Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schlosser als Richter in der Konkurseröffnungssache der Antragstellerin R***
T***-L***, registrierte Genossenschaft mbH, 4850 Timelkam, Pollheimerstraße 1, vertreten durch Dr. Josef Broinger, Rechtsanwalt in Eferding, wider die Antragsgegnerin Theresia S***, Geschäftsfrau, 4850 Timelkam, Außerungenach 16, vertreten durch Dr. Gerhard Hickl, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 24. September 1986, GZ. 4 R 223/86-14, womit der Konkurseröffnungsbeschluß des Kreisgerichtes Wels vom 3. Juli 1986, GZ. S 34/86-2, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Es wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Konkurseröffnungsbeschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht eröffnete am 3. Juli 1986 auf Antrag der Antragstellerin den Konkurs über das Vermögen der Antragsgegnerin. Es führte aus, daß die Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin und die Gläubigermehrheit aus den Exekutionsakten des Bezirksgerichtes Vöcklabruck eindeutig hervorgingen, die Antragstellerin den eingeforderten Kostenvorschuß von 30.000 S erlegt habe und von einer völligen Vermögenslosigkeit der Antragsgegnerin nicht auszugehen sei. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge, wies den Konkurseröffnungsantrag der Antragstellerin ab und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteigt (Beschluß vom 24. September 1986). Es führte aus:
Die Antragsgegnerin erblickt eine erhebliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin, daß das Erstgericht seiner Begründungspflicht nicht entsprochen habe. Es hätte darlegen müssen, aufgrund welcher Tatsachen es angenommen habe, daß kostendeckendes Vermögen vorhanden sei und es sich bei der Forderung der Antragstellerin überhaupt um eine Konkursforderung handle. Das Erstgericht habe es verabsäumt, die Aktivlegitimation der Antragstellerin zu prüfen. Diese sei absonderungsberechtigt und als solche ausreichend besichert. Für einen Konkursantrag bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Bei einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren hätte sich ergeben, daß die Gemeinschuldnerin außer ihrem Liegenschaftseigentum, das mit Absonderungsrechten voll belastet sei, keine Vermögenswerte habe. In ihrer Rechtsrüge meint die Antragsgegnerin, daß der Antragstellerin als Pfandgläubigerin (Absonderungsgläubigerin) keine Antragslegitimation zukomme. Eine Antragsberechtigung bestehe lediglich für den deckungslosen Teil der Forderung. Der Antragsgegnerin sei zwar zuzustimmen, daß für den Konkurseröffnungsbeschluß Begründungspflicht bestehe (Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts 4 Rz 51), doch sei das Erstgericht dieser Begründungspflicht nach § 171 KO und § 428 ZPO ohnehin nachgekommen.
Gemäß § 70 Abs 1 KO sei der Konkurs auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn dieser glaubhaft mache, daß er und ein anderer - wenngleich nicht fällige - Konkursforderungen hätten und der Schuldner zahlungsunfähig sei. Nach § 70 Abs 2 KO sei der Antrag ohne Anhörung (des Schuldners und sonstiger Auskunftspersonen) sofort abzuweisen, wenn er offenbar unbegründet oder offenbar mißbräuchlich gestellt sei.
Die Antragstellerin brachte vor, daß ihr die Antragsgegnerin aufgrund des vollstreckbaren Urteils des Erstgerichtes vom 10. Mai 1984, 6 Cg 167/84, den Betrag von 520.000 S sowie 16.363,86 S an Prozeßkosten schulde und keine Zahlung geleistet habe. Als Bescheinigungsmittel berief sie sich auf den Akt 6 Cg 167/84 des Erstgerichtes. Sie behauptete auch eine Mehrheit von Konkursgläubigern und die Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin und berief sich dazu auf Exekutionsakte des Bezirksgerichtes Vöcklabruck.
Der Antragsgegnerin wurde der Konkurseröffnungsantrag persönlich zugestellt. Sie wurde zu einer Tagsatzung am 17. Juni 1986 geladen, erschien aber trotz ausgewiesener Ladung nicht.
Mit Beschluß vom 23. Juni 1986 wurde der Antragstellerin bekanntgegeben, daß mangels eines kostendeckendes Vermögens der Konkurs nur eröffnet werde, wenn sie binnen 14 Tagen einen Kostenvorschuß von 30.000 S erlege. Dieser Kostenvorschuß wurde erlegt.
Zur Beurteilung der Frage, ob die Antragstellerin eine Konkursforderung glaubhaft gemacht habe - dies sei Voraussetzung für die Konkurseröffnung -, sei im Rechtsmittelverfahren im Hinblick auf § 176 Abs 2 KO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlußfassung in erster Instanz und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend (Bartsch-Heil aaO Rz 50 und 53; 5 Ob 321/85). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nehme selbst das volle Deckung versprechende Absonderungsrecht zugunsten einer gegen den Schuldner bestehenden Forderung dem Gläubiger nicht den Eröffnungsanspruch (Petschek-Reimer-Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht 25; Bartsch-Pollak 3 I 351; Lehmann I 478; SZ 17/24, 5 Ob 321/85). Der Absonderungsgläubiger sei aber nur dann zur Stellung eines Konkursantrages legitimiert, wenn er gemäß § 48 Abs 3 KO als Konkursgläubiger auftreten könne, wenn ihm also zugleich ein persönlicher Anspruch gegen den Gemeinschuldner zustehe (Bartsch-Pollak aaO 351; Lehmann aaO 478; Sprung, Zum Mißbrauch des Konkurseröffnungsantrages, JBl 1969, 244 Fußnote 61; SZ 17/24). Die Antragstellerin habe nach § 70 KO die Konkursvoraussetzung der eigenen Konkursforderung zu behaupten und zu bescheinigen. Die Antragstellerin habe eine solche Konkursforderung behauptet und habe sich zur Bescheinigung bloß auf den Akt 6 Cg 167/84 des Erstgerichtes berufen. Dieser Akt sei zwar nicht vom Erstgericht, wohl aber vom Rekursgericht beigeschafft und eingesehen worden.
Aufgrund dieses Aktes sei folgender Sachverhalt bescheinigt:
Die Antragstellerin brachte am 19. April 1984 beim Erstgericht eine Hypothekarklage gegen die Antragsgegnerin und Robert S*** ein. Sie stellte in dieser Klage das Urteilsbegehren, daß die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig seien, ihr den Betrag von 520.000 S sowie die Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution in die Liegenschaften EZ 38 und EZ 352 je KG Wartenberg zur Realisierung der auf diesen Liegenschaften einverleibten Pfandrechte zu zahlen. Sie brachte vor, daß sie Robert S*** einen Kredit gewährt habe und ihr dieser daraus 520.000 S schulde. Robert S*** und die Antragsgegnerin seien je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaften EZ 38 und EZ 352 je KG Wartenberg. Auf diesen Liegenschaften sei die Kreditforderung pfandrechtlich sichergestellt. Da die Beklagten trotz ausgewiesener Ladung zur ersten Tagsatzung am 10. Mai 1984 nicht erschienen, wurde vom Erstgericht das beantragte Versäumungsurteil erlassen; die Kosten wurden mit 16.363,86 S bestimmt. Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.
Die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Rekurs aufgrund des Aktes 6 Cg 167/84 des Erstgerichtes ergebe daher, daß die Antragstellerin hinsichtlich der Antragsgegnerin nur Absonderungsgläubigerin, nicht aber Konkursgläubigerin sei. Sie habe aufgrund der bücherlichen Pfandrechte nur eine Forderung bei sonstiger Exekution in die Liegenschaften EZ 38 und EZ 352 je KG Wartenberg; ihr stehe aber nicht auch zugleich ein persönlicher Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu.
Im Sinne der bereits angeführten Rechtsprechung und Lehre sei daher der Antragstellerin die Bescheinigung einer Konkursforderung nicht gelungen; eine solche Konkursforderung wäre aber Voraussetzung für die Konkurseröffnung. Der Antragsgegnerin sei daher darin zu folgen, daß der Antragstellerin als bloßer Absonderungsgläubigerin keine Antragslegitimation zukomme.
Gegen den abändernden Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Konkurseröffnungsbeschlusses.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Mit dem Revisionsrekurs hat die Antragstellerin die Ablichtung des Kreditvertrages vom 17. Dezember 1981 vorgelegt, welcher der zu 6 Cg 167/84 des Erstgerichtes eingebrachten Hypothekarklage zugrundelag. Mit der zu diesem Kreditvertrag, in dem die Antragsgegnerin als Mitverpflichtete aufscheint, am 17. Dezember 1981 abgegebenen Wechselverpflichtungserklärung überreichte die Antragsgegnerin der Antragstellerin einen von ihr akzeptierten Blankowechsel, den die Antragstellerin zur Sicherstellung aller ihr gegen Robert S*** bereits zustehenden und künftig entstehenden Forderungen zu verwenden berechtigt sein sollte; auch je eine Ablichtung der Wechselverpflichtungserklärung und des Blankoakzepts der Antragsgegnerin legte die Antragstellerin mit dem Revisionsrekurs vor.
In dem vom Erstgericht eröffneten Konkursverfahren wurden inzwischen unter Vorlage mehrerer Kreditverträge in Fotokopie (in denen zum Teil auf das Mitakzept bzw. die Wechselbürgschaft der Antragsgegnerin Bezug genommen wird) Forderungen der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin von insgesamt 6,455.549,64 S angemeldet. Diese Forderungen und die Konkursforderungen von fünf weiteren Gläubigern der Antragsgegnerin wurden in der Prüfungstagsatzung am 4. September 1986 festgestellt; teilweise Bestreitungen wurden vom Masseverwalter in der Folge zurückgezogen.
Aus dem ersten Bericht des Masseverwalters vom 4. September 1986, dem Ablichtungen von Schätzungsgutachten und des Beschlusses des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 11. April 1986, E 9007/85-45, betreffend die Festsetzung des Schätzwertes der von der Antragstellerin und einer weiteren Konkursgläubigerin in Zwangsversteigerung gezogenen, je im Hälfteeigentum der Antragsgegnerin und ihres Gatten Robert S*** stehenden Liegenschaften beigeschlossen sind, ist unter anderem zu entnehmen:
Der Gesamtschätzwert dieser Liegenschaften beträgt 14,523.306 S, ihre Belastung mit vertraglichen und exekutiven Pfandrechten buchmäßig 13,592.000 S. Die Antragsgegnerin und ihr Gatte können nicht einmal den Zinsendienst ihrer Verbindlichkeiten erwirtschaften. Am 11. Februar 1986 verpachteten die Antragsgegnerin und ihr Gatte ihr Einzelunternehmen (Güterbeförderung, Durchführung von Baggerungen, Erdaushub- und Planierungsarbeiten, Land- und Forstwirtschaft) rückwirkend mit 1. Jänner 1986 an die Walpurga S*** Gesellschaft mbH um einen jährlichen Pachtzins von 84.000 S zuzüglich der jeweils geltenden Mehrwertsteuer. Eine Ablichtung des diesbezüglichen Notariatsaktes wurde bereits von der Antragstellerin mit ihrem Konkurseröffnungsantrag vorgelegt.
Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß im Rechtsmittelverfahren im Hinblick auf § 176 Abs 2 KO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlußfassung in erster Instanz und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend sind (Bartsch-Heil, Insolvenzrecht 4 Rz 50 und 53; 5 Ob 321/85, 5 Ob 303/86) sowie daß selbst das volle Deckung versprechende Absonderungsrecht zugunsten einer gegen den Schuldner bestehenden Forderung dem Gläubiger nicht den Konkurseröffnungsanspruch nimmt (Petschek-Reimer-Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht 25; Bartsch-Pollak 3 I 351; SZ 17/24, 5 Ob 321/85).
Geht man von der nunmehrigen, oben wiedergegebenen Bescheinigungslage aus, dann ist dem Erstgericht darin beizupflichten, daß eine Konkursforderung der Antragstellerin, die Gläubigermehrheit, die Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin und das Vorhandensein eines die Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich übersteigenden Vermögens der Antragsgegnerin (zu diesen Voraussetzungen der Konkurseröffnung vgl. Bartsch-Heil, Insolvenzrecht 4 Rz 226 bis 229) so weit bescheinigt sind, daß mit Konkurseröffnung vorzugehen ist.
Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der erstgerichtliche Konkurseröffnungsbeschluß wiederherzustellen.
Anmerkung
E09615European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00334.86.1111.000Dokumentnummer
JJT_19861111_OGH0002_0050OB00334_8600000_000