TE OGH 1986/11/20 8Ob56/86

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Veröffentlicht am 20.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Alfons V***, ÖBB-Bediensteter, Eberstein, Schloßberg 1, und 2.) VVS, Verein für Vorsorge und Hilfe in Schadensfällen, Wien 15., Hütteldorfer Straße 79, beide vertreten durch Dr.Otto Ackerl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei DER A***, Allgemeine Versicherungs-AG, Wien 1., Hoher Markt 10-11, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen 412.358,30 S s.A., Rente und Feststellung infolge Revision der zweitklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. April 1986, GZ 18 R 90/86-69, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 7. Jänner 1986, GZ 52 Cg 701/85-63, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Zweitkläger ist schuldig, der Beklagten die mit 15.524,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von 1.920 S und die Umsatzsteuer von 1.236,75 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger erlitt am 9. Juni 1979 als Mitfahrer auf dem Soziussitz eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Motorrades schwere Verletzungen.

Der Zweitkläger als Zessionar des Erstklägers begehrte von der Beklagten eine Schadenersatzleistung von 412.358,30 S s.A. Der Anspruch des Erstklägers ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte nach Ruhen und Fortsetzung des Verfahrens Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein. Der Fortsetzungsantrag nach dem am 16. Juni 1984 eingetretenen Ruhen des Verfahrens sei erst am 4.Jänner 1985 gestellt worden.

Der Zweitkläger begegnete dem Verjährungseinwand mit der Begründung, daß er die Absicht gehabt habe, ein Privatgutachten zum Unfallshergang einzuholen, um ein Verschulden der Gegenseite nachweisen zu können. Die Erstattung des Gutachtens habe sich aus Gründen, die in der Person des Sachverständigen gelegen waren, verzögert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm folgenden - zusammengefaßt dargestellten - Sachverhalt als erwiesen an:

Der Erstkläger ersuchte am 9.Juni 1979 Gerhard S***, ihm sein Motorrad für eine Probefahrt zu borgen. Gerhard S*** lehnte dies ab, nahm den Erstkläger jedoch als Beifahrer mit. Das von S*** gelenkte Motorrad stürzte bei der Fahrt infolge eines Reifendefektes und kollidierte mit der Leitschiene. Franz S*** als Lenker und der Erstkläger als Beifahrer auf dem Soziussitz wurden schwer verletzt; die Verletzungen des Erstklägers führten zur Amputation seines linken Unterschenkels.

Franz S*** wurde vorerst mit der Strafverfügung vom 12.Juli 1979, GZ 7 U 780/79 des Bezirksgerichtes St. Veit/Glan wegen § 88 Abs 4 StGB zu einer Geldstrafe von 4.200 S verurteilt. Auf seinen Antrag wurde das Verfahren mit dem Beschluß vom 21.September 1983 wieder aufgenommen und die Strafverfügung aufgehoben. Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes St. Veit/Glan vom 27.Oktober 1983 wurde S*** rechtskräftig gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die vom Erstgericht nach mehr als dreijähriger Verfahrensdauer für den 16.Juni 1984 anberaumte Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung wurde von beiden Parteien nicht besucht, so daß Ruhen des Verfahrens eintrat. Der Antrag der klagenden Parteien auf Fortsetzung des Verfahrens (ON 51) langte am 4.Jänner 1985 beim Erstgericht ein.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß das Klagebegehren verjährt sei, weil die Unterbrechungswirkung des § 1497 ABGB durch nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens und die von der beklagten Partei erhobene Verjährungseinwendung beseitigt wurde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Zweitklägers nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Das Gericht zweiter Instanz führte aus:

Bei Prüfung der Umstände des konkreten Falles stelle sich das Verhalten des Zweitklägers zum Zeitpunkt des Eintrittes des Ruhens des Verfahrens und während der Dauer desselben wie folgt dar: Die Kläger hätten ihr Begehren zunächst auf das Alleinverschulden des Gerhard S*** an dem Unfall vom 9.Juni 1979 gestützt. Bei Klagseinbringung sei davon auszugehen gewesen, daß Gerhard S*** wegen dieses Vorfalles mit der Strafverfügung des Bezirksgerichtes St. Veit/Glan vom 12.Juli 1979 wegen § 88 Abs 4

StGB verurteilt worden war. Mit dem Urteil desselben Gerichtes vom 27. Oktober 1983 sei S*** jedoch rechtskräftig gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen worden; dies habe der Beklagtenvertreter in der mündlichen Streitverhandlung vom 22.Februar 1984 vor dem Erstgericht vorgebracht. Die darauf folgende für den 19.Juni 1984 anberaumte mündliche Streitverhandlung sei von beiden Streitteilen unbesucht geblieben; erstmals in ihrem am 4.Jänner 1985 eingebrachten Fortsetzungsantrag hätte sich der Zweitkläger auch auf die Bestimmungen des EKHG gestützt. Als einzige Begründung für die Tatsache und das zeitliche Ausmaß des eingetretenen Ruhens des Verfahrens sei die Absicht, ein Privatgutachten zum Beweis für das Alleinverschulden des Gerhard S*** einzuholen, angeführt worden; daß diese Motivation weder der Beklagten noch dem Gericht mitgeteilt wurde, sei unbestritten geblieben.

Eine ungewöhnliche Untätigkeit des Klägers, die nach ständiger Rechtsprechung Voraussetzung der nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens im Sinne des § 1497 ABGB ist, sei in jenem seinem Verhalten zu erblicken, das den Schluß auf sein mangelndes Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens im Sinne des § 863 ABGB zuläßt. Nur unter diesem Gesichtspunkt sei auch die Dauer der Untätigkeit des Klägers von Bedeutung. Es komme vor allem darauf an, ob der Kläger aus triftigen Gründen, die im Verhältnis zwischen den Prozeßparteien lagen, mit der Verfolgung seiner Ansprüche zuwartete. Soferne ein Kläger nach mehr als dreijähriger Verfahrensdauer und bei Stützung der Ansprüche aus einem Unfall auf das Alleinverschulden seines Gegners nach strafgerichtlichem Freispruch des letzteren die nächste auf das Bekanntwerden dieses Freispruches folgende Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung unbesucht und nach Ablauf der Ruhensfrist weitere dreieinhalb Monate bis zum Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens verstreichen läßt, ohne bis zu diesem Zeitpunkt der Beklagten auch nur einen Hinweis auf die Gründe für seine Untätigkeit zu geben, lasse dies den berechtigten Schluß auf mangelndes Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens im Sinne des § 863 ABGB zu. Da der Zweitkläger keinerlei Angaben über die Gründe seines Untätigseins machte, bedürfe es keiner weiteren Befassung mit der Frage, ob eine solche Mitteilung überhaupt geeignet gewesen wäre, die prozessuale Untätigkeit der Kläger zu rechtfertigen. Nach ständiger Judikatur müsse der Grund für die Unterlassung der Betreibung des Rechtsstreites immer im Verhältnis zwischen den Parteien liegen. Beweisschwierigkeiten, die wie hier nur im Bereich des Zweitklägers liegen, könnten daher eine prozessuale Untätigkeit nicht rechtfertigen, wie überhaupt die Sammlung von Beweismaterial eine Verlängerung der Verjährungsfrist nicht bewirken könne. Die Auffassung, daß eine lange Prozeßdauer auch eine längere Untätigkeit rechtfertigen könnte, sei abzulehnen. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Zweitklägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde. Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Zweitkläger stellt sich in seinem Rechtsmittel auf den Standpunkt, daß sein Anspruch nicht verjährt sei. Der Sachverhalt sei kompliziert gewesen und das Verfahren habe lange gedauert; von einer nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens könne daher nicht gesprochen werden. Dem ist zu erwidern:

Die Klagseinbringung unterbricht im Sinne des § 1497 ABGB die Verjährung nur unter der Voraussetzung der gehörigen Fortsetzung der Klage. Übermäßig langes Ruhen des Verfahrens ist nicht gehörige Fortsetzung (SZ 43/29 u.a.), außer wenn stichhaltige Gründe für das längere Ruhen vorlagen (SZ 43/176 u.a.). Wenn sich die beklagte Partei auf die Verjährung zufolge Ruhens des Verfahrens beruft, ist es Aufgabe des Klägers, berechtigte Gründe für das Ruhen des Verfahrens darzutun (SZ 42/54; SZ 43/29; SZ 43/176; JBl 1978, 210; 1 Ob 813/82 u.a.). Kann der Kläger triftige Gründe für seine prozessuale Untätigkeit nicht dartun, genügt schon der Ablauf einer verhältnismäßig kurzen Zeit, um die Annahme zu rechtfertigen, der Kläger habe den Rechtsstreit nicht gehörig fortgesetzt (SZ 43/176; EvBl 1976/6; ZVR 1979/287; 1 Ob 813/82; 8 Ob 87/83 u.a.). So wurde von der Rechtsprechung schon das Verstreichenlassen von 3 Monaten (JBl 1955, 552), von 4 1/2 Monaten (SZ 43/176), von rund 5 Monaten (EvBl 1976/6, 1 Ob 555/77; ZVR 1979/287) nicht als gehörige Fortsetzung der Klage im Sinne des § 1497 ABGB angesehen. Nach ständiger Rechtsprechung kommen im Bereich des Klägers gelegene Umstände nicht als Rechtfertigungsgründe für die prozessuale Untätigkeit in Betracht (SZ 43/176; EvBl 1976/6; 1 Ob 813/82;

8 Ob 87/83 u.a.). Der Kläger kann sich zur Rechtfertigung seiner Untätigkeit nur auf solche Gründe berufen, die im Verhältnis zwischen den Prozeßparteien liegen (EvBl 1973/248; EvBl 1976/6;

SZ 49/106; 8 Ob 813/82; 8 Ob 87/83 u.a.).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß der Zweitkläger das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt hat: Bei Einbringung der Klage lag eine Strafverfügung des Bezirksgerichtes St. Veit/Glan gegen den bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuglenker vor. Später erfolgte jedoch ein Freispruch, was der Beklagtenvertreter in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 22.Februar 1984 vorbrachte. Die für 19.Juni 1984 anberaumte Tagsatzung blieb unbesucht, sodaß Ruhen des Verfahrens eintrat. Erst am 4.Jänner 1985 brachte der Zweitkläger den Fortsetzungsantrag ein. Er berief sich zur Begründung seines langen Zuwartens nur darauf, daß er in der Zwischenzeit ein Privatgutachten zum Beweis für das Alleinverschulden des gegnerischen Fahrzeuglenkers einzuholen versuchte. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, die dargestellte Untätigkeit des Zweitklägers zu rechtfertigen. Einerseits ist zu berücksichtigen, daß der Unfall schon mehr als fünf Jahre zurückliegt, sodaß für den Zweitkläger, der die Durchsetzung von Ersatzansprüchen aus Schadensfällen betreibt, ausreichend Zeit bestand, den Sachverhalt unabhängig von dessen Strafbarkeit einer Klärung zuzuführen; andererseits handelt es sich ausschließlich um einen geltend gemachten Umstand, der im Bereich des Zweitklägers lag und nicht im Verhältnis zwischen den Prozeßparteien seine Ursache hatte. Die Gegenseite wurde von der Absicht des Zweitklägers, ein Privatgutachten einzuholen, nicht in Kenntnis gesetzt und blieb ab 19.Juni 1984 bis 4.Jänner 1985, also mehr als ein halbes Jahr, über die Absicht des Zweitklägers auf spätere Fortsetzung des Verfahrens gänzlich im Ungewissen. Werden daher die Umstände des konkreten Falles in ihrem Zusammenhalt berücksichtigt (SZ 43/176; EvBl 1970/248 u.a.), erweist sich die Ansicht der Vorinstanzen, daß der Ablauf der Verjährungsfrist iS des § 1497 ABGB durch die Einbringung der Klage nicht unterbrochen wurde, weil der Zweitkläger das Verfahren im Sinne der dargestellten ständigen Judikatur nicht gehörig fortgesetzt hat (JBl 1955, 552; ZVR 1979/287 u.a.), als zutreffend. Im Gegensatz zur Ansicht des Zweitklägers ist der vorliegende Fall nicht mit jenem Arb. 10.109 zu vergleichen. Dort fanden Vergleichsverhandlungen statt, befand sich der Beklagte nach dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen keineswegs im Ungewissen über die weiteren prozessualen (Fortsetzungs-)Absichten des Klägers und dauerte es nur 2 1/2 Monate, bis dieser den Fortsetzungsantrag stellte; diese Umstände unterscheiden sich wesentlich von dem vorliegenden Fall, in welchem die Beklagte nach dem Eintritt des Ruhens des Verfahrens am 19.Juni 1984 durch mehr als ein halbes Jahr nichts mehr vom Zweitkläger hörte und als Begründung dafür nach dem erst am 4.Jänner 1985 gestellten Fortsetzungsantrag bloß zur Kenntnis erhielt, daß die Einholung eines Privatgutachtens auf zeitliche und sachliche Schwierigkeiten des Gutachtenerstellers gestoßen sei. Im Gegensatz zur Ansicht des Zweitklägers kann nicht davon gesprochen werden, daß das vorliegende Verfahren komplizierter und langwieriger gewesen wäre, als dies in vergleichbaren Prozessen der Fall ist. Es läßt sich daher auch aus diesem Gesichtspunkt heraus kein triftiger Grund für das lange Zuwarten des Zweitklägers mit dem Fortsetzungsantrag finden. Seine dargestellte prozessuale Untätigkeit muß unter den gegebenen Umständen vielmehr als nicht gehörige Fortsetzung der Klage gemäß § 1497 ABGB angesehen werden, weshalb seiner Revision der Erfolg zu versagen war. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E09877

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00056.86.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19861120_OGH0002_0080OB00056_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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