Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Viktor Schlägelbauer und Dr. Walter Geppert als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der jeweils klagenden Partei Karl F***, Kaufmann in Kremsmünster, Regau 19, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wider die jeweils beklagte Partei Walter W***, Angestellter, Uttendorf, Helpfau 5, vertreten durch Dr. Ernst Rohrauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen restl. S 75.103,30 und S 58.393,32 je sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 6. Dezember 1985, GZ 21 Cg 25/85-51, womit infolge der Berufungen der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wels vom 28. September 1984, GZ Cr 58/84-18, teilweise bestätigt und das Urteil des Arbeitsgerichtes Wels vom 20. März 1985, GZ Cr 13/85-39, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.857,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 1.200,-- an Barauslagen und S 514,35 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt in den im Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtsstreitigkeiten die Zahlung eines Betrages von S 75.103,30 sA (nach einer Klagseinschränkung im Berufungsverfahren) und von S 60.514,86 sA. Zur Begründung führt er aus, der Beklagte sei bei ihm vom 7. Juli 1981 bis 31. Dezember 1981 als Vertreter angestellt gewesen. Als Entgelt seien Gehalt und Auslagenersatz vereinbart worden, nicht jedoch eine ProvisiON Ab 1. Jänner 1982 sei der Beklagte für den Kläger als selbständiger Handelsvertreter tätig geworden. Die Parteien hätten eine Provision von 17 % vom Umsatz ohne Umsatzsteuer vereinbart. Der Kläger habe dem Beklagten die diesem zustehenden Entgeltbeträge ausgezahlt. Der Beklagte, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe, habe schließlich Rechnungsbeträge kassiert und nicht an den Kläger abgeliefert. Im Frühjahr 1982 habe er einen Blankowechsel unterfertigt, den der Kläger vereinbarungsgemäß am 25. Juni 1982 auf den Betrag von S 78.300 ausgefüllt habe. Dieser Betrag setze sich aus vom Beklagten kassierten und nicht abgeführten Beträgen in der Höhe von S 76.311,50, ferner S 500 für einen Barscheck und S 1.486,80 für vom Beklagten nicht zurückgestellte Ware zusammen. Der Beklagte habe weitere Rechnungsbeträge in der Höhe von S 60.514,86 kassiert und an den Kläger nicht abgeführt.
Der Beklagte erhob gegen den vom Kreisgericht Wels erlassenen Wechselzahlungsauftrag Einwendungen - das Kreisgericht Wels sprach in der Folge seine sachliche Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache gemäß dem § 261 Abs 6 ZPO an das Arbeitsgericht Wels - und beantragte die Abweisung beider Klagebegehren. Er schulde dem Kläger nichts mehr, vielmehr schulde dieser ihm noch eine Provision in der Höhe von S 22.340. Die Geltendmachung der Wechselverpflichtung widerspreche dem Kautionsschutzgesetz und sei überdies verfristet.
Der Kläger stützte die Wechselforderung unabhängig von der Wechselverpflichtung des Beklagten (in einem Eventualbegehren) auch darauf, daß der Beklagte bei Kunden Rechnungsbeträge kassiert und an den Kläger nicht abgeführt habe; der Beklagte habe von ihm überdies einen Barscheck über S 500 entgegengenommen und zwei Garnituren Bettwäsche im Betrage von S 731,60 und S 755,20 erhalten und nicht zurückgestellt.
Das Erstgericht sprach dem Kläger den Betrag von S 60.514,86 sA sowie - nach Aufhebung des Wechselzahlungsauftrages - einen weiteren Betrag von S 78.300 sA zu. Es traf folgende für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:
Für die Tätigkeit des Beklagten als Angestellter im Außendienst des Klägers waren ein Gehalt in der Höhe von S 7.975 brutto, ferner Diäten und Kilometergeld vereinbart. Für den Fall, daß er im Monat einen Umsatz von "mehr als S 200.000 bis 250.000" erzielen sollte, wurde eine Provision vereinbart. Der Beklagte erhielt vom Kläger in der Zeit vom 7. Juli 1981 bis 31. Dezember 1981 alle ihm zustehenden, vom Erstgericht näher festgestellten Beträge an Entgelt und Auslagenersatz. Darüber hinaus erhielt der Beklagte vom Kläger die ebenfalls betragsmäßig genau festgestellten Vorschüsse. Er hatte in dieser Zeit wegen des Baues eines Hauses Schulden und ersuchte daher den Kläger immer wieder um Vorschüsse, damit er wenigstens einen Teil seiner Gläubiger befriedigen könne. Infolge Lohnpfändungen ersuchte der Beklagte den Kläger schließlich, für ihn ab 1. Jänner 1982 als selbständiger Handelsvertreter arbeiten zu dürfen. Der Kläger erklärte sich damit einverstanden. Die Parteien vereinbarten für diese Zeit eine Provision einschließlich Abgeltung von Auslagen in der Höhe von 17 % der Rechnungsbeträge ohne Umsatzsteuer.
Der Beklagte erzielte in der Zeit vom 1. Jänner 1982 bis ungefähr Ende August 1982 - zu diesem Zeitpunkt stellte er seine Tätigkeit für den Kläger ein - einen Umsatz in der Höhe von S 271.719 einschließlich 18 % Umsatzsteuer. Davon ist ein Teilbetrag von S 2.754 für den Auftrag des Ehepaares K*** vereinbarungsgemäß in Abzug zu bringen, weil dieser Auftrag teilweise storniert wurde. Nach Abzug der Umsatzsteuer von S 40.936 ergibt sich für die Errechnung des Provisionsanspruchs eine Bemessungsgrundlage von S 228.029. Obwohl von diesem Betrag vereinbarungsgemäß noch Skonti und Rabatte abzuziehen sind, ergibt sich auf seiner Grundlage ein Provisionsanspruch des Beklagten in der Höhe von nur S 38.765. Der Beklagte war während seiner Tätigkeit für den Kläger inkassoberechtigt. Während er zunächst von ihm kassierte Rechnungsbeträge auftragsgemäß an den Kläger abführte, versuchte er in der Folge immer wieder, solche Beträge als Vorschuß auf seinen Entgeltanspruch einzubehalten, weil er dringend Geld benötige. Er versprach hiebei dem Kläger, die einbehaltenen Beträge aus den Wohnbauförderungsmitteln sowie aus einem Kredit des Landes Oberösterreich, die er im Zusammenhang mit seinem Hausbau erwartete, soweit sie seinen Entgeltanspruch übersteigen, zurückzuzahlen. Der Kläger gestattete in Einzelfällen dem Beklagten, kassierte Rechnungsbeträge als Vorschuß zu behalten. Die Einbehaltung solcher Beträge nahm in der Folge ein immer größeres Ausmaß an. Es kam vor, daß der Beklagte Rechnungsbeträge von Kunden kassierte und dies dem Kläger verschwieg. Dieser erfuhr davon erst, als er die betreffenden Kunden mahnte und diese ihm mitteilten, daß sie bereits den Rechnungsbetrag an den Beklagten gezahlt hätten. Im Frühjahr 1982 forderte der Kläger den Beklagten auf, zur Sicherstellung der Forderungen einen Blankowechsel zu unterschreiben. Der Beklagte erklärte sich damit einverstanden, unterfertigte einen solchen Wechsel und übergab ihn dem Kläger. Als die vom Beklagten kassierten und an den Kläger nicht abgelieferten Beträge bis zur Rechnungsnummer 301 vom 14. Juni 1982 eine Summe von S 76.311,50 erreichten, füllte der Kläger den Wechsel auf einen Betrag von S 78.300 aus. In diesem Betrag waren auch ein Teilbetrag von S 500 für einen als Vorschuß erhaltenen Barscheck und der Wert zweier Garnituren Bettwäsche, welche der Beklagte vom Kläger bekommen, aber nicht zurückgegeben hatte, in der Höhe von S 1.486,80 enthalten. Der Beklagte kassierte auch nach dem 14. Juni 1982 Rechnungsbeträge von Kunden in der Höhe von S 60.514,86, ohne sie an den Kläger abzuführen. Zwischen den Parteien hat nie eine generelle Vereinbarung bestanden, wonach der Beklagte grundsätzlich berechtigt sei, Rechnungsbeträge als Vorschüsse zu behalten.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die vom Kläger mit einem Wechsel vorgenommene Besicherung seiner Ansprüche gegen den Beklagten verstoße gegen die Bestimmungen des Kautionsschutzgesetzes, weil der Beklagte eine arbeitnehmerähnliche Person gewesen sei und mit dem Wechsel zum Teil Forderungen gesichert worden seien, die erst nach der Unterfertigung des Wechsels durch den Beklagten entstanden seien. Der Wechselzahlungsauftrag sei daher aufzuheben. Das Eventualbegehren und das der zweiten Klage zugrundeliegende Begehren seien jedoch berechtigt, weil der Beklagte auf die festgestellte Weise in diesem Umfang höhere Vorschüsse erhalten habe, als ihm an Provisionen zugestanden seien.
Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil über den Zuspruch des Betrages von S 60.514,86 sA zum Teil dahin ab, daß es ein Teilbegehren von S 2.121,54 sA abwies; im übrigen bestätigte es dieses erstgerichtliche Urteil. Das zweite erstgerichtliche Urteil bestätigte es unter Bedachtnahme auf eine im Berufungsverfahren vorgenommene Klagseinschränkung, sodaß dem Kläger anstelle eines Betrages von S 78.300 sA nunmehr S 75.103,30 sA zugesprochen wurden. Das Berufungsgericht führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht, allerdings mit folgenden Änderungen:
Die Parteien vereinbarten für die Zeit ab 1. Jänner 1982 eine Provision von 17 % der Rechnungssumme einschließlich der Umsatzsteuer; in dieser Provisionssumme ist bereits die vom Beklagten abzuführende Umsatzsteuer enthalten. Der Beklagte kassierte bis zur Rechnung vom 14. Juni 1982 einen Betrag von S 73.114,80 sA (anstelle des vom Erstgericht festgestellten Betrages von S 76.311,50; insoweit schränkte der Kläger sein Begehren im Berufungsverfahren ein), ohne diesen Betrag an den Kläger abzuführen. Der Beklagte erzielte im Jahr 1982 weitere Umsätze von S 15.660,62 einschließlich 18 % Umsatzsteuer.
Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Einwand des Beklagten, er habe die einbehaltenen Vorschüsse im guten Glauben erhalten und verbraucht, sodaß er sie nicht zurückzuzahlen verpflichtet sei, die Berechtigung fehle, weil nur irrtümliche Mehrleistungen des Arbeitgebers, welche der Arbeitnehmer gutgläubig verbraucht habe, nicht zurückzuzahlen seien. Dies gelte jedoch nicht für einen Vorschuß oder für Beträge, welche der Arbeitnehmer eigenmächtig einbehalten habe. In diesen hier gegebenen Fällen liege eine irrtümliche Mehrleistung nicht vor.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit
dem - nachgetragenen, aber auch aus dem Inhalt der Revisionsausführungen erschließbaren - Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Einen Verfahrensmangel erblickt der Beklagte in der Unterlassung der Einholung eines Gutachtens eines Buchsachverständigen zum Beweis dafür, daß die Provisionsabrechnung einen Saldo zu seinen Gunsten ergebe.
Ein solcher Mangel liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat die Unterlassung der Einholung des beantragten Gutachtens im wesentlichen mit dem Argument begründet, das vom Beklagten genannte Beweisthema, daß es sich bei den Auszahlungsquittungen Beilagen ./L - ./O und den damit korrespondierenden Eintragungen im Kassabuch um fingierte Aufzeichnungen handle, sei eine Frage der Würdigung dieser Belege im Zusammenhalt mit den im Prozeß erstatteten Angaben der damit befaßten Personen und könne durch ein Buchsachverständigengutachten nicht beantwortet werden. Durch ein solches Gutachten sei eine weitere Klärung nicht zu erwarten. Die Ablehnung einer Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht, weil dieses den rechtlich erheblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt und vollständig erhoben ansieht, kann auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht mit Revision bekämpft werden. In der Rechtsrüge geht der Beklagte davon aus, er habe durch Vorlage seiner Aufzeichnungen bewiesen, daß ein Verrechnungssaldo zu seinen Gunsten bestehe. Mit diesen Ausführungen weicht er aber von den gegenteiligen Feststellungen des Berufungsgerichts ab, sodaß darauf nicht weiter einzugehen ist.
Die weitere Auffassung des Beklagten, er sei als gutgläubiger Verbraucher irrtümlicher Mehrleistungen anzusehen, "weil der Kläger anscheinend kein Provisionskonto oder Verrechnungskonto für den Beklagten geführt und trotz eines angeblich zugunsten des Klägers bestehenden Saldos weiterhin Auszahlungen vorgenommen habe", läßt sich mit den Feststellungen ebenfalls nicht in Einklang bringen. Nach den Feststellungen hat der Kläger keine irrtümlichen Mehrleistungen an den Beklagten erbracht, sondern dieser hat von ihm kassierte Rechnungsbeträge teils mit und teils ohne Zustimmung des Klägers als Vorschüsse auf seine Provisionsansprüche einbehalten, wobei sich schließlich ein Saldo in der festgestellten Höhe zugunsten des Klägers ergab. Daß der eine Rückzahlungsverpflichtung ausschließende Einwand des gutgläubigen Verbrauchs nur für irrtümliche Mehrleistungen maßgeblich ist (Jud. 33 neu), diese Voraussetzungen auf einen Vorschuß (Arb. 9070; Martinek - Schwarz, AngG 6 201) oder auf eigenmächtig zurückbehaltene Geldbeträge aber nicht zutreffen, wird in der Revision nicht mehr in Zweifel gezogen. Auf die weitere Frage der für die Annahme eines Rückzahlungsausschlusses erforderlichen Unterhaltsfunktion der vom Arbeitnehmer im guten Glauben verbrauchten Beträge muß daher nicht mehr eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E09361European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00165.86.1104.000Dokumentnummer
JJT_19861104_OGH0002_0140OB00165_8600000_000