TE OGH 1986/10/22 3Ob507/86

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Veröffentlicht am 22.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** T***

reg. Gen.m.b.H., 8784 Trieben, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Rechtsanwalt in Liezen, wider die beklagte Partei Erich S***, Holzhändler, 8152 Stallhofen, Södingberg 129, vertreten durch Dr. Jürgen Hadler, Rechtsanwalt in Voitsberg, wegen 190.000,-

samt Nebengebühren, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 30. September 1985, GZ 5 R 136/85-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 16. Juli 1985, GZ 8 Cg 76/85-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei binnen 14 Tagen auch die mit 14.314,30 S (darin 1.301,30 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 17.360,63 S (darin 10.000 S Barauslagen und 669,15 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 20. September 1984 stellte Ing. Othmar B*** Sägewerk Sölkner, 8786 Rottenmann, in Rottenmann drei gezogene Wechsel aus, in denen er Erich S***, Holzhandel, 8152 Stallhofen, Södingberg 129, anwies, an eigene Order am 20. Dezember 1984 in Rottenmann bei der Raiffeisenkasse Trieben, Zweigstelle Rottenmann, zweimal 80.000 S und einmal 30.000 S zu zahlen. Diese Wechsel wurden vom Bezogenen angenommen und vom Aussteller an die Raiffeisenkasse Trieben indossiert.

Unter Vorlage dieser drei Wechsel beantragte die Klägerin als legitimierte Wechselinhaberin in der am 12. März 1985 eingebrachten Wechselklage vom Beklagten als Akzeptanten die Wechselsummen von zusammen 190.000 S samt 6 % Zinsen seit 20. Dezember 1984. Das Erstgericht erließ noch am selben Tag einen diesbezüglichen Wechselzahlungsauftrag (ON 1).

Der Beklagte wendete ein, die von ihm akzeptierten Wechsel hätten ausschließlich der Zwischenfinanzierung von Aufträgen des dem Aussteller gehörenden Sägewerks Sölkner gedient. Er habe mit dem Aussteller vereinbart, daß dieser die Wechselsummen bei Fälligkeit zurückzahle. Davon sei die Klägerin bei Ausstellung der Wechsel in Kenntnis gesetzt worden. Der Aussteller sei seiner Verpflichtung gegenüber dem Beklagten nachgekommen und habe die Wechselsummen am 28. Dezember 1984 auf das von der Klägerin eigens eingeräumte Wechselkonto 2-71.000.012 gezahlt. Die Klägerin wäre vereinbarungsgemäß verpflichtet gewesen, die quittierten Wechsel dem Beklagten herauszugeben und versuche nunmehr arglistig, die schon bezahlten Wechselsummen nocheinmal vom Beklagten zu erhalten (ON 2). Die Klägerin bestritt diese Einwendungen und replizierte, die am 20. Dezember 1984 fällig gestellten Wechselsummen, nachdem keine Prolongationswechsel vorgelegt worden seien, am 28. Dezember 1984 dem Konto des Einreichers Ing. Othmar B*** angelastet zu haben, wie dies im Bankgeschäft üblich sei. Da der Genannte den ihm angelasteten Betrag nicht zahlen habe können, sei die Buchung vom 28. Dezember 1984 am 27. Februar 1985 storniert worden. Da Ing. B*** nicht gezahlt habe, seien die Wechsel weder quittiert noch herausgegeben worden (ON 4).

Der Beklagte bezeichnete die Vorgangsweise der Klägerin als unüblich und als Treu und Glauben widersprechend unzulässig und brachte vor, daß bei der Klägerin ein als "Wechselkonto B***" bezeichnetes Konto 2-71.000.012 und für Othmar B*** das Konto 1.000.447 bestünde. Vom zweiten Konto seien am 28. Dezember 1984 190.000 S auf das erste Konto überwiesen und als Zahlungszweck ausdrücklich "Wechsel Schober Nr. 211-213" angeführt worden. "Damit sei die Liquidierung der Wechselsumme erfolgt" (ON 5). Die Klägerin brachte dazu vor, weil das Wechselkonto bei Fälligkeit der Wechsel am 20. Dezember 1984 nicht abgedeckt gewesen sei, habe sie den Aussteller belastet und das Wechselkonto auf 0 gebucht. Die Ausgleichung des Wechselkontos sei nur durch eine Mehrbelastung des anderen Kontos erfolgt, so daß die Klägerin keinen effektiven Gegenwert erhalten habe. Von einer Zahlung könne also keine Rede sein (ON 8). Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen (Fassung vom 1. Oktober 1979) Punkt 54 Abs. 3 sei die Klägerin zu Rückbuchungen berechtigt gewesen (ON 11).

Dazu wendete der Beklagte ein, diese Geschäftsbedingungen würden nur zwischen der Klägerin und Ing. B***, nicht aber auch für den Beklagten gelten, weil dieser nur wegen der Wechselakzepte herangezogen werde. Da der Klägerin im Zeitpunkt der Wechselausstellung bekannt gewesen sei, daß die Ausstellerfirma Ing. Othmar B*** sich in Auflösung und in sehr schlechten Verhältnissen befinde, sei die Eskomptierung der Wechsel zum Nachteil des Beklagten vorgenommen worden. Darauf erwiderte die Klägerin, daß der Beklagte als Geschäftsführer die Lage der Firma genau gekannt habe (ON 11).

Die Klägerin brachte nun vor, daß es sich bei beiden Konten um Kreditkonten Ing. B***s gehandelt habe, weil das Diskontgeschäft ein Kreditgeschäft sei. Die Klägerin habe daher nur von einem Kreditkonto auf ein anderes Kreditkonto umgebucht. Dadurch sei der Beklagte nicht berührt worden. Keinesfalls habe der Wechselaussteller Ing. B*** die Wechselschuld des beklagten Akzeptanten getilgt (ON 13).

Der Beklagte replizierte, der zwischen der Klägerin und dem Wechselverpflichteten bestehende Diskontvertrag sei mit der Zahlung erloschen und könne nicht einseitig aufgrund einer Umbuchung oder Rückbuchung wieder aufleben. Die Vorgangsweise der Klägerin sei möglicherweise strafbar. Die Klägerin bestritt einen Diskontvertrag zwischen den Prozeßparteien (ON 13).

Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht.

Es ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

Ing. Othmar B*** unterhält bei der Klägerin zwei Konten: ein Kreditkonto 1.000.447 und ein Wechselkonto 2-71.000.012. Der Kreditrahmen betrug Ende 1984 4,5 Mill. S. Der Anfangssaldo am 28. Dezember 1984 machte jedoch 5,284.722,17 S aus. Dieses Kreditkonto wurde am 28. Dezember 1984 mit 190.000 S belastet, so daß der Endsaldo 5,474.722,17 S betrug. Auf das Wechselkonto wurden am 28. Dezember 1984 vom Kreditkonto 190.000 S überwiesen, und zwar direkt vom Leiter der klagenden Bank. Ing. B*** hatte bei der Klägerin einen Wechselkredit für den Eskont von Wechseln über 1 Mio S. Ursprünglich betrug der Kredit für das Wechselkonto nur 800.000 S. Die eingeklagten Wechsel sind Finanzierungswechsel. Ursprünglich waren die drei Wechsel zu 100.000 S ausgestellt, die alle drei Monate prolongiert wurden, wobei die Prolongate jeweils um etwa 10.000 S niedriger waren; die Differenz wurde von Ing. B*** gezahlt. Diese Prolongate wurden immer wieder vom Beklagten als Bezogenem unterfertigt. Als am 20. Dezember 1984 die eingeklagten Wechsel fällig waren und der Klägerin neue Prolongate übergeben werden sollten, verweigerte der Beklagte, diese zu akzeptieren. Dem Aussteller fehlten die nötigen Barmittel zur Einlösung der Wechsel. Im September und Dezember 1984 war die frühere Geschäftsbeziehung zwischen Ing. Othmar B*** und dem Beklagten schon aufgelöst. Ing. B*** hatte als Inhaber des Sägewerks Sölkner mit der Ehegattin des Beklagten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben, die in Auflösung begriffen, deren Aufteilung aber noch nicht abgeschlossen ist. Der Beklagte war Angestellter dieser Firma gewesen, schied aber dann aus. Am 10. Jänner 1985 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, daß die eingeklagten Wechsel per 20. Dezember 1984 fällig seien und ersuchte, bis 20. Jänner 1985 die Prolongate zu übersenden, ansonsten die Wechselklage eingebracht werden müßte. Darauf antwortete der Beklagte am 14. Jänner 1985, daß er nicht mehr Angestellter der Firma Sölkner sei und daher ersuche, die Wechsel Ing. B*** zur Zahlung vorzulegen. Am 17. Jänner 1985 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, daß Ing. B*** die Wechselbeträge nicht eingezahlt habe und forderte den Beklagten auf, 190.000 S zuzüglich Zinsen einzuzahlen. Auf eine diesbezügliche notarielle Aufforderung vom 6. Februar 1985 antwortete der Beklagte am 11. Februar 1985, wobei er erstmals darauf hinwies, daß die drei Wechsel am 28. Dezember 1984 vom Konto Ing. B***s abgebucht worden seien. Er hatte sich nämlich kurz vorher mit Ing. B*** getroffen, der ihm berichtet hatte, daß 190.000 S vom Konto 1.000.447 auf das Wechselkonto 2-71.000.012 überwiesen wurden. Mit Schreiben vom 20. Februar 1985 setzte die Klägerin den Notar Dr. Egbert S*** davon in Kenntnis, daß infolge Nichteinzahlung der Wechselbeträge durch Ing. B*** die Rückbuchung auf das Kreditkonto erfolgt sei und daß daher die Eintreibung bei Erich S*** vorzunehmen sei. Aus dem Kopierbuch der Klägerin ergibt sich, daß Ing. B*** zahlreichste Wechsel bei der Klägerin eingereicht hat und der jeweilige Betrag seinem Konto 1.000.447 gutgeschrieben wurde. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß sich durch die Überweisung von 190.000 S vom Betriebsmittelkonto auf das Wechselkonto nur der Kontostand verändert habe, aber keine Bezahlung der Wechsel erfolgt sei, weil der Klägerin kein Gegenwert zugekommen sei. Die Klägerin sei aufgrund der Geschäftsbedingungen auch zur Rückbuchung berechtigt gewesen. Hätte der Inhaber des Kontos 1.000.447 ein Guthaben gehabt, dann wäre durch die Überweisung eine Bezahlung der Wechsel anzunehmen. Da aber der diesbezügliche Kreditrahmen bei weitem überschritten gewesen sei, habe es sich um keine Zahlung der Wechselschuld gehandelt, zumal die Überweisung nicht vom Kontoinhaber Ing. B***, sondern vom Direktor der Klägerin veranlaßt worden sei.

Dagegen richtete sich die Berufung des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung und dem Abänderungsantrag im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens, hilfsweise einer Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Klägerin beantragte, der Berufung nicht Folge zu geben. Das Berufungsgericht änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es den Wechselzahlungsauftrag aufhob und das Klagebegehren abwies.

Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens und legte seiner Entscheidung die unbekämpft gebliebenen, für die rechtliche Beurteilung als ausreichend erachteten Feststellungen des Erstgerichtes zugrunde. Als streitentscheidend beurteilte das Berufungsgericht die Frage, ob die Klägerin als Gläubigerin der Wechselforderung Befriedigung erhielt und ob sie in der Lage war, eine bereits getilgte Schuld durch bankinterne Umbuchung einseitig wieder aufleben zu lassen. Der Klägerin sei am 20. Dezember 1984 eine Wechselforderung von 190.000 S zugestanden, die sie vom Beklagten und vom Aussteller zu fordern berechtigt gewesen sei, und für die der Beklagte als Wechselakzeptant gehaftet habe. Der Aussteller habe seine Schuld an diesem Tag mangels Barmitteln nicht beglichen, der Wechselgläubigerin aber versprochen, für weitere Prolongationswechsel zu sorgen. In Erwartung der Übergabe dieser Papiere habe die Klägerin vom Girokonto Ing. B***s am 28. Dezember 1984 die Wechselsumme abgebucht und damit dieses Konto mit weiteren 190.000 S belastet, und den Betrag dem Wechselkonto gutgeschrieben. Dazu sei die Klägerin aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen befugt gewesen, weil der Aussteller bei ihr zwei Konten unterhalten habe. Aufgrund des Girovertrags sei dem Kontoinhaber die Überziehung seines Betriebsmittelkontos bis 4,5 Mio S gestattet gewesen. Am 28. Dezember 1984 sei der Kreditrahmen allerdings bereits überzogen und das Konto neuerlich mit 190.000 S belastet worden. Dieser Buchungsvorgang, der von der Klägerin ohne Dazutun des Kontoinhabers durchgeführt worden sei, habe dazu geführt, daß die Klägerin ihrem Kunden einen weiteren Kredit in dieser Höhe eingeräumt habe. Zweck dieses Vorgangs sei nur die Ausgleichung des Wechselkontos Ing. B***s zum Jahresende gewesen. In Wahrheit hätte die Klägerin auf diese Weise die offene Wechselforderung von 190.000 S, mit der der Konteninhaber laut Saldo am Wechselkonto belastet gewesen sei, getilgt. Der zu Lasten des Inhabers dieses Wechselkontos aufscheinende Saldo, der eine Forderung der Bank gegen den Inhaber darstelle, sei mit der Gutschrift von 190.000 S bereinigt und die Forderung des kontoführenden Kreditunternehmens damit getilgt worden. Es sei zwar richtig, daß die Klägerin dabei keine Barmittel erhalten habe. Es sei aber nicht richtig, daß die Klägerin für den Untergang dieser Forderung keinen Gegenwert erhalten habe. Es müsse zwischen Bargeld und Buchgeld unterschieden werden. Buchgeld bestehe wirtschaftlich in einem Guthaben auf einem Konto bei einer Kreditunternehmung, über das der Kontoinhaber zu Zahlungszwecken verfügen könne. Dieses Guthaben stelle rechtlich eine Forderung gegen das Bankinstitut dar. Umgekehrt bedeute die Kontoüberziehung, daß sich die Forderung gegen das Bankinstitut in eine Forderung der Bank gegen den Kontoinhaber umwandle. Es sei dabei ohne Belang, ob dieser Vorgang auf eine ihm im Rahmen des Girovertrags eingeräumte Überziehungsmöglichkeit (stillschweigender Kreditvertrag) oder auf eine bloß stillschweigend von der Bank geduldete oder mit ihrem Wissen und Willen herbeigeführte Kontoüberziehung zurückzuführen sei. In allen Fällen entstehe eine Forderung der Bank gegen den Kontoinhaber, die zu den Aktiven des Kreditunternehmens zu rechnen sei. Im Anlaßfall habe die Klägerin durch diesen Buchungsvorgang, indem sie das Betriebsmittelkonto Ing. B***s mit 190.000 S belastet habe, eine weitere Forderung gegen ihn aus dem Giro- oder Kontoeröffnungsvertrag in dieser Höhe erhalten. Dieser Betrag stelle für den Kontoinhaber aber Buchgeld dar, das seinem offenen Wechselkonto gutgeschrieben worden sei, so daß durch Hingabe an Erfüllungsstatt die Forderung der Klägerin auf dem Wechselkonto zum Erlöschen gebracht worden sei. Gegenwert für den Untergang dieser Forderung sei das Entstehen einer neuen Forderung gegen den Inhaber des Betriebsmittelkontos gewesen. Die am 20. Dezember 1984 fälligen Wechsel seien daher mit 28. Dezember 1984 bezahlt worden, die Wechselforderungen getilgt und damit die Wechsel eingelöst worden. Deshalb habe für die Klägerin selbst bei Zugrundelegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Punkt 54) keine Möglichkeit mehr bestanden, die Wechsel wieder zurückzubelasten, damit einseitig eine Forderung aus dem Wechselkonto wiederaufleben zu lassen und eine Forderung gegen den Inhaber des Betriebsmittelkontos dadurch zu tilgen. Für einen derartigen rechtsgeschäftlichen Vorgang hätte sie die Zustimmung ihres Vertragspartners aus dem Girovertrag benötigt. Daß sie sich um eine solche bemüht habe oder daß sie ihr stillschweigend erteilt worden sei, sei von ihr nicht behauptet worden. Zusammenfassend sei daher davon auszugehen, daß die am 20. Dezember 1984 fällig gewesenen Wechsel mit 28. Dezember 1984 bezahlt worden seien. Deshalb wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, diese Wechsel herauszugeben. Der Beklagte, gegen den sie die Wechsel trotz Tilgung der Forderung geltend mache, könne ihr den Einwand der Zahlung mit schuldbefreiender Wirkung entgegensetzen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs. 1 Z 4 ZPO zulässig sei, wollte sich dabei aber - wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt - auf Absatz 4 Z 1 der zitierten Gesetzesstelle beziehen und begründete diesen Ausspruch damit, daß die Frage der Tilgung von Wechselforderungen durch einseitige Buchungsvorgänge des Kreditinstitutes mit Hilfe von Buchgeld und das einseitige Wiederaufleben von Buchforderungen unter Berufung auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der Rechtsprechung bisher nicht behandelt worden sei.

In ihrer Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache beantragt die Klägerin die Abänderung im Sinn der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung, allenfalls die Aufhebung des Berufungsurteils zwecks Zurückverweisung an die Vorinstanzen.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs. 4 Z 1 ZPO) und begründet. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen (Fassung zum 1. Oktober 1979), Beilage I, die - wie vom Beklagten zugestanden wurde - für das Geschäftsverhältnis zwischen der Klägerin und Ing. Othmar B*** gelten (ON 11, AS 37), bestimmen unter A.I. (Kontoeröffnung und Kontoführung) Punkt 8 Abs. 4, daß die Kreditunternehmung Gutschriften, die infolge eines Irrtums, eines Schreibfehlers oder aus anderen auf Seite der Kreditunternehmung liegenden Gründen vorgenommen werden, ohne daß ein entsprechender Auftrag vorliegt, durch einfache Buchung rückgängig machen (stornieren) darf.

Nach den der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden, vom

Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts wurde

die Überweisung von 190.000 S vom Kreditkonto 1.000.447 Ing. Othmar

B***s auf dessen Wechselkonto 2-71.000.012 am 28. Dezember 1984

"direkt vom Leiter der klagenden Partei durchgeführt" (S. 5/6 des

Ersturteils, AS 81/82) und "ist infolge Nichteinzahlung der

Wechselbeträge durch Ing. B*** die Rückbuchung auf das Kreditkonto

erfolgt (S. 7/8 des Ersturteils, AS 83/84). Dazu ergänzte das

Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, "da im Zeitpunkt

der Fälligkeit dieser Wechsel (am) 20. Dezember 1984 sowohl das

Kreditkonto als auch das Wechselkonto des Ing. B*** überzogen war,

andererseits zu diesem Zeitpunkt weder vom Beklagten noch von

Ing. B*** eine Bezahlung der Wechsel stattfand, lediglich

Prolongate von Ing. B*** in Aussicht gestellt wurden, allerdings

vom Beklagten nicht angenommen und übermittelt wurden, erfolgte

zunächst über Veranlassung des Direktors der klagenden Partei eine

Umbuchung des Wechselbetrages von 190.000 S vom Betriebsmittelkonto

1.000.447 auf das Wechselkonto 2-71.000.012. Da in der Folge von

Seiten des Ing. B*** aber weder Prolongate übermittelt wurden,

noch die Wechsel eingelöst wurden, hat die klagende Partei diese

Buchung rückgängig gemacht und so wurde wiederum das Wechselkonto

2-71.000.012 mit 190.000 S belastet... Die klagende Partei war auch

berechtigt, aufgrund der Geschäftsbedingungen die Rückbuchung

vorzunehmen... Es handelt sich um keine Bezahlung der Wechselschuld,

die darüberhinaus nicht vom Kontoinhaber Ing. B*** veranlaßt wurde, sondern vom Direktor der klagenden Partei" (S 9/10 des Ersturteils, AS 85/86).

Diese Feststellungen sind durch die vom Beklagten vorgelegte Ablichtung des Überweisungsbelegs der Klägerin vom 28. Dezember 1984, Beilage 1, die Aussage des Zeugen Ing. Othmar B***, daß diese Überweisung nicht seine Unterschrift trage (ON 11, AS 38) und daß er von der Umbuchung erst später erfahren habe (ON 11, AS 40), die Aussage der Zeugin Christine R***, der Prokuristin der Klägerin, daß die Umbuchung Beilage 1 von Direktor Albin S*** unterschrieben worden sei (ON 13, AS 58) und daß die Rückbuchung ebenfalls von Direktor S*** stamme (ON 13, AS 62) und die Aussage des als Zeugen vernommenen Albin S***, des Geschäftsleiters der Klägerin, daß am 28. Dezember (1984), wie dies bereits die Vorzeugin (Christine R***) ausgesagt habe, die Umbuchung vom Girokonto auf das Wechselkonto erfolgt und dies Ing. B*** auch zur Kenntnis gebracht worden sei (ON 13, AS 64) begründet.

Bei rechtlicher Beurteilung dieser Tatsachengrundlage ergibt sich, daß es sich bei der am 28. Dezember 1984 vorgenommenen Überweisung von 190.000 S vom Kreditkonto 1.000.447 Ing. Othmar B***s auf dessen Wechselkonto 2-71.000.012 um eine "aus auf Seite der klagenden Kreditunternehmung liegenden Gründen vorgenommene Gutschrift" im Sinn des Punktes 8 Abs. 4 der zitierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelte, die ohne einen entsprechenden Auftrag des Kontoinhabers oder eines Dritten von der Geschäftsleitung der Klägerin vorgenommen wurde und daher von dieser durch einfache Buchung rückgängig gemacht (storniert) werden durfte (vgl. Koziol,

Die Gutschrift, JBl. 1984, 120, insbes. die Ausführungen zur Gutschrift im zweipersonalen Verhältnis 121 f).

Dem Erstgericht und der Klägerin ist daher darin beizupflichten, daß durch diese zulässigerweise rückgängig gemachte Gutschrift der Wechselsummen von zusammen 190.000 S auf dem Wechselkonto des Ausstellers und Indossanten dieser Wechsel, Ing. Othmar B***, keine Zahlung dieser Wechselschulden durch den Aussteller und Indossanten und schon gar nicht durch den beklagten Bezogenen, der durch die Annahme verpflichtet wurde, die Wechsel bei Verfall zu bezahlen (Art. 28 Abs. 1 Wechselgesetz), zu erblicken ist. Die Klägerin als Inhaberin der eingeklagten Wechsel hatte daher nach dem 2. Absatz der zitierten Gesetzesstelle mangels Zahlung gegen den beklagten Annehmer einen unmittelbaren Anspruch aus den Wechseln auf alles, was aufgrund der Art. 48 und 49 Wechselgesetz gefordert werden kann, insbesondere auf die Wechselsummen von 80.000 S, 80.000 S und 30.000 S (Art. 48 Abs. 1 Z 1 Wechselgesetz) samt 6 % Zinsen seit dem Verfalltag (Z 2 des letztzitierten Absatzes).

Mangels Zahlung kann selbstverständlich von einem Anspruch irgend jemands auf Aushändigung quittierter Wechsel (Art. 39 Abs. 1 Wechselgesetz), aber auch nicht davon die Rede sein, daß die Klägerin gegen den Beklagten eine bereits getilgte Wechselschuld geltend machen würde.

Der Revision der Klägerin ist daher Folge zu geben und das angefochtene Urteil durch Wiederherstellung der Entscheidung der ersten Instanz abzuändern.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E09156

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00507.86.1022.000

Dokumentnummer

JJT_19861022_OGH0002_0030OB00507_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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