TE OGH 1986/10/22 9Os107/86

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Veröffentlicht am 22.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Horak, Dr.Lachner und Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Kastner als Schriftführer in der Strafsache gegen Christa E*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB über die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. Jänner 1982, GZ 2 b Vr 2794/78-84, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Knob, der Angeklagten und ihres Verteidigers Dr. Klinner sowie des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Bösmüller zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß

1.

die Freiheitsstrafe auf 4 (vier) Jahre herabgesetzt und

2.

das verurteilende Adhäsionserkenntnis aufgehoben und der Privatbeteiligte V*** A*** V*** Ö*** auch mit dem Betrag von 4,281.781 S gemäß § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christa E*** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB, begangen durch Zueignung von anvertrauten Geldern in der Gesamthöhe von 7,053.381,82 S, schuldig erkannt, während sie vom Vorwurf der Veruntreuung weiterer 664.138,15 S freigesprochen wurde. Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagte nach dem zweiten Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 (fünf) Jahren sowie überdies gemäß "§ 366 StPO" (richtig wohl: § 369 Abs. 1 StPO) zur Bezahlung eines Betrages von 4,281.781 S an den Privatbeteiligten V*** A*** V*** Ö***; mit seinen

darüber hinausgehenden Ansprüchen (in der Höhe von 1,475.738,15 S) wurde der genannte Privatbeteiligte gemäß § 366 StPO (der Sache nach hinsichtlich eines Betrages von 664.138,15 S nach dem Abs. 1, im übrigen nach dem Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle) auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend die Schadenshöhe, welche die Qualifikationsgrenze von 100.000 S um ein Vielfaches übersteigt, und die Fortsetzung der "Unterschlagungen" durch den Zeitraum von mehreren Jahren; als mildernd hielt es der Angeklagten das abgelegte Teilgeständnis, das bisher durch keine Vorstrafe getrübte Vorleben und die teilweise bewirkte Schadensgutmachung zugute. Im Rahmen seiner Strafzumessungserwägungen berücksichtigte das Gericht überdies zugunsten der Angeklagten, daß ihr die Malversationen durch den Mangel jeglicher Kontrolle im Bereich des von ihr betreuten Verkehrsreferates erleichtert wurden, wobei jedoch andererseits als erschwerend ins Gewicht falle, daß die Angeklagte das ihr solcherart entgegengebrachte Vertrauen der Vereinsfunktionäre gröblichst mißbraucht hat.

Die Angeklagte hat gegen das Urteil die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung ergriffen. Nachdem die Nichtigkeitsbeschwerde vom Obersten Gerichtshof bereits in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß vom 17.September 1986, GZ 9 Os 107/86-12, dem im übrigen auch der nähere Inhalt des Schuldspruchs zu entnehmen ist, zurückgewiesen wurde, war im Gerichtstag nur mehr über die Berufung zu erkennen, mit welcher die Angeklagte einerseits die Herabsetzung der Strafe und deren bedingte Nachsicht anstrebt und andererseits begehrt, den Privatbeteiligten auch in Ansehung des Betrages von 4,281.781 S auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung kommt im Ergebnis sowohl in der einen als auch in der anderen Richtung Berechtigung zu.

Soweit sie sich zunächst gegen den Strafausspruch wendet, so gehen zwar alle jene Einwendungen der Angeklagten ins Leere, mit welchen sie die Höhe des ihr als veruntreut angelasteten Geldbetrages bestreitet und ihre diesbezüglichen Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde auch zum Gegenstand der Berufung macht. Denn gemäß § 295 Abs. 1 erster Satz StPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung über die Straffrage den Ausspruch des Erstgerichtes über die Schuld des Angeklagten (und demnach auch die solcherart rechtskräftig festgestellte Schadenshöhe) zugrunde zu legen. Im Rahmen der Strafberufung ist daher davon auszugehen, daß die Angeklagte insgesamt einen Betrag von 7,053.381,82 S veruntreut hat. Der Berufung kann aber auch insoweit nicht beigepflichtet werden, als sie meint, der Angeklagten sei der Mangel jeglicher Kontrolle ihrer Gebarung seitens der Vereinsfunktionäre und die deshalb bestehende größere Versuchung zu Malversationen in besonderem Maße als mildernd zugute zu halten. Denn die Ausnützung der in Ansehung anvertrauten Gutes für den Täter regelmäßig gegebenen verlockenden Gelegenheit zu vermögensschädigenden Malversationen gehört zum Wesen des Delikts der Veruntreuung, sodaß darin in der Regel ein besonderer Milderungsgrund nicht erblickt werden kann (9 Os 108/86 ua); umgekehrt gehört es aber auch zum Wesen dieses Delikts, daß der Täter das in ihn gesetzte Vertrauen mißbraucht, sodaß der Vertrauensmißbrauch auch keinen besonderen Erschwerungsgrund darzustellen vermag.

Zuzugeben ist der Berufungswerberin jedoch, daß die Tathandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen die Veruntreuungshandlungen wurden in der Zeit von Anfang April 1972 bis Ende Dezember 1977 gesetzt - und daß sie sich seither wohlverhalten hat. Wird dies entsprechend berücksichtigt und weiters erwogen, daß seit der Fällung des Urteils erster Instanz (am 25.Jänner 1982) (abermals) mehrere Jahre verstrichen sind (weil die Akten dem Obersten Gerichtshof erstmals am 22.Oktober 1985 und sodann - nach Durchführung der dem Erstgericht am 4.November 1985 erteilten Aufträge zur Entscheidung über einen Protokollberichtigungsantrag und zur Zustellung der Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis an den Privatbeteiligten - erst wieder am 1.Juli 1986 vorgelegt wurden), womit der Endzeitpunkt des strafbaren Verhaltens der Angeklagten nunmehr rund neun Jahre zurückliegt, so erachtete der Oberste Gerichtshof angesichts der besonderen, von der Angeklagten nicht zu vertretenden Umstände des gegenständlichen Straffalles (vgl. auch Art. 6 Abs. 1 MRK) eine Reduzierung der verwirkten Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche, noch schuldangemessene Ausmaß für gerechtfertigt; eine weitere Herabsetzung der Strafe konnte hingegen schon im Hinblick auf die Höhe des veruntreuten Betrages (von rund 7 Mio. S), mag auch ein Teil hievon gutgemacht worden sein, nicht in Betracht gezogen werden. Im Hinblick auf die Höhe der ausgemessenen Freiheitsstrafe kommt die Gewährung bedingter Strafnachsicht ex lege nicht in Frage, sodaß auf das bezügliche Begehren nicht weiter einzugehen ist.

Die Berufung gegen das verurteilende Adhäsionserkenntnis hinwieder ist deshalb begründet, weil nach der Aktenlage (vgl. insbesondere ON 83/S 75 Bd III) die Angeklagte zu den vom Privatbeteiligten geltend gemachten Ersatzansprüchen nicht im Sinn des § 365 Abs. 2 StPO gehört worden ist. Daß sich die Angeklagte im Rahmen ihrer Verantwortung zum Anklagevorwurf naturgemäß auch zur Schadenshöhe äußern konnte und wirklich geäußert hat, vermag die gemäß der zitierten Vorschrift zwingend angeordnete Anhörung zu den Ansprüchen des Privatbeteiligten nicht zu ersetzen (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 21 zu § 365). Den Akten kann aber auch nicht entnommen werden, daß sich etwa der Verteidiger der Angeklagten (im Schlußvortrag) zu den privatrechtlichen Ansprüchen ausdrücklich geäußert hätte.

So gesehen fehlt es demnach an einer unabdingbaren formellen Voraussetzung für ein verurteilendes Adhäsionserkenntnis, woraus folgt, daß dieses Erkenntnis in Stattgebung der dagegen erhobenen Berufung zu kassieren und der Privatbeteiligte (auch) mit dem Betrag von 4,281.781 S gemäß § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen war.

Über die Berufung war sohin insgesamt spruchgemäß zu erkennen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E09676

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00107.86.1022.000

Dokumentnummer

JJT_19861022_OGH0002_0090OS00107_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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