Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer
Hon.Prof. Dr. Gottfried Winkler und Hon.Prof. Dr. Hanns Waas als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann M***, Bundesbahnbediensteter, Pasching, Stifterstraße 20, vertreten durch Dr. Alfred T*** und Dr. Helmut L***, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Ö*** B***, Wien 1.,
Elisabethstraße 9, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 200.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 30. April 1986, GZ 12 Cg 5,6/86-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 9. Oktober 1985, GZ 3 Cr 78/85-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.360,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 669,15 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde mit Erkenntnis der Disziplinarkammer am Sitze der Bundesbahndirektion Linz vom 27.11.1984 entlassen. Er wurde mit diesem Erkenntnis schuldig gesprochen, zwischen seinem angeblichen Arbeitsunfall vom 8.3.1984 und den Verletzungssymptomen vom 15.3.1984 durch unwahre Angaben einen ursächlichen Zusammenhang herzustellen versucht zu haben und weiters am 15.3.1984 dem dienstlichen Auftrag, sich vor dem Aufsuchen des Krankenhauses beim Bahnbetriebsarzt zu melden, nicht nachgekommen zu sein. Der Kläger begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes seines Dienstverhältnisses mit der Behauptung, die Entlassung sei ungerechtfertigt und überdies verspätet erfolgt. Die angeblichen Entlassungsgründe hätten sich im März 1984 ereignet, die Entlassung sei erst im Dezember 1984 ausgesprochen worden.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei nach einem am 8.3.1984 angeblich erlittenen Arbeitsunfall (Prellung des linken Handgelenks) bis 13.3.1984 im Krankenstand gewesen. Am 15.3.1984 habe er wegen einer angeblichen starken Schwellung des Handgelenks die ihm aufgetragenen Schaufelarbeiten eingestellt und sich in das Arbeitsunfallkrankenhaus Linz (AUKH) zur Untersuchung begeben, ohne der Verpflichtung, sich vor jedem Arzt- bzw. Krankenhausbesuch beim Bahnbetriebsarzt zu melden, nachgekommen zu sein. Da die Ärzte des AUKH Linz eine Arbeitsunfähigkeit nicht feststellen konnten, habe sich der Kläger in das Allgemeine Krankenhaus (AKH) Linz begeben, wo eine Hämatomverfärbung an der linken Hand, eine starke Schwellung und Bewegungseinschränkungen sowie der Verdacht einer Kahnbeinfraktur festgestellt worden sei. Der Kläger habe vom AKH Linz eine Bestätigung über seine Arbeitsunfähigkeit erhalten und sei in der Folge bis 11.5.1984 im Krankenstand gewesen. Ein Zusammenhang zwischen der Verletzung vom 8.3.1984 und der im AKH Linz festgestellten Verletzung könne aber mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Der Kläger habe sich die letztgenannte Verletzung selbst zugefügt. Die Entlassung sei daher gerechtfertigt. Sie sei auch rechtzeitig ausgesprochen worden, weil das Disziplinarverfahren bereits anfangs Juni 1984 eingeleitet worden sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:
Der Kläger befand sich nach einem am 8.3.1984 erlittenen Arbeitsunfall ab 9.3.1984 im Krankenstand. Er wurde mit 14.3.1984 wieder für dienstfähig erklärt, weigerte sich jedoch unter Hinweis auf Schmerzen in der linken Hand, die Arbeit wieder aufzunehmen. Erneute klinische und röntgenologische Untersuchungen durch drei Ärzte des AUKH Linz ergaben keine Indikation für eine Arbeitsunfähigkeit; aus der Röntgenaufnahme ergaben sich "keine sicheren Zeichen für eine Kahnbeinfraktur". Die Bahnbetriebsärzte konnten ebenfalls keine Verletzungssymptome feststellen. Am 15.3.1984 stellte der Kläger gegen 9 Uhr seine Arbeit ein und begab sich in das AUKH Linz, ohne dem ausdrücklichen dienstlichen Auftrag, sich vorher beim Bahnbetriebsarzt zu melden, nachzukommen. Im AUKH Linz wurde der Kläger neuerlich untersucht. Dabei wurde an der linken Hand eine kleine Hautabschürfung mit minimaler Schwellung festgestellt, die jedoch seine Dienstfähigkeit nicht einschränkte. Der Kläger suchte daraufhin das AKH Linz auf. Dort wurde eine starke Schwellung im Bereich des linken Handgelenks mit Hämatomverfärbung festgestellt und der Verdacht einer Kahnbeinfraktur geäußert. Der Kläger wurde für arbeitsunfähig erklärt und ihm ein Spaltgips angelegt. Er stellte alle Verletzungssymptome als Folge seines Arbeitsunfalls vom 8.3.1984 dar.
Der Dienststelle des Klägers wurde bereits am 15.3.1984 bekannt, daß der Kläger vor seinem Krankenhausbesuch den Bahnbetriebsarzt nicht aufgesucht hatte. Der Leiter des Personalbüros, Franz S***, hatte spätestens am 16.3.1984 den Verdacht, daß mit der Verletzung des Klägers etwas nicht stimmen könne. Er stand in engem Kontakt mit dem Bahnbetriebsarzt, der ihm mitteilte, die Verletzung des Klägers habe am 15.3.1984 auf einmal anders ausgeschaut als am Vortag; der Kläger habe dennoch einen Zusammenhang mit dem eine Woche zurückliegenden Arbeitsunfall hergestellt. Franz S*** wurde am 16.3.1985 in seinem Verdacht dadurch bestärkt, daß er an diesem Tag die Verletzungsanzeige des AKH Linz erhielt und der Kläger ihm kurz vor Dienstschluß "in provokanter Weise" seinen Gips zeigte. Dabei brachte Franz S*** seine persönliche Meinung zum Ausdruck, daß dies noch Folgen haben werde. Am 19.3.1985, einem Montag, informierte er den Dienstvorstand eingehend über beide Fälle und erhielt von ihm den Auftrag, die entsprechenden Schritte zur Aufklärung der Sache zu unternehmen. Franz S*** wartete bis 28.3.1984 zu, ohne im Hinblick auf die vermutete Selbstverletzung oder Verletzungssimulierung des Klägers konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Es folgte weder eine Befragung des Klägers noch eine Einvernahme von Zeugen, obwohl S*** die divergierenden Verletzungsanzeigen der beiden Krankenhäuser in Händen hatte. Ebenso unterblieb die Beischaffung weiterer medizinischer Befunde. Franz S*** verfaßte am 28.3.1984 für den Dienstvorstand einen zusammenfassenden Bericht an die zentrale Personalstelle in Wien, wo der Akt vom Personaldirektor sofort inhaltlich geprüft werden kann. Obwohl Franz S*** im Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichtes einen noch dringenderen Verdacht hatte, daß der Kläger die Verletzung nur simuliere, fehlt in seinem dreiseitigen Bericht jeder Hinweis auf diesen Verdacht. Es wird nur kursorisch ausgeführt, daß der Kläger am 16.3.1984 die Bescheinigung seiner Arbeitsunfähigkeit vorgelegt habe. Der Bericht enthält nur eine chronologische Anführung der dem Verfasser auf Grund seiner unmittelbaren Wahrnehmung am 16.3.1984 bekannten Umstände. Am 30.3.1984 wurde der Kläger anläßlich eines Aufenthaltes auf dem Betriebsgelände niederschriftlich vernommen. Dabei wurde er nur zu dem Vorwurf, am 15.3.1984 vor dem Aufsuchen des Krankenhauses nicht den Bahnbetriebsarzt konsultiert zu haben, befragt. Die zweifelhafte Herkunft seiner Verletzung wurde ihm nicht einmal vorgehalten.
Am 9.4.1984 erstattete der Werksicherungsbeamte der Hauptwerkstätte Linz unmittelbar an die zentrale Personalstelle eine Meldung über den Betriebsunfall des Klägers vom 8.3.1984, in der nachdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß auf Grund der ärztlichen Berichte eine zusätzliche Verletzung des Klägers angenommen werden müsse. Die Personalstelle reagierte auf diese Unfallmeldung nicht. Vor dem 14.5.1985 sprach der Kläger bei einem zufälligen Zusammentreffen in der Betriebsküche den Disziplinaranwalt Dr. H*** an; dieser wußte von den gegenständlichen Vorfällen noch nichts. Er erkundigte sich aus Interesse in Wien und brachte in Erfahrung, daß die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger beabsichtigt sei. Einige Zeit später sprach Dr. H*** den Kläger bei einem neuerlichen Zusammentreffen in der Kantine an und gab ihm sinngemäß zu verstehen, daß disziplinäre Maßnahmen beabsichtigt seien.
Am 4.6.1984 sprach die Personaldirektion aus, daß die Voraussetzungen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger gegeben seien. Bis zu diesem Zeitpunkt war vom Personaldirektor weder eine Verständigung des Klägers erfolgt noch waren Erhebungen vorgenommen worden. Die Entscheidung des Personaldirektors erfolgte auf Grund der Aktenlage und stützte sich ausschließlich auf den Widerspruch in den Diagnosen der beiden vorerwähnten Krankenhäuser.
Der Kläger wurde am 7.6.1984 von der Einleitung des Disziplinarverfahrens verständigt. Am selben Tag bestellte der Disziplinaranwalt einen Untersuchungsbeamten. Dieser führte am 11.7.1984 eine Vernehmung des Klägers und am 25.7.1984 die Vernehmung des Bahnbetriebsarztes durch. Dabei ergaben sich keine neuen Anhaltspunkte; es wurde im wesentlichen der Akteninhalt bestätigt. Am 6.9.1984 richtete der Untersuchungsbeamte einen zusammenfassenden Bericht an den Disziplinaranwalt, der am 11.10.1984 die Anklage gegen den Kläger erhob. Die Disziplinarkammer sprach am 27.11.1984 die Entlassung des Klägers aus. Diese Entscheidung wurde über Berufung des Klägers am 29.4.1985 bestätigt. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Entlassung des Klägers sei infolge der späten Einleitung des Disziplinarverfahrens und der wenig effizienten Durchführung jenes Verfahrens nicht unverzüglich vorgenommen worden.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 30.000 übersteigt. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und billigte dessen rechtliche Beurteilung.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der in den Rechtsmittelausführungen vertretenen Auffassung, für die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung sei nur der Nichtablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 5 der Disziplinarordnung der beklagten Partei maßgebend und nicht der sonst herrschende Grundsatz der Unverzüglichkeit des Ausspruches der Entlassung, kann nicht zugestimmt werden.
Die Disziplinarordnung der beklagten Partei ist, ebenso wie die anderen, für die Gestaltung des Dienstverhältnisses eines Bediensteten der ÖBB maßgebenden Vorschriften (Dienstordnung, Besoldungsordnung, Pensionsordnung) nach herrschender Auffassung und ständiger Rechtsprechung eine ausschließlich nach Privatrecht zu beurteilende Vertragsgrundlage (Vertragsschablone), die mit dem Abschluß der jeweiligen Einzeldienstverträge rechtlich wirksam wird und die Vertragspartner als lex contractus bindet (Arb.9310 mwH). Das Dienstverhältnis eines Bediensteten der ÖBB ist trotz seines öffentlich-rechtlichen Einschlags grundsätzlich ein privatrechtliches (Arb.10.320). Die Entlassung eines solchen Bediensteten unterliegt deshalb hinsichtlich ihrer Berechtigung auch dann der Überprüfung durch die Gerichte, wenn sie nach einem vorschriftsmäßig durchgeführten Disziplinarverfahren ausgesprochen wurde (Arb.6775, 10.107 ua.). Hiebei sind die für Entlassungen allgemein geltenden Grundsätze in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Dienst- und Disziplinarordnung anzuwenden. Gemäß dem § 5 der Disziplinarordnung der beklagten Partei darf ein Beamter wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht
a) innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem die Dienstpflichtverletzung entweder dem Dienstvorstand des Beamten oder dem leitenden Beamten, der befugt ist, den Disziplinaranwalt mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens zu beauftragen, zur Kenntnis gelangt ist, oder
b) innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,
eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkammer eingeleitet wurde.
Diese Voraussetzungen einer Verjährung sind im vorliegenden Fall, wie unbestritten ist, nicht erfüllt. Die für alle Arten von Disziplinarstrafen und nicht bloß für Entlassungen geltenden Verjährungsbestimmungen vermögen jedoch den allgemeinen privatrechtlichen Grundsatz des Entlassungsrechts, daß eine Entlassung unverzüglich, nachdem der Entlassungsgrund dem Arbeitgeber bekannt geworden ist, ausgesprochen werden muß, widrigenfalls das Entlassungsrecht des Arbeitgebers erlischt, nicht zu verdrängen. Diesem Grundsatz liegt der Gedanke zugrunde, daß ein Arbeitgeber, der eine Verfehlung seines Arbeitnehmers nicht sofort mit der Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrechtes im konkreten Fall verzichtet. Dieser Grundsatz darf allerdings nicht überspannt werden. Es muß vielmehr den Erfordernissen des Wirtschaftslebens und den Betriebsverhältnissen, insbesondere der Organisationsform des Unternehmens, Rechnung getragen und dem Arbeitgeber eine angemessene Überlegungsfrist zugebilligt werden. Bekannt geworden ist der Entlassungsgrund dem Arbeitgeber, sobald diesem alle für die Beurteilung des Vorliegens des Entlassungsgrundes wesentlichen Einzelheiten der Handlung und der Person zur Kenntnis gelangt sind. Der Erkenntniserlangung durch den Arbeitgeber ist die Kenntnisnahme durch seinen Stellvertreter oder durch einen ganz oder teilweise mit Personalagenden befaßten leitenden Angestellten gleichzuhalten, wenn dieser dem Arbeitgeber oder dessen Stellvertreter von dem Entlassungsgrund nicht unverzüglich berichtet hat (Arb.9424 mwH). Bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Entlassung ist bei juristischen Personen auf die komplizierte Form der Willensbildung Bedacht zu nehmen. Ist die Entlassung nur nach Durchführung eines Disziplinarverfahrens zulässig und ist ein solches Verfahren sofort eingeleitet und ohne ungebührliche Verzögerungen durchgeführt worden, ist eine sodann ausgesprochene Entlassung rechtzeitig (Arb.7791 ua.). Wollte man nun an die Stelle dieses für Entlassungen allgemein geltenden Grundsatzes, wie es die beklagte Partei vermeint, Verjährungsbestimmungen nach der Art der im § 5 der Disziplinarordnung vorgesehenen Fristen setzen, träte eine sachlich nicht zu rechtfertigende Verschlechterung für die Beamten der ÖBB ein, weil diese bis zu sechs Monaten ab Kenntnisnahme im ungewissen blieben, ob eine allfällige Dienstpflichtverletzung zum Anlaß für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens genommen und in weiterer Folge zur Entlassung führen werde. Gerade der Grundsatz einer möglichst baldigen Klarstellung und das für die Unverzüglichkeit des Ausspruches der Entlassung maßgebende Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung können jedoch nicht durch die Festsetzung einer Frist von sechs Monaten beseitigt werden. Die Verjährungsfristen des § 5 der Disziplinarordnung haben im übrigen gar nicht den ihr von der beklagten Partei zugedachten Charakter. Sie besagen lediglich, daß nach Ablauf einer solchen Frist jegliche Bestrafung unter allen Umständen unzulässig ist. Der für Entlassungen geltende Grundsatz der Unverzüglichkeit wird dadurch nicht berührt und daher auch nicht eingeschränkt. Freilich kommt es in den Fällen einer Disziplinarordnung nicht auf den Ausspruch der Entlassung an, sondern, wie bereits ausgeführt, auf die unverzügliche Einleitung des Disziplinarverfahrens und dessen verzögerungsfreie Durchführung.
Prüft man das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Falle der Entlassung des Klägers, dann ist den Vorinstanzen darin beizustimmen, daß die Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht unverzüglich erfolgt ist. Abgesehen davon, daß der Leiter des zuständigen Personalbüros, Franz S***, von den den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründenden Umständen bereits spätestens am 16.3.1984 Kenntnis hatte und darüber am 19.3.1984 den Dienstvorstand des Klägers informierte und auch bereits am 28.3.1984 einen an die zentrale Personalstelle in Wien gerichteten Bericht erstattete, erfolgte selbst nach dem oben erwähnten Bericht vom 9.4.1984 bis zu der erst am 4.6.1984 angeordneten und dem Kläger am 7.6.1984 bekanntgegebenen Einleitung des Disziplinarverfahrens keine Erhebung. Der Kläger wurde wohl, als er sich während seines Krankenstandes im Betriebsgelände aufhielt, am 30.3.1984 vernommen, aber nur zu dem - eine Entlassung allein nicht
rechtfertigenden - Vorwurf, am 15.3.1984 vor dem Aufsuchen des Krankenhauses nicht den Bahnbetriebsarzt konsultiert zu haben. Diese Einvernahme war nicht geeignet, den Kläger erkennen zu lassen, die beklagte Partei werde ein Disziplinarverfahren einleiten, zumal ihm der Hauptpunkt des späteren Schuldvorwurfes, nämlich die zweifelhafte Verletzung, nicht einmal vorgehalten wurde und bis zur schließlichen Einleitung der Voruntersuchung mehr als zwei Monate verstrichen. Das gleiche gilt für den Umstand, daß Dr. H*** nach dem 14.5.1984 dem Kläger in einem anläßlich des Zusammentreffens in der Kantine geführten privaten Gesprächs zu verstehen gab, es seien disziplinäre Maßnahmen beabsichtigt.
Zusammenfassend ist daher die Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht unverzüglich erfolgt, sodaß eine Entlassung des Klägers nicht mehr ausgesprochen werden durfte. Ob das schließlich eingeleitete Disziplinarverfahren verzögerungsfrei durchgeführt wurde, ist für die Beurteilung der Unverzüglichkeit der Entlassung nicht mehr von Bedeutung. Auf die Frage des Vorliegens eines Entlassungsgrundes braucht ebenfalls nicht mehr eingegangen zu werden.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E09812European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00160.86.1021.000Dokumentnummer
JJT_19861021_OGH0002_0140OB00160_8600000_000