TE OGH 1986/11/20 12Os132/86

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Veröffentlicht am 20.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. November 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral, Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Hörburger und Dr.Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Steinhauer als Schriftführer in der Strafsache gegen Markus S*** und andere wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Erich E*** sowie die Berufung des Angeklagten Andreas B*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5.Mai 1986, GZ 6 a Vr 3674/85-217, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erich E*** wird zurückgewiesen.

Über die Berufungen dieses Angeklagten und des Angeklagten Andreas B*** wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung, zu dem sich der Oberste Gerichtshof auch die Ergreifung von Maßnahmen gemäß § 290 Abs 1 StPO vorbehält, entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich E*** neben anderen Angeklagten des Verbrechens des zum Teil versuchten und zum Teil vollendeten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 15 StGB (A I und A II), des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG (B 1) und des Vergehens nach § 16 SuchtgiftG (B 2) schuldig gesprochen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hat Erich E***

in Wien

A

fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert

Nachgenannten durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch deren

Zueignung zu bereichern,

I

weggenommen, und zwar ....

3) in Gesellschaft des Mitangeklagten Markus S*** und der abgesondert verfolgten Jugendlichen Walter H*** und einer unbekannt gebliebenen "Heidi" als Beteiligte

a) am 13. März 1985 der Dragica K*** Lederhandschuhe im Werte von ca. 1.000 S nach Aufbrechen ihres Personenkraftwagens,

b) am 13.März 1985 dem Christoph D*** eine Tasche mit Turnschuhen, Turnhose und Handtuch sowie zehn Musikkassetten im Gesamtwert von 1.500 S nach Aufbrechen seines Personenkraftwagens,

c) am 10. März 1985 dem Helmut S*** ca. 60 S Bargeld, 7 Stangen Zigaretten und sieben Feuerzeuge im Gesamtwert von ca. 4.100 S nach Aufbrechen seines Tabakkiosk,

4.) Erich E*** und der abgesondert verfolgte Jugendliche Walter H*** in Gesellschaft als Beteiligte am 17. März 1985,

a) Verfügungsberechtigten der Fa. Johann K*** ca. 500 S nach Einschlagen eines Fensters des Geschäftslokales,

b) Verfügungsberechtigten der Fa. B*** ca. 200 S nach Aufbrechen der Geschäftstüre,

c) Verfügungsberechtigten der Fa. S*** GesmbH ca. 1.000 S nach Einschlagen der Glasscheibe der Eingangstüre,

5) Ende Februar 1985 Erich E***, Leopold G***, Andreas B***, der abgesondert verfolgte Jugendliche Walter H*** und eine unbekannt gebliebene "Heidi", in Gesellschaft als Beteiligte dem Helmut S*** Zigaretten im Wert von 7.872 S, Kraftfahrzeugmarken im Wert von 1.175 S und 1.700 S Bargeld nach Aufbrechen seines Tabakkiosk,

II

wegzunehmen versucht, und zwar .....

2. Erich E*** und der abgesondert verfolgte Jugendliche Walter H*** am 17.März 1985 in Gesellschaft als Beteiligte Verfügungsberechtigten der Fa. Heinrich F*** und Fritz K*** nach Aufbrechen der Eingangstüre,

3. am 13. März 1985 Markus S***, Erich E*** und der abgesondert verfolgte Jugendliche Walter H*** und eine unbekannt gebliebene "Heidi" in Gesellschaft als Beteiligte der Hilde F*** und dem Jean T*** nach Aufbrechen der Personenkraftwagen,

4. Markus S*** und Erich E*** im März 1985 ca. 20 unbekannt gebliebenen Autohaltern nach Aufbrechen ihrer Personenkraftwagen,

B 1. Erich E*** in der Zeit vom Jänner 1985 bis Ende März 1985 den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, indem er ca. 50 Gramm Heroin an ca. 50 bis 60 Personen weiterverkaufte,

2. Erich E*** in der Zeit zwischen Mitte Jänner 1985 bis Ende März 1985 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Haschisch und Heroin, erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Schuldspruch wird vom Angeklagten Erich E*** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Strafausspruch von diesem Angeklagten und vom Mitangeklagten Andreas B*** mit Berufung angefochten. Der Beschwerdeführer rügt, daß der Ausspruch des Gerichtshofs über entscheidende Tatsachen mit sich selbst im Widerspruch stehe, denn der Schuldspruch erfolgte wegen Konsums von Heroin nach § 16 SuchtgiftG, gleichzeitig werde aber verneint, daß er zur Tatzeit ständig unter derartigem Suchtgifteinfluß gestanden sei (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO).

Die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Angeklagte Erich E*** in der Zeit zwischen Mitte Jänner 1985 bis Ende März 1985 Haschisch und Heroin erworben und besessen und Heroin auch konsumiert hat (US 22 in Verbindung mit S 10), wie auch die Urteilsannahme, daß er während der gesamten inkriminierten Tatzeit nicht ständig unter derartigem Suchtgifteinfluß gestanden ist, daß sein Realitätsbezug aufgehoben war, daß vielmehr E*** - bei dem auch der Mittäter S*** keine Beeinträchtigung feststellen konnte - zielführend und logisch in führender Rolle tätig geworden ist (US 36), schließen einander nicht aus. Daß ein Täter im Tatzeitraum fallweise Suchtgift zu sich nimmt, hat keineswegs zwingend zur Folge, daß er bei der Verübung von Diebstählen und anderer strafbarer Handlungen von seiner Vernunft und seinem Verstand nicht entsprechend Gebrauch machen und daher den Sinngehalt seiner Handlungsweise nicht mehr überblicken und begreifen kann, er somit unzurechnungsfähig im Sinne des § 11 StGB ist. Soweit aber der Beschwerdeführer meint, daß er, um seine Sucht zu befriedigen, also um Heroin erwerben zu können, strafbare Handlungen begangen hat, behauptet er gar keine Unzurechnungsfähigkeit, sondern führt nur sein Motiv für die Begehung der Straftaten aus, das allenfalls bei der Strafbemessung berücksichtigt werden kann.

Insofern der Angeklagte ziffernmäßig mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO, inhaltlich jedoch als Begründungsmangel geltend macht, daß das Erstgericht der Aussage des Zeugen Markus S***, der ihn und auch den Mittäter Walter H*** aus Rache belastet habe, Glauben schenkte, versucht er nur in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Weise, die unanfechtbare Beweiswürdigung des Schöffengerichtes zu bekämpfen. Um welches Beweismittel es sich gehandelt hat, das der Angeklagte in der Hauptverhandlung vorgelegt haben will, und das im Urteil nicht berücksichtigt worden sein soll, geht aus der Nichtigkeitsbeschwerde nicht hervor. Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls hat er sich lediglich dahin verantwortet, daß er von dem von ihm erworbenen Suchtgift eine geringe Menge auch für seinen Eigenbedarf ca. zweieinhalb Monate lang genommen hat (Band IV S 401). Diese Verantwortung wurde vom Erstgericht nicht übergangen (US 21, 22). Ebenso ist die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Angeklagte Suchtgift und zwar ca. 50 Gramm Heroin an 50 bis 60 Personen, somit an einen größeren Personenkreis gewinnbringend weiterverkauft hat, mit dem Hinweis auf das Geständnis des Angeklagten in der Hauptverhandlung, hinreichend begründet (US 22).

Begründungsmängel haften somit dem Urteil nicht an. Mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO rügt der Beschwerdeführer, daß der Gerichtshof über seinen Antrag auf Einholung eines gerichtspsychiatrischen Gutachtens in der Hauptverhandlung nicht erkannt habe.

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die Einholung eines gerichtspsychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür beantragt, daß er zur Tatzeit im Jahre 1985 unter Drogeneinfluß gestanden und daher zumindest seine Zurechnungsfähigkeit zu bezweifeln ist. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat der Gerichtshof über diesen Antrag in der Hauptverhandlung erkannt (Band IV S 415). Im Urteil (S 36, 37) wird lediglich der Beschluß, mit dem der Beweisantrag auf Beiziehung eines gerichtspsychiatrischen Sachverständigen abgewiesen wurde, näher begründet.

Durch die Abweisung des Beweisantrages wurden Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Denn das Urteil geht ohnehin davon aus, daß der Angeklagte Heroin, wenn auch in relativ geringen Mengen, konsumiert hat. Die Drogensucht allein ist aber noch kein Umstand, der die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten ausschließt. Voraussetzung für die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens über die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ist, daß sich aus dem Beweisverfahren Umstände ergeben, die dafür sprechen, daß der Angeklagte unzurechnungsfähig war. Das Erstgericht ist jedoch aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens, insbesonders der Verantwortung des Angeklagten, der sich zumindest in der Voruntersuchung, teilweise auch in der Hauptverhandlung, noch an die ihm angelasteten Taten detailliert erinnern konnte und der Aussage des Mitangeklagten Markus S***, dem es Glauben schenkte, zu der Überzeugung gekommen, daß zur Tatzeit keine Umstände vorlagen, die für eine Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten sprechen, sodaß sich die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens erübrigt.

Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, daß mehrere Milderungsgründe vom Gerichtshof nicht berücksichtigt wurden. Er behauptet damit gar keine Überschreitung der Strafbefugnis bzw. der Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes, sondern führt lediglich Umstände ins Treffen, die nur für die Berufungsentscheidung von Bedeutung sind. Der materielle Nichtigkeitsgrund ist somit nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erich E*** war daher bereits in einer nichtöffentlichen Beratung zum Teil als nicht prozeßgesetzmäßig ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO, zum Teil als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO sofort zurückzuweisen. Über die Berufungen der Angeklagten Erich E*** und Andreas B*** wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden, zu dem sich der Oberste Gerichtshof auch gemäß § 290 Abs 1 StPO Maßnahmen zugunsten der Angeklagten Werner S*** und Andreas Z***, die Rechtsmittel nicht ergriffen haben, vorbehält.

Anmerkung

E09742

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00132.86.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19861120_OGH0002_0120OS00132_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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