TE OGH 1986/11/6 6Ob652/86

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Veröffentlicht am 06.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Klinger sowie Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Helena W***, zuletzt in Kreuttal 97, vertreten durch Dr. Hellmuth Boller und Dr. Günter Langhammer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Brigitte S***, Friseurin, Wien 12., Strohberggasse 10/3/4, und 2.) mj. Martin S***, Schüler, wohnhaft bei und vertreten durch die erstgenannte beklagte Partei, beide vertreten durch Dr. Peter Prenner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung eines Untermietverhältnisses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Juni 1986, GZ 48 R 247/86-9, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23. Februar 1986, GZ 48 C 485/85-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung:

Eine Hauptmieterin vermietete einem kaufmännischen Angestellten die im 5. Stock eines Wiener Wohnhauses gelegenen Räumlichkeiten zur ausschließlichen Benützung als Atelier-Wohnraum für die Zeit ab 1. August 1977 auf 10 Jahre bis 1. August 1987 gegen einen wertgesicherten Untermietzins von 1.000 S monatlich. Nach dem Inhalt der Mietvertragsurkunde vereinbarten die Vertragsschließenden dabei unter anderem, daß nach Ablauf der genannten Mietzeit dem Untermieter als erstem eine Verlängerung der Mietzeit - mit angemessener Entscheidungsfrist - angeboten werde.

Der Untermieter starb im November 1984. Sein Nachlaß wurde seiner Witwe und seinem mj. Sohn eingeantwortet.

Die Hauptmieterin kündigte den beiden Erben ihres Untermieters die Untermiete des Atelier-Wohnraumes zum 31. Dezember 1985 gerichtlich auf. Sie stützte die Kündigung auf das Vorbringen, daß der Untermieter gestorben sei, ohne daß eintrittsberechtigte Personen mit ihm in der (untergemieteten) Wohnung gewohnt hätten; diesen Sachverhalt unterstellte sie dem Tatbestand nach § 30 Abs2 Z 5 MRG. Der gerichtliche Beschluß im Sinne der Aufkündigung wurde der Witwe und gesetzlichen Vertreterin des mj. Sohnes des verstorbenen Untermieters am 19. September 1985 durch postamtliche Hinterlegung zugestellt. Die Klägerin behauptete nicht, daß das Mietverhältnis von der Anwendbarkeit der Kündigungsbestimmungen nach § 19 MG ausgenommen gewesen wäre und brachte auch keine Tatumstände im Sinne des § 1 Abs2 Z 3 und Abs3 Z 2 MG vor (§ 49 Abs3 MRG). Die Beklagten behaupteten das Vorliegen der Eintrittsvoraussetzungen nach dem Mietrechtsgesetz, sie bestritten das Vorliegen eines Kündigungsgrundes und wendeten ausdrücklich ein, daß die Kündigung den Bestandvertragsvereinbarungen nicht entspreche. Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagten zur Räumung des Untermietobjektes. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Aufhebung der Kündigung und einer Abweisung des Räumungsbegehrens ab. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Es sprach weiter aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs4 Z 1 ZPO vorliege.

Die berufungsgerichtliche Beurteilung beruht wesentlich auf der Auffassung, daß der Kündigungsgrund nach § 30 Abs2 Z 5 MRG auf Untermietverhältnisse unanwendbar sei, weil es bei solchen Bestandverhältnissen nach der gesetzlichen Regelung über das Eintrittsrecht bei Wohnungshauptmieten generell ausgeschlossen sei, daß eintrittsberechtigte Personen vorhanden sein könnten. § 14 Abs 1 MRG schließe als Sonderregelung einen Rückgriff auf die allgemeinen Normen des § 1116 a ABGB aus, das gelte auch für Untermietverhältnisse, eine sondergesetzliche Kündigungsmöglichkeit sehe das Mietrechtsgesetz im § 30 Abs2 Z 5 aber nur für Wohnungshauptmietverhältnisse und nicht auch für Wohnungsuntermieten (oder Geschäftsraummieten) vor.

Die klagende Partei (nunmehr die Verlassenschaft nach der während des Rechtsstreites verstorbenen Hauptmieterin) ficht das abändernde Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs2 ZPO mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Beklagten streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Rechtsstreites wesentlich von der Frage abhängt, ob ein den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes unterworfenes Wohnraumuntermietverhältnis durch den Tod des Untermieters im Sinne des § 30 Abs2 Z 5 MRG kündbar sein könne oder ob dieser Kündigungsgrund auf Wohnraumuntermietverhältnisse grundsätzlich unanwendbar sei. Dieser Auslegungsfrage kommt über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung zu, ohne daß hiezu bereits eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorläge. Die Frage wurde auch zum Inhalt der Anfechtung gemacht.

Die Revision ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

§ 30 Abs2 Z 5 MRG ist im Zusammenhalt mit § 14 MRG dahin auszulegen, daß Wohnraummietverhältnisse durch den Tod des Mieters kündbar werden, sofern sie nicht durch eine sondergesetzlich eintrittsberechtigte Person fortgesetzt werden; im Falle einer Untermiete gibt es kein gesetzliches Eintrittsrecht, daher keine Ausnahme vom gesetzlichen Kündigungstatbestand. Der Tod des Wohnraumuntermieters erfüllt daher immer den gesetzlichen Kündigungstatbestand nach § 30 Abs2 Z 5 MRG. Die vom Berufungsgericht vertretene gegenteiligte Auslegung beruht auf dem nach den Denkgesetzen unzulässigen Schluß von einer Unanwendbarkeit der Ausnahme auf die Unanwendbarkeit der Regel. Die Ansicht des Berufungsgerichtes führte auch zu dem wertungswidersprüchlichen Ergebnis, daß das in seinem Bestand vom Standpunkt des Mieters weniger stark geschützte Untermietverhältnis (§ 30 Abs2 Z 12 MRG) im Todesfall des Mieters zugunsten dessen allgemein bürgerlich-rechtlichen Nachfolgern, die im Falle einer Wohnungshauptmiete entweder infolge Eintrittes eines sondergesetzlich zur Rechtsnachfolge Berufenen von der Fortsetzung des Mietverhältnisses schlechthin ausgeschlossen bleiben oder aber der Kündigung ausgesetzt sind, durch den Vermieter nicht einseitig auflösbar sein sollte.

Die Beklagten haben im Hinblick auf die besonderen Mietvertragsabreden eingewendet, daß die Aufkündigung vertragswidrig erfolgt sei. Dafür, daß die Untervermieterin in dem einvernehmlich festgestellten Benützungszweck, der in der Mietvertragsurkunde mit den Worten "Benützung als Atelier-Wohnraum" durch einen als kaufmännischen Angestellten bezeichneten Untermieter umschrieben wurde, eine vom Untermieter beabsichtigte Widmung für geschäftliche Zwecke hätte erkennen müssen, haben die Beklagten in erster Instanz weder konkrete Behauptungen aufgestellt, noch Beweise angeboten. Das Erstgericht hat aber im Hinblick auf den Inhalt der Mietvertragsurkunde (insbesondere § 8 Z 4) zutreffend erkannt, daß das dort umschriebene Vorrecht des Untermieters zur Verlängerung des Vertrages nach Ablauf der mit 10 Jahren vereinbarten Vertragsdauer Rückschlüsse auf einen ausdrücklich erklärten oder doch übereinstimmend vorausgesetzten Verzicht der Vermieterin auf die Geltendmachung einzelner Kündigungsgründe, insbesondere des nach § 30 Abs2 Z 5 MRG rechtfertigen könnte. Nach dem Inhalt des Protokolles über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 31. Jänner 1986 hat der Erstrichter unter anderem auch die Frage eines Kündigungsverzichtes mit den Parteien erörtert. Es wurde aber nicht festgehalten, welche Erklärungen die Parteien zu dieser Frage abgegeben haben. In seiner rechtlichen Beurteilung hat das Erstgericht die Ansicht vertreten, daß auch bei einem Kündigungsverzicht ein (auf § 1116 a ABGB zu stützendes) gesetzliches Kündigungsrecht des Vermieters bestünde. Ein Verzicht auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs2 Z 5 MRG ist aber grundsätzlich nicht unzulässig. Ein solcher Verzicht würde den Vermieter in ähnlicher Weise binden wie ein vertraglich vereinbartes Weitergaberecht des Mieters. Eine ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung eines Verzichtes der Untervermieterin auf die Geltendmachung eines an das Ableben des Untermieters geknüpftes gesetzliches Kündigungsrecht wäre daher beachtlich. In dieser Hinsicht ist das Verfahren ergänzungsbedürftig. Dazu bedarf es einer Verhandlung in erster Instanz. In dem zu ergänzenden Verfahren werden die Erklärungen der Parteien zur eventuellen Abdingung eines der Vermieterin aus dem Tod des Mieters gesetzlich erwachsenen Kündigungsrechtes festzuhalten, gegebenenfalls Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen sein.

Die Urteile beider Vorinstanzen waren daher aufzuheben und war die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E09384

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00652.86.1106.000

Dokumentnummer

JJT_19861106_OGH0002_0060OB00652_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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