Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Kuderna sowie die Beisitzer Dr.Anton Haschka und Mag.Karl Dirschmied als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian B***, Lehrling, Schwanenstadt, Mitterhoferstraße 1, vertreten durch Wolfgang Prammer, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich in Linz, dieser vertreten durch Dr.Ulf Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Irmtrud S***, Gastwirtin in Kirchdorf, Bahnhofstraße 14, wegen restlicher 8.750 S sA und Ausstellung eines Lehrzeugnisses (Streitwert 3.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 10. Juli 1985, GZ 17 Cg 51/84-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Bad Ischl vom 10. April 1984, GZ Cr 39/84-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher
Sitzung
I. den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Die Revisionsbeantwortung der Beklagten wird zurückgewiesen. II. zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Unter Hinweis auf den zwischen den Parteien am 17.Mai 1983 abgeschlossenen Lehrvertrag begehrt der Kläger von der Beklagten (ua) die Zahlung von 8.750 S sA aus dem Titel des Schadenersatzes nach § 1162 b ABGB sowie die Ausstellung eines Lehrzeugnisses für die Zeit vom 17.Mai bis 27.Dezember 1983. Da sich die Beklagte am 24. Dezember 1983 geweigert habe, den Kläger in dem vereinbarten Lehrberuf eines Kochs weiter auszubilden, sei der Kläger mit Schreiben vom 27.Dezember 1983 vorzeitig ausgetreten. Auch die Ausstellung eines dem Gesetz (§ 16 Abs 1 des Berufsausbildungsgesetzes) entsprechenden Lehrzeugnisses sei von der Beklagten abgelehnt worden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung dieser Urteilsanträge. Da sie die Ausübung des Gewerbes im vereinbarten Ausbildungsstandort Gmunden, Toscanapark 6, mit 23.Dezember 1983 eingestellt habe, sei das Lehrverhältnis an diesem Tag kraft Gesetzes beendet worden. Die Auflösungserklärung des Klägers vom 27.Dezember 1983 sei daher ins Leere gegangen.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Das von den Parteien mit Wirkung vom 17.Mai 1983 begründete Lehrverhältnis sollte - unter Berücksichtigung einer Vorlehrzeit vom 1. August 1982 bis 27.April 1983 - vereinbarungsgemäß am 19.August 1985 enden.
Schon während des Berufsschulbesuches im Herbst 1983 wurde der Kläger von Lehrkräften und Mitschülern darauf angesprochen, daß es Gerüchte gebe, nach denen sein Lehrbetrieb demnächst zusperren werde. Als sich der Kläger deshalb bei der Beklagten erkundigte, wurde ihm mitgeteilt, daß dies zwar möglich, aber noch nicht sicher sei. Dem Kläger wurde nie erklärt, daß der Betrieb in Gmunden tatsächlich geschlossen werde.
Der Berufsschulbesuch des Klägers endete am 23.Dezember 1983. Am darauffolgenden Tag fuhr der Kläger mit seinem Vater zur Beklagten nach Kirchdorf. Das Ersuchen, den Kläger weiter auszubilden, lehnte die Beklagte ab; zugleich übergab sie ihm eine mit 24.Dezember 1983 datierte "Bestätigung" mit folgendem Wortlaut:
"Es wird hiermit bestätigt, daß der Lehrling Christian B***, im Toscana Restaurant tätig bis zum 23.12.1983, sämtliche ihm zustehenden Urlaube ausbezahlt bekommt und zusätzlich 8 Tage Zeitausgleich.
Das Lehrverhältnis wurde zum 23.Dezember 1983 wegen Betriebsauflösung beendet."
Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 27.Dezember 1983 unter Hinweis darauf, daß die Beklagte es abgelehnt habe, ihn im Lehrberuf Koch weiterhin auszubilden, die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses nach § 15 Abs 4 lit b des Berufsausbildungsgesetzes (BAG).
Mit Schreiben vom 29.Dezember 1983 bestätigte die Traunsee-Fremdenverkehrsgesellschaft mbH in Linz als Verpächterin des Cafe-Restaurants in der Villa Toscana in Gmunden gegenüber der Beklagten die Auflösung des Pachtverhältnisses. Dieses Schreiben hatte folgenden Wortlaut:
"Betrifft: Lösung des Pachtverhältnisses
Sehr geehrte Frau S***!
Bezugnehmend auf die in gegenständlicher Angelegenheit geführten
Gespräche halten wir hiermit fest, daß das mit Pachtvertrag vom
9. September 1982 begründete Pachtverhältnis hinsichtlich ... der
Villa Toscana per 23.Dezember 1983 einvernehmlich gelöst wurde. Es
erlöschen somit auch die Verpachtung der Konzessionsdekrete der
Bezirkshauptmannschaft Gmunden .... (Cafe-Restaurant in der Villa
Toscana).
Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden sowie die Lehrlingsstelle der o. ö. Handelskammer werden von uns von der Beendigung der Pachtverhältnisse abschriftlich verständigt."
Eine Abschrift dieses Schreibens wurde der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, Gewerbereferat, übermittelt, wo sie am 30.Dezember 1983 einlangte. Mit Verständigung vom 2.Jänner 984 teilte die Bezirkshauptmannschaft Gmunden den in der Gewerbeordnung vorgesehenen Stellen und auch der Beklagten selbst mit, daß die Ausübung des Gewerbes durch die Pächterin mit Wirkung vom 23. Dezember 1983 beendet worden sei.
Rechtlich meinte das Erstgericht, daß ein mit dem Pächter eines Gewerbebetriebes eingegangenes Lehrverhältnis gemäß § 14 Abs 2 lit b (richtig: lit d) BAG auch dann sein Ende finde, wenn das Recht des Pächters zur Ausübung des Gewerbes erlösche; das sei gemäß § 40 Abs 3 GewO mit dem Zeitpunkt des Widerrufes der Übertragung, spätestens aber mit der Beendigung des Pachtverhältnisses anzunehmen. Dabei komme es entscheidend auf den Zeitpunkt an, in welchem die Erklärung des Verpächters, daß das Gewerbe nun nicht mehr vom Pächter ausgeübt werde, bei der Gewerbebehörde einlangt. Da eine solche Erklärung im vorliegenden Fall erst am 30.Dezember 1983 der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zugekommen sei, sei die Beklagte am 24.Dezember 1983 noch zur Ausübung ihrer Tätigkeit iS des § 14 Abs 2 lit b (richtig: lit d) BAG befugt und ihre an diesem Tag erklärte Weigerung, den Kläger weiterhin auszubilden, rechtswidrig gewesen. Der gerechtfertigte Austritt des Klägers verpflichte die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung nach § 1162 b ABGB. Auch das Begehren auf Ausstellung eines ordnungsgemäßen Lehrzeugnisses sei berechtigt, weil die "Bestätigung" vom 24.Dezember 1983 den gesetzlichen Anforderungen (§ 16 Abs 1 Satz 2 BAG) nicht entspreche.
Das Urteil des Erstgerichtes wurde von der Beklagten mit Berufung angefochten. In der mündlichen Berufungsverhandlung stellten die Parteien außer Streit, daß die Beklagte dem Kläger ein ordnungsgemäßes Lehrzeugnis mit Beendigungsdatum 23.Dezember 1983 ausgestellt hat.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Prozeßgericht erster Instanz. Ergänzend nahm es folgenden weiteren Sachverhalt als erwiesen an:
In dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Lehrvertrag schien als Lehrberechtigte "Irmtrud S***, 4810 Gmunden, Toscana Park 6" auf; der Gegenstand des Betriebes wurde mit "Restaurant" bezeichnet und der Standort der Betriebsstätte mit "4810 Gmunden, Toscana Park 6" angegeben. Der Lehrvertrag wurde von der Beklagten eigenhändig unterfertigt und mit der Firmenstampiglie "Toscana-Cafe-Restaurant Familie S***, A-4810 Gmunden, Toscana-Park 6" versehen.
Rechtlich ging das Berufungsgericht vom Wortlaut des § 40 Abs 3 GewO aus, wonach das Recht des Pächters zur Ausübung des Gewerbes mit dem Widerruf der Übertragung, spätestens aber mit der - nach den zivilrechtlichen Bestimmungen zu beurteilenden - Beendigung des Pachtverhältnisses erlösche. Nach einer einvernehmlichen Auflösung des Pachtverhältnisses, wie sie hier vorliege, sei infolgedessen der Pächter auch dann nicht mehr zur Ausübung des Gewerbes berechtigt, wenn die im Gesetz vorgeschriebene Anzeige des Verpächters noch nicht bei der Gewerbebehörde eingelangt ist. Die Befugnis der Beklagten zur Ausübung des Gewerbes im Standort Gmunden, Toscana-Park 6, sei demnach mit der einvernehmlichen Auflösung des Pachtverhältnisses am 23.Dezember 1983 erloschen und die Beklagte demgemäß am 24.Dezember 1983 weder berechtigt noch verpflichtet gewesen, den Kläger weiter auszubilden. Infolge dieser kraft Gesetzes eingetretenen Beendigung des Lehrverhältnisses sei die Auflösungserklärung des Klägers vom 27.Dezember 1983 ohne rechtliche Wirkungen geblieben. Der Kläger habe weder Anspruch auf eine Entschädigung nach § 1162 b ABGB noch auf das von ihm begehrte Lehrzeugnis mit dem Lehrzeitende "27.12.1983".
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird im Umfang dieser (Teil-)Abweisung des Klagebegehrens vom Kläger mit Revision aus dem Grunde des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung "im Umfang der Anfechtung" (ersichtlich gemeint: im Sinne der Wiederherstellung des insoweit stattgebenden Urteils der ersten Instanz) abzuändern.
Eine Ausfertigung dieser Revisionsschrift wurde dem damaligen Bevollmächtigten der Beklagten, Dr. Helmut A***, am 15. Oktober 1985 zugestellt. Die von dem nunmehr als Beklagtenvertreter einschreitenden - allerdings nicht ordnungsgemäß ausgewiesenen - Rechtsanwalt Dr. Franz H*** am 18.November 1985, also erst nach Ablauf der vierwöchigen Notfrist des § 507 Abs 2 Satz 1 ZPO, zur Post gegebene Revisionsbeantwortung war demgemäß als verspätet zurückzuweisen.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger hält die Entscheidung des Berufungsgerichtes deshalb für verfehlt, weil es bei der kraft Gesetzes eintretenden Beendigung des Lehrverhältnisses nach § 14 Abs 1 (richtig: Abs 2) lit d BAG nicht auf den Willen der Lehrvertragsparteien zur Beendigung ihrer vertraglichen Beziehungen, sondern nur auf die dem öffentlich-rechtlichen Bereich angehörende Anzeige bei der Gewerbebehörde ankomme; erst durch dieses in § 345 GewO vorgeschriebene Verfahren werde die Behörde in die Lage versetzt, die Gesetzmäßigkeit des angezeigten Sachverhaltes zu prüfen. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden:
Richtig ist, daß in den Fällen des § 14 Abs 2 BAG das Lehrverhältnis kraft Gesetzes endet, ohne daß es dazu einer Willenserklärung des Lehrberechtigten oder des Lehrlings bedürfte (Kinscher, BAG 2 77 Anm. 2 zu § 14 Abs 2; Berger-Rohringer, BAG 120 Anm. 1 zu § 14). Auch nach § 14 Abs 2 lit d BAG kommt es sojit allein auf den Eintritt der rechtlichen Unfähigkeit des Lehrberechtigten zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Lehrling an (so wörtlich die EB zur BAG-Nov. 1978, 708 BlgNR 14. GP, abgedruckt bei Kinscher aaO 78 Anm. 1 zu § 14 Abs 1 lit d).
Verliert der Lehrberechtigte die Befugnis zur Ausübung jener
Tätigkeit, in deren Rahmen der Lehrling ausgebildet wird, dann hat
damit auch das Lehrverhältnis kraft Gesetzes sein Ende gefunden. Ist
der Lehrberechtigte, wie hier, nicht der Gewerbeinhaber selbst,
sondern ein Pächter, der den Betrieb im eigenen Namen und auf eigene
Rechnung führt (§ 40 Abs 1 GewO), dann bestimmt sich der hiefür
maßgebende Zeitpunkt nach § 40 Abs 3 Satz 2 GewO: Danach erlischt
das Recht des Pächters zur Ausübung des Gewerbes - von dem hier
nicht in Betracht kommenden Fall des § 91 Abs 1 GewO
abgesehen - mit dem Widerruf der Übertragung (siehe dazu VwSlgNF
9160 A), spätestens aber mit der Endigung des Pachtverhältnissesu
Nicht erst das Einlangen der in § 345 Abs 2 und 3 GewO
vorgeschriebenen Anzeige bei der Behörde bewirkt also den Verlust
der Ausübungsberechtigung des Pächters, sondern bereits
die - ausschließlich nach den zivilrechtlichen Vorschriften zu
beurteilende (Mache-Kinscher, GewO 5 , 193 § 40
Anm. 31) - Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem
Gewerbeinhaber und dem Pächter (vgl. dazu auch den
Durchführungserlaß zu § 39 Abs 4 und 5 GewO, abgedruckt bei
Mache-Kinschar aaO 187 § 39 Anm. 32, zu der - gemäß § 40 Abs 2 GewO
auch für den Pächter eines Gewerbes sinngemäß
anzuordnenden - Regelung des § 39 Abs 4 GewO über das Ausscheiden
eines gewerberechtlichen Geschäftsführers). Die gegenteilige
Auffassung des Klägers, wonach die Lösung des Pachtverhältnisses
erst mit der Verständigung der Gewerbebehörde die in § 14 Abs 2
lit d BAG vorgesehenen rechtlichen Wirkungen entfalten könne,
widerspricht dem klaren Wortlaut des § 40 Abs 3 GewO und ist daher
abzulehnen.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist das zwischen der Traunsee-Fremdenverkehrsgesellschaft mbH und der Beklagten zum Betrieb des Cafe-Restaurants in der Villa Toscana in Gmunden begründete Pachtverhältnis per 23.Dezember 1983 einvernehmlich aufgelöst worden; daß diese Vereinbarung etwa erst nach dem 24. Dezember 1983 rückwirkend getroffen worden wäre, hat der Kläger nicht behauptet. Damit ist aber gemäß § 40 Abs 3 GewO auch das Recht der Beklagten zur Ausübung des Gewerbes in diesem Standort mit dem angeführten Tag erloschen und die Beklagte seither nicht mehr zur Ausübung jener Tätigkeit befugt, in deren Rahmen der Kläger ausgebildet werden sollte (§ 14 Abs 2 lit d BAG). Ist damit aber das Lehrverhältnis des Klägers zur Beklagten mit dem 23.Dezember 1983 kraft Gesetzes beendet worden, dann war die Beklagte von diesem Zeitpunkt an zu einer weiteren Ausbildung des Klägers weder berechtigt noch verpflichtet; die Austrittserklärung des Klägers vom 27. Dezember 1983 konnte demgemäß keine rechtlichen Wirkungen mehr entfalten. Da § 1162 b ABGB bei einer Auflösung des Lehrverhältnisses kraft Gesetzes (§ 14 Abs 2 BAG) auch nicht analog anzuwenden ist (Arb. 9844; JBl 1980, 555 ua), hat das Berufungsgericht die den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Urteilsanträge auf Zahlung einer Kündigungsentschädigung und Ausstellung eines Lehrzeugnisses bis zum 27.Dezember 1983 mit Recht abgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
Anmerkung
E09581European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0040OB00172.85.1118.000Dokumentnummer
JJT_19861118_OGH0002_0040OB00172_8500000_000