Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Richard S***, Handelsvertreter, Wien 13., August Reuss-Gasse 1, vertreten durch Dr. Alfred Richter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** DER Ö*** B***
Versicherungs-AG in Wien 2., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Otto Hellwich, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Deckungspflicht (Streitwert 100.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. Juni 1986, GZ 4 R 82/86-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. Dezember 1985, GZ. 28 Cg 440/85-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
1.) den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
2.) zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der beklagte Versicherer aus einer von ihm als Handelsvertreter abgeschlossenen Berufs-Rechtsschutzversicherung für eine gegen die R*** Fischereigeräte, Seilerwarenhandelsgesellschaft mbH wegen Verletzung des Handelsvertretervertrages gerichtete Klage auf angemessene Entschädigung gemäß § 10 HVG oder Schadenersatz gemäß § 24 HVG deckungspflichtig sei.
Die beklagte Partei bestritt ihre Deckungspflicht mit der Begründung, die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung sei nicht gegen einen "Dritten" gerichtet, betreffe keine Schadenersatzansprüche aufgrund "gesetzlicher" Haftpflichtbestimmungen und auch nicht ein "Ereignis", das mit dem Beruf, Betrieb oder der Tätigkeit für den Betrieb direkt zusammenhänge.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er vertrat die Rechtsansicht, daß zwar die R*** .... GesmbH als außerhalb des Versicherungsvertrages stehende Person "Dritter" im Sinn des Art.1 Abs 1 lit a ARB 1965 sei, folgte aber den beiden anderen Einwänden der beklagten Partei.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne der Klage ab und erklärte die Revision für zulässig. Es gelangte abweichend vom Erstgericht zur Auffassung, daß bereits eine Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, sei es nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang gemäß § 6 ABGB oder auch nach deren gemäß objektiver Verkehrssitte ermitteltem Wortsinn nach § 914 ABGB zum Ergebnis einer Versicherung des vorliegenden Schadenersatzanspruches führe. Als "Dritter" sei nach der soweit zutreffenden Ansicht des Erstrichters jede von den Vertragspartnern des Versicherungsvertrages verschiedene Person anzusehen. Entgegen der Ansicht der ersten Instanz sei aber die weitere Umschreibung der zu deckenden Schadenersatzansprüche als solche "aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes" weder überflüssig noch unbedacht. Die Beschränkung auf gesetzliche Haftpflichtansprüche schließe die Deckung bloß vertraglich vereinbarter Schadenersatzansprüche aus, die über den Umfang gesetzlich normierter Ersatzansprüche hinausgehen. Die weitere Beschränkung auf Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes bedeute eine Abgrenzung gegenüber entsprechenden Ersatzansprüchen öffentlich-rechtlicher Natur. Auch ein wie hier aus der Übertretung einer Vertragspflicht abgeleiteter Schadenersatzanspruch sei gemäß § 1295 Abs 1 ABGB ein solcher aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes. In den SBR 1967 werde der Versicherungsschutz auf die Verfolgung oder Abwehr anderer Ansprüche, zB auf Erfüllung, nur noch erweitert. Schließlich sei auch eine Vertragsverletzung ein Ereignis, das den Schadenersatzanspruch des Versicherten ursächlich begründe, selbst wenn sie in einem Unterlassen bestehe. Der Zusammenhang mit dem Beruf des Klägers sei bei einer zum Schadenersatz führenden Verletzung seines Handelsvertretervertrages gegeben. Gegen das Berufungurteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei ist verspätet, weil sie nach Zustellung der ordentlichen Revision am 13.8.1986 erst am 30.9.1986 und damit, auch vom Ende der Gerichtsferien gerechnet, erst nach der vierwöchigen Rechtsmittelfrist des § 507 Abs 2 S 1 und S 2 erster Halbsatz ZPO zur Post gegeben wurde. Dieser Schriftsatz war daher zurückzuweisen.
Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Nach Art.1 Abs 1 lit a der im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen geltenden ARB 1965 gewährt der Versicherer Versicherungsschutz, wenn dem Versicherten in der in der Polizze bezeichneten Eigenschaft (hier: Handelsvertreter) zur Wahrung rechtlicher Interessen Kostenzahlungen (unter anderem) bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Dritte wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes erwachsen.
Der schon von den Vorinstanzen abgelehnten Meinung der Revisionswerberin, Dritter im Sinn dieser Bestimmung sei nicht jede vom Versicherungsnehmer und Versicherer verschiedene Person, sondern nur jemand, der außerhalb des Vertrages des Versicherungsnehmers mit dessen Vertragspartner stehe, kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß ausgehend vom Versicherungsvertrag schon nach dem Wortsinn jeder andere Vertragspartner des Versicherungsnehmers Dritter und eine außerhalb dieses letzteren Vertragsverhältnisses stehende weitere Person schon "Vierter" ist, ergibt sich der gleiche Sinn aus dem Versicherungsvertragsgesetz, das etwa in den §§ 67 und 149 als Dritten ebenfalls jede vom Versicherungsnehmer und (Mit-)Versicherten (sowie dem Versicherer) verschiedene Person versteht (SZ 34/75, SZ 52/112, SZ 53/151 bzw. VersR 1978, 727). Die Berufs-Rechtsschutzversicherung würde überdies einen wesentlichen Teil ihres Sinnes verlieren, wenn gerade Haftpflichtansprüche gegen Vertragspartner des Versicherungsnehmers nicht zu decken wären. Mit Recht hat das Berufungsgericht auch die weitere Meinung der Revisionswerberin abgelehnt, Schadenersatzansprüche aus Vertragsverletzung seien nicht gesetzliche Schadenersatzansprüche und daher nicht zu decken. Von einem unzweifelhaften Sinn und einer klaren Bedeutung des Wortes in dieser von der beklagten Partei gewünschten Richtung kann keine Rede sein. Die zweite Instanz hat vielmehr überzeugend begründet, daß aus der Verletzung eines Vertrages gesetzliche Schadenersatzpflichten entstehen (können) und daß nach der zitierten Bestimmung der ARB nur solche Schadenersatzpflichten nicht in die Versicherung fallen, die über das Gesetz hinaus in einem Vertrag übernommen wurden (vgl. zu der ähnlichen Bestimmung des Art.1.2.1.1 AHVB Achatz ua, AHVB 1978, 52 f bzw. AHVB 1986, 57 f und Prölss-Martin, VVG 23 950). Die in den §§ 10 und 24 HVG geregelten Entschädigungsansprüche beruhen aber unmittelbar auf dem Gesetz.
Der Revisionswerberin kann auch nicht dahin gefolgt werden, daß "ein Vertragsabschluß kein Ereignis" und deshalb nicht deckungspflichtig sei. Diese Meinung ist schon deshalb verfehlt, weil die Ersatzansprüche, die der Kläger gegen seinen Geschäftsherrn erheben will, nicht aus dem mit diesem geschlossenen Vertrag, sondern aus der Verletzung dieses Vertrages herrühren und ein solches Verhalten des Dritten zwanglos als Ereignis anzusehen ist, durch das der Kläger in seinen Rechten verletzt wurde. Der Ausspruch über die Kosten der Revision beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
Anmerkung
E09648European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00047.86.1023.000Dokumentnummer
JJT_19861023_OGH0002_0070OB00047_8600000_000