Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Hubert K***, Baumeister, Lienz, Pustertalerstraße 3, vertreten durch Dr. Peter Rohracher, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Romed W***, Landwirt, Thaur, Schloßgasse 3, vertreten durch Dr.Hans Mayr und Dr.Klaus Gürtler, Rechtsanwälte in Hall in Tirol, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14.Mai 1986, GZ 2 a R 203/86-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hall vom 20.Jänner 1986, GZ 4 C 217/85-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.953,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 268,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob der zwischen ihnen am 1.Juli 1969 abgeschlossene Bestandvertrag, mit dem der Kläger vom Beklagten diverse Grundstücke im Gesamtausmaß von 7215 m 2 zur Errichtung eines "Bauhofes" mietete, den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes unterliegt. Das Erstgericht gab einem darauf gerichteten positiven Feststellungsbegehren des Klägers statt.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes.
Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes kam es Ende der Sechzigerjahre zwischen den Streitteilen zu einem Gespräch über die Miete der als Grünflächen gewidmeten Grundstücke durch den Kläger zwecks Errichtung eines "Bauhofes". Der Kläger hatte damals insbesondere keine ausreichenden Unterkünfte für seine Bauarbeiter zur Verfügung. Schon bei den Vertragsverhandlungen war es zwischen den Streitteilen klar, daß der Kläger auf den zu mietenden Grundstücken auch Arbeiterwohnstätten, Bürogebäude und Magazinsräume errichten werde. Im Jahre 1967 bemühte sich der Kläger um die Umwidmung einzelner Grundstücke, die am 30. November 1967 auch bewilligt wurde. Am 1.Juli 1969 kam es zur Errichtung des Bestandvertrages Beilage 1, dessen wesentliche Vertragsbestimmungen lauten: Durch die Inbestandnahme der unter Punkt I erwähnten Grundstücke bezweckt die Bestandnehmerin (protokollierte Firma) die Errichtung eines Lagerplatzes und von Baulichkeiten zur besseren Durchführung ihres Betriebes. Das Bestandverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann von jedem Teil auf das Ende eines Kalenderjahres aufgekündigt werden. Der Bestandgeber verzichtet auf die Dauer von 20 Jahren gerechnet ab 1.Juli 1969, vom Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Der Bestandgeber ist berechtigt, das Bestandverhältnis mit sofortiger Wirksamkeit zu lösen, wenn die Bestandnehmerin ..... in Ausgleich oder in Konkurs gehen sollte. Das Bestandverhältnis geht beiderseits auf die Erben und Rechtsnachfolger über. Der Beklagte erteilte seine ausdrückliche Zustimmung zur Bebauung der Grundstücke. Die Errichtung der Baulichkeiten kostete dem Kläger ca. 8 bis 10 Mill. S. Im Jahre 1984 wurde über das Vermögen des Klägers der Ausgleich und später der Anschlußkonkurs eröffnet, der am 4.April 1985 nach Abschluß eines Zwangsausgleiches aufgehoben wurde. Mit Schreiben vom 1.August 1984 forderte der Beklagtenvertreter unter Hinweis auf den vereinbarten Auflösungsgrund des Ausgleiches den Kläger zur Vereinbarung eines Übergabstermines auf. Mit Schreiben vom 31.Mai 1985 teilte der Beklagtenvertreter seinen Standpunkt mit, daß das Bestandverhältnis nicht den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliege, daß zufolge der Übergangsregelung des § 49 MRG jedoch bis 31.Dezember 1986 noch die Bestimmungen der §§ 19 bis 23 MG gelten. Diese Schutzbestimmungen stünden dem Begehren des Beklagten auf sofortige Auflösung des Vertrages wegen des Konkurses bzw. Ausgleiches des Klägers noch entgegen, zum 1.Jänner 1987 werde jedoch die Auflösung verlangt.
Nach der Auffassung der Vorinstanzen falle eine Grundstücksmiete mit Geschäftsraumsuperädifikat in den Bereich der analogen Anwendung des § 1 MRG und unterliege daher den Kündigungsbeschränkungen nach den §§ 30 bis 33 MRG. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.
Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, daß auch die Grundstücksmiete mit Geschäftsraumsuperädifikat in den analogen Anwendungsbereich des § 1 MRG fällt, entspricht der Rechtsprechung
des Obersten Gerichtshofes (MietSlg. 36.236 = RdW 1985, 367;
MietSlg. 36.235 = JBl. 1985 107 = EvBl. 1984/161; 6 Ob 517/85;
1 Ob 704/85; 8 Ob 550, 551/86), sodaß im einzelnen auf die zitierten veröffentlichten Entscheidungen und auf die eingehende Darstellung des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann. Dem Argument des Klägers, daß die Zielsetzung des Mietrechtsgesetzes, die Stärkung der Position des wirtschaftlich Schwächeren, ins Gegenteil verkehrt werde, ist entgegenzuhalten, daß die Grundwertung des gesetzlichen Kündigungsschutzes für Geschäftsräumlichkeiten in der Sicherung der Geschäftstätigkeit in gemieteten Räumen und nicht im Schutz des wirtschaftlich Schwächeren liegt. Auch die Hinweise der Revision, daß sich die Investitionen des Kläges nach den Vertragsbestimmungen nach 20 Jahren offensichtlich amortisiert haben sollten, und auf den nur mit 20 Jahren vereinbarten Kündigungsverzicht, schließen eine analoge Anwendung des § 1 MRG nicht aus. Ergibt sich doch aus dem Ausmaß und der Beschaffenheit der gesamten Anlage und der Vertragsbestimmung, daß das Bestandverhältnis auch auf die Rechtsnachfolger übergeht, die erkennbare Absicht einer dauernden Nutzung zu Geschäftszwecken. Dieser Schlußfolgerung stünde nicht entgegen, wenn der Kläger nur für den Zeitraum der nächsten 20 Jahre (bis zu seiner Pensionierung) disponieren und weitere Dispositionen seinem Sohn überlassen hätte wollen und daß sich die Investitionen nach 20 Jahren offensichtlich amortisiert hätten, weil diese Umstände nicht gegen die erkennbare Absicht zumindest relativ dauernde Nutzung zu geschäftlichen Zwecken sprechen. Der Irrtumseinwand des Beklagten in erster Instanz beschränkte sich auf die Behauptung der Unkenntnis der "Unkündbarkeit" des Vertrages. Der Kündigungsschutz beim Bestandvertrag ist jedoch eine Rechtsfolge, die unabhängig vom Willen der Parteien eintritt, sodaß ein Irrtum darüber zum Rechtsfolgenirrtum gehört, der nach herrschender Ansicht unerheblich ist (vgl. Koziol-Welser 7 I 116 mwN). Mangels darüber hinausgehender Behauptungen in erster Instanz ist nicht zu erörtern, ob allenfalls ein Irrtum über die beabsichtigte Dauer der Nutzung zu geschäftlichen Zwecken zum Geschäftsinhalt gehört. Bejahendenfalls würde es aber hier an der Voraussetzung fehlen, daß der Irrtum durch den Kläger veranlaßt wurde oder ihm offenbar auffallen mußte. Der weitere Fall der rechtzeitigen Aufklärung scheidet hier aus. Über Art und Zweck der zu errichtenden Anlagen und den Wunsch auf Fortsetzung des Bestandverhältnisses auch mit den Erben oder Rechtsnachfolgern hat der Kläger den Beklagten nicht im unklaren gelassen und damit deutlich erkennbar seine Absicht einer zumindest relativ dauernden Nutzung zu geschäftlichen Zwecken zum Ausdruck gebracht. Umstände, aus denen dennoch ein Irrtum des Beklagten über die Absicht des Klägers diesem auffallen hätte müssen, wurden nicht behauptet. Zur Revisionsbehauptung, daß die bloße rechtliche Qualifikation eines Rechtsverhältnisses nicht feststellungsfähig sei, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach Klagen zugelassen werden, mit denen die Feststellung begehrt wird, daß ein bestimmtes Bestandverhältnis dem Mietengesetz unterliege oder nicht (SZ 24/285;
SZ 18/166 u.a.). In Wahrheit liegt hier auch nur ein Begehren auf Feststellung des Nichtbestandes eines aus der Nichtanwendung des Mietrechtsgesetzes abgeleiteten Rechtes vor, nämlich des Rechtes des Beklagten, nach dem 31.Dezember 1986 die Auflösung des Bestandverhältnisses zu begehren (vgl. Fasching III 59). Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E09639European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00677.86.1106.000Dokumentnummer
JJT_19861106_OGH0002_0070OB00677_8600000_000