TE OGH 1986/11/4 14Ob136/86

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Veröffentlicht am 04.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith, sowie die Beisitzer Dr. Viktor Schlägelbauer und Dr. Walter Geppert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert B***, Angestellter, Wien 13., Jakob Stainergasse 31, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö*** I***-AG (Ö***) in Wien 1., Kantgasse 1, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 195.746,66

brutto sA und Feststellung (Streitwert S 500.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 23. Jänner 1986, GZ. 44 Cg 238/85-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 4. März 1985, GZ. 7 Cr 356/84-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 19.239,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.487,25 Umsatzsteuer und S 2.880,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. März 1972 bis 31. Dezember 1983 bei der beklagten Partei angestellt. Sein Dienstverhältnis wurde einvernehmlich aufgelöst. Der Kläger hatte folgende Vordienstzeiten:

21.11.1939 bis 28.9.1941, Angestellter, Theodor E*** A.G., Wien, 29.9.1941 bis 5.4.1945, Angestellter, Flugmotorenwerke O***, Mödling, 6.4.1945 bis 20.11.1945, Angestellter, Theodor E*** A.G. Wien, 21.11.1945 bis 15.1.1948, Angestellter, U.S. ARMEE, Wien, 15.1.1948 bis 15.8.1949, Werkvertrag, Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, Wien, 1.7.1949 bis 31.3.1952, Werkvertrag, Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau, Zentralstelle für Aus- und Einfuhr, Wien, 1.4.1952 bis 31.12.1954, Vertragsbediensteter, Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau, Zentralstelle für Aus- und Einfuhr, Wien, 1.1.1955 bis 18.10.1962, Prokurist, W*** Büromaschinen Handelsgesellschaft, Wien, 1.12.1962 bis 30.9.1964, Geschäftsführer, F*** Gesellschaft mbH, Wien, 1.7.1965 bis 31.7.1968, Verkaufsleiter/Geschäftsführer, ICL Deutschland, Düsseldorf, 1.10.1968 bis 31.3.1969, Angestellter, D*** Allgemeine Vers.A.G., Wien, 1.5.1970 bis 28.2.1972, Verkaufsdirektor, H*** A***

Gesellschaft mbH, Wien.

Im Unternehmen der beklagten Partei besteht eine Betriebsvereinbarung gemäß §§ 29 ff ArbVG, mit der Richtlinien unter anderem für die Gewährung einer Alters- und Berufsunfähigkeits- (Invaliditäts-)Versorgung festgesetzt wurden (im folgenden:

Pensionsrichtlinien = PRL). Daß der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung einer betrieblichen Alterspension (§ 1 PRL) erfüllt, ist unbestritten. Strittig ist hingegen, welche seiner Vordienstzeiten bei anderen Dienstgebern für die Bemessung dieser Alterspension zu berücksichtigen sind.

Dazu enthalten die PRL folgende Bestimmungen:

" § 2

Anrechnung von Dienstzeiten

(1) Bei Vorliegen der gemäß § 1 geforderten Voraussetzungen sind weitere bei der Ö***, in deren Konzern bzw. im Rahmen der Verwaltung der verstaatlichten Unternehmungen verbrachte Dienstjahre anzurechnen. Darüber hinaus können anderweitig verbrachte Dienstzeiten für die Bemessung des Ruhegeldes ganz oder zum Teil angerechnet werden, wenn sie mindestens ein Jahr gedauert haben und die dabei erworbenen speziellen Kenntnisse und Erfahrungen für die Einstellung und die Tätigkeit in der Ö*** notwendig waren.

(2) Über das Vorliegen der im Absatz 1 geforderten Bedingungen und damit über das Ausmaß der Dienstzeiten entscheidet der Leistungsausschuß.

..........

                          § 6

              Beginn der Zuschußleistungen

(1) Die Gewährung des Zuschusses an Dienstnehmer oder deren

Hinterbliebene beginnt nach Ablauf des Zeitraumes, für den eine

gesetzliche oder freiwillige Abfertigung gezahlt wird, frühestens

jedoch mit dem Monat, ab dem ein bescheidmäßig bestimmter Anspruch

auf einen Ruhe- oder Versorgungsbezug besteht.

..........

(3) Der Zuschuß wird monatlich im Nachhinein auf ein vom

Anspruchsberechtigten bekanntzugebendes Konto angewiesen. Der 13.

bzw. 14. Zuschuß ist im Juni bzw. November jedes Jahres fällig.

...........

§ 10

Leistungsausschuß

(1) Zur Durchführung der vorliegenden Richtlinien wird ein Leistungsausschuß gebildet, dem insbesondere die Entscheidung über folgende Angelegenheiten obliegt:

1.) Anrechnung von Dienstzeiten 2.) Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuschußleistungen 3.) Anrechnung im Sinne von § 4 Abs. 2

.....

5.) Vorliegen eines Einstellungsgrundes gemäß § 7

(2) Der Leistungsausschuß setzt sich aus vier Personen zusammen, von denen zwei vom Dienstgeber und zwei vom Betriebsrat aus seiner Mitte entsendet werden.

(3) Der Vorsitzende wird von den Dienstgeber-Vertretern und der Stellvertreter von den Betriebsrats-Vertretern gestellt.

(4) Der Leistungsausschuß ist beschlußfähig, wenn mindestens drei Mitglieder anwesend sind; zum Zustandekommen eines Beschlusses ist Einstimmigkeit erforderlich.

(5) Kommt keine Einstimmigkeit zustande, so ist innerhalb von drei Wochen eine neuerliche Sitzung zum selben Gegenstand anzuberaumen. Kommt bei dieser wieder keine Einigung zustande, haben die Dienstgebervertreter an den Vorstand und die Betriebsratsvertreter an den Betriebsrat binnen drei Wochen einen schriftlichen Bericht zu erstatten. Der Vorstand bzw. Betriebsrat hat innerhalb von drei Wochen einen Beschluß zu fassen, worauf in einer neuerlichen binnen drei Wochen einzuberufenden Sitzung des Leistungsausschusses versucht werden soll, auf Basis dieser Beschlüsse eine Einigung zu erzielen.

Wird bei dieser Sitzung keine Einigung erzielt, kann der Betriebsrat den Vorstand um eine Entscheidung ersuchen. In einer zu diesem Zweck binnen 4 Wochen einzuberufenden Sitzung des Vorstandes, an der der Betriebsrat das Recht hat teilzunehmen, trifft der Vorstand nach Anhörung des Betriebsrates eine endgültige Entscheidung.

(6) Der Leistungsausschuß hat über Antrag des Dienstnehmers 3 Jahre vor Erreichen der Altersgrenze zu beschließen, ob und in welchem Ausmaß Vordienstzeiten gemäß § 2 (1) angerechnet werden und dies dem Dienstnehmer schriftlich mitzuteilen.

(7) Der Leistungsausschuß gibt sich eine Geschäftsordnung." Die Geschäftsordnung enthält ua folgende Bestimmung:

" § 10

Dem LA (= Leistungsausschuß) obliegt insbesondere die Entscheidung

über folgende Angelegenheiten:

1.) Anrechnung von Dienstzeiten

Ungeachtet des Erfordernisses einer Mindestdienstzeit (§ 1 Abs 5 d. PRL) kann der LA auch ohne Vorliegen eines Antrages allfällige weitere Dienstzeiten (§ 2 d.PRL) ermitteln. Bei der Anrechnung von Dienstzeiten hat der LA folgende Grundsätze zu beachten:

a) Anrechenbar sind nur zusammenhängende Dienstzeiten in der Dauer von mindestens einem Jahr beim selben Dienstgeber. Die Dienstzeiten gelten auch als ununterbrochen, wenn verschiedene Dienstgeber zwar nicht juristisch, aber doch wirtschaftlich als ident anzusehen sind. Eine Doppelanrechnung von Zeitabschnitten ist jedoch unzulässig. Bei Halbtagsbeschäftigten erfolgt die Anrechnung entsprechend der versicherungsmäßigen Wirksamkeit ihrer Dienstzeit.

b) Für das Ausmaß der Vordienstzeitenanrechnung ist maßgebend, daß das in diesen Dienstzeiten erworbene Wissen und die gewonnene Erfahrung eine wesentliche Voraussetzung für die Einstellung in die Ö*** gewesen sind und die Einarbeitungszeit in der Gesellschaft vermindert und weitere Bildungsmaßnahmen zum Teil erspart haben. Waren solche Spezialkenntnisse oder nachschulische Ausbildungsgänge Grundbedingung für die Einstellung oder für diese vorwiegend entscheidend, ist eine volle Anrechnung dieser Zeiten gerechtfertigt. Eine Doppelanrechnung von Zeitabschnitten ist jedoch unzulässig.

.........".

Mit Schreiben vom 13. Oktober 1982 teilte der Leistungsausschuß dem Kläger mit, daß ihm entsprechend § 10 Abs 6 iVm § 1 Abs 5 PRL mit Stichtag 30. September 1982 35 Jahre als Vordienstzeiten für die Bemessung des Ruhegeldzuschusses angerechnet werden. Der Kläger begehrt für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 1984 einschließlich des (anteiligen) 13. und 14. Ruhegeldzuschusses Zahlung von S 195.746,66 brutto sA und weiters die Feststellung, daß die beklagte Partei verpflichtet sei, ihm "den auf Grund der Ö***- Pensionsrichtlinien zustehenden Ruhegenuß" monatlich in jeweiliger Höhe im Nachhinein zu bezahlen. Er brachte vor, daß die beklagte Partei seit 1. Mai 1984 (Ablauf des Zeitraums, für den eine Abfertigung bezahlt wurde) die Bezahlung fälliger Firmenpensionen in Höhe von S 22.160,-- brutto monatlich verweigere, weil ihr die vom Leistungsausschuß beschlossene Anrechnung von 35 Vordienstjahren zu hoch erscheine. Der Kläger sei von der beklagten Partei angestellt worden, weil man seine berufliche Erfahrung in der Datenverarbeitung geschätzt habe. Für die Einstellung sei die Summe seiner in langjähriger Praxis erworbenen Erfahrungen maßgebend gewesen, wenn er auch in der Folge nicht in seinem eigentlichen Fachgebiet eingesetzt worden sei, weil sich der Vorstand der beklagten Partei über den Einsatz der EDV nicht geeinigt habe. Auch die Zeiten, in denen der Kläger auf Grund eines Werkvertrages für österreichische Bundesministerien gearbeitet habe, seien in Wahrheit Dienstzeiten gewesen. Dir. Dr. Kurt E*** habe dem Kläger vor dem Übertritt in den Ruhestand ausdrücklich zugesichert, daß ihm bei der Bemessung des Ruhegeldzuschusses im Sinne der Mitteilung des Leistungsausschusses 35 Jahre Vordienstzeiten angerechnet würden. Im Vertrauen darauf habe der Kläger der von der beklagten Partei gewünschten einvernehmlichen Auflösung seines Dienstverhältnisses zugestimmt. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Leistungsausschuß bei der Ermittlung der dem Kläger für die Bemessung des Ruhegeldzuschusses anrechenbaren Vordienstzeiten seine Kompetenz eindeutig überschritten habe. Da dies aus den auch dem Kläger bekannten Pensionsrichtlinien hervorgehe, sei die beklagte Partei durch die Entscheidung des Leistungsausschusses in diesem Umfang nicht verpflichtet worden. Der Kläger habe keineswegs in allen ihm angerechneten Vordienstverhältnissen spezielle Kenntnisse und Erfahrungen erworben, die für die Einstellung und die Tätigkeit in der Ö*** notwendig gewesen seien. Die Anrechnung von Zeiten, in denen er auf Grund von Werkverträgen gearbeitet habe, widerspreche den Pensionsrichtlinien. Die Kompetenzüberschreitung durch den Leistungsausschuß sei darauf zurückzuführen, daß der Kläger mit dem pensionierten Vorstandsdirektor der beklagten Partei Ing. Kurt F*** befreundet gewesen sei. Dieser habe dem mit der Vorbereitung der Beschlüsse des Leistungsausschusses betrauten Juristen Dr. Hans S*** die Weisung gegeben, eine Aufstellung vorzulegen, aus der sich für den Kläger 35 anrechenbare Dienstjahre ergäben. Das zweite, von der Dienstgeberseite entsendete Mitglied des Leistungsausschusses habe dem Beschluß in der Meinung zugestimmt, daß die Voraussetzungen für die Anrechenbarkeit geprüft worden seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf außer dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt folgende wesentliche Feststellungen:

Die Einstellung des Klägers bei der beklagten Partei erfolgte vor allem im Hinblick auf seine Kenntnisse auf dem Gebiete der Datenverarbeitung. Zu einer Tätigkeit des Klägers auf diesem Gebiet kam es jedoch nicht mehr, weil sich die Einführung von EDV-Systemen bei der beklagten Partei bis nach Beendigung des Dienstverhältnisses des Klägers (also fast 12 Jahre) verzögerte.

Infolge des schlechten Gesundheitszustandes des Klägers hatte die beklagte Partei den Wunsch, daß er sich pensionieren lasse. Der Leiter der Personalabteilung der beklagten Partei stellte daher die Vordienstzeiten des Klägers aus dem Personalakt zusammen. Daß irgend ein Mitglied des Leistungsausschusses auf diese Zusammenstellung einen Einfluß ausgeübt hätte, ist nicht nachweisbar. Der Obmann des Angestelltenbetriebsrates der beklagten Partei, Alois N***, erhielt von Dr. Hans S*** in allgemeinen Grundzügen Kenntnis von diesen Vordienstzeiten. Alois N*** regte an, jene bei amerikanischen Unternehmen auf ihre Dauer genau zu prüfen. Im übrigen nahm er zur Frage der Anrechnung der Vordienstzeiten des Klägers für die Firmenpension nicht Stellung, weil er damals nicht Mitglied des Leistungsausschusses war. Bei einer Sitzung des Leistungsausschusses im Oktober 1984 (richtig wohl: 1982) wurde die Anrechnung der Gesamtdienstzeit des Klägers einschließlich seiner Vordienstzeiten im Ausmaß von 35 Dienstjahren beschlossen und der Kläger mit dem (bereits oben erwähnten) Schreiben vom 13. Oktober 1982 davon verständigt. Auf Grund des schlechten Gesundheitszustandes des Klägers wurde in der Folge dessen Dienstverhältnis über Wunsch der beklagten Partei mit 31. Dezember 1983 einvernehmlich aufgelöst. Dem Kläger wurde von der Pensionsversicherung der Angestellten eine Alterspension zuerkannt.

Die Ö***-Pensionsrichtlinien wurden allen Dienstnehmern durch Ausfolgung entsprechender Broschüren bekanntgemacht. Nicht nachweisbar ist, daß dem Kläger auch die interne Geschäftsordnung des Leistungsausschusses zur Kenntnis gekommen ist. Weder in den Ö***-Pensionsrichtlinien noch in dem vorliegenden Auszug aus der Geschäftsordnung des Leistungsausschusses ist vorgesehen, daß dessen Entscheidung über die Anrechnung von Dienstzeiten angefochten oder außer Kraft gesetzt werden kann oder daß seine Beschlüsse einer Genehmigung irgend eines anderen Organes der beklagten Partei, insbesondere des Vorstandes, bedürften. Das Erstgericht war der Ansicht, daß zur Entscheidung über die Anrechnung von Dienstzeiten nach der Betriebsvereinbarung ausschließlich der Leistungsausschuß berufen und eine Anfechtung dieser Entscheidung nicht vorgesehen sei. Die Entscheidung sei daher bindend und endgültig; weder der Dienstgeber noch der Dienstnehmer könnten eine Änderung herbeiführen. Damit sei allerdings die Entscheidung einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren nicht zur Gänze entzogen. Mindestens in dem Ausmaße, in dem § 2 PRL dem Leistungsausschuß ein Ermessen einräume, bestimmte Vordienstzeiten anzurechnen, könne sie aber nicht überprüft werden. Einen unüberprüfbaren Ermessensspielraum habe der Leistungsausschuß auch bei der Beurteilung der Frage, welche speziellen Kenntnisse und Erfahrungen für die Einstellung und die Tätigkeit in der Ö*** notwendig seien.

Entscheidend für die Berechtigung des Anspruches des Klägers sei jedoch, daß der Leistungsausschuß als alleiniges Organ des Dienstgebers mit Schreiben vom 13. Oktober 1982 die Anrechnung von 35 Dienstjahren verbindlich zugesagt habe. Diese Zusage könne nicht einseitig zurückgenommen werden. Willensmängel habe die beklagte Partei nicht behauptet. Selbst wenn aber ein Geschäftsirrtum vorläge, wäre er von der beklagten Partei nicht rechtzeitig aufgeklärt worden, weil der Kläger auf Grund der Mitteilung des Leistungsausschusses längst rechtliche und wirtschaftliche Maßnahmen getroffen habe. Auch die übrigen Voraussetzungen einer Irrtumsanfechtung seien nicht gegeben.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es war der Ansicht, daß die Entscheidung des Leistungsausschusses grundsätzlich der Überprüfung durch die Gerichte unterliege. Zumindest könne ohne ausdrückliche Anordnung (in der Betriebsvereinbarung) nicht angenommen werden, daß eine so weittragende Entscheidung in das beliebige Ermessen des Leistungsausschusses gestellt sei. Auch die Bestimmung der Leistung durch einen Dritten (§ 1056 ABGB) sei im Zweifel nur in den Grenzen billigen Ermessens verbindlich.

Auf diese Frage komme es aber letztlich nicht an, weil die beklagte Partei bis zum Eintritt des Klägers in den Ruhestand eine Unwirksamkeit der Entscheidung des Leistungsausschusses über die Anrechnung der Vordienstzeiten des Klägers nicht geltend gemacht und dem Kläger in keiner Weise zu erkennen gegeben habe, daß sie diese Entscheidung nicht als verbindlich betrachte. Das Verhalten der beklagten Partei lasse damit keinen andern Schluß zu, als daß sie die Entscheidung des Leistungsausschusses anerkannt habe. Der Kläger habe im Vertrauen auf die Verbindlichkeit der Anrechnungszusage Dispositionen treffen dürfen.

Die beklagte Partei könne sich nicht auf die Unkenntnis des Beschlusses des Leistungsausschusses berufen, sondern lediglich Irrtum geltend machen, doch liege keiner der drei im § 871 ABGB taxativ aufgezählten Tatbestände vor. Es bedürfe keiner Beweisaufnahme darüber, ob die Anrechnungszusage für die Entscheidung des Klägers, in den Ruhestand zu treten, tatsächlich bestimmend gewesen sei. Es könne nämlich keinem Zweifel unterliegen, daß dieser Umstand eine wichtige Voraussetzung seiner Entscheidung gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 iVm § 23 ArbGG).

Der Kläger stützt seinen Anspruch auf Gewährung einer betrieblichen Alterspension (im folgenden auch: Ruhegeld, Zuschußleistung) auf die zitierten Pensionsrichtlinien (PRL), die eine zwischen dem Betriebsinhaber und dem Betriebsrat über eine Angelegenheit des § 97 Abs 1 Z 18 ArbVG abgeschlosssene Betriebsvereinbarung nach §§ 29 ff ArbVG sind. Diese Betriebsvereinbarung gestaltet als rechtsverbindlicher Normenvertrag ohne Zutun der Partner den Inhalt der betroffenen Einzelarbeitsverträge (§ 31 Abs 1 ArbVG; Floretta-Strasser, Komm z ArbVG 178). Die PRL regeln insbesondere die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Ruhegeldes (§ 1), die Anrechnung von (Vor-)Dienstzeiten für die Bemessung dieses Ruhegelds (§ 2), die Anrechnung anderer Bezüge auf das Ruhegeld (§ 4) und die Einstellung der Zuschußleistungen (§ 7). Nach § 10 PRL obliegt die Entscheidung über die aufgezählten (und weitere) Angelegenheiten dem zur Durchführung der PRL gebildeten Leistungsausschuß. Dieser setzt sich aus vier Personen zusammen, von denen zwei vom Dienstgeber und zwei vom Betriebsrat aus seiner Mitte entsendet werden. Zum Zustandekommen eines Beschlusses ist die Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern und Einstimmigkeit erforderlich. Nur wenn die Einstimmigkeit auch durch das in § 10 Abs 5 PRL festgesetzte Verfahren nicht erzielt werden kann, trifft letztlich der Vorstand die endgültige Entscheidung.

Im Regelfall ist also die Entscheidung über wichtige Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung des Ruhegeldes (und andere damit zusammenhängende Fragen) einem vom Dienstgeber (Betriebsinhaber, Vorstand) verschiedenen, paritätisch zusammengesetzten Kollegialorgan übertragen. Schon wegen der Zusammensetzung des Leistungsausschusses und seiner Willensbildung liegt kein (allein) dem Dienstgeber zuzurechnendes Kollegialorgan vor, das in dessen Auftrag tätig wird. Ebensowenig handelt es sich um ein Organ, das die Gesamtheit der Dienstnehmer (Belegschaft) repräsentiert. Die Rechtswirkungen der Handlungen des Leistungsausschusses richten sich daher nicht nach Vollmachtsrecht.

Es handelt sich vielmehr dem Wesen nach um eine vertragliche

Übertragung der Leistungsfestsetzung an einen von den

Vertragspartnern (sowohl der Betriebsvereinbarung, als auch der

dadurch berührten Einzelarbeitsverträge) verschiedenen Dritten. Das

ABGB kennt eine derartige Vereinbarung etwa im Recht des

Kaufvertrages in § 1056 ABGB für die Kaufpreisbestimmung. Lehre und

Rechtsprechung wenden diese Norm auch in anderen Fällen der

Leistungsbestimmung durch Dritte analog an (vgl Franz Bydlinski, Die

Baukostenendabrechnung als Bestimmung der Leistung des einen

Vertragsteil durch den anderen, JBl 1975, 245 ff [247 FN 2]). Der

nach § 1056 ABGB zur Preisbestimmung Berufene ist nach herrschender

Lehre und Rechtsprechung nicht Schiedsrichter, sondern Schiedsmann

(Schiedsgutachter), also eine Privatperson mit der

Gestaltungsbefugnis, ein noch unvollständiges Rechtsgeschäft zu

ergänzen (Aicher in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 1056; Ehrenzweig, System

2 , I/1, 367; Mayer-Maly in Klang 2  IV/2, 257; SZ 48/111;

auch EvBl 1980/38 = JBl 1980, 151 [Bydlinski]).

Die Regelung des § 10 PRL kann in Verbindung mit der paritätischen Zusammensetzung des Leistungsausschusses und dem Einstimmigkeitsprinzip, die eine Gewähr dafür bieten sollen, daß bei der Leistungsbestimmung sowohl Dienstgeber- als auch Dienstnehmerinteressen entsprechende Berücksichtigung finden, sinnvoll nur dahin verstanden werden, daß sich die (Einzel-)Vertragspartner der vom Dritten zu treffenden Entscheidung grundsätzlich unterwerfen, weil die Übertragung der vertragsgestaltenden Entscheidungsfunktion an einen Dritten bei völliger Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung das Ziel der Vervollständigung des Vertrages verfehlen würde und damit nicht sinnvoll wäre. Die Aufgabe des Leistungsausschusses als eines zur vertragsergänzenden Leistungsbestimmung berufenen Dritten ist der eines Schiedsgutachters zumindest in wesentlichen Elementen ähnlich. Eine völlige Unabhängigkeit des mit der Leistungsbestimmung betrauten Dritten von den Parteien muß, anders als bei dem zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten berufenen Schiedsrichter, nicht vorliegen. Zwar hält Fasching (Zivilprozeßrecht, Lehr- und Handbuch, Rz 2168) auch beim Schiedsgutachter die Unabhängigkeit von den Parteien und die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs für die Parteien für das rechtswirksame Zustandekommen des Schiedsgutachtens für erforderlich, während er im Kommentar (IV 713) noch die Bestellung einer Partei (!) als Schiedsmann für grundsätzlich denkbar und möglich hielt. Letzteres steht mit der in Lehre und Rechtsprechung praktisch einhelligen Meinung in Einklang, daß die vereinbarte Preisbestimmung nicht nur durch einen Dritten, sondern auch - wenngleich hier mit weitergehender richterlicher Korrektur als bei der Preisbestimmung durch den Dritten - durch einen Vertragspartner zulässig ist (Aicher aaO Rz 6 mwN;

Mayrhofer-Ehrenzweig 3 II/1, 27 und dort FN 4; Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil 16, Mayer-Maly aaO 258; Koziol-Welser, Grundriß 7 I 292; SZ 25/46; HS 3183; EvBl 1980, 38 = JBl 1980, 151 [Bydlinski]). Die Unterwerfung unter die Entscheidung eines Kollegialorgans, das durch seine paritätische Besetzung mit Interessenvertretern (Vertrauenspersonen) beider Parteien und die Einräumung des Einstimmigkeitsprinzips eine gewisse Gewähr für eine den Interessen beider Teile entsprechende und damit billige Leistungsbestimmung bietet, erscheint somit grundsätzlich zulässig. Andererseits macht der Umstand, daß der Leistungsausschuß auf Grund der festgesetzten Pensionsrichtlinien auch Rechtsfragen zu beurteilen hat (vgl. zur Abgrenzung zwischen Schiedsgutachtervertrag und Schiedsvertrag Fasching IV 712), die Regelung des § 10 PRL nicht zum Schiedsvertrag, zumal die Mitglieder des Leistungsausschusses wegen ihres (jeweiligen) Naheverhältnisses zu einer der beiden Parteien nicht Schiedsrichter sein könnten und ihnen auch nicht die Entscheidung über die aus einem vollständigen Rechtsverhältnis entstandenen oder künftig entstehenden Streitigkeiten, sondern die vertragsergänzende Gestaltung eines noch unvollständigen Rechtsverhältnisses übertragen ist (vgl. dazu Fasching, Zivilprozeßrecht, Lehr- und Handbuch Rz 2168).

§ 10 PRL beinhaltet somit einen dem Schiedsgutachtervertrag in wesentlichen Zügen ähnlichen Feststellungsvertrag. Das Gericht hat die vertragsergänzende Entscheidung des Leistungsausschusses seinem Urteil grundsätzlich im gleichen Umfang wie die von den Parteien selbst getroffenen Vereinbarungen zugrundezulegen. Nur dann, wenn die vom Dritten vorgenommene Leistungsbestimmung gegen § 879 ABGB verstößt, offenbar unbillig ist oder der zur Gestaltung berufene Dritte die ihm durch den Vertrag selbst gesetzten Grenzen eindeutig überschritten hat, unterliegt sie bei einem Schiedsgutachtervertrag und nach dem Gesagten demnach auch hier noch einer nachprüfenden richterlichen Kontrolle (Fasching, Komm IV 714; ders, Zivilprozeßrecht aaO; Aicher in Rummel aaO Rdz 8 und 10 zu § 1056;

Ehrenzweig, System 2 II/1, 12; Gschnitzer in Klang 2 IV/1 54;

ders, Schuldrecht Allgemeiner Teil 30; DREvBl 1943/90; SZ 39/132;

auch Mayrhofer-Ehrenzweig aaO; EvBl 1980/38 = JBl 1980, 151 [Bydlinski]; aM Mayer-Maly aaO 264). Derartige gravierende Fehler der Leistungsbestimmung führen also nicht zu einer Unwirksamkeit der Leistungsfestsetzungsabrede als solcher, sondern zu einer nachträglichen Korrektur des fehlerhaften Ergebnisses (Aicher aaO Rdz 9 zu § 1056; EvBl 1980/38). Offenbar unbillig ist das Ergebnis der Leistungsbestimmung dann, wenn die Maßstäbe von Treu und Glauben in gröbster Weise verletzt werden und die Unrichtigkeit der Leistungsfestsetzung einem sachkundigen und unbefangenen Beurteiler sofort erkennbar ist (Aicher aaO Rdz 10 zu § 1056; Franz Bydlinski, JBl 1975, 248; SZ 39/132; JBl 1967, 263; EvBl 1980/38).

§ 2 PRL stellt es zunächst in das Ermessen des Leistungsausschusses, anderweitig (dh nicht im Ö***-Konzern oder in der Verwaltung der verstaatlichten Unternehmungen) verbrachte Dienstzeiten für die Bemessung des Ruhegeldes ganz oder zum Teil anzurechnen, bindet aber dieses Ermessen an die Voraussetzung, daß die dabei erworbenen speziellen Kenntnisse und Erfahrungen für die Einstellung und die Tätigkeit in der Ö*** notwendig waren. Nach den oben dargestellten Grundsätzen scheidet eine Überprüfung der Leistungsfestsetzung durch den Leistungsausschuß jedenfalls so weit aus, als sie auf einer zulässigen Ermessensausübung beruht.

Korrigierbar wäre nur ein offenbarer Ermessensmißbrauch unter Verletzung gegebener Richtlinien. Daß der Leistungsausschuß dem Kläger im vorliegenden Fall Dienstzeiten angerechnet hätte, in denen er von vorneherein keine speziellen Kenntnisse und Erfahrungen sammeln konnte, die für die Einstellung und Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 PRL notwendig oder im Sinne des § 10 Punkt 1 der Geschäftsordnung von Vorteil waren, ist nicht hervorgekommen. Die beklagte Partei ist auch den Beweis schuldig geblieben, daß die Anrechnung von Vordienstzeiten auf einem Ermessensmißbrauch beruhte, dem Kläger also etwa deshalb so viele Dienstzeiten angerechnet worden seien, weil er mit dem pensionierten Vorstandsdirektor Ing. Kurt F*** befreundet gewesen sei und dieser die Weisung erteilt habe, eine Aufstellung vorzulegen, aus der sich für den Kläger 35 anrechenbare Dienstjahre ergeben. Es ist nicht nachweisbar, daß irgendein Mitglied des Leistungsausschusses auf die Zusammenstellung der Dienstzeiten einen Einfluß ausgeübt hat.

Der Kläger wurde bei der beklagten Partei wegen seiner Kenntnisse auf dem Gebiete der Datenverarbeitung eingestellt. Daß er dann nicht in diesem Bereich verwendet werden konnte, weil es bis zur Beendigung seines Dienstverhältnisses nicht zur Einführung von EDV-Systemen bei der beklagten Partei kam, kann ihm bei der Beurteilung der Anrechnungskriterien nicht zum Schaden gereichen. Es entsprach der Billigkeit, wenn sich der Leistungsausschuß bei der Entscheidung über die anrechenbaren Dienstzeiten an jener Tätigkeit orientierte, für die der Kläger bei seiner Einstellung vorgesehen war.

§ 2 PRL und § 10 Punkt 1. der Geschäftsordnung des Leistungsausschusses sehen allerdings nur die Anrechnung von Dienstzeiten vor. Zeiten, in denen ein späterer Dienstnehmer der Ö*** eine selbständige Tätigkeit ausübte, kommen somit für eine Anrechnung nicht in Betracht. Mit einer Anrechnung solcher Zeiten hätte der Leistungsausschuß die ihm in den PRL gesetzten Grenzen überschritten. Der diesbezüglichen Einwendung der beklagten Partei zu den "Werkvertrags"-Zeiten hält der Kläger entgegen, daß er diese Zeiten in Wahrheit in einem Dienstverhältnis zur Republik Österreich verbracht habe, und führte hiefür eine Reihe von Kriterien (Weisungsgebundenheit, disziplinäre Verantwortung, feste Arbeitszeit, fester Monatsbezug, Urlaub usw) an. Auf die Frage, ob diese Zeiten wie Dienstzeiten anzurechnen waren, braucht aber nicht eingegangen zu werden. Die beklagte Partei hat zur Anrechnung aller anderen, nämlich der Angestelltendienstzeiten des Klägers weder einen Ermessensmißbrauch noch eine eindeutige Überschreitung der Befugnisse durch den Leistungsausschuß oder eine grobe Unbilligkeit zu beweisen vermocht. Diese Vordienstzeiten des Klägers, in denen er als Angestellter tätig war und die jeweils mindestens ein Jahr gedauert haben (§ 2 Abs 1 zweiter Satz PRL), ergeben schon für sich allein eine Vordienstzeit von 29 Jahren und einen Monat, sodaß sich mit der bei der beklagten Partei selbst verbrachten Dienstzeit 40 Jahre und 11 Monate anrechenbare Dienstjahre errechnen. Da dem Kläger gemäß § 4 Abs 1 PRL nur das Höchstausmaß von 35 Dienstjahren angerechnet wurde, kommt es auf die Anrechenbarkeit der "Werkvertrags"-Zeiten im Ausmaß von vier Jahren und vier Monaten nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00136.86.1104.000

Dokumentnummer

JJT_19861104_OGH0002_0140OB00136_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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