Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith, sowie die Beisitzer Dr. Viktor Schlägelbauer und Dr. Walter Geppert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann F***, Bauleiter, Dornbirn, Unter der Bahn 6, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Z*** Vertriebsgesellschaft mbH in Dornbirn, Moosmahdstraße 36, vertreten durch Dr. Reinhold Moosbrugger, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen restl. S 54.329,19 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 15. Juli 1986, GZ Cga 28/86-26, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Feldkirch vom 10. März 1986, GZ Cr 82/85-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 308,85 Umsatzsteuer, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei ab April 1983 zunächst probeweise und ab 1. August 1983 definitiv als Angestellter beschäftigt und sollte - wie im schriftlichen Angestelltendienstvertrag vom 21. September 1983 vereinbart - als Nachfolger des in den Ruhestand tretenden bisherigen Geschäftsführers der beklagten Partei dessen Aufgaben übernehmen. Am 1. Juni 1984 kündigte der Kläger das Dienstverhältnis zur beklagten Partei zum 31. Juli 1984 auf. Mit Schreiben vom gleichen Tag (1. Juni 1984) erklärte hierauf die beklagte Partei, den Kläger wegen Wortbruchs und Abwerbung anderer Angestellter vorzeitig zu entlassen. Dieses Schreiben kam dem Kläger am 5. Juni 1984 zu. Der Kläger hatte nach Punkt 9. des Angestelltendienstvertrages neben festen Bezügen Anspruch auf eine Umsatzprovision von 2 % aus dem erzielten Nettoumsatz der Niederlassung Dornbirn. Auf diese Provision hatte er monatlich eine Abschlagszahlung von S 6.000,-- als Zuschlag zum Gehalt zu erhalten. Die endgültige Abrechnung der Umsatzprovision sollte am Ende des Geschäftsjahres bzw. nach Erstellung der Bilanz erfolgen.
Der Kläger behauptet, ohne wichtige Gründe vorzeitig entlassen worden zu sein, und begehrt von der beklagten Partei zuletzt folgende Zahlungen:
1.) An Kündigungsentschädigung:
a) Zahlung des Monatsgehaltes für Juni und
Juli 1984 S 35.120,--
b) anteiligen Urlaubszuschuß und
Weihnachtsremuneration
für 1984 S 20.486,60
zusammen S 55.606,66
abzüglich eines Betrages von - S 15.826,21
den ihm die beklagte Partei an
anteiligen Sonderzahlungen und
anteiligem laufenden Entgelt bis
5. Juni 1984 bereits ausgezahlt habe,
sohin restlich S 39.780,45
und 2.) an restlicher Umsatzprovision
für 1983 und Jänner bis Mai 1984 S 14.548,74
zusammen S 54.329,19 sA.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und behauptete, den Kläger aus mehreren Gründen berechtigt vorzeitig entlassen zu haben. Mit einer (weiteren) Zahlung von S 16.067,54 am 15. November 1985 habe der Kläger die gesamte, ihm noch gebührende Umsatzprovision erhalten.
Das Erstgericht sprach dem Kläger S 39.780,45 brutto sA mit der Begründung zu, daß die von der beklagten Partei behaupteten Entlassungsgründe nicht vorlägen, und wies das Mehrbegehren von S 14.548,78 sA ab, weil der Kläger die gesamte rückständige Umsatzprovision für die Jahre 1983 und 1984 bis zur tatsächlichen Beendigung des Dienstverhältnisses ( - mehr habe er nicht begehrt - ) erhalten habe.
Im Berufungsverfahren erhob die beklagte Partei die Einwendung, die Ansprüche des Klägers seien erloschen, weil er sie nicht innerhalb der Frist des § 34 AngG geltend gemacht habe. Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem, gab der Berufung der beklagten Partei, nicht aber der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Die zweite Instanz war der Ansicht, daß auch die ungerechtfertigte Entlassung eines Angestellten, der nicht einen besonderen Kündigungs- oder Entlassungsschutz genieße, sein Dienstverhältnis beende, so daß er nicht die Unwirksamkeit der Entlassungserklärung, sondern nur Kündigungsentschädigung begehren könne. Der Anspruch des Klägers auf Bezahlung des Juni- und Juligehaltes 1984 und der aliquoten Sonderzahlungen sei ein Ersatzanspruch wegen vorzeitiger Entlassung iS der §§ 29, 34 AngG. Aus dem eigenen Vorbringen des Klägers ergebe sich, daß er an anteiligen Sonderzahlungen sowie als laufenden Junibezug bis 5. Juni 1984 den hiefür gebührenden Betrag von S 15.826,21 erhalten (und bei der Berechnung seiner Gesamtansprüche auch in Abzug gebracht) habe. Die danach noch verbleibenden Beträge seien daher als Kündigungsentschädigung iS des § 29 AngG gemäß § 34 AngG verfallen, da ihre gerichtliche Geltendmachung später als 6 Monate nach der Entlassung (Zugang des Entlassungsschreibens: 5. Juni 1984; Klage: 4. März 1985) erfolgt sei. Aus denselben Erwägungen könne dem Kläger für Juni und Juli 1984 auch kein Anspruch auf Umsatzprovision zustehen.
Die dem Kläger vertraglich zugesagte 2 %-ige Umsatzprovision gebühre ihm nur vom erzielten Nettoumsatz; der Parteiwille sei dahin zu verstehen, daß uneinbringliche Forderungen von der Provisionsgewährung ausgeschlossen wurden. Für Perioden der Teilzeitbeschäftigung (Februar bis April 1984) gebühre dem Kläger nur der halbe Provisionssatz (1 %). Die nach diesen Grundsätzen richtig berechnete Restprovision sei dem Kläger durch die beklagte Partei bezahlt worden.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß die Entlassungserklärung das Dienstverhältnis auch dann mit sofortiger Wirkung beendet, wenn ein wichtiger Grund (hier: iS des § 27 AngG) nicht vorliegt (SZ 49/139; Arb. 10.061, 10.142 ua; Kapfer, AngG 18 , E 1 zu § 29; Martinek-Schwarz, AngG 6 400 ff, 547). Daher kann für die Zeit nach der Entlassung kein Lohnfortzahlungsanspruch, also Erfüllungsanspruch iS des § 1155 ABGB, sondern nur ein Ersatzanspruch (hier: iS des § 29 AngG) bestehen (Arb. 10.061). Das Dienstverhältnis des Klägers befand sich zwar infolge seiner eigenen Kündigung im Zeitpunkte des Zuganges der Entlassungserklärung im Auflösungsstadium, war aber noch aufrecht und wurde daher nicht durch den Ablauf der Kündigungsfrist, sondern durch die Entlassung beendet. Die Entlassung während der Kündigungsfrist hatte, wenn sie ungerechtfertigt war, allerdings zur Folge, daß dem Kläger die Kündigungsentschädigung bis zu dem Tag gebührte, an welchem das Dienstverhältnis auf Grund seiner vorangegangenen Kündigung durch Ablauf der Kündigungsfrist geendet hätte (Arb. 8.886, 9.471;
JBl 1986, 537; Kapfer aaO, E 17 a; Martinek-Schwarz aaO 654). An der
Art der Beendigung des Dienstverhältnisses und am Charakter des dem
Kläger gebührenden Ersatzanspruches als Entschädigungsanspruch iS
des § 29 AngG änderte es nichts, daß die Entlassung während der
Kündigungsfrist erfolgt war. Der Anspruch des Klägers ist daher
nicht ein solcher "aus selbst ausgesprochener Kündigung" (gemeint
offenbar: Erfüllungsanspruch für ein bis 31. Juli 1984 aufrechtes
Dienstverhältnis), sondern ein Ersatzanspruch nach § 29 AngG. Dieser
Ersatzanspruch war gemäß § 29 Abs 2 AngG sofort fällig, weil der
Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses (hier:
durch die vorgängige Kündigung des Klägers) hätte verstreichen
müssen, drei Monate nicht überstieg. Bei den Ansprüchen nach
§ 29 AngG, die nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sofort gefordert
werden können, beginnt die Frist des § 34 Abs. 2 AngG mit Ablauf des
Entlassungstages (Arb. 8.831 ua). Die Frist zur Geltendmachung von
Ersatzansprüchen wegen vorzeitiger Entlassung begann daher am
6. Juni 1984 und war im Zeitpunkte der Erhebung der Klage am
4. März 1985 bereits abgelaufen, so daß seine Ansprüche erloschen
sind.
Von der Präklusionswirkung des § 34 AngG nicht umfaßt sind jene Bezüge des Klägers, die ihm für die Zeit vor Beendigung des Dienstverhältnisses gebührten. Diese hat er jedoch erhalten. Umsatzprovisionen für den Zeitraum, der von der Entlassung bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch ordnungsgemäße Kündigung (hier: durch den Kläger selbst) hätte verstreichen müssen, begehrte der Kläger nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanzen nicht. Dies ergibt sich aus der Übernahme der von der beklagten Partei in Beilage 33 errechneten Umsatzziffern für das Jahr 1984 durch den Kläger bei der ziffernmäßigen Ermittlung seiner Provisionsforderung von S 30.616,28 (AS 81). Im übrigen wäre aber eine Umsatzprovisionsforderung für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses als Ersatzanspruch nach § 29 AngG ebenfalls verfristet.
Zur Frage der Berechnung der Provisionsforderung für die Zeit des aufrechten Dienstverhältnisses nimmt die Revision nicht mehr Stellung.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E09354European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00170.86.1104.000Dokumentnummer
JJT_19861104_OGH0002_0140OB00170_8600000_000