TE OGH 1986/10/23 8Ob602/86

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Veröffentlicht am 23.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*** Einkaufsgenossenschaft von Sportartikeln- Einzelhändlern reg. GenmbH, 4810 Gmunden, Druckereistraße, vertreten durch Dr. Heinz Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagten Parteien 1) I*** A*** GesmbH, 2) I*** GenmbH,

3) I*** M***-GenmbH alle in 4600 Wels,

Magazinstraße 8-10, alle vertreten durch Dr. Ernst Rohrauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 396.231,02 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 10. Mai 1985, GZ. 5 R 30/85-14, womit infolge Berufung der klagenden und der erst- sowie zweitbeklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wels vom 8. Oktober 1984, GZ. 1 Cg 218/84-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision gegenüber der Drittbeklagten wird nicht Folge gegeben; die Klägerin ist schuldig, der Drittbeklagten die mit S 5.957,38 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen S 960,-, die Umsatzsteuer S 454,31) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.;

2.) den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Hingegen wird der Revision gegenüber der Erst- und der Zweitbeklagten Folge gegeben, das Urteil des Berufungsgerichtes insoweit aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 6. August 1982 wurde zu Sa 80/82 über das Vermögen der Firma V***-S***- und Freizeit-Warenhandelsgesellschaft m.b.H. in Wien das Ausgleichsverfahren eröffnet; mit Beschluß desselben Gerichtes vom 19. November 1982 erfolgte zu S 208/82 die Eröffnung des Anschlußkonkurses. Zum Ausgleichs- und späteren Masseverwalter wurde der Rechtsanwalt Dr. Friedrich Aichberger bestellt. Die Erstbeklagte ist eine Großhandelsfirma, welche in Österreich alle Intersportfachgeschäfte betreut und beliefert. Die Zweitbeklagte ist eine 100-%ige Tochterfirma der Erstbeklagten und hat die Aufgabe, im Einzelhandelsbereich die Standortsicherung für die I***-Organisation zu betreiben, um die Marktanteile für die Organisation abzusichern. An der Drittbeklagten sind weder die Erst- noch die Zweitbeklagte beteiligt.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von S 396.231,02 s.A. Die Klägerin habe im Herbst 1981 an die Firma V***-S***- und Freizeit-Warenhandelsgesellschaft m.b.H. in Wien Waren verkauft und geliefert und hiefür den vereinbarten Kaufpreis in Rechnung gestellt, und zwar mit Rechnung vom 18. September 1981 S 292.774,52 und mit Rechnung vom 30. September 1981 S 103.456,50. Diese Forderungen seien am 15. Februar 1982 zur Zahlung fällig gewesen. Am 4. November 1982 habe die Erstbeklagte den wesentlichen Kern des Unternehmens der Firma "V***-S***" durch Kaufvertrag erworben und zwar das Hauptgeschäft mit dem Standort in Wien, Favoritenstraße 71, und die Filiale in der S*** C*** SÜD. Seither würden diese Handelsgeschäfte unter dem Firmennamen "I***-V***"

fortgeführt, also unter der bisherigen Firma mit einem das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatz. Der Klägerin sei nicht bekannt, ob tatsächlich die Erstbeklagte derzeit noch Eigentümer der Firma I***-V*** sei. Bei Testkäufen seien den Kunden Kassabons unter dem Firmennamen der Drittbeklagten ausgestellt worden. Andererseits hätten Erhebungen ergeben, daß die Zweitbeklagte Eigentümer der Firma I***-V*** sein solle. Daher müsse vorsichtshalber die Klage gegen alle drei I***-Gesellschaften gerichtet werden. Der Klageanspruch werde in erster Linie auf § 25 HGB gestützt; hilfsweise werde auch die Haftung nach § 1409 ABGB herangezogen.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Zunächst werde die Richtigkeit der behaupteten Forderungen der Klägerin gegen die Firma V***-S*** bestritten. Die Erstbeklagte habe außerdem am 4. November 1982 nicht den wesentlichen Kern eines Unternehmerns erworben, sondern unter diesem Datum eine Faktura über das Warenlager der Firma V***-S*** erhalten, die sich bereits im Ausgleich befunden und deren Konkurs sich abgezeichnet habe. Die Bezahlung sei an den Masseverwalter Dr. Aichberger erfolgt. Eine Firma "I***-V***" gebe es nicht. Die Erstbeklagte sei eine Großhandelsfirma, die in Österreich alle I*** Fachgeschäfte betreue und beliefere. Die Zweitbeklagte sei eine 100 %ige Tochterfirma der Erstbeklagten und habe die Aufgabe, im Einzelhandelsbereich die Standortsicherung für die I***-Organisation zu betreiben, um die Marktanteile für die Organisation abzusichern. Die Drittbeklagte, an der weder die Erst- noch die Zweitbeklagte beteiligt seien, habe die Lokale Wien, Favoritenstraße und S*** C*** SÜD zum Betrieb zur Verfügung gestellt erhalten. Um ein Unterschiedsmerkmal zu den anderen Intersportmitgliedsgeschäften zu haben, sei für die Geschäfte in Favoriten und in der S*** C*** SÜD die Standortbezeichnung "V***" zum Namen "I***" hinzugefügt worden. Die Erstbeklagte sei ursprünglich im Rahmen des Ausgleichsverfahrens interessiert gewesen, Unternehmensteile der Firma V***-S*** zu erwerben. Hiezu sei es notwendig gewesen, das Warenlager der Ausgleichsschuldnerin um rund S 10 Millionen abzukaufen. Das desortierte Warenlager habe durch zusätzliche Waren ergänzt werden müssen; der Verkauf dieser zusätzlichen Waren sei durch die Drittbeklagte erfolgt. Bis zur Konkurseröffnung sei die Ausgleichs- und spätere Konkursfirma unter ihrem bisherigen Namen tätig gewesen; erst nach Konkurseröffnung seien mit den Bestandgebern hinsichtlich der genannten Geschäftslokale neue Mietverträge geschlossen worden. Eine Haftung der Beklagten bestehe weder nach § 25 HGB noch nach § 1409 ABGB. Der für das Warenlager bezahlte Kaufpreis sei ein angemessener Preis gewesen, der zur Gänze den Gläubigern zukam, weil die Zahlung zu diesem Zweck an den Masseverwalter geleistet wurde. Die Klägerin erwiderte, daß die Firma V***-S*** und Freizeit Warenhandelsgesellschaft mbH am Markt unter der Kurzbezeichnung "V***" oder "V***-S***" aufgetreten sei; durch die Werbung sei diese Kurzbezeichnung weit über den Raum Wien hinaus in der Bevölkerung bekannt gewesen. Infolge der Annahme eines von der Erstbeklagten am 15. September 1982 erstellten Anbotes durch die Firma V***-S*** mit Zustimmung des Ausgleichsverwalters habe die Erstbeklagte noch während des Ausgleichsverfahrens praktisch das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen der Firma V***-S*** durch Rechtsgeschäft erworben. Der Abschluß neuer Mietverträge stehe der Haftung nach § 25 HGB nicht entgegen. Die Beklagten hätten die genannten Geschäftslokale in voller Absicht unter der bisherigen Firmenbezeichnung V***-S*** weitergeführt, um auf diese Weise den Kundenstock zu behalten. Um das Nachfolgeverhältnis zu dokumentieren, sei dem Kern des bisherigen Firmennamens "V***" die Bezeichnung "I***" beigefügt worden. Diese Bezeichnung könne in der Verkaufsauffassung nur so ausgelegt werden, daß die bisherige Firma V***-S*** von I*** weitergeführt werde. Es seien aber auch die Haftungsvoraussetzungen nach § 1409 ABGB gegeben. Schon aus der Tatsache der Ausgleichseröffnung habe den Beklagten bekannt sein müssen, daß zum Unterschied der Firma V***-S*** beträchtliche Schulden gehörten; außerdem habe die Klägerin ihre Forderungen am 14. September 1982 im Ausgleichsverfahren angemeldet. Das Erstgericht erkannte die Erst- und Zweitbeklagte zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin S 396.231,02 s.A. zu zahlen, während es das gegen die Drittbeklagte gerichtete Klagebegehren zur Gänze abwies. Es traf nachstehende Feststellungen:

Die Klägerin hat der V***-S***- und Freizeit-WarenhandelsGesmbH in Wien Waren im Klagswert geliefert, deren Kaufpreis fällig ist. Mit Rechnung der V***-S*** vom 4. November 1982 hat die Erstbeklagte das Warenlager im Werte von S 10,173.000,-- samt 18 % Umsatzsteuer, zusammen somit S 12,004.140,- die bis spätestens 15. November 1982 zur Zahlung fällig waren, übernommen. Die Bezahlung erfolgte an den Masseverwalter Dr. Aichberger. Die Ware war zum kommissionsweisen Verkauf durch das Personal der Ausgleichsschuldnerin dieser übergeben worden, wobei das Sortiment durch zusätzliche Waren der Drittbeklagten marktgerecht ergänzt und von dieser verkauft wurde. Schon im Ausgleichsverfahren war die Erstbeklagte interessiert gewesen, auch andere Unternehmensteile der Ausgleichsschuldnerin, vor allem die Geschäftslokale in Wien Favoritenstraße und in der S*** C*** SÜD zu erwerben, wobei die jeweiligen Mietverträge mit den Bestandgebern direkt abgeschlossen werden sollten. Um diesen Erwerb zu ermöglichen, habe das Warenlager mitübernommen und gekauft werden müssen. An beiden Standorten wurde restliches Personal der V***-S*** und Personal der Drittbeklagten tätig.

Nach der Konkurseröffnung wurden von der Zweitbeklagten die Mietrechte an den beiden Geschäftslokalen von den Bestandgebern erworben. Bis dahin hatte die Drittbeklagte die Geschäftslokale zur Verfügung gestellt erhalten. Das Anlagevermögen der Gemeinschuldnerin wurde mit Kaufvertrag vom 9. März 1983 von der Zweitbeklagten erworben und am 2. Mai 1983 bezahlt. Die Gemeinschuldnerin hatte abgesehen von den beiden Geschäftslokalen noch zwei weitere große Geschäftslokale im Norden Wiens. Seit der Übernahme der Geschäftslokale in der Favoritenstraße und in der S*** C*** SÜD tritt der Übernehmer der Geschäftsräumlichkeiten als "I***-V***" auf, wobei neben oder unter der "I***"-Schrifttype die Bezeichnung "V***" in gleicher Größe jedoch in der bis dahin von V***-S*** gebrauchten Schrifttype hinzukommt. Ausschließlich die Bezeichnung I***-V*** wird sowohl auf Verkaufskatalogen, wie auch auf Postwurfsendungen, Zeitungsinseraten, Kassabons, Geschäftsaufschriften, Klebebändern usw. geführt.

Rechtlich bejahte das Erstgericht eine Haftung der Erst- und der Zweitbeklagten gemäß § 25 Abs 1 HGB. Die Waren seien von der Erstbeklagten käuflich erworben worden. Die "Örtlichkeiten" seien ebenfalls übernommen worden und zwar schon insoweit vor Konkurseröffnung, als bereits im Oktober zusammen mit V***-S*** in den Lokalen ein Publikumsverkauf stattfand. Die wesentlichen Bedingungen für den Erwerb eines Unternehmens seien somit erfüllt, wobei es unerheblich sei, auf welcher Rechtsgrundlage der Erwerber des Unternehmens die Geschäftslokale weiter benutzt, solange jedenfalls der frühere Inhaber die Möglichkeit der Nutzung einräume. Da dieser Erwerb noch vor Konkurseröffnung stattfand, sei der Haftungsausschluß nach der Konkursordnung unbeachtlich. Die Wortkombination "I***-V***" müsse als Fortführung der Firma des übernommenen Handelsgeschäftes angesehen werden, weil sie durch die Größe ihrer Schrift im Zusammenhang mit dem gleichbleibenden Standort in einem Unbefangenen den Eindruck der Kontinuität erzeuge. Die Höhe des eingeklagten Betrages ergebe sich aus den Fakturen. Ein Beweis für die Bezahlung der Verbindlichkeiten sei nicht erbracht worden. Da Übernehmer des Handelsgeschäftes die Erstbeklagte gewesen sei, hafte sie primär. Aber auch die Zweitbeklagte hafte, weil sie derzeit das Unternehmen führe. Eine Haftung der Drittbeklagten ergebe sich mangels Übernahme des Kerns des Handelsgeschäftes nicht. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht, hingegen jener der Erst- und Zweitbeklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren auch ihnen gegenüber abwies. In Ergänzung seines Urteiles sprach es aus, daß die Revision hinsichtlich beider Ansprüche (S 292.774,52 und S 103.456,50) zulässig sei.

Das Gericht zweiter Instanz stellte zunächst klar, daß das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 noch nicht Anwendung finde, weil es erst am 1. Jänner 1983 in Kraft trat, die hier relevante Ausgleichs- und Konkurseröffnung aber noch im Jahr 1982 waren. Davon abgesehen, daß nach der neuen Rechtslage § 1409 Abs 1 und 2 ABGB bzw. § 25 Abs 1 HGB hier nicht mehr Anwendung fände, könne aber auch nach der bisherigen Judikatur § 25 HGB nur dann Anwendung finden, wenn das Handelsgeschäft als Ganzes übernommen wurde. Die Erstbeklagte übernahm aber bloß das Warenlager; dies reiche nicht aus, weil damit nicht das Unternehmen als solches erworben wird. Die Zweitbeklagte habe erst nach Konkurseröffnung Mietrechte an den früheren Standorten der nunmehrigen Gemeinschuldnerin direkt von den Bestandgebern erworben und im März 1983, also ebenfalls im Konkurs das Anlagevermögen gekauft. Mangels Erwerbes eines Handelsgeschäftes hafte daher weder die Erstbeklagte noch die Zweitbeklagte nach § 25 Abs 1 HGB. Auch von einer Firmenfortführung im Sinne der §§ 22, 25 HGB könne nicht die Rede sein. Die nunmehr verwendete Wortkombination "I***-V***" deute nicht lediglich ein Nachfolgeverhältnis an; eher könnte man sagen, daß die neue Firma auf eine Verschmelzung der beiden bisherigen Unternehmen hinweise. Mache aber der Erwerber eines Unternehmens von dem ihm eingeräumten Recht der Fortführung der bisherigen Firma in der Weise Gebrauch, daß er durch eine Verbindung seiner bisherigen Firma mit der hinzu Erworbenen eine neue inhaltliche Firma bildet, so höre damit die neu erworbene Firma auf, in ihrer ursprünglichen Gestalt mit dem Geschäft, für das sie ursprünglich bestimmt war, in Verbindung gebracht werden zu können. Wer mit einer solchen neu gebildeten Firma in Verbindung tritt, könne sich nicht darauf verlassen, daß es sich nur um eine Fortführung des früheren Unternehmens handle. Auch eine Haftung nach § 1409 ABGB komme nicht in Betracht. Diese Bestimmung setze eine rechtsgeschäftliche Übertragung eines Vermögens oder Unternehmens voraus. Das Unternehmen werde als selbständige, organisierte Erwerbsgelegenheit verstanden. Alle körperlichen und unkörperlichen Sachen seien zu einer Gesamtsache zusammengefaßt, welche die Erwerbsgelegenheit ausmacht. Für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung sei nicht erforderlich, daß sämtliche Teile des Unternehmens übertragen werden; es genüge, wenn die entscheidenden Teile übergehen. In einem Warenlager sei aber weder ein Unternehmen noch auch ein Unternehmensteil zu erblicken. Was dieses Warenlager betrifft, so begründe dessen Erwerb durch die Erstbeklagte auch noch aus einer anderen Erwägung keine Haftung nach § 1409 ABGB: Nach dieser Bestimmung werde nämlich der Übernehmer eines Unternehmens oder Vermögens von der Haftung insoweit frei, als er an solchen Schulden schon soviel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt. Eine Verpflichtung der Beklagten nach § 1409 ABGB würde nur anzunehmen sein, wenn und soweit der Wert des übernommenen Warenlagers den von der Erstbeklagten bezahlten und zur Gänze zur Befriedigung von anderen Gläubigern verwendeten Kaufpreis übersteigt. Eine Haftung des Erwerbers entfalle nicht nur dann, wenn er den dem Wert des Unternehmens entsprechenden Kaufpreis im Auftrag des Veräußerers unmittelbar (gänzlich) zur Bezahlung von Gläubigern verwendete, sondern es sei auch stets dasjenige nach § 1409 ABGB auf die Werthaftungssumme des Erwerbers anrechenbar, was der Veräußerer aus dem Kaufschilling des Erwerbers an zugehörigen Schulden bezahlt hat. Denn es sei nicht Zweck und Absicht des § 1409 ABGB, den Gläubigern einen zusätzlichen Vorteil zu beschaffen. Nach der von der Klägerin nicht bekämpften Feststellung habe die Erstbeklagte das Warenlager im Werte von S 10,173.000 um diesen Kaufpreis übernommen; damit sei aber anzunehmen, daß der bezahlte Kaufpreis dem Wert des Unternehmens entsprochen hat. Demgemäß entfalle eine Haftung auch der Erst- und Zweitbeklagten, ohne daß noch untersucht werden müßte, ob die Forderung der Klägerin gegen die Firma V***-S*** überhaupt zu Recht bestand und ob die Beklagten diese Forderung kannten oder kennen mußten. Da schließlich die Drittbeklagte nach den Feststellungen das Handelsgeschäft der "V***-S***" nicht übernommen hat, entfalle dieser gegenüber von vornherein jegliche Haftungsgrundlage nach § 25 HGB. Für eine Haftung nach § 1409 ABGB mangle es jeglichen Anhaltspunktes.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren gegen alle drei Beklagten stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gegenüber der Erst- und Zweitbeklagten berechtigt, gegenüber der Drittbeklagten jedoch nicht. Auszugehen ist zunächst davon, daß das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 - wie die Vorinstanzen richtig erkannten - auf den vorliegenden Fall noch nicht Anwendung findet, weil das Ausgleichs- und Anschlußkonkursverfahren über die V***-S*** Freizeit- und Warenhandelsgesellschaft mbH vor dem Ablauf des Jahres 1982 eröffnet wurde (Art. XI § 2 Abs 1 Insolvenzrechtsänderungsgesetz BGBl. 1982/370). Es sind daher die vorher geltenden Bestimmungen anzuwenden.

Danach haftet gemäß § 25 Abs 1 HGB, wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betrieb des Geschäftes begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Es ist daher zu untersuchen, ob die Beklagten die bisherige Firma der V***-S*** Freizeit- und Warenhandelsgesellschaft mbH "mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes" fortführten. Die Firma eines Kaufmannes ist gemäß § 17 HGB der Name, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Nach den getroffenen und diesbezüglich nicht in Frage gestellten Feststellungen (vgl. S 5 der Revision) werden die Geschäfte der Beklagten nunmehr unter der Firma "I***-V***" betrieben. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der bisherige Firmenwortlaut "V***-S***" durch den jetzigen "I***-V***" in einem Maße geändert wurde, daß von einer Firmenfortführung im Sinne des § 25 Abs 1 HGB nicht mehr gesprochen werden kann. Diese Auffassung ist richtig. Eine "Fortführung" der Firma liegt nur vor, wenn für das fortgeführte Unternehmen keine deutlich abweichende neue Firma angenommen und tatsächlich geführt wird (Schlegelberger Komm. zum Handelsgesetz 239; Würdinger Großkommentar 361 f; SZ 56/6 u.a.). Der wesentliche Kern der neuen Firma lautet aber "I***", ein Ausdruck, der bisher nicht verwendet wurde. Wenngleich mit dem Zusatz der früheren Firma "V***" noch ein gewisser Konnex hergestellt erscheint, wurde mit dem Wort "I***" nach der Auffassung des Verkehrs (Würdinger a.a.O. 361/362) deutlich klar gemacht, daß es sich hiebei um eine neue Firma handelte. Da nach den dargelegten Erwägungen eine Haftung der Beklagten nach § 25 Abs 1 HGB von vornherein nicht in Frage kommt, erübrigt sich ein Eingehen auf die von der Klägerin in diesem Belang erhobene Verfahrensrüge.

Nach § 1409 ABGB haftet der Übernehmer eines Vermögens oder Unternehmens den Gläubigern aus dem zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen mußte, unmittelbar. Er wird von der Haftung (nur) insoweit frei, als er an solchen Schulden soviel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt. Im vorliegenden Fall ist aber weder endgültig klargestellt, ob bzw. welche von den Beklagten das Vermögen bzw. Unternehmen der V***-S*** Freizeit-Warenhandelsgesellschaft mbH tatsächlich übernommen haben, noch verläßlich erhoben, ob und wieviel an Schulden beglichen wurde:

Die Klägerin hat sich in ihrer Berufungsbeantwortung ausdrücklich gegen die erstgerichtlichen Feststellungen gewandt, daß die Erstbeklagte nur das Warenlager übernommen hatte (S. 3 der Berufungsbeantwortung). Sie hat sich weiters unzweideutig auf den Standpunkt gestellt, daß sämtliche drei Beklagte "den Kern des Unternehmens erworben haben" (S. 5 der Berufungsbeantwortung). Das Berufungsgericht hat sich jedoch mit diesem eindeutig auch eine Beweisrüge enthaltenden Vorbringen der Klägerin in der Berufungsbeantwortung überhaupt nicht, weder ausdrücklich noch schlüssig, auseinandergesetzt. Da aber das Gericht zweiter Instanz letzte Beweisinstanz ist, muß es sich vor der Abänderung des Urteiles (hinsichtlich der Erst- und Zweitbeklagten) mit den Beweisrügen der in erster Instanz siegreichen Partei auseinandersetzen (4 Ob 508/85 u.a.). Geschieht es wie hier nicht, ist darin ein von der Klägerin in der Revision daher zutreffend geltend gemachter Verfahrensmangel zu erblicken.

Mit Recht rügt die Klägerin auch, daß die Ansicht des Berufungsgerichtes, wonach auf Grund der Übernahme des Warenlagers durch die Erstbeklagte im Wert von 10,173.000 S anzunehmen sei, daß der bezahlte Kaufpreis dem Wert des Unternehmens entsprochen hat, durch keine Feststellung gedeckt ist. Der für ein Warenlager bezahlte Preis ist nicht mit dem Wert des Unternehmens gleichzusetzen. Dieser ist vielmehr nach objektivem Maßstab, und zwar für den Zeitpunkt der Übergabe zu ermitteln (Wolff in Klang 2 VI 354; Ehrenzweig 2 System § 335 II/2; Gschnitzer Lehrbuch, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 106; SZ 44/170 u.a.); dabei sind alle zum Unternehmen gehörigen Komponenten wie "good will", Außenstände, Mietobjekte u.dgl. zu berücksichtigen (SZ 44/170 u.a.). Die vom Berufungsgericht zur Abweisung des auf § 1409 ABGB gestützten Klagebegehrens gegen die Erst- und Zweitbeklagte herangezogene Begründung ist daher nicht stichhältig.

Die Klägerin macht zur Abweisung ihres Klagebegehrens gegenüber der Drittbeklagten eine Aktenwidrigkeit geltend, die jedoch nicht vorliegt, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Sie stellt es in der Rechtsrüge nur mehr auf die Inanspruchnahme der Drittbeklagten aus dem Grunde der Weiterführung des Handelsgeschäftes der "V***" durch diese im Sinne des § 25 HGB ab. Da aber - wie oben dargestellt wurde - keine Firmenfortführung im Sinne der genannten Gesetzesstelle vorliegt, muß die Revision der Klägerin der Drittbeklagten gegenüber erfolglos bleiben. Für eine Heranziehung der Bestimmung des § 1409 ABGB der Drittbeklagten gegenüber fehlt es - da von der in diesem Belang unanfechtbaren Beweiswürdigung der Vorinstanzen auszugehen ist - an jeglichem Anhaltspunkt für eine Übernahme des Vermögens oder Unternehmens der V***-S***- und Freizeit-Warenhandelsgesellschaft durch die Drittbeklagte. Davon abgesehen stellt sie sich selbst in der Revision auf den Standpunkt, daß nur die Erst- und Zweitbeklagten das Unternehmen der "V***" übernommen hätten (S. 4 der Revision).

Zusammenfassend war daher der Revision der Klägerin hinsichtlich der Erst- und Zweitbeklagten im Sinne der Aufhebung der berufungsgerichtlichen Entscheidung zur Klärung der dargestellten Fragen im Hinblick auf deren allfällige Inanspruchnahme nach § 1409 ABGB Folge zu geben, wogegen ihr der Drittbeklagten gegenüber aus den dargelegten Gründen der Erfolg zu versagen war.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO bzw. § 52 ZPO.

Anmerkung

E09659

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00602.86.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19861023_OGH0002_0080OB00602_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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