TE OGH 1986/11/18 14Ob193/86

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Veröffentlicht am 18.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith, sowie die Beisitzer Dr. Anton Haschka und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef H***, Radladerfahrer, Gratkorn, Dultstraße 808, vertreten durch Dr. Hans Bayer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Gero D*** und 2.) Arno D***, Steinbruchunternehmer in Graz, Andritzer Reichstraße 160, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 217.413,81 s.A. infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 5. Juni 1986, GZ. 2 Cg 22/86-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 14. November 1985, GZ. 1 Cr 109/84-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 7.928,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 720,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1.4.1963 im Steinbruchunternehmen des 1983 verstorbenen Dr. Gero D***, das während des Rechtsstreits auf die nunmehr Beklagten als eingeantwortete Erben überging, als Radladerfahrer im Arbeitsverhältnis beschäftigt (im folgenden wird das Unternehmen als "beklagte Partei" bezeichnet). Auf das Dienstverhältnis des Klägers fand der Kollektivvertrag für Steinarbeiter (KV) Anwendung. Der Kläger wurde am 26.3.1984 mit der Begründung fristlos entlassen, er habe der beklagten Partei Konkurrenz gemacht.

Der Kläger bestritt das Vorliegen dieses Entlassungsgrundes und begehrt von der beklagten Partei zuletzt an Kündigungsentschädigung, anteiliger Weihnachtsremuneration und anteiligem Urlaubszuschuß bis zur Entlassung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung den der Höhe nach unbestrittenen Gesamtbetrag von S 217.413,81 s.A. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Kläger habe gegen das Konkurrenzverbot verstoßen, weil er im Geschäftszweig der beklagten Partei eine Gewerbeberechtigung für die Ausübung von Erdbewegungsarbeiten erworben, sich einen gebrauchten Radlader der Type Kaelble SL 12 angeschafft und damit Arbeiten ausgeführt habe.

Der Kläger erwiderte, er habe nach dem Tode des bisherigen Firmenchefs befürchtet, gekündigt zu werden, und daher die Gewerbeberechtigung und den Radlader erworben. Die beklagte Partei habe erklärt, Arbeiten, die für den Radlader SL 12 bestimmt seien, in Hinkunft nicht mehr vorzunehmen. Der Kläger habe die ihm auf Grund der Gewerbeberechtigung zustehenden Befugnisse niemals ausgeübt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte fest, daß der Beklagte zwar vorgehabt habe, über "kurz oder lang" das Deichgräbergewerbe im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auszuüben, daß er aber bis zur Entlassung nur interne Vorbereitungen zur Eröffnung des eigenen Betriebes getroffen habe. Er habe damit bis zur Entlassung noch keine seiner Verwendung beim Gewerbe (der beklagten Partei) abträgliche Nebentätigkeit iS des § 82 lit e zweiter Fall GewO 1859 betrieben.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und bestätigte das Ersturteil. Es legte seiner Entscheidung folgenden wesentlichen Sachverhalt zugrunde:

Die beklagte Partei besitzt eine Gewerbeberechtigung für das Steinbruchunternehmen und die Ausübung der Deichgräberei. Sie übte diese Gewerbe bis Dezember 1983 mit 4 Radladern der Type Kaelble SL 12, SL 18 (hievon 2 Geräte) und SL 25 aus, die sie sowohl im Steinbruch als auch bei auswärtigen Erdbewegungsarbeiten verwendete. Die Geräte SL 18 und SL 25 setzte die beklagte Partei überwiegend im Steinbruck und bei Erdbewegungsarbeiten in der Nähe ein. Für kleinere Baustellen (insbesondere Aushubarbeiten bei "Häuslbauern") ist der Einsatz des kleineren Radladers SL 12 günstiger, weil dieser straßenverkehrstauglich ist, während die größeren Geräte auf Straßen entweder unter Begleitschutz oder auf Tiefladern transportiert werden müssen. Die beklagte Partei übernahm auch Aufträge von "Häuslbauern", bei denen hauptsächlich der Kläger als Radladerfahrer tätig wurde.

Der Kläger erwarb, ohne die beklagte Partei zu verständigen, am 12.12.1983 einen Gewerbeschein für das freie Deichgräbergewerbe mit einem Standort, der von jenem der beklagten Partei nur etwa 1 km entfernt ist. Er bezahlte bei der Handelskammer die Inkorporationsgebühr von S 5.000,-. Im Dezember 1983 tauschte die beklagte Partei ihren Radlader SL 12 bei der Firma K*** gegen ein größeres und leistungsstärkeres Gerät der Type SL 25 ein. Der Kläger erwarb das zurückgegebene Gerät von der Fa. K***, ohne die beklagte Partei darüber zu informieren. Dem Geschäftsführer der Fa. K*** in Wien teilte der Kläger mit, daß "mit der beklagten Partei alles in Ordnung wäre", weil sonst die Fa. K*** mit Rücksicht auf die langjährigen Geschäftsbeziehungen zur beklagten Partei dem Kläger das Gerät nicht verkauft hätte.

Das Gerät war bei Lieferung an den Kläger am 14.2.1984 einsatzfähig. Der Kläger zerlegte es jedoch aus Gründen der Betriebssicherheit teilweise, baute es wieder zusammen und lackierte es, was etwa 8 Wochen in Anspruch nahm. All dies tat der Kläger in der Absicht, sich mit dieser Maschine und mit seiner Gewerbeberechtigung etwas dazuzuverdienen. Bevor der Kläger dazukam, ein eigenes Firmenschild auf dem Gerät anzubringen, und bevor er seinen ersten Auftrag erhielt ( - dies war im April oder Mai 1984 - ), wurde er von der beklagten Partei entlassen. Nach der Entlassung meldete der Kläger sein Gewerbe für kurze Zeit ruhend. Seither übt er es neben einer anderen unselbständigen Erwerbstätigkeit aus.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, es sei für die Abträglichkeit der Tätigkeit des Klägers allein maßgebend, daß er mit dem erworbenen Gerät und seiner Gewerbeberechtigung dieselben Arten von Arbeiten, also auch größere Erdbewegungen, durchführen könne wie die beklagte Partei mit ihren Geräten. Ob die beklagte Partei die ihr verbliebenen Geräte auch beim Bau von Einfamilienhäusern einsetzen könne, sei nicht entscheidend. Ein Verzicht der beklagten Partei, auswärtige Erdarbeiten durchzuführen, sei nicht erwiesen.

Dennoch liege der Entlassungstatbestand des § 82 lit e zweiter Fall GewO 1859 nicht vor, weil dies voraussetze, daß der Dienstnehmer eine Tätigkeit entfaltet habe, in der sich die Abträglichkeit seiner Verwendung im Gewerbe des Dienstgebers zeige. Auch von einem "Nebengeschäft" könne hier noch nicht gesprochen werden, weil der Kläger noch nicht an Geschäftspartner herangetreten sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Parteien ist nicht berechtigt.

Der Kläger war nicht Angestellter, sondern Arbeiter, so daß die Beurteilung der Berechtigung seiner vorzeitigen Entlassung nach § 82 GewO 1859 (aufrechterhalten durch § 376 Z 47 Abs. 1 GewO 1973) zu prüfen ist. Gemäß § 82 lit e zweiter Fall GewO 1859 kann ein Hilfsarbeiter vor Ablauf der ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Dauer des Arbeitsverhältnisses sofort entlassen werden, wenn er ohne Einwilligung des Gewerbeinhabers ein der Verwendung beim Gewerbe abträgliches Nebengeschäft betreibt. Nach Lehre (Adler-Höller in Klang 2 V 335; Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht I 2 227) und Rechtsprechung (Arb. 5.200, 6.239, 9.517, 10.267) enthält § 82 GewO 1859 eine taxative Aufzählung der Entlassungsgründe, was allerdings seine ausdehnende Anwendung auf einen nach Beschaffenheit und Bedeutung gleichwertigen Tatbestand nicht ausschließt (Arb. 5.200; SZ 35/120; Arb. 9.517, 10.267).

§ 82 lit e zweiter Fall GewO 1859 verlangt das Betreiben eines (der Verwendung des Dienstgebers beim Gewerbe) abträglichen Nebengeschäfts. Unter einem solchen "Nebengeschäft" ist die tatsächliche Besorgung von Arbeiten durch einen Dienstnehmer außerhalb des Geschäftsbetriebes seines Dienstgebers in der Absicht zu verstehen, sie wiederholt unter Verwendung von Zeit und Mühe zu verrichten (Kuderna, Entlassungsrecht 65; Arb. 10.267). Das vom Dienstnehmer betriebene Nebengeschäft muß der Verwendung beim Gewerbe abträglich sein. Es muß sich also nachteilig auf die Verwendung des Dienstnehmers im Gewerbe seines Dienstgebers und damit auch auf dessen Betrieb auswirken.

Der Nachteil für den Dienstgeber kann zunächst darin liegen, daß die Nebenbeschäftigung die Arbeitsleistung des Dienstnehmers in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, so daß er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann (Kuderna aaO; Heinrich, Sind Nebenbeschäftigungen zulässig ?, RdW 1986, 18 [19]; Arb. 9.517, 10.267), was aber nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht in Betracht kommt. Eine schwere Verletzung der gegenüber dem Dienstgeber bestehenden Treuepflicht stellt es aber auch dar, wenn der Dienstnehmer das Nebengeschäft im Gewerbe des Dienstgebers betreibt, also seinem Dienstgeber Konkurrenz macht.

Das setzt jedoch - ebenso wie der ähnliche Tatbestand des § 27 Z 3 erster Fall AngG (Betreiben eines selbständigen kaufmännischen Unternehmens) voraus, daß bereits ein Nebengeschäft tatsächlich ausgeübt wird. Die bloße Gründung eines selbständigen kaufmännischen Unternehmens ohne Aufnahme des Geschäftsbetriebes reicht für die Tatbestandsverwirklichung nicht aus (Kuderna, Entlassungsrecht 91 f zu § 27 Z 3 erster Fall AngG). Die entgegengesetzte Ansicht von Krejci in Rummel, ABGB, Rz 125 stützt sich auf die E des LG Wien, Arb 6.704, in der aber der Entlassungsgrund darin gesehen wurde, daß die Gründung des Konkurrenzunternehmens in Form einer Gesellschaft "mit Wirksamkeit vor Beendigung des Dienstverhältnisses" erfolgte und damit dem Gesellschafter des beklagten Dienstnehmers die Möglichkeit eröffnet wurde, noch vor Lösung des Dienstverhältnisses des anderen Gesellschafters Geschäfte abzuschließen. Vorbereitende interne Handlungen zur künftigen Ausübung einer selbständigen Berufstätigkeit fallen nicht unter das Konkurrenzverbot (Arb 8.899 zu § 27 Z 3 AngG; Arb. 10.267 zu § 82 lit e zweiter Fall GewO 1859). In der letztgenannten Entscheidung bejahte der erkennende Senat nur deshalb die Berechtigung der Entlassung, weil der Arbeitnehmer, der ab Beendigung seines Arbeitsverhältnisses (31.12.1980) ein Konkurrenzunternehmen betreiben wollte, schon vor dieser Beendigung mit der Kundenwerbung begonnen hatte, ohne darauf hinzuweisen, daß er erst ab 1.1.1981 tätig werden dürfe. Ist das Unternehmen einmal gegründet, so wird meist der Versuch, Geschäfte abzuschließen, als Aufnahme des Geschäftsbetriebes zu werten sein (Kuderna aaO 93). Auf ähnlicher Wertung beruht auch die Entscheidung des erkennenden Senates Arb. 10.323, in der ausgesprocren wurde, daß der Versuch eines Arbeitnehmers (Speisewagenbediensteten), im Dienst betriebsfremde Ware auf eigene Rechnung zu verkaufen, den Tatbestand des § 82 lit e zweiter Fall GewO 1859 verwirkliche. Im vorliegenden Fall war der Tatbestand des § 82 lit e zweiter Fall GewO 1859 im Zeitpunkte der Entlassung noch nicht erfüllt. Der Erwerb eines Gewerbescheines und die Anschaffung eines gebrauchten Radladers sowie dessen Generalüberholung waren nur Vorbereitungshandlungen für das künftige Betreiben eines Nebengeschäftes. Daß sich der Kläger im Zeitpunkte der Entlassung bereits um Kundenaufträge bemüht hatte, ist nicht erwiesen. Es bestand immer noch die Möglichkeit, daß er um die Zustimmung der beklagten Partei zu der von ihm geplanten Nebentätigkeit angesucht und, wenn er sie nicht erhalten hätte, zunächst sein Dienstverhältnis ordnungsgemäß zur Auflösung gebracht und erst dann den Geschäftsbetrieb aufgenommen hätte. Daß der Kläger die Absicht hatte, sich mit dem Radlader und seiner Gewerbeberechtigung "etwas dazuzuverdienen", besagt auch nicht, daß er der beklagten Partei unter Aufrechterhaltung seines Dienstverhältnisses unerlaubte Konkurrenz machen wollte, weil das beabsichtigte "Dazuverdienen" auch neben einer anderen unselbständigen Tätigkeit in Betracht kam. Im übrigen stellt die bloße Absicht, künftig ein der Verwendung beim Gewerbe abträgliches Nebengeschäft zu betreiben, den Tatbestand des § 82 lit. e zweiter Fall GewO 1859 nicht her. Die Entlassung des Klägers ist daher von den Vorinstanzen zutreffend als nicht berechtigt erkannt worden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E09591

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00193.86.1118.000

Dokumentnummer

JJT_19861118_OGH0002_0140OB00193_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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