TE OGH 1986/11/26 7Ob675/86

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Veröffentlicht am 26.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 23. Juni 1985 verstorbenen Margarete B***, zuletzt wohnhaft gewesen in Wien 19., Sieveringerstraße 107, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin Hannelore S***, Geschäftsführerin, Wien 19., Hackenberggasse 11, vertreten durch Dr. Alexander Kubicek, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28. September 1986, GZ. 47 R 749/85-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 29. Oktober 1985, GZ. 1 A 415/85-19, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Nachlaß der am 13. Juni 1985 verstorbenen Margarete B*** besteht nach den Angaben der Kinder der Erblasserin Franz B*** und Hannelore S*** in der Todfallsaufnahme aus einem Pensionskonto bei der Österreichischen Länderbank, aus einem Sparbuch desselben Geldinstitutes mit einem Stand von S 120.720,17, aus Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen sowie Bekleidung und Wäsche und schließlich aus einem 1/3-Anteil der Liegenschaft EZ 69 der KG Unter-Sievering.

Hannelore S*** hat eine bedingte Erbserklärung abgegeben. Franz B*** hat erklärt, keine Erbserklärung abzugeben, jedoch das ihm testamentarisch ausgesetzte Vermächtnis an dem 1/3-Anteil an der Liegenschaft EZ 69 der KG Unter-Sievering in Anspruch zu nehmen. Zum Nachlaß angemeldet wurde bisher eine Forderung des Ing. Gerhard R*** von S 90.571,54 s.A. und des Herbert T*** über S 607.448,85 s.A.

Herbert T*** beantragte die Nachlaßabsonderung und die Bestellung eines Separationskurators und brachte vor, er habe die Erblasserin zu 10 Cg 27/85 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien auf Zahlung von S 607.448,85 s.A. geklagt. Das Verfahren sei in erster Instanz anhängig. Mit Kaufvertrag vom 31. Jänner 1984 habe die Erblasserin die ihr gehörige Liegenschaft EZ 43 der KG Unter-Sievering, Haus in der Sieveringer Straße 107, um einen Betrag von S 600.000,-- sowie gegen Übernahme der auf der Liegenschaft befindlichen Lasten an Hannelore S*** verkauft. Der Kaufpreis sei trotz sofort eingetretener Fälligkeit bisher nicht entrichtet worden. Die Erblasserin sei im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Es sei zu befürchten, daß die Verlassenschaft ihre Forderung auf Verschaffung des Eigentums an der genannten Liegenschaft wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit der Verkäuferin oder gegebenenfalls die Forderung auf Zahlung des Kaufpreises von S 600.000,-- nicht geltend machen werde, so daß durch die Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen der Erbin die Forderung nicht mehr einbringlich gemacht werden könne.

Hannelore S*** sprach sich gegen diesen Antrag aus und brachte vor, es liege weder ein Anhaltspunkt für den aufrechten Bestand der behaupteten Forderung des Herbert T*** noch für die behauptete Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages vor. Darüber hinaus böten die vorhandenen Nachlaßwerte ausreichend Sicherheit. Der im Antrag des Herbert T*** nicht erwähnte Drittelanteil an der EZ 69 KG Unter-Sievering allein repräsentiere einen Wert, der die Klageforderung bei weitem übersteige.

Franz B*** äußerte sich dahingehend, daß er mit einer Absonderung des Nachlasses und der Bestellung eines Separationskurators einverstanden sei.

Mit Beschluß vom 29. Oktober 1985, ON 19, nahm das Erstgericht die von Hannelore S*** abgegebene Erbserklärung zu Gericht an und erkannte deren Erbrecht für ausgewiesen (Punkt 1), nahm die Erklärung des Franz B***, keine Erbserklärung abzugeben, jedoch das Vermächtnis in Anspruch zu nehmen, zur Kenntnis (Punkt 2), behielt sich die Entscheidung über den Antrag der Hannelore S*** auf Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses vor (Punkt 3) und wies den Antrag auf Nachlaßabsonderung und Bestellung eines Separationskurators ab (Punkt 4). In der Begründung dieses Beschlusses führte das Erstgericht aus, Herbert T*** habe die behauptete Forderung nicht ausreichend bescheinigt. Die Klagseinbringung für sich allein reiche zur Bescheinigung der Forderung nicht hin. Der Antragsteller habe auch die Besorgnis einer Gefahr nicht hinreichend motiviert. Das Rekursgericht gab dem lediglich gegen Punkt 4 des Beschlusses des Erstgerichtes ON 19 erhobenen Rekurs des Herbert T*** Folge und ordnete die Absonderung der Verlassenschaft nach Margarete B*** von dem Vermögen der Erbin und die Bestellung eines Separationskurators an. Es erhob durch Einsicht in den Akt 10 Cg 27/85 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Richard R*** aus der Abrechnung des Herbert T*** mit der Erblasserin über die Verwaltung des Hauses Sieveringer Straße 107 ein Abrechnungssaldo von S 555.519,18 zugunsten des Herbert T*** bestehe und folgerte daraus, daß die geltend gemachte Forderung hinlänglich bescheinigt sei. Die Bescheinigung einer Gefahr sei nicht erforderlich. Nötig sei allerdings die Motivierung der subjektiven Besorgnis des Gläubigers, die durch Anführung konkreter Umstände begründet sein müsse. Gemäß § 1445, erster Satz, ABGB erlöschen das Recht und die Verbindlichkeit, wenn sie in einer Person vereinigt werden, außer wenn es dem Gläubiger noch frei stehe, eine Absonderung seiner Rechte zu verlangen (§§ 802 und 812 ABGB). Die Nachlaßabsonderung diene daher im gegenständlichen Fall der Verhinderung des Unterganges des behaupteten Anspruches der Verlassenschaft gegen Hannelore S*** durch Einantwortung des Nachlasses an diese. Damit sei die subjektive Besorgnis der Gefahr einer Schmälerung des Nachlaßvermögens und damit einer Verschlechterung der Befriedigungsmöglichkeit des Gläubigers ausreichend motiviert. Die erbserklärte Erbin Hannelore S*** bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragt, ihn dahin abzuändern, daß der Absonderungsantrag des Herbert T*** abgewiesen wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Gemäß § 812 ABGB hat ein Nachlaßgläubiger bis zur Einantwortung einen Anspruch auf Absonderung der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben, wenn er besorgt, daß er durch die Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben für seine Forderung Gefahr laufen könne. Der Gläubiger muß zwar seine Forderung bescheinigen, die Umstände aber, die seine Besorgnis begründen, nur behaupten. Eine Besorgnis der Gefahr ist jedes hinreichend motivierte, auch bloß subjektive Bedenken. Ein Nachweis im technischen Sinn ist nicht erforderlich (Kralik in Ehrenzweig 4 Erbrecht, 359; Welser in Rummel, ABGB, Rdz 13 und 14 zu § 812). Die erbserklärte Erbin stellt die Bescheinigung der von Herbert T*** behaupteten Forderung nicht in Frage. Sie macht jedoch geltend, daß von einer Gefährdung dieser Forderung nicht die Rede sein könne, da der in den Nachlaß fallende Anteil an der Liegenschaft EZ 69 der KG Unter-Sievering einen Wert von etwa S 5 Mio. habe. Es sei im übrigen nicht richtig, daß der Kaufpreis für die Liegenschaft EZ 43 KG Unter-Sievering von Hannelore S*** noch nicht bezahlt worden sei.

Herbert T*** hat, wie bereits ausgeführt wurde, zur Motivierung der Besorgnis einer Gefahr für seine Forderung ausgeführt, die erbserklärte Erbin Hannelore S*** werde nicht willens sein, den Anspruch der Verlassenschaft auf Verschaffung des Eigentums an der Liegenschaft EZ 43 KG Unter-Sievering (wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt des Kaufsvertragsabschlusses) bzw. (sollte die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin bejaht werden) auf den Kaufpreis von S 600.000,-- gegen sich selbst geltend zu machen. Durch die Unterlassung der Einziehung der Forderung käme es zu einer Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben, so daß der Gläubiger Gefahr laufe, seine Forderung gegen den Nachlaß nicht einbringlich machen zu können. Durch das zu erwartende Untätigbleiben der Erbin drohten sowohl die Aufhebungsklage als auch die Klage auf Bezahlung des Kaufschillings zu verjähren.

Sieht das Rekursgericht eine ausreichende Motivierung der subjektiven Gefahr einer Schmälerung des Nachlaßvermögens und damit einer Verschlechterung der Befriedigungsmöglichkeiten des Gläubigers bereits darin, daß gemäß § 1445, erster Satz, ABGB das Recht und die Verbindlichkeit, wenn sie in einer Person vereinigt werden, erlöschen, so daß die Nachlaßabsonderung der Verhinderung des Untergangs des behaupteten Anspruchs der Verlassenschaft gegen Hannelore S*** durch Einantwortung der Verlassenschaft an diese diene, kann ihm darin allerdings nicht gefolgt werden. Gemäß § 1445, Satz 2, ABGB, wird nämlich durch die Nachfolge des Schuldners in die Verlassenschaft seines Gläubigers in den Rechten der Erbschaftsgläubiger nichts geändert. Forderungen des Erblassers gegen den Erben erlöschen daher durch Vereinigung ebensowenig wie Schulden des Erblassers an den Erben (Koziol-Welser, Grundriß 7 I 256, Klang in Klang 2 VI 535).

Dies ändert allerdings nichts daran, daß Herbert T*** konkrete Umstände, die die Besorgnis einer Gefahr für seine Forderung rechtfertigen könnten, mit dem Vorbringen vorgebracht hat, er laufe dadurch Gefahr, seine Forderung nicht einbringlich machen zu können, daß "durch das zu erwartende Untätigwerden der Erbin sowohl die Aufhebungsklage als auch die Klage auf Bezahlung des Kaufschillings zu verjähren drohen". Die Annahme dieses Gläubigers, daß die erbserklärte Erbin in der aufgezeigten Richtung "untätig" bleiben werde, wird durch ihre eigene Behauptung, es sei unrichtig, daß die Erblasserin zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei, und ebenso, daß die Bezahlung des Kaufpreises nicht erfolgt sei (Schriftsatz ON 17, wiederholt im Revisionsrekurs ON 38) bestätigt. Eine Kaufpreisforderung der Erblasserin für die Liegenschaft EZ 43 KG Unter-Sievering wird auch nicht in der Todfallsaufnahme erwähnt.

Die Nachlaßseparation ist nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen. Mit Rücksicht auf den Zweck des § 812 ABGB, den Antragsberechtigten vor allen Gefahren zu schützen, die aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben über den Nachlaß mit der darin liegenden Verquickung der vermögensrechtlichen Beziehungen entstehen können, genügt jede hinreichend motivierte Besorgnis, daß der Erbe selbst den Nachlaß und damit den Befriedigungsfonds für die Nachlaßforderung schmälern könnte (JBl 1978, 152). Es ist keine Frage, daß der Befriedigungsfonds für die bescheinigte Forderung des Nachlaßgläubigers Herbert T*** geschmälert würde, sollten die Bestrebungen der Erbin, nachzuweisen, daß die von Herbert T*** behauptete Nachlaßforderung bereits bezahlt ist, erfolgreich sein. Die Absonderung, die stets den ganzen Nachlaß umfaßt (Welser in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 812; Kralik aaO 359; Weiß in Klang 2 III 1022) und sich daher auch auf den dem Sohn der Erblasserin, Franz B***, vermachten Liegenschaftsanteil erstreckt, ist ein geeignetes Mittel zur Sicherung des Gläubigers, zumal sich der Nachlaßgläubiger nach Einverleibung des Eigentumsrechtes des Vermächtnisnehmers an diesem Liegenschaftsanteil nur an den Erben, nicht aber an den Vermächtnisnehmer halten könnte

(Kralik aaO 204 f). Durch die Nachlaßabsonderung ist aber vorerst die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Vermächtnisnehmers nicht möglich.

Im Ergebnis zu Recht hat daher das Rekursgericht die Absonderung angeordnet, so daß dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Anmerkung

E09636

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00675.86.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19861126_OGH0002_0070OB00675_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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