Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gustav G***, Friseurmeister, 6143 Matrei am Brenner 19, vertreten durch Dr. Georg Gschnitzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Karl B***, Transportunternehmer, 6143 Matrei am Brenner 19, vertreten durch Dr. Karl G. Aschaber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 13. Mai 1986, GZ. 1 a R 272/85-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 27. Februar 1985, GZ. 17 C 81/85-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat dem Kläger die mit S 4.483,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 240,-- Barauslagen und S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger mietete mit Vertrag vom 17.7.1973 vom Beklagten ein in dessen Haus in Matrei am Brenner 19 befindliches Geschäftslokal und eine Wohnung ab 1.8.1973. Als Mietzins wurden wertgesichert monatlich S 2.000,-- für das Geschäftslokal und S 1.500,-- für die Wohnung vereinbart. Im Punkt V enthält der Mietvertrag folgende Bestimmungen:
"Der Mieter verpflichtet sich, beide Mietobjekte auf jeden Fall bis zum 30.6.1985 zu räumen und dem Vermieter geräumt zu übergeben. Sollte er dieser Räumungsverpflichtung nicht nachkommen, so verpflichtet er sich, ab dem 1.7.1985 für die Zeit der vertragswidrigen Benützung ein sich als Konventionalstrafe darstellendes Benützungsentgelt von S 6.000,-- für das Geschäftslokal und von S 4.500,-- für die Wohnung, jeweils pro Monat zu bezahlen, und zwar wertgesichert nach den oben angeführten Maßregeln, wobei naturgemäß für die Konventionalstrafe der Februar 1973 als Ausgangsbasis zu gelten hat. Dies wird einverständlich festgelegt. Geschäftslokal und Wohnung gelten als Einheit, das heißt, es ist die Wohnung als Zubehör zum Geschäftslokal anzusehen, und verspricht der Mieter, diese Konventionalstrafe im Rahmen seines Handelsgewerbes (§ 348 HGB), so daß die Konventionalstrafe keinem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegt, also auch nicht für den Wohnungsanteil, weil der Mieter auch diesbezüglich das Versprechen im Rahmen seines Handelsgewerbes verspricht. Neben der Vertragsstrrafe ist naturgemäß keinerlei Mietzins zu bezahlen."
Nachdem Verhandlungen über eine Verlängerung des Bestandverhältnisses gescheitert waren, weil der Kläger mit zahlreichen vom Beklagten vorgeschlagenen Auflagen nicht einverstanden war, richtete Dr. Johann Paul C***, der damalige Vertreter des Beklagten, am 21.5.1984 ein Schreiben an den Kläger, worin er darauf hinwies, daß nach den Bestimmungen des Mietvertrages das Mietverhältnis zum 30.6.1985 aufgelöst sei. Dies sei nach altem und neuem Mietenrecht zulässig. Der Kläger werde darauf aufmerksam gemacht, daß der Beklagte auf dieser Auflösung des Mietverhältnisses bestehe. Der Kläger habe daher das Bestandobjekt bis längstens 30.6.1985 zu räumen, andernfalls werde gegen ihn mit Räumungsklage vorgegangen. Falls er nicht rechtzeitig ausziehe, habe er zudem die vorgesehene Konventionalstrafe zu zahlen. Am 26.11.1984 kündigte der Beklagte dem Kläger das Geschäftslokal wegen Eigenbedarfs auf. Der Kläger erhob dagegen fristgerecht Einwendungen (die Aufkündigung wurde inzwischen rechtskräftig aufgehoben). Mit seiner am 27.11.1984 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß die im Punkt V des Mietvertrages festgehaltene Räumungsverpflichtung unwirksam sei, der Mietvertrag den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes unterliege und die Vereinbarung über die Konventionalstrafe rechtsunwirksam sei. Der Beklagte wendete ein, die Auflösung durch Zeitablauf könne nur für Mietgegenstände vereinbart werden, die den Bedingungen des § 29 Abs.1 Z 3 MRG entsprächen. Für das vorliegende Mietverhältnis treffe dies nicht zu, so daß kraft Gesetzes von unbestimmter Dauer des Mietverhältnisses auszugehen sei. Dementsprechend habe der Beklagte auch eine Kündigung eingebracht, was entbehrlich wäre, wenn das Mietverhältnis durch Zeitablauf beendet wäre. Die eindeutige Rechtslage könne nicht mit Feststellungsurteil entschieden werden. Die Konventionalstrafe habe rechtswirksam vereinbart werden können. Wenn sich der Kläger an die freiwillig eingegangene Verpflichtung halte, habe er die Konventionalstrafe nicht zu fürchten. Daher fehle auch jegliches Feststellungsinteresse.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Gemäß § 43 Abs.1 MRG seien die Bestimmungen des I.Hauptstückes auch auf Mietverträge anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossen worden sind. Das Bestandverhältnis zwischen den Parteien ende nicht durch Zeitablauf, weil keiner der Fälle des § 29 Abs.1 Z 3 MRG vorliege. Ob ein Bestandverhältnis den Kündigungsbestimmungen des MRG unterliege, könne Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Das rechtliche Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung ergebe sich daraus, daß ihm zugebilligt werden müsse, möglichst rasch über die Rechtslage Klarheit zu gewinnen, weil dadurch weitere Streitigkeiten vermieden oder eine brauchbare Grundlage für weitere Entscheidungen geschaffen werde. Auf Grund des Schreibens des früheren Rechtsvertreters des Klägers sei das rechtliche Interesse geradezu offenkundig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, das Erstgericht habe zu Recht das Interesse des Klägers, die Rechtsunwirksamkeit der Räumungsverpflichtung klargestellt zu wissen, aus dem Schreiben des früheren Rechtsvertreters des Beklagten abgeleitet. Die nach der nunmehrigen Ansicht des Beklagten klare Rechtslage habe ihn nicht davon abgehalten, sich mit anwaltlichem Schreiben ein aus der ungültigen Vereinbarung abgeleitetes Recht anzumaßen, weshalb dem Kläger zugebilligt werden müßte, die durch die Rechtsanmaßung verursachte Unsicherheit durch Feststellungsklage zu beseitigen. Die vertragliche Räumungsverpflichtung sei nicht, wie der Beklagte meine, rechtswirksam und bloß nicht durchsetzbar im Sinne einer Naturalobligation. Vielmehr sei jede vertragliche Erweiterung der im § 29 MRG anerkannten Auflösungsgründe wegen dessen zwingenden Charakters rechtsunwirksam, so insbesondere auch ein vor Abschluß des Mietvertrages oder zugleich mit diesem abgeschlossener Räumungsvergleich und demgemäß auch die im Mietvertrag selbst außergerichtlich vereinbarte Räumungsverpflichtung. Die Bestimmung des § 23 Abs.2 MG sei allerdings in dem Sinn verstanden worden, daß kein Verbot der Befristung von Mietverträgen bestanden habe, wenngleich eine Beendigung des Mietverhältnisses durch Räumungsklage des Vermieters bloß wegen Zeitablaufes nicht möglich gewesen sei.
§ 29 Abs.1 Z 3 MRG bringe jedoch nunmehr klar zum Ausdruck, daß durch Ablauf der vereinbarten Zeit das Mietverhältnis nur aufgelöst werde, wenn die dort geregelten Voraussetzungen zutreffen; daraus ergebe sich die Ungültigkeit einer daraus abgeleiteten Räumungsverpflichtung des Mieters. Maßgebend für die Entscheidung sei aber gemäß § 43 Abs.1 MRG das neue Recht, weil der vom Beklagten in Anspruch genommene und vom Kläger bestrittene Auflösungstatbestand erst nach dessen Inkrafttreten verwirklicht werden solle. Selbst wenn der Mietvertrag zwischen den Parteien als solcher auf bestimmte Zeit verstanden würde, wäre daher die Vereinbarung der Räumungsverpflichtung des Klägers ungültig. Da eine Vertragsstrafe als abhängige Verbindlichkeit eine gültige Hauptverbindlichkeit voraussetze, sei auch die Vereinbarung über die Konventionalstrafe unwirksam.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revsion ist nicht berechtigt.
Der Revisionswerber führt aus, entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes habe § 29 Abs.1 Z 3 MRG nichts daran geändert, daß Mietverträge auf bestimmte Zeit gültig seien.
Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage, ob auf Grund der Vorschrift des § 29 MRG - abgesehen von den in Abs.1 Z 3 angeführten Fällen - die zeitliche Begrenzung eines Mietvertrages unwirksam ist oder ob die Rechtsprechung zu § 23 MG aufrecht zu halten sei, wonach die Vereinbarung an sich wirksam ist, der Vermieter aber nur aus wichtigen Gründen unter sinngemäßer Anwendung der Kündigungsbestimmungen Auflösung des Vertrages begehren kann (MietSlg. Band XXXIII/16), bisher nicht befaßt. Es ist jedoch nicht notwendig, im vorliegenden Fall diese im Schrifttum nicht einheitlich beantwortete Frage (vgl. Würth-Zingher, MRG 2 Anm.5 zu § 29 und Palten, ImmZ 1983, 7 ff) zu erörtern. Auch wenn man nämlich die von Würth-Zingher vertretene Ansicht teilte, nach § 29 MRG seien Befristungen nicht ungültig, sondern nur für den Vermieter ohne Kündigungsgrund nicht durchsetzbar, ist nämlich für den Beklagten nichts gewonnen. Daß eine Befristung eines Mietvertrages - abgesehen von den Fällen des § 29 Abs.1 Z 3 MRG - vom Vermieter nicht durchgesetzt werden kann, bedarf keiner weiteren Erörterung; dies bestreitet auch der Revisionswerber nicht, er bezeichnete diese Rechtslage schon in erster Instanz als eindeutig. Eine zwar gültige aber vom Vermieter nicht durchsetzbare zeitliche Beschränkung begründet aber keine Räumungsverpflichtung des Mieters. Die Vereinbarung einer Räumungsverpflichtung ist daher jedenfalls unwirksam. Nur auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Räumungsverpflichtung ist das Klagebegehren aber gerichtet und nicht etwa auf die Ungültigkeit einer zeitlichen Beschränkung. Die Unwirksamkeit der Räumungsverpflichtung hat aber - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - auch zur Folge, daß keine Pflicht des Klägers besteht, die vereinbarte Konventionalstrafe zu bezahlen, weil eine solche Strafe als abhängige Verpflichtung eine gültige Hauptverbindlichkeit voraussetzt (SZ 38/208; JBl. 1974, 153; JBl. 1986, 246 ua).
Nicht berechtigt sind auch die Revisionsausführungen, dem Kläger mangle es an einem Feststellungsinteresse. Der Beklagte hat in einem von seinem Rechtsanwalt verfaßten Schreiben dem Kläger gegenüber den Standpunkt vertreten, die Räumungsverpflichtung und die Verpflichtung zur Zahlung der Konventionalstrafe seien gültig. Noch in der Revision vertritt er die Ansicht, die Konventionalstrafe sei wirksam vereinbart worden. Angesichts dieses Rechtsstandpunktes des Beklagten ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung das Feststellungsinteresse des Klägers zu bejahen (SZ 46/92; MietSlg. 33.634; 36.762 uva).
Im Sinne der Anregung des Revisionswerbers, die Bestimmung des § 29 Abs.1 Z 3 MRG durch den Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen, sieht sich der erkennende Senat nicht veranlaßt. Da der Verfassungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, daß das MG nicht verfassungswidrig ist (VerfSlg.250; JBl. 1929, 238 ua; vgl. auch MietSlg.16.342), bietet auch der Umstand, daß an Stelle des MG nun das MRG getreten ist, keinen Anlaß, den Verfassungsgerichtshof anzurufen (vgl. die Ausführungen in der Regierungsvorlage zum MRG 425 BlgNR 15.GP 35).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E09542European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00683.86.1111.000Dokumentnummer
JJT_19861111_OGH0002_0020OB00683_8600000_000