviert war, den Gegnern der Parzellierung und damit seinen "Bürgern und Wählern" entgegenzukommen, sowie jene Passagen des Ersturteils, in denen das konstatierte Verhalten als diktatorisch charakterisiert, die Amtsführung des Angeklagten kritisiert und aus der politischen Mandatsverteilung im Gemeinderat der Schluß abgeleitet wird, daß die Mehrheit der Gemeinderäte ihre Entscheidung dem Willen des Bürgermeisters unterordne, sind ihrem Wesen nach illustrative Erörterungen über die Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der Verantwortung des Angeklagten bzw. eine bloße Bewertung seines konstatierten Verhaltens. Die darauf bezogenen Einwendungen stellen demnach zum einen nur eine im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung dar, zum anderen beziehen sie sich überhaupt nicht auf bestimmte Urteilsannahmen in tatsächlicher Hinsicht und sind demnach insgesamt unbeachtlich.

Die Anfechtung der Urteilskonstatierung über eine tätergewollte Vermögensschädigung der Antragsteller hinwieder geht deshalb ins Leere, weil dem Schuldspruch - wie bereits eingangs dargelegt - die vorsätzliche Beeinträchtigung eines konkreten Behandlungsanspruches der Antragsteller, nicht aber eine Schädigung an ihren Vermögensrechten zugrunde liegt, weshalb es sich bei dem vom Erstgericht angenommenen Bewußtsein des Angeklagten, durch seine Unterlassung das Ehepaar B*** auch zusätzlich am Vermögen zu schädigen, um keinen für die rechtliche Beurteilung relevanten Umstand handelt.

Schließlich sind auch die teils ausdrücklich, teils der Sache nach erhobenen Rechtsrügen nicht stichhältig.

Das Fehlen eines Nachweises der Bevollmächtigung des für die Ehegatten B*** einschreitenden Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen beim Antrag vom 6.März 1982 (Faktum 1) berechtigte den Angeklagten jedenfalls nicht dazu, jedwede Behandlung dieses Antrages a limine zu unterlassen und die Antragsteller solcherart in ihren Verfahrensrechten zu verkürzen (vgl. Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , ENr. 59 zu § 302; EvBl 1982/158 und Bertel im WK, Rz 74, 75 zu § 302 StGB). Daher wird auch die Annahme einer Verletzung des Anspruches der Antragsteller auf Behandlung ihres Antrages durch die am 3. Juni 1982 erfolgte Änderung des Ansuchens vom 6.März 1982 nicht gehindert, weil die Untätigkeit des Angeklagten sowohl vor als auch nach diesem Termin pflichtwidrig war. Die zeitliche Begrenzung der kompetenzmäßigen Möglichkeit zur Antragsbehandlung durch den Angeklagten bis zum schriftlichen Verlangen der Antragsteller auf Entscheidung des Gemeinderates (Devolutionsantrag im Sinne des § 73 Abs 2 AVG) ist vom Erstgericht ohnehin beachtet und der Zeitpunkt dieses Verlangens (15.Dezember 1982) im Urteilsspruch zutreffend festgestellt worden. Da diese Eingabe am 16.Dezember 1982 bei der Marktgemeinde Ernstbrunn einlangte, hat bis zu diesem Zeitpunkt eine solche Berarbeitungspflicht des Bürgermeisters bestanden. Eine nach diesem Termin gelegene mißbräuchliche Unterlassung wird dem Angeklagten aber in bezug auf das Ansuchen vom 6.März 1982 (Faktum 1) gar nicht angelastet, weshalb die wiederholten Hinweise auf die Rechtswirkungen des Devolutionsantrages nicht geeignet sind, eine unrichtige rechtliche Beurteilung aufzuzeigen. Das nominell auf die Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Vorbringen des Angeklagten bezieht sich auf einen anläßlich der Tat unterlaufenen Rechtsirrtum, welcher auf Unkenntnis der bestehenden Handlungspflicht beruht haben soll. Mit diesem Einwand verläßt der Beschwerdeführer aber den Boden der einen solchen Irrtum negierenden Urteilskonstatierungen (US 8 und 12) und setzt sich solcherart über die Voraussetzungen prozeßordnungsgemäßer Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe hinweg, indem er abermals bloß unzulässige und damit unbeachtliche Kritik an der Lösung der Beweisfrage durch die Tatsacheninstanz übt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 41 Abs 1 Z 4 (richtig: Z 5), 302 Abs 1 StGB zu drei Monaten Freiheitsstrafe, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Bei der Strafbemessung wertete es die Tatwiederholung als erschwerend; als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel und das "Tatsachengeständnis" (gemeint wohl: einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung).

Dagegen richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er die Verhängung einer bedingten Geldstrafe anstrebt. Seinem Begehren kommt keine Berechtigung zu.

Dem Berufungsvorbringen zuwider wurde die mißbräuchliche Unterlassung der Behandlung von zwei - wenn auch in engem sachlichen und persönlichen Konnex stehenden - Parzellierungsanträgen zu Recht als erschwerend gewertet, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, daß sich der Angeklagte nicht einmal durch die Entscheidung der Aufsichtsbehörde, der es an Deutlichkeit nicht mangelte, zu einem gesetzlichen Vorgehen bestimmen ließ. Dem bisher ordentlichen Lebenswandel des nunmehr im 60. Lebensjahr stehenden, ansonsten gewiß mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Berufungswerbers, wurde durch die außerordentliche Milderung (§ 41 StGB) der gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe sowie die bedingte Strafnachsicht ausreichend Rechnung getragen. Eine weitere Begünstigung (§ 37 StGB) kam jedoch unter Bedachtnahme auf die Art der strafbaren Handlung vor allem aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.

Es konnte daher auch der Berufung kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist eine gesetzliche Konsequenz der Erfolglosigkeit seiner Rechtsmittel (§ 390 a StPO).

Anmerkung

E09432

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00082.86.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19861015_OGH0002_0090OS00082_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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