TE OGH 1986/10/23 7Ob44/86

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Veröffentlicht am 23.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang F***, Werkzeugmaschineur, Putzleinsdorf 68, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger ua., Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei V*** DER Ö*** B***,

V***-AG, Wien 2., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Rudolf Schuh, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 69.000,-, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 21. Mai 1986, GZ. 2 R 41/86-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 2. Dezember 1985, GZ. 3 Cg 161/85-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird dahin Folge gegeben, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens von S 5.659,50 (darin S 514,50 Umsatzsteuer) und die mit S 8.397,35 (darin S 5.000,- Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Wegen eines am 6.1.1985 mit seinem PKW erlittenen Totalschadens begehrt der Kläger auf Grund der bei der Beklagten abgeschlossenen Kaskoversicherung den der Höhe nach außer Streit stehenden Schadensbetrag von S 69.000,- s.A.

Die Beklagte wendete Leistungsfreiheit wegen Verzugs mit einer Folgeprämie ein.

Während das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben hat, wies es das Berufungsgericht ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Die Vorinstanzen gingen von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:

Der Kläger zahlte die für das Jahr 1984/85 am 1.8.1984 fällige Folgeprämie nicht termingerecht, weshalb er mehrfach gemahnt und schließlich am 29.11.1984 gegen ihn ein Zahlungsbefehl des Bezirksgerichtes Lembach über die rückständige Prämie von S 13.869,-

erwirkt wurde. Im Dezember 1984 wandte sich der Kläger an die Beklagte und ersuchte, die rückständige Prämie in Raten zahlen zu dürfen. Am 12.12.1984 wurde dem Kläger Stundung derart gewährt, daß er einen Betrag von S 7.000,- "jetzt einmal", d.h. längstens innerhalb von 10 Tagen, den Rest bis 1.2.1985 bezahlen müsse. Die Frage, ob dem Kläger weiterhin Versicherungsschutz gewährt werde, wurde nicht erörtert. Ein Hinweis, daß für den Fall der Nichteinhaltung der Ratenverpflichtung die Rechtsfolgen des § 39 Abs. 2 VersVG eintreten und die Beklagte neuerlich von ihrer Leistungspflicht frei werde, wurde nicht gegeben.

Am 4.1.1985 zahlte der Kläger S 7.000,- bei der Raika Putzleinsdorf ein, welcher Betrag am 8.1.1985 bei der Beklagten einging.

Während das Erstgericht in der Stundungsvereinbarung eine Beseitigung der eingetretenen Leistungsfreiheit erblickte, vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, die Stundungsvereinbarung habe die Leistungsfreiheit nicht berührt. Sie habe lediglich auf die Möglichkeit einer Exekutionsführung Einfluß gehabt. Die Leistungspflicht der Beklagten wäre erst mit der vollen Zahlung der gesamten rückständigen Folgeprämie wieder aufgelebt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.

Richtig hat das Erstgericht erkannt, daß bezüglich einer allfälligen Schuldtilgungswirkung der Teilzahlung von S 7.000,- auf den Zeitpunkt der Einzahlung dieses Betrages durch den Kläger, also auf den 4.1.1985, abzustellen ist. Wird nämlich eine Zahlung in Form der Überweisung durch ein Kreditinstitut vorgenommen, so bestimmt sich die Zahlung nach dem Zeitpunkt des Überweisungsauftrages, wobei das Einlangen des Auftrages bei der Bank des Schuldners maßgebend ist (Reischauer in Rummel Rdz 16 zu § 905; Gschnitzer in Klang 2 IV 368; SZ 38/100; HS 6/9 u.a.).

Es ist also davon auszugehen, daß der Kläger zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles mit der ersten Rate der ihm gestundeten Folgeprämie nicht mehr in Verzug war. Fraglich kann demnach nur sein, ob die dem Kläger gewährte Stundung die Verzugsfolgen des § 39 VersVG beseitigt hat. Daß die Verzugsfolgen vor der getroffenen Stundungsvereinbarung eingetreten waren, ist nicht strittig. Richtig ist, daß sich die Entscheidung SZ 45/111 auf einen Fall bezieht, in dem die Stundungsvereinbarung noch vor Eintritt der Leistungsfreiheit des Versicherers getroffen worden ist, also auf einen Fall, der eindeutig als Verlängerung der Zahlungsfrist bis zum Ablauf der Stundungsfrist zu beurteilen ist. Ebenso wie Prölls-Martin (VVG 23 , 232 f) macht die erwähnte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes einen Unterschied zwischen einer Stundung vor Ablauf der vom Versicherer gemäß § 39 VersVG gesetzten Frist und einer Stundungsvereinbarung, die erst nach Ablauf dieser Frist, also nach Eintritt der Leistungsfreiheit getroffen worden ist. Prölls-Martin vertreten hiebei die strenge Ansicht, daß erst die Zahlung der Rückstände die Haftung des Versicherers wieder in Kraft setzt, verweisen jedoch auf gegenteilige Entscheidungen und Lehrmeinungen. Die vorerwähnte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes läßt zwar durchblicken, daß sie die Gewährung einer Stundung nach Eintritt der Leistungsfreiheit nicht der Gewährung einer Stundung während des Laufes der Frist des § 39 VersVG gleichsetzt, spricht jedoch keineswegs eindeutig aus, daß im erstgenannten Fall die Leistungsfreiheit auf jeden Fall bis zur Zahlung der gesamten rückständigen Prämie aufrecht bleibt. Einer derart radikalen Auslegung könnte sich der Oberste Gerichtshof auch nicht anschließen. Vielmehr ist zu bedenken, daß rechtsgeschäftliche Erklärungen, wie beispielsweise eine Stundungsbewilligung, immer nur so ausgelegt werden können, wie sie der Erklärungsempfänger verstehen muß. Die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen über den Grund für das Stundungsansuchen des Klägers sind für die Lösung der entscheidenden Frage nicht zielführend. Ohne gegenteilige Äußerung konnte nämlich das Ersuchen um Stundung und Gewährung einer Ratenzahlung nur so verstanden werden, daß der Kläger alle mit der eingetretenen Säumnis für ihn verbundenen nachteiligen Folgen beseitigen wollte, daher nicht nur die Gefahr einer sofortigen Exekutionsführung, sondern auch alle anderen Nachteile, wie beispielsweise die Leistungsfreiheit der Beklagten. Die bedingungslose Gewährung einer Stundung konnte der Kläger daher auch nur so verstehen, daß die Beklagte seiner aus der Natur seines Ersuchens hervorgehenden Zielsetzung entsprechen wollte. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, falls sie einen anderen Standpunkt vertreten wollte, eindeutig darauf hinzuweisen, daß die Stundung lediglich einen Aufschub der Exekution, nicht aber eine Beseitigung der Leistungsfreiheit bewirken soll. In diesem Sinne sind auch die Ausführungen des Obersten Gerichtshofes in SZ 45/111 zu verstehen, denenzufolge bei Gewährung einer Stundung nach eingetretener Leistungsfreiheit eine neuerliche Mahnung nach § 39 VersVG dann nicht notwendig ist, wenn der Versicherer bei Gewährung der Stundung ausdrücklich darauf hinweist, daß die Folgen des Verzuges weiterhin aufrecht bleiben. Ohne einen solchen ausdrücklichen Hinweis kann jedenfalls die Leistungsfreiheit des Versicherers nicht eintreten, solange der Schuldner im Sinne der Stundungsvereinbarung nicht mit Leistungen in Verzug ist (vgl. Ehrenzweig, Deutsch-österreichisches Versicherungsvertragsrecht, 143 f, Bruck-Möller, VVG 8 , I, Anm. 41 zu § 35 VersVG). Ob der Versicherer, falls er einen solchen Hinweis bei Gewährung der Stundung nicht macht, die Leistungsfreiheit nur durch neuerliche Mahnung nach § 39 VersVG erreichen kann, muß hier nicht untersucht werden, weil der Kläger im Hinblick auf die gewährte Stundung mit keiner Prämie im Verzug war. Da ihn die Beklagte nie darauf hingewiesen hatte, daß die Stundung lediglich einen Aufschub der Exekution bewirken, nicht aber die eingetretene Leistungsfreiheit aufheben sollte, kann von einem die Leistungsfreiheit bewirkenden Prämienverzug keine Rede sein. Nur wenn die erste Teilleistung der rückständigen Prämie zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles noch nicht bezahlt gewesen wäre, würde sich die Frage stellen, ob dies für sich allein schon ein Wiederaufleben der Leistungsfreiheit bewirken hätte können, oder ob die Beklagte dieses Ziel nur mittels einer neuerlichen Mahnung nach § 39 VersVG erreicht hätte.

Der Oberste Gerichtshof tritt sohin der vom Erstgericht geäußerten Rechtsansicht bei. Demnach war das Ersturteil wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E09650

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00044.86.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19861023_OGH0002_0070OB00044_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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