TE OGH 1986/11/19 8Ob615/86

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Veröffentlicht am 19.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Valentin P***, Besitzer, Bärenweg 2, 9100 Völkermarkt, vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wider die beklagte Partei Josef K***, Besitzer, Bärenweg 4, 9100 Völkermarkt, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Entfernung eines Zaunes, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 24.April 1986, GZ 2 R 144/86-53, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Völkermarkt vom 10.Jänner 1986, GZ 2 C 853/84-46, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 3.199,20 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin die Barauslagen von S 480,- und die Umsatzsteuer von S 247,20) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke 153/2 und 154 KG Ritzing. An das letztere Grundstück grenzt im Osten das Wiesengrundstück 155 KG Ritzing des Beklagten an. Im südlichsten Bereich dieses Grundstückes und teilweise auch auf dem südlich anschließenden Grundstück 141 KG Ritzing der Rosa J*** verläuft annähernd in Ost-West-Richtung zu den genannten Grundstücken des Klägers ein in der Natur erkennbarer, vom Kläger als Dienstbarkeitsweg in Anspruch genommener Fahrweg, der eine Wegverbindung zwischen seinen Grundstücken und dem östlich des Grundstückes 141 gelegenen öffentlichen Weggrundstück 139/3 darstellt. Am 2.April 1981 errichtete der Beklagte in dem beschriebenen Abschnitt des Fahrweges nordseitig anstelle eines bereits früher vorhanden gewesenen Zauns einen neuen, aus eingeschlagenen Holzpflöcken und vier Stacheldrahtreihen bestehenden Zaun.

Der Kläger begehrte zunächst, den Beklagten schuldig zu erkennen, den von dem Dienstbarkeitsweg über das Grundstück 155 KG Ritzing führenden und aus in die Erde gerammten, mit 4 Stacheldrahtreihen verbundenen Holzpflöcken bestehenden Zaun zu entfernen und auf eine Linie 3 m nördlich der südlichen Grenze des Grundstückes 155 KG Ritzing zurückzuversetzen.

Das Erstgericht gab diesem Begehren statt. Es vertrat die Auffassung, daß aufgrund der Vereinbarung der Rechtsvorgänger der Parteien vom 28.8.1911 ein Fahrtrecht des Klägers über die strittige Fläche bestehe. Der Beklagte habe sich an diese Vereinbarung gehalten und die Benützung des Weges durch den Kläger ständig geduldet.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und hob das erstgerichtliche Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf. Eine Zurückversetzung des Zaunes könne nicht beansprucht werden; die Vereinbarung der Rechtsvorgänger der Parteien vom 28.8.1911 könne für sich allein auf den Rechtsfall nicht angewendet werden; es sei aber durch weitere Erörterungen und Beweise zu klären, ob durch das faktische und längere Zeit offenbar unbeeinträchtigt gebliebene Befahren des Weges mit landwirtschaftlichen Fuhren eine entsprechende Fahrtrechtsdienstbarkeit eingeräumt bzw. erworben wurde. Dies habe das Erstgericht auch so gemeint, aber nach der Sachlage noch nicht alle Fragen geklärt, auf welche Teile in der Natur sich das Fahrtrecht erstreckte und inwieweit der errichtete Zaun diese Berechtigung einschränkte. Die Sache sei daher noch nicht spruchreif, weil in die dargestellte Richtung noch Erörterungen vorzunehmen und ergänzende Feststellungen zu treffen sein werden. In der Tagsatzung vom 23.1.1985 modifizierte der Kläger sein Begehren dahin, den Beklagten schuldig zu erkennen, den auf der Wegtrasse des klägerischen Dienstbarkeitsweges im südlichen Bereich des Grundstückes 155 KG Ritzing vorhandenen Zaun, bestehend aus in die Erde gerammten und mit vier Stacheldrähten verbundenen Holzpflöcken, zu entfernen.

Das Erstgericht gab dem Begehren insoweit statt, als es den Beklagten verpflichtete, den beschriebenen Zaun im Umfang der in der Plandarstellung des Sachverständigen mit den Punkten IV. bis XIV. bezeichneten Holzpflöcke, die mit Stacheldraht verbunden sind, zu entfernen. Nach umfangreichen weiteren Feststellungen vertrat es wiederum die Auffassung, daß sich die beiden Streitteile immer an die Vereinbarung vom Jahre 1911 gehalten und diese konkludent übernommen hätten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten im zweiten Rechtsgang in der Hauptsache nicht Folge, sondern bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000 nicht übersteigt.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Wie oben dargestellt wurde, war das Erstgericht bereits bei seiner Entscheidung des ersten Rechtsganges davon ausgegangen, daß das Klagebegehren auf Entfernung des das Fahrtrecht des Klägers beeinträchtigenden Zaunstückes deshalb begründet sei, weil sich die Parteien ständig an das seinerzeit von deren Rechtsvorgängern vereinbarte Fahrtrecht hielten. Diese Rechtsansicht wurde vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang ausdrücklich gebilligt, das Erstgericht aber gleichzeitig beauftragt, die näheren Umstände inhaltlicher und umfänglicher Art zu klären. Das Erstgericht stellte nun im zweiten Rechtsgang inhaltlich deutlicher als bisher klar, daß sich die Rechtsvorgänger der Streitteile hinsichtlich der Benützung des Weges immer an die Vereinbarung vom 28.8.1911 tatsächlich gehalten haben, der Vater des Klägers und der Kläger selbst nach dem Erwerb des Grundstückes 155 durch den Beklagten im Jahr 1962 das Fahrtrecht über das Grundstück 155 vom Beklagten unbeanstandet in der bisherigen Art und Weise weiterhin ausgeübt haben, der Kläger und der Beklagte keine neuerliche Vereinbarung getroffen und sie sich bei der Benützung des Weges daran gehalten haben, wie dies von ihnen bzw. von ihren Rechtsvorgängern vorher gehandhabt worden ist. Umfänglich wurde klargestellt, daß der Beklagte am 2.April 1981 im Zuge der Neuerrichtung des Zaunes die Pflöcke IV bis XIV um 20 bis 25 cm nach Süden versetzte und der Kläger dadurch bei der Ausübung seines Fahrtrechtes mit landwirtschaftlichen Geräten beeinträchtigt und ihm die Dienstbarkeitsausübung mit einigen seiner Geräte sogar unmöglich gemacht wurde. Auf dieser Feststellungsgrundlage gelangte das Erstgericht hinsichtlich des weiterhin aufrecht gebliebenen Begehrens auf Entfernung des die Dienstbarkeitsberechtigung des Klägers beeinträchtigenden Zaunes im zweiten Rechtsgang wiederum zu dem gleichen Ergebnis. Es legte dabei seine schon im ersten Rechtsgang vertretene und vom Berufungsgericht als richtig erkannte Rechtsansicht dem entsprechend den Erhebungsaufträgen des Berufungsgerichtes erweitert festgestellten Sachverhalt zugrunde. Bei dieser Sachlage kann von einer Überbindung der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes an das Erstgericht iS des § 503 Abs 3 ZPO nicht die Rede sein:

Zunächst ist festzuhalten, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschied, zufolge seines Bewertungsausspruches S 60.000 nicht übersteigt; das erkennt auch der Revisionswerber; er stützt aber die Zulässigkeit seines Rechtsmittels auf § 502 Abs 3 2.Satz ZPO. Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist, daß das Berufungsgericht in seinem vorangegangenen Aufhebungsbeschluß eine das Erstgericht bindende, von dessen Auffassung abweichende Rechtsansicht ausgesprochen und wegen der sich daraus ergebenden Feststellungsmängel die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen hat (JBl 1957, 135; EvBl 1953/15 uva; Fasching IV 289; ErgBd.107); das Prozeßgericht muß nur wegen der vom Berufungsgericht auferlegten rechtlichen Bindung zu seinem Urteil gelangt sein (JBl 1962, 273 ua; Fasching IV 290; ErgBd 108); dieses Urteil muß demnach anders als das zunächst gefällte sein, es darf also sachlich mit dem ersten aufgehobenen nicht übereinstimmen (MietSlg 30.763; JBl 1957, 324; SZ 24/259; 1 Ob 769/82 uva; Fasching ErgBd.108).

Alle diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Aufhebung erfolgte nicht wegen Feststellungsmängeln, die sich aus einer abweichenden, dem Erstgericht überbundenen Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ergaben. Vielmehr wurde die für beide Rechtsgänge zutreffende Rechtsansicht des Erstgerichtes über die grundsätzliche Berechtigung des Klagebegehrens auf Entfernung des Zaunes wegen der dauernden Duldung des Fahrtrechtes des Klägers infolge übereinstimmenden Verhaltens der Streitteile ausdrücklich als richtig gebilligt und nur als durch entsprechende weitere Feststellungen noch ergänzungsbedürftig erachtet. Das vom Erstgericht im zweiten Rechtsgang gefällte Urteil stimmte im Umfang des relevant gebliebenen Entfernungsbegehrens - gegen welches sich der Beklagte wendet - mit dem ersten aufgehobenen Urteil sachlich völlig überein. Das hat aber zur Folge, daß § 502 Abs 3 zweiter Satz ZPO nicht zur Anwendung kommt und die Revision des Beklagten im Sinne des ersten Satzes der zitierten Gesetzesbestimmung als unzulässig zurückzuweisen war.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E09873

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00615.86.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19861119_OGH0002_0080OB00615_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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