Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl, Dr.Resch, Dr.Kuderna und Dr.Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** A***, Wien 9., Spitalgasse 31,
vertreten durch Dr.Norbert Schöner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö*** I*** reg.
Genossenschaft mbH., Wien 7., Kaiserstraße 33, vertreten durch Dr.Otto Kunze, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 301.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 27.Juni 1986, GZ 3 R 43/86-12, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 20.Dezember 1985, GZ 38 Cg 487/85-6, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 10.766,25 S bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 978,75 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die beklagte Genossenschaft ist Inhaberin einer Gewerbeberechtigung zum Handel mit allen von ihren Mitgliedern in deren bienenwirtschaftlichen Betrieben erzeugten Gegenständen und Waren, mit Imkerbedarfsartikeln, Met, Lebkuchen und Kanditen aus Honig sowie mit Kerzen. Sie vertreibt "Fumidil B", eine Arzneispezialität zur Verhütung der Nosemaseuche bei Bienen. Am 1. Oktober 1985 kaufte Dr. Peter K*** - ein Angestellter des klagenden Ö*** A***, der weder
Genossenschafter der Beklagten noch Imker ist - in den Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten im 7. Wiener Gemeindebezirk eine Packung "Fumidil B"-Pulver, ohne daß er gefragt worden wäre, ob er Imker sei. Der hiefür verlangte Preis von 127,50 S entspricht dem Selbstkostenpreis der Beklagten, welche auf ihren Einkaufspreis nur 7 % für verschiedene unvermeidbare Nebenleistungen aufschlägt.
Mit der Behauptung, daß die Beklagte durch diesen Verkauf eines Arzneimittels gegen den sogenannten "Apothekenvorbehalt" nach § 57 Abs 1 des Arzneimittelgesetzes verstoßen und sich damit nicht nur gegenüber den Apotheken, sondern auch gegenüber ihren gesetzestreuen Mitbewerbern einen sittenwidrigen Wettbewerbsvorteil verschafft habe (§ 1 UWG), beantragt der Kläger, zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches der Beklagten mit einstweiliger Verfügung das Beliefern von Letztverbrauchern mit Arzneimitteln und Arzneispezialitäten, insbesondere "Fumidil B", zu untersagen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Da es schon vor Jahren wiederholt zu Unzukömmlichkeiten gekommen sei, weil einerseits ein dringender Bedarf nach "Fumidil B" bestanden habe, dieses Präparat aber in öffentlichen Apotheken nicht vorrätig gewesen sei, sei der Ö*** I*** an das Bundesministerium für soziale Verwaltung herangetreten. Dieses habe mit Schreiben vom 2.April 1971 keinen Einwand dagegen erhoben, daß der Ö*** I*** und die I***
Ö*** das angeführte Produkt in einer öffentlichen Apotheke kaufen und nicht über dem Selbstkostenpreis an die Verbraucher abgeben. Im Sinne dieser Ermächtigung habe auch die Beklagte gehandelt; sie sei lediglich Besorger und Verteiler und ziehe daraus keinen wirtschaftlichen Gewinn.
Das Erstgericht verbot der Beklagten - ohne ausdrückliche Abweisung des Mehrbegehrens - das Beliefern von Letztverbrauchern mit Arzneimitteln und Arzneispezialitäten, insbesondere "Fumidil B", sofern es sich bei den Letztverbrauchern nicht um Imker handelt. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:
Mit Schreiben vom 2.April 1971 (Beilage 2) hatte das Bundesministerium für soziale Verwaltung dem Ö***
I*** mitgeteilt, daß es von seinem Standpunkt gegen einen Bezug von "Fumidil B-Pulver ad us. vet." (Spez.Reg. Nr. 10.317) durch die I*** Ö*** zum Zweck der Weitergabe an die Tierhalter (Imker) keinen Einwand erhebe, sofern das Präparat aus einer öffentlichen Apotheke beschafft und von den "genannten Verteilern in der Funktion als Besorger" an die Verbraucher nicht über dem Selbstkostenpreis abgegeben werde.
Die Beklagte bezieht "Fumidil B" von einer öffentlichen Apotheke in Wels.
Rechtlich meinte das Erstgericht, daß sich die Beklagte entsprechend dem Schreiben des Bundesministeriums für soziale Verwaltung bei jedem Verkauf von "Fumidil B" davon überzeugen müsse, ob der Käufer tatsächlich Imker ist. Durch das Unterlassen einer solchen - mit einfachen Mitteln durchzuführenden und daher ohne weiteres zumutbaren - Kontrolle habe die Beklagte im vorliegenden Fall gegen § 59 Abs 1 des Arzneimittelgesetzes und damit auch gegen § 1 UWG verstoßen. Dem vom Kläger beantragten Verbot sei jedoch im Einklang mit dem Klagevorbringen und den Ergebnissen des Bescheinigungsverfahrens eine klarere und deutlichere Fassung zu geben gewesen.
Während der vom Kläger gegen den abweisenden Teil dieses Beschlusses erhobene Rekurs erfolglos blieb, gab das Rekursgericht dem Rekurs der Beklagten Folge und wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab; zugleich sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Das Verhalten der Beklagten verstoße zwar objektiv gegen die den sogenannten "Apothekenvorbehalt" regelnden Verwaltungsvorschriften (§ 59 des Arzneimittelgesetzes in Verbindung mit den drei sogenannten "Abgrenzungsverordnungen"); es könne ihr aber angesichts des bereits erwähnten Schreibens des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 2.April 1971 subjektiv nicht vorgeworfen werden. Das gelte auch nach dem Inkrafttreten des neuen Arzneimittelgesetzes, weil "Fumidil B" sowohl nach der alten als auch nach der neuen Rechtslage als Arzneimittel anzusehen sei und sich am Inhalt des sogenannten "Apothekenvorbehalts" durch das Außerkrafttreten der Spezialitätenordnung 1947 und das Inkrafttreten der Arzneispezialitätenordnung BGBl.1985/82 nichts geändert habe. Wenn das zuständige Bundesministerium - sei es auch vielleicht ohne Deckung durch das Gesetz - ein bestimmtes Vorgehen ausdrücklich billige, dann könne demjenigen, der von einer solchen Ermächtigung Gebrauch macht, ein Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften und damit sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG jedenfalls subjektiv nicht mehr vorgeworfen werden.
Gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Beschlusses der ersten Instanz; hilfsweise wird auf Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Auf die Rechtsmittelausführungen des Klägers, welche sich ausschließlich gegen die Annahme eines unverschuldeten Rechtsirrtums auf der Seite der Beklagten wenden, braucht schon deshalb nicht weiter eingegangen zu werden, weil nicht bescheinigt ist, daß die Beklagte beim Verkauf des Präparates "Fumidil B" an den Testkäufer Dr. Peter K*** "zu Zwecken des Wettbewerbs" im Sinne des § 1 UWG gehandelt hat: Nicht jedes Verhalten eines Unternehmers im Geschäftsverkehr verfolgt Zwecke des Wettbewerbs; zur "Wettbewerbshandlung" wird es erst im Rahmen des Wettstreites mit den Konkurrenten. Die beanstandete Handlung muß daher nicht nur objektiv geeignet sein, den Absatz der Waren oder Leistungen eines - meist des eigenen - Unternehmens zu fördern, sondern darüber hinaus auch subjektiv von der entsprechenden Wettbewerbsabsicht getragen werden (ÖBl. 1983, 9 mwN uva). Daß aber auch dem hier beanstandeten Verstoß gegen § 57 Abs 1 des Arzneimittelgesetzes eine solche Absicht der Beklagten zugrunde gelegen wäre, hat der Kläger selbst nicht schlüssig behauptet: Sein Hinweis darauf, daß sich die Beklagte auf diese Weise einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den "gesetzestreuen Apotheken" verschafft hätte, wird durch die als bescheinigt angenommene Tatsache widerlegt, daß die Beklagte das Präparat "Fumidil B" gerade aus einer öffentlichen Apotheke bezogen und solcherart jede Beeinträchtigung des Absatzes der öffentlichen Apotheken bewußt vermieden hat. Worin aber der sittenwidrige Wettbewerbsvorsprung der Beklagten gegenüber denjenigen Kaufleuten bestehen soll, "die es unterlassen, in wettbewerbswidriger Weise Arzneimittel und Arzneispezialitäten zu verkaufen", ist angesichts des Umstandes, daß die Beklagte das mehrfach genannte Präparat zum Selbstkostenpreis abgegeben hat und damit tatsächlich nur als "Besorger und Verteiler" aufgetreten ist, nicht zu erkennen. Bei dieser Sachlage ist der angefochtene Beschluß schon wegen Fehlens einer "Wettbewerbshandlung" auf der Seite der Beklagten zu bestätigen und dem Revisionsrekurs des Klägers ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 52 ZPO in Verbindung mit §§ 78, 402 Abs 2 EO.
Anmerkung
E09583European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0040OB00386.86.1118.000Dokumentnummer
JJT_19861118_OGH0002_0040OB00386_8600000_000