TE OGH 1986/11/17 1Ob616/86

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Veröffentlicht am 17.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** V*** Gemeinnützige Gesellschaft mbH,

Wien 9., Spittelauerplatz 4, vertreten durch Dr. Alfred Peter Musil, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Maria D***, Pensionistin, Wien 21., Theodor Körner-Gasse 9, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer, Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 21. März 1986, GZ 41 R 70/86-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 13. Juni 1985, GZ 6 C 2117/85-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Mit Bestandvertrag vom 1. Februar 1938 nahmen Eduard und Anna D*** vom Chorherrenstift Klosterneuburg einen Teil des Grundstückes 664 im Ausmaß von 489,70 m 2 in Bestand. Auf diesem Grundstücksteil befand und befindet sich das Wohnhaus Wien 21., Theodor Körner-Gasse 9, samt Nebenobjekten. Die Bestandrechte gingen (im Erbweg) an Johann D***, den Gatten der Beklagten, über. Laut Einantwortungsurkunde vom 19. März 1979, 1 A 763/78-7, des Bezirksgerichtes Floridsdorf wurde der Nachlaß nach Johann D*** der Beklagten eingeantwortet. Zum Zwecke des Erwerbes des Eigentums durch die Beklagte an dem Superädifikat Wien 21., Theodor Körner-Gasse 9, das auf dem Grundstück 664/2, Baufläche, Trennstück, künftiger Bauplatz 12, in EZ 1305 KG Donaufeld errichtet ist, wurde zu Uh 39/80 des Bezirksgerichtes Floridsdorf diese Einantwortungsurkunde gerichtlich hinterlegt.

Die klagende Partei, das Österreichische Siedlungswerk, gemeinnützige Gesellschaft mbH, und die Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft Frieden reg.Gen.mbH waren je zu 1/3 Eigentümer der Liegenschaft EZ 1305 KG Donaufeld, zu deren Gutsbestand das Grundstück 664/2 gehörte. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien MA 37 vom 14. August 1981, MA 37/21-Theodor Körner-Gasse 5/2/79, wurde den drei genannten Eigentümern die Bewilligung erteilt, unter anderem auf der Liegenschaft EZ 1305 KG Donaufeld eine Wohnhausanlage zu errichten. Zuletzt wurde mit Bescheid der MA 37 vom 25. Oktober 1983 gemäß § 74 Abs 1 Wiener Bauordnung eine Nachfrist für den Baubeginn bis zum 3. September 1985 gewährt. Mit Bescheid der MA 64 vom 2. Mai 1983, Zl. 64-I 19/81, wurde über Antrag der drei genannten Eigentümer gemäß § 30 Abs 2 Z 15 MRG bestätigt, daß der Abbruch der auf der Liegenschaft Wien 21., Theodor Körner-Gasse 5, ident mit Mühlschüttelgasse, EZ 1302, 1303, 1305, 1306 und 1307 der KG Donaufeld bestehenden Superädifikate und deren Ersetzung durch einen Wohnhausneubau zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, im öffentlichen Interesse liegt. Einer Berufung der Beklagten wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. September 1983, Zl. MDR-D 14/83, nicht Folge gegeben, einer dagegen gerichteten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis dieses Gerichtshofes vom 20. Dezember 1984, Zl. 83/01/0415-13, gleichfalls nicht Folge gegeben. Eine gegen die Beklagte gerichtete Kündigungsklage der drei genannten Eigentümer, mit der unter Aufkündigung des Bestandverhältnisses die Räumung des Grundstückes 664/2 und der Abbruch des Superädifikates begehrt wurde, wurde mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 11. November 1982, 7 Ob 616/82 = MietSlg 34.372, abgewiesen. Der Oberste Gerichtshof führte aus, der Mieter eines unbebauten Grundstückes, der im Einvernehmen mit dem Vermieter und mit Zustimmung der Baubehörde ein Wohnzwecken dienendes fest gemauertes Haus errichte und sich dadurch dauernden Wohnraum schaffe, könne nur bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes nach dem Mietengesetz gekündigt werden. Hat bereits ein Vormann des Mieters das feste Wohnhaus errichtet, handle es sich, wenn die Absicht auf Bestandnahme für dauernde Wohnzwecke gerichtet war, um eine nicht anders zu beurteilende gleiche Interessenlage.

Die klagende Partei kündigte mit der Behauptung, nunmehr Alleineigentümer der in Bestand gegebenen Grundfläche zu sein, der Beklagten unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 15 MRG die Bestandfläche für den 31. Dezember 1985 auf. Das auf der aufgekündigten Liegenschaft befindliche Superädifikatsgebäude solle zur Gänze abgetragen werden. Die Errichtung eines neuen Baues zur Milderung eines in Wien bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes und qualitativen Wohnfehlbestandes sei sichergestellt.

Die Beklagte wendete unter anderem den Mangel der aktiven Klagslegitimation ein, die Identität der aufgekündigten Liegenschaft mit der in den Interessensbescheiden angeführten sei nicht gegeben, die Finanzierung der zu errichtenden Wohnhausanlage sei nicht sichergestellt.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil die Aufkündigung vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung für rechtswirksam. Es stellte fest, das in Bestand genommene Grundstück 664/2 sei am 25. Oktober 1983 von der EZ 1305 KG Donaufeld abgeschrieben worden, mit dem Grundstück 1609/3 vereinigt und in die EZ 1302 KG Donaufeld übernommen worden. In der Folge seien die Grundstücke 1609/3 und 1609/7 von der EZ 1302 KG Donaufeld abgeschrieben und für sie die EZ 1637 KG Donaufeld eröffnet worden, deren Alleineigentümerin die klagende Partei sei. Die Finanzierung des Bauprojektes der klagenden Partei sei sichergestellt. Die klagende Partei habe bei der MA 50 um die Gewährung von Wohnbeihilfe angesucht, das Objekt sei vom Wohnbauförderungsbeirat bereits positiv begutachtet worden, es fehle lediglich der Beschluß der Landesregierung. Die klagende Partei wäre an sich in der Lage, das Bauprojekt mit erweiterten Eigenmitteln oder Ausdehnung des Kapitalmarktdarlehens zu beginnen. Da aber die Erbauung mit Wohnbauförderung billiger komme und es ökonomischer sei, den Gesamtbau in einem durchzuführen und dies erst nach Räumung des Grundstückes der Beklagten möglich wäre, sei mit dem Bau noch nicht begonnen worden. Die Erste Österreichische Spar-Casse habe sich bereit erklärt, im Sinne des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 ein Darlehen von S 28,579.950 zu gewähren, und die Durchführungsfrist für diese Vorpromesse bis 31. Dezember 1985 verlängert. Nach Erteilung der Wohnbauförderung und Freimachung des Grundstückes werde mit dem Bau begonnen werden. Der öffentlich-rechtliche Interessensbescheid beziehe sich auf das in Bestand genommene Grundstück. Die Voraussetzungen nach § 30 Abs 2 Z 15 MRG seien daher gegeben. Die klagende Partei sei Alleineigentümerin der Liegenschaft, das Bestandobjekt sei ausreichend individualisiert. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Da schon die Rechtsrüge berechtigt sei, sei auf die Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Tatsachenfeststellung nicht einzugehen. Voraussetzung für die Verwirklichung des Kündigungstatbestandes nach § 30 Abs 2 Z 15 MRG sei unter anderem, daß ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befinde, abgetragen oder umgebaut werden solle. Weder die Regelung des § 30 Abs 2 Z 15 MRG noch eine andere Bestimmung des Mietrechtsgesetzes bestimme den für die Anwendbarkeit des zitierten Kündigungstatbestandes maßgebenden Begriff des Miethauses näher. Der Ausdruck Miethaus deute nach dem Ergebnis seiner Wortinterpretation ganz allgemein auf das Vorliegen eines in Bestand genommenen Gebäudes ohne Rücksicht auf seinen Verwendungszweck hin. Unter dem Begriff Miethaus sei daher nur ein räumlich (dreidimensional) abgegrenztes in Bestand gegebenes Gebilde zu verstehen, was bei einer in Bestand gegebenen Fläche (Liegenschaft) nicht zutreffe. Es könne daher von einem Abbruch oder Umbau eines Gebäudes bzw. Teiles eines Gebäudes, in dem der Bestandgegenstand liege, nicht gesprochen werden. Aufgrund des Bestandvertrages vom 1. Februar 1938 sei Bestandgegenstand nur eine Liegenschaft, auf der sich bereits ein Superädifikat befunden habe; die Beklagte leite ihre Bestandrechte an dieser Liegenschaft aus diesem Bestandvertrag ab und habe durch Einantwortungsurkunde vom 19. März 1979 Eigentumsrechte am Superädifikat erworben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist berechtigt.

Durch das Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes hat sich nichts daran geändert, daß die Kündigungsbeschränkungen kraft analoger Anwendung auch dann gelten, wenn zwar nur ein Grundstück in Bestand genommen wurde, auf diesem Grundstück sich aber ein mit Zustimmung des Vermieters zu (dauernden) Wohnzwecken benütztes Superädifikat befindet (SZ 57/194; JBl 1985, 107 mwN ua; Schilcher im Handbuch zum MRG 53 ff). Bei solchen Superädifikaten, die auf vermieteten Grundstücken errichtet wurden, handelt es sich somit um Räume (SZ 57/194; JBl 1985, 107; 6 Ob 517/85). Fallen aber diese Grundstücksmieten nur kraft Analogie in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes, dann kann das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 15 MRG nicht schon deshalb verneint werden, weil es sich beim Superädifikat um kein Miethaus, sondern um ein im Eigentum des Grundstückmieters stehendes Bauwerk handelt, wäre doch sonst der Bestandnehmer eines Grundstückes mit bestehendem Superädifikat, dem überhaupt erst kraft Analogie die Kündigungsschutzbestimmungen des Mietrechtsgesetzes zugutekommen, weiterreichend geschützt als der Mieter einer Wohnung, der in den unmittelbaren Anwendungsbereich des Gesetzes fällt. Für diesen Sonderfall kann daher die Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 15 MRG sinngemäß nur dahin verstanden werden, daß ein wichtiger Kündigungsgrund dann vorliegt, wenn das auf der gemieteten Grundstücksfläche errichtete, im Eigentum des Mieters stehende Superädifikat abgetragen werden soll und die weiteren Voraussetzungen nach § 30 Abs 2 Z 15 MRG gegeben sind. Nur diese Ansicht entspricht auch der historischen Entwicklung dieser Kündigungsschutzbestimmung. Der Gesetzgeber verwendete den Begriff Miethaus, soweit ersichtlich, erstmals im Bundesgesetz über die Änderung mietrechtlicher Vorschriften und über Mietzinsbeihilfen, BGBl. 1974/409. Die bisherige Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 4 a MG, wonach ein wichtiger Grund zur Kündigung dann vorliegt, wenn ein Gebäude abgetragen werden soll und mit dem Abbruch die Errichtung eines neuen Baues sichergestellt ist und die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, daß der geplante Neubau aus zum Teil im Gesetz namentlich aufgezählten Gründen im öffentlichen Interesse liegt, sollte durch die Bestimmungen des § 19 Abs 2 Z 4 a MG, deren Nachfolgevorschrift § 30 Abs 2 Z 15 MRG ist, und § 19 Abs 2 Z 4 b MG ersetzt werden. Wie sich sowohl aus der RV, 852 BlgNR 13. GP 22, als auch aus dem AB, 1261 BlgNR 13. GP 3, ergibt, verstand der Gesetzgeber unter Miethaus nichts anderes als ein Gebäude im Sinne des früheren § 19 Abs 2 Z 4 a MG. Die Tatbestände des § 19 Abs 2 Z 4 a und b MG sollten somit nach dem Willen des Gesetzgebers den bisher geltenden Kündigungstatbeständen folgen und daran nichts ändern. Superädifikate waren aber Gebäude im Sinne des § 19 Abs 2 Z 4 a MRG vor seiner Novellierung im Jahr 1974 (VwSlg 4501/A; VfSlg. 3109/1956), sodaß sowohl der neu geschaffene § 19 Abs 2 Z 4 a MG als auch, da der Gesetzgeber des Mietrechtsgesetzes im allgemeinen nicht die Absicht hatte, die Kündigungsgründe inhaltlich einer wesentlichen Änderung zu unterziehen (1 Ob 567/86, 7 Ob 591/84), die Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 15 MRG auch auf den Fall anzuwenden ist, daß nicht ein vermietetes Gebäude, sondern ein auf einem in Bestand genommenen Grundstück errichtetes Superädifikat abgetragen werden soll. Der Revision ist Folge zu geben und, da das Berufungsgericht von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht ausgehend, die weiter geltend gemachten Berufungsgründe nicht prüfte, das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E09521

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00616.86.1117.000

Dokumentnummer

JJT_19861117_OGH0002_0010OB00616_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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