TE OGH 1986/10/23 13Os45/86

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Veröffentlicht am 23.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in einem verstärkten Senat am 23. Oktober 1986 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piska, der Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Faseth und Dr. Bernardini, der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kral, Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Steininger, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer sowie des Richteramtsanwärters Dr. Täuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Zvonko S*** und andere wegen des Verbrechens nach § 15 StGB., § 12 SuchtgiftG. a.F. und einer weiteren strafbaren Handlung über die von den Angeklagten Zvonko S***, Vlado K*** und Boris B*** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 21.November 1985, GZ. 8 Vr 2687/85-63, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags der Berichterstatter, Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Brustbauer und Dr. Müller, der Ausführungen des Vertreters des Generalprokurators, Ersten Generalanwalts Dr. Nurscher, und der Ausführungen der Verteidiger Dr. Wibiral, Dr. Prunbauer und Dr. van der Let, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Zvonko S*** und Boris B*** wird gänzlich, der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Vlado K*** wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich der Angeklagten Zvonko S*** und Boris B*** zur Gänze, hinsichtlich des Angeklagten Vlado K*** im Schuldspruch wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. a.F. in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB. (1) und im Strafausspruch (samt Vorhaftanrechnung) aufgehoben sowie im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt;

Zvonko S***, Vlado K*** und Boris B*** werden von der Anklage, am 29.Juli 1985 in Spielfeld im bewußten Zusammenwirken als unmittelbare Täter bestehenden Vorschriften zuwider 1,08 kg tags zuvor vom abgesondert in Jugoslawien verfolgten Iztok L*** um

13.300 DM und 180.000 Dinar als Heroin erworbenes, mit Speisesoda und Staubzucker versetztes Stärkemehl in der Überzeugung, es handle sich hiebei um das Suchtgift Heroin, aus Österreich über die Grenze eingeführt und in Verkehr zu setzen versucht zu haben, indem Zvonko S*** den fernmündlichen Kontakt mit dem unbekannt gebliebenen Suchtgifthändler herstellte und diesen in den Stauraum Spielfeld zitierte, während Vlado K*** und Boris B*** das für Suchtgift gehaltene Paket verwahrten und dann in Verkaufsverhandlungen mit dem erschienenen Suchtgifthändler traten, der das Suchtgift zu einem Preis von mindestens 500.000 S übernehmen wollte, wobei die Übergabe des Pakets an den unbekannten Suchtgifthändler wegen des Einschreitens der Beamten der Kriminalabteilung unterblieben ist, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Vlado K*** verworfen.

Vlado K*** wird für das ihm weiterhin zur Last fallende Vergehen des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs. 1 StGB. zu einer Geldstrafe von 100 (einhundert) Tagessätzen verurteilt. Der Tagessatz wird mit 100 (einhundert) Schilling festgesetzt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird die Ersatzfreiheitsstrafe mit 50 (fünfzig) Tagen festgesetzt. Gemäß § 38 StGB. wird auf diese Strafe die Haft vom 29. Juli 1985, 12,30 Uhr, bis 21.November 1985, 16,40 Uhr, angerechnet.

Mit ihren Berufungen werden Zvonko S***, Vlado K*** und Boris B*** auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten Vlado K*** die Kosten des ihn betreffenden Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der jugoslawische Staatsbürger Zvonko S*** wollte zum Weiterverkauf eine große Menge Heroin von Jugoslawien nach Österreich schaffen. Er trat deshalb mit dem ihm bekannten Iztok L*** in Kontakt und beauftragte diesen, mindestens ein Kilogramm Heroin zu besorgen. Gemeinsam mit seinen Landsleuten Vlado K*** und Boris B***, die auch als Geldgeber fungierten, suchte S*** in der Folge Iztok L*** in Marburg (Jugoslawien) auf, um das Heroin zu übernehmen.

L*** betrog jedoch. Er übergab den drei Angeklagten statt des Heroins einen Koffer mit Stärkemehl, Staubzucker und Speisesoda im Gesamtgewicht von 1,08 kg. Der Betrug L*** gelang, weil die drei Angeklagten auf Grund einer am Koffer angebrachten optischen und akustischen Warnvorrichtung eine Prüfung des Inhalts, den sie für Heroin hielten, unterließen. Dieses Gemisch aus Stärkemehl, Staubzucker und Speisesoda brachten die drei Angeklagten in der Meinung, Rauschgift zu schmuggeln, über die österreichische Grenze bei Spielfeld. Nach deren Überschreiten wurden sie perlustriert und verhaftet. Vlado K*** wies sich dabei mit einem für seinen Bruder Zdenko K*** ausgegebenen Reisepaß aus.

Das Schöffengericht verurteilte auf Grund dieser Feststellungen alle drei Angeklagten wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 SuchtgiftG. a.F. in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB.) und Vlado K*** überdies wegen des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs. 1 StGB. Zvonko S***, Boris B*** und Vlado K*** machen Urteilsnichtigkeit aus § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO., B*** überdies aus § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. geltend. Mit ihren Rechtsrügen, mit denen sie die ihnen als Verbrechen angelastete Tat als gemäß § 15 Abs. 3 StGB. nicht strafbar bezeichnen, sind sie im Recht.

§ 12 SuchtgiftG. a.F. vollendete, wer vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in solchen Mengen erzeugte, einführte, ausführte oder in Verkehr setzte, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte. Die Tat ist gemäß § 15 Abs. 2 StGB. versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen (§ 12 StGB.), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Jedoch sind der Versuch und die Beteiligung daran nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher Eigenschaften oder Verhältnisse, die das Gesetz beim Handelnden voraussetzt, oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstands, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war (§ 15 Abs. 3 StGB.).

§ 12 SuchtgiftG. konnte bzw. kann nur bei Verwendung eines Suchtgifts vollendet werden. Was unter Suchtgift zu verstehen war bzw. ist, definiert(e) § 1 SuchtgiftG. Ein Stoff, der nicht die dort gesetzlich umschriebenen Erfordernisse aufweist, ist eine Substanz, deren Verwendung unter keinen wie immer gearteten Umständen den Tatbestand des § 12 SuchtgiftG. herzustellen vermochte bzw. vermag (Tatbestand mit "geschlossenen" oder "gesetzlich benannten" Mitteln). Hier erhebt sich zunächst die Frage, ob, um in den Kategorien des § 15 Abs. 3 StGB. zu bleiben, die Art der Handlung oder die Art des Gegenstands von dem angeführten Mangel berührt ist. Die Gesetzesstelle spricht von der Art des Gegenstands, "an" dem die Tat begangen wurde. Das schließt bei einer grammatikalischen Auslegung das Verständnis des Suchtgifts als "Gegenstand" aus, denn "an" dem Suchtgift kann, so scheint es, ein Verbrechen nicht begangen werden. Dieses grammatikalische Interpretationsergebnis würde das gesetzlich benannte Mittel dem Bereich der "Handlung" zuweisen. Legt man freilich die nicht grammatikalisch gewonnene, sondern systematisch ausgewogene Definition des Gegenstands von Kienapfel zugrunde, so ergibt sich eine andere Einordnung: Nach Kienapfel AT Z 3 RN 8 ist im Gegensatz zum Rechtsgut als dem hinter dem Delikt stehenden ideellen Wert der "Gegenstand" das Tatobjekt, "an dem sich der Angriff auf das geschützte Rechtsgut in concreto auswirkt".

Rechtliche Beurteilung

Indem der Oberste Gerichtshof von dieser, aus der Systematik des Deliktsaufbaus geschöpften Begriffsbestimmung ausgeht, kommt er zu dem Ergebnis, daß der Mangel des gesetzlich benannten Mittels bei einer im übrigen den Erfordernissen des § 15 Abs. 2 StGB. genügenden Versuchshandlung ein Mangel der Art des Gegenstands ist, an dem "die Tat", nämlich die Versuchstat, begangen wurde, jenes Gegenstands, den das Gesetz expressis verbis verlangt. Ist aber der vom Gesetz geforderte Gegenstand nicht bloß mittels einer geringfügigen Modifikation der Tatumstände gewissermaßen ins Spiel zu bringen (vgl. JBl. 1983 S. 103, 13 Os 16/86), sondern ist der Gegenstand, an dem die Versuchstat begangen wurde, seiner Art nach ein anderer als der im Tatbestand vorausgesetzte, so ist die Vollendung der Tat "unter keinen Umständen möglich" (§ 15 Abs. 3 StGB.) und folglich der Versuch nicht strafbar. Aus dieser Sicht der ganzen Problematik kann auf das Urteil eines außenstehenden Beobachters zur Tatzeit, das ein Teil der neueren Lehre und einige Entscheidungen nicht entbehren zu können glauben, ohne spürbaren Verlust verzichtet werden.

Der den Angeklagten angelastete Versuch der Einfuhr und des Inverkehrbringens von Suchtgift (§ 12 Abs. 1 SuchtgiftG.) ist daher mangels Verwendung eines Suchtmittels zufolge § 15 Abs. 3 StGB.

straflos (so bei gleicher Sachlage 9 Os 72/74 = RZ. 1975/13;

13 Os 18/84; 13 Os 104, 105/85 = JBl. 1986 S. 128 = RZ. 1985/87 =

EvBl. 1986/88; s. auch Bertel in AnwBl. 1986 S. 159, Fuchs in ÖJZ. 1986 S. 262 Anm. 34, Pallin in RZ. 1986 S. 43, Veigl in RZ. 1986 S. 109).

Damit wird an dem von der Rechtsprechung traditionell bezogenen Standpunkt der Beurteilung der Tauglichkeit eines Versuchs zur Tatvollendung festgehalten: Absolut untauglich ist ein Versuch, wenn es bei einer generalisierenden, von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelösten Betrachtung ex post "der Gegenstand" geradezu denK***möglich erscheinen läßt, daß es jemals zur Vollendung der Tat kommt (EBRV. 1971 S. 85; LSK. 1976/139, 13 Os 87/86; ferner die Aufzählung der Judikatur in 11 Os 111/85 vom 18.Februar 1986). Der von einem Teil der Lehre propagierten, auf der ganz andersartigen deutschen Gesetzeslage (§ 22 dStGB.) beruhenden (zu dieser HerK***ft siehe Pallin RZ. 1986 S. 43) "Eindruckstheorie" kann der Oberste Gerichtshof folgerichtig nicht nähertreten. Darnach stellt sich nur mehr die Frage, ob die drei Angeklagten oder einzelne von ihnen möglicherweise den strafbaren Versuch irgendeines Suchtgiftdelikts im Ausland (Auslandstat) verantworten (siehe Anklageerzählung und Ersturteil S. 281, 287). Diese Frage ist zu verneinen. § 64 Abs. 1 Z. 4 StGB. enthielt eine "statische" (nicht auf die jeweils geltende Fassung abgestellte: vgl. VfGH. 27. Februar 1986, B 457/85) Verweisung auf "§ 6 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes 1951, BGBl. Nr. 234". Da weiters Art. I Z. 5 SuchtgiftGNov. 1980 BGBl. Nr. 319 die Änderung der Bezeichnung "§ 6" in "§ 12" SuchtgiftG. nicht für die gesamte Rechtsordnung formulierte und Art. I Z. 2 SuchtgiftGNov. 1985 BGBl. Nr. 184 überdies den Inhalt der verwiesenen Gesetzesstelle neu gestaltete, umfaßt § 64 Abs. 1 Z. 4 StGB. nicht mehr § 6 (oder § 12) SuchtgiftG. Eine Verurteilung wegen eines Suchtgifttatbestands, gestützt auf § 64 Abs. 1 Z. 6 StGB., scheidet deshalb aus, weil die Verpflichtung Österreichs zur Verfolgung einer derartigen Auslandstat gemäß Art. 36 Abs. 2 lit. a Z. IV Einzige Suchtgiftkonvention mangels Ablehnung eines Ersuchens um Auslieferung nicht aktuell ist (Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 , 2. Ergänzungsheft 1985 S. 55).

Die inländische Strafgerichtsbarkeit kommt aber auch gemäß § 65 Abs. 1 Z. 2 StGB. nicht in Frage. Nach dieser Gesetzesstelle wären auf die Angeklagten die österreichischen Strafgesetze nur anzuwenden, wenn die Auslieferung aus einem anderen Grund als wegen der Art oder Eigenschaft der Tat unterbliebe. Die Prüfung oder Feststellung, ob und allenfalls aus welchem Grund in diesem Strafverfahren eine bisher gar nicht in Erwägung gezogene (s. Linke in ÖJZ. 1984 S. 488 f.) Auslieferung unterblieb, kann nicht nachgeholt werden, weil alle drei Angeklagten in ihr Heimatland zurückgekehrt sind.

Erweisen sich damit die Rechtsrügen der drei Angeklagten zum Schuldspruch nach § 12 SuchtgiftG. als stichhältig und führen zum sofortigen Freispruch von diesem Anklagevorwurf, so entbehrt das Beschwerdevorbringen des Angeklagten K***, in welchem er, gleichfalls unter § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO., die Straflosigkeit des ihm angelasteten Gebrauchs des Reisepasses seines Bruders einwendet, teils einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung, teils ist es nicht begründet.

Die Behauptung, daß dem Beschwerdeführer anläßlich seiner Verhaftung der Reisepaß seines Bruders von den Beamten aus der Jacke gezogen worden wäre, ist nämlich urteilsfremd. Hat doch der Angeklagte K***, den Urteilskonstatierungen zufolge, sich bei seiner Festnahme nach seinem illegalen Grenzübertritt mit dem Reisepaß seines Bruders ausgewiesen (S. 283, 291). Näherer Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Vergehens nach § 231 Abs. 1 StGB. bedurfte es, der Beschwerde zuwider, nicht. Für den wenigstens bedingten (§ 5 Abs. 1 StGB.) Gebrauchsvorsatz dieses Tatbestands reichte nach der Lage des Falls das vom Gericht als erwiesen angenommene Begleitwissen des Beschwerdeführers, selbst keinen eigenen Reisepaß zu besitzen, aus; dieser war ihm nämlich von den jugoslawischen Behörden bereits vor längerer Zeit wegen Kaffeeschmuggels abgenommen worden.

Bei der nach § 231 Abs. 1 StGB. vorzunehmenden Strafneubemessung war kein Umstand erschwerend und keiner mildernd. Die aus dem Spruch ersichtliche Zahl der Tagessätze ist tat- und tätergerecht, die Höhe des Tagessatzes ergibt sich aus den persönlichen Verhältnissen (geschieden und Sorgepflicht für ein Kind) und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers (Fernfahrer mit einem Lastkraftwagen.)

Der Ausspruch über die Verpflichtung des Vlado K*** zum Ersatz der Kosten des erstinstanzlichen Strafverfahrens gemäß § 389 StPO. blieb unberührt.

Anmerkung

E09292

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00045.86.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19861023_OGH0002_0130OS00045_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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