TE Vwgh Erkenntnis 2005/8/11 2004/02/0203

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Veröffentlicht am 11.08.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
StVO 1960 §84 Abs4;
StVO 1960 §94b Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde der MM in W, vertreten durch Dr. Johannes Roilo, Rechtsanwalt in Innsbruck, Müllerstraße 27, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. März 2004, Zl. IIb2-2- 1-7-31/7, betreffend Entfernungsauftrag nach § 84 Abs. 4 StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. März 2004 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 84 Abs. 4 i. V.m. § 94b Abs. 1 lit. b StVO aufgetragen, die an der B 172, Walchsee Straße, an einem näher genannten Ort errichtete Werbung mit der Aufschrift "Ortsmitte - Kirche rechts - direkt am See - Strandcafe - Ferienwohnungen - Restaurant Seeterrasse 600 m" binnen einer Woche ab Rechtskraft des Bescheides zu entfernen.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die Erstbehörde habe den Entfernungsauftrag damit begründet, dass keine entsprechende Bewilligung der gegenständlichen Werbetafel erteilt worden sei und ein Ansuchen für eine Bewilligung ohnedies abgewiesen werden müsste, weil für den Straßenbenützer weder ein vordringliches Bedürfnis noch ein erhebliches Interesse an der Kenntnisnahme der Werbeeinrichtung gegeben sei. In einem parallel behängenden Verwaltungsstrafverfahren habe der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol festgestellt, dass es sich bei der gegenständlichen Werbeeinrichtung um eine Neuaufstellung und um keine Aufstellung einer bereits bewilligten Tafel an der gleichen Stelle handle. Da diese Aufstellung von der Beschwerdeführerin zumindest veranlasst worden sei, sei über sie eine Geldstrafe rechtskräftig verhängt worden.

Angemerkt sei, es habe bereits das Bezirksbauamt K. in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 18. Dezember 2002 angegeben , dass die Straßenbenützer durch die angebrachte Werbeeinrichtung unnötig abgelenkt würden und daher die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt sei. Dies stehe einer Bewilligung nach § 84 Abs. 3 StVO entgegen. Der Entfernungsauftrag sei daher zu Recht erteilt worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom 9. Juni 2004, B 732/04-3, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 84 StVO lautet:

"(1) Werkstätten, wo Fahrzeuge repariert werden, Radiostationen, die Verkehrsinformationen durchgeben, und Tankstellen dürfen außerhalb von Ortsgebieten nur mit den Hinweiszeichen „Pannenhilfe'' (§ 53 Abs. 1 Z. 4), „Verkehrsfunk'' (§ 53 Abs. 1 Z. 4a) beziehungsweise „Tankstelle'' (§ 53 Abs. 1 Z. 6) angekündigt werden. Die Kosten für die Anbringung und Erhaltung dieser Zeichen sind von demjenigen zu tragen, der ihre Anbringung beantragt hat.

(2) Ansonsten sind außerhalb von Ortsgebieten Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten. Dies gilt jedoch nicht für die Nutzung zu Werbezwecken gemäß § 82 Abs. 3 lit. f.

(3) Die Behörde hat Ausnahmen von dem im Abs. 2 enthaltenen Verbot zu bewilligen, wenn das Vorhaben einem vordringlichen Bedürfnis der Straßenbenützer dient oder für diese immerhin von erheblichen Interesse ist und vom Vorhaben eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs nicht zu erwarten ist. Für eine solche Ausnahmebewilligung gelten die Bestimmungen des § 82 Abs. 5 letzter Satz sinngemäß.

(4) Ist eine Werbung oder Ankündigung entgegen der Bestimmung des Abs. 2 und ohne Bewilligung nach Abs. 3 angebracht worden, so hat die Behörde den Besitzer oder Verfügungsberechtigten mit Bescheid zu verpflichten, die Werbung oder Ankündigung zu entfernen."

Die Beschwerdeführerin rügt u.a., die belangte Behörde stütze ihre Kenntnis ausschließlich auf den Inhalt des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 4. Februar 2004. Sie habe selbst kein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der Bescheid des UVS sei in der Zwischenzeit als rechtswidrig aufgehoben worden. Die belangte Behörde hätte sich daher mit den Bestimmungen des § 84 Abs. 4 StVO hinsichtlich der errichteten Werbetafel selbst auseinandersetzen müssen. Es sei ihr verwehrt, ohne Beweisaufnahme auf die Ergebnisse eines anderen Verfahrens zu verweisen. Die Beschwerdeführerin sei in ihrem Recht auf Durchführung eines fairen Verfahrens verletzt.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin ist es nach der ständigen hg. Rechtsprechung zulässig, in einem (administrativen) Verwaltungsverfahren die Ergebnisse eines anderen Verfahrens zu verwerten, zumal dem Verwaltungsverfahren der Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme fremd ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, S. 742, unter E 80 zu § 46 AVG wiedergegebene Judikatur).

Insoweit eingewendet wird, dass der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (kurz: UVS) vom 4. Februar 2004 mit hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2004, Zl. 2004/02/0152, aufgehoben wurde, übersieht die Beschwerdeführerin, dass dieser Bescheid im Zeitpunkt der Erlassung des hier zu beurteilenden Bescheides der belangten Behörde vom 30. März 2004 (die Zustellung dieses Bescheides erfolgte an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 27. April 2004) noch dem Rechtsbestand angehörte. Dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich des Bescheides des UVS vom 4. Februar 2004 zum Zeitpunkt der Erlassung des hier zu behandelnden angefochtenen Bescheides vom 30. März 2004 noch offen war, zeigt für sich allein keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Es war daher der belangten Behörde nicht verwehrt, auf die Ermittlungsergebnisse, die zum Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 4. Februar 2004 führten, in der Begründung des angefochtenen Bescheides zurückzugreifen.

Die Beschwerdeführerin rügt ferner, die belangte Behörde sei auf ihre Einwände nicht näher eingegangen und habe darüber nicht abgesprochen. So sei der Einwand, es liege ein mündlicher Bescheid, betreffend die (Bewilligung der) Errichtung der Tafel vor, nicht berücksichtigt worden. Weiters sei der Einwand, dass im Jahre 1997 ein Entfernungsverfahren bereits eingestellt worden sei, mit keinem Wort erwähnt worden. Das Verfahren sei auch deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde nicht einmal den Versuch unternommen habe, selbst zu erheben, ob die von der Beschwerdeführerin an der Plakatwand angebrachte Werbung genehmigt gewesen sei, wozu jedoch eindeutige Beweisergebnisse vorgelegen hätten.

Insoweit sich die Beschwerdeführerin auf "eindeutige Beweisergebnisse" hinsichtlich des Vorliegens eines mündlichen Bewilligungsbescheides für die zu entfernende Werbung beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie sich selbst in der Berufung auf eine behauptete Bewilligung nur im Zusammenhang mit der noch von ihrem Bruder Mitte der 70er-Jahre angebrachten Werbetafel bezog. Das Ermittlungsverfahren des UVS, das auch im bereits zitierten Bescheid dieser Behörde vom 4. Februar 2004 wiedergegeben wird, ergab jedoch, dass in der Zwischenzeit jene Talstation, an der die Werbung ursprünglich angebracht war, abgerissen wurde und danach über Betreiben der Beschwerdeführerin eine Neuaufstellung der Werbetafel in der Nähe des ursprünglichen Aufstellungsortes auf einem eigenen Holzgerüst erfolgte. Es fehlt jedoch an hinreichenden Anhaltspunkten für die Existenz eines mündlichen Bewilligungsbescheides für die gegenständliche Werbung (wie dies von der Beschwerdeführerin behauptet wird). Eine gemäß § 62 Abs. 2 AVG erforderliche Beurkundung eines derartigen Bescheides konnte nicht vorgelegt werden. Ferner konnten weder der Bruder der Beschwerdeführerin, der diese Bewilligung nach den Behauptungen der Beschwerdeführerin erhalten haben soll, noch jener Beamte, der die mündliche Bewilligung erteilt haben soll, befragt werden, weil beide Personen in der Zwischenzeit verstorben sind. Darüber hinaus ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass eine allfällige Bewilligung auch die Neuaufstellung der gegenständlichen Werbung an einer anderen (wenngleich in der Nähe des ursprünglichen Standortes befindlichen) Stelle decken würde. Es kann daher dahin stehen, ob sich allenfalls aus den laut Beschwerdebehauptungen von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten "Aktenteilen" tatsächlich die Existenz einer solchen Bewilligung ableiten lässt. Ferner bedurfte es auch keiner weiteren Erhebungen, ob allenfalls seinerzeit eine solche (sich auf einen anderen Standort beziehenden) Bewilligung erteilt wurde. Darüber hinaus kam es auch nicht darauf an, ob der Zeuge T. im Verfahren vor dem UVS das Anbringen dieser Werbung an dem ursprünglichen Aufstellungsort (abgerissene Talstation eines Seilliftes) seit dem Jahre 1982 bestätigte und ob für diese Aufstellung Miete bezahlt wurde.

Auch mit dem Hinweis auf die im Jahre 1997 erfolgte Einstellung eines Entfernungsverfahrens wird schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, weil sich dieser Auftrag - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift ausführte - nicht auf den aktuellen Aufstellungsort der Werbung bezog. Darüber hinaus liegt bezüglich des hier zu beurteilenden neuen Entfernungsauftrages keine "res iudicata" vor.

Entgegen den Beschwerdeausführungen handelt es sich im vorliegenden Beschwerdefall auch nicht um ein "Wiederanbringen einer bereits angebrachten und rechtskräftig bewilligten Reklametafel" (etwa im Sinne des von der Beschwerdeführerin zitierten und noch zu den Vorgängerbestimmungen der StPolO, BGBl. Nr. 59/1947, ergangenen hg. Erkenntnisses vom 9. Oktober 1951, VwSlg. 2264/A), zumal die gegenständliche Werbung auf einer neuen Vorrichtung und nicht auf den ursprünglich vorhandenen Trägern angebracht wurde.

Ferner ist - entgegen den Beschwerdeausführungen - der Entfernungsauftrag aus dem angefochtenen Bescheid sehr wohl ableitbar, wurde doch darin der in erster Instanz gegenüber der Beschwerdeführerin erlassene Auftrag zur Entfernung einer dem Wortlaut nach näher bestimmten Werbung wiedergegeben. Eine Beseitigung des "Holzgerüstes", auf dem diese Werbung angebracht ist, ist diesem Auftrag nicht zu entnehmen.

Insoweit die Beschwerdeführerin die mangelnde Strafbarkeit der Aufstellung eines Holzgerüstes bzw. von Werbeträgern (ohne ein darauf angebrachtes Plakat) unter Bezugnahme auf den von der belangten Behörde hinsichtlich der Ermittlungsergebnisse herangezogenen Bescheid des UVS vom 4. Februar 2004 rügt, geht dieses Vorbringen an der Sache des hier zu behandelnden Entfernungsauftrages vorbei.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 11. August 2005

Schlagworte

Grundsatz der GleichwertigkeitGrundsatz der UnbeschränktheitBeweiswürdigung Wertung der Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004020203.X00

Im RIS seit

05.09.2005

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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