Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** Ö***
G*** und S***, S*** & R***
Gesellschaft m.b.H. & Co KG, Wien 6., Gumpendorferstraße 85, vertreten durch Dr. Wolfgang Jeanüe, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Firma O. R*** geborene S*** & Co., Dornbirn, Marktstraße 10, vertreten durch Dr. Jost Troppmayr, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 333.381,01 S samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 13. Mai 1986, GZ 1 R 54/86-45, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19. November 1985, GZ 6 Cg 2502/84-39, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidung des Erstgerichtes wird wiederhergestellt.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 23.968,95 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 1.920 S Barauslagen und 2.004,45 S Umsatzsteuer) und die mit 21.333,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 10.000 S Barauslagen und 1.030,35 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht (ursprünglich Handelsgericht Wien) erließ auf Grund eines Wechsels vom 8. März 1983 einen Wechselzahlungsauftrag über 359.049,48 S. In dem Wechsel war als Zahlungsort Dornbirn angegeben. Außerdem enthielt der Wechsel den Vermerk, "zahlbar bei Österreichischer Länderbank, Mariahilferstraße 83, 1060 Wien". Die Beklagte hatte im Zuge des Verfahrens eingewendet, der Wechsel sei wegen zweier verschiedener Zahlungsorte nicht wirksam. Im übrigen wendete sie vertragswidrige Ausfüllung des seinerzeit blanko hingegebenen Wechsels ein und behauptete auf Grund der inzwischen aufgelösten Geschäftsverbindung zwischen den Streitteilen nichts mehr zu schulden. Auch Verjährung wurde eingewendet. Die Klägerin erwiderte hierauf mit der Behauptung noch offener Forderungen aus dem aufgelösten Rechtsverhältnis, wobei sie im Zuge des Verfahrens verschiedene Sachverhalte vortrug, aus denen sie ihre Forderung ableitete.
Nachdem die Sache an das nunmehr für zuständig erklärte Landesgericht Feldkirch überwiesen worden war, brachte die Klägerin vor, der eingeklagte Saldo gründe sich auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien, wonach Kommissionsware an das von der Beklagten verwaltete Auslieferungslager geliefert wurde. Sie erklärte in der Tagsatzung vom 8. Jänner 1985 (ON 26) das Klagebegehren um die vorprozessualen Kosten in der Höhe von 10.800 S auf 348.249,48 S s.A. derart einzuschränken, daß es zu lauten hat:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von 348.249,48 S samt 6 % Zinsen seit dem 15. März 1983 zuzüglich einer Notargebühr von 20 S, Rückprovision von 60 S und Wechselspesen von 359,04 S zu bezahlen." Nach einer Reihe weiterer Verfahrensschritte erklärte die Klägerin in der Tagsatzung vom 10. Oktober 1985 (ON 38) das Klagebegehren um die bisher in der Klagssumme enthaltenen kapitalisierten Zinsen von 14.868,47 S auf 333.381,01 S einzuschränken, sodaß das Klagebegehren zu lauten hat:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagsvertreters binnen 14 Tagen den Betrag von 333.381,01 S samt 6 % Zinsen seit dem 20. April 1983 zu bezahlen." Die Klagseinschränkung wurde mit der Herausnahme der kapitalisierten Zinsen erklärt. Außerdem brachte die Klägerin vor, das Klagebegehren auf die Verbindlichkeiten der Beklagten aus dem Vertrag vom 27. Dezember 1965 und überhaupt auf jeden erdenklichen Rechtsgrund zu stützen. Nunmehr wurden Tatsachen vorgetragen, die das jetzt behauptete Grundverhältnis zwischen den Parteien dartun sollten. Das Erstgericht hob den Wechselzahlungsauftrag auf und wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der vorliegende Wechsel weise zwei verschiedene Zahlungsorte auf, sodaß er keine Grundlage für einen Wechselzahlungsauftrag bilden könne.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren in der in der Tagsatzung vom 10. Oktober 1985 von der Klägerin gewählten Fassung statt. Rechtlich billigte das Berufungsgericht zwar die Rechtsansicht des Erstgerichtes bezüglich der Unwirksamkeit des Wechsels, führte jedoch aus, auch ein formell unwirksamer Wechsel könne in eine kaufmännische Anweisung im Sinne des § 363 Abs 1 HGB umgedeutet werden. Eine solche Umdeutung führe hier zu dem Ergebnis, daß der Klägerin die inhaltlich berechtigte Forderung zuzusprechen sei. Im übrigen stelle das Vorbringen der Klägerin in den Tagsatzungen vom 8. Jänner 1985 und 10. Oktober 1985 (ON 26 u 38) eine Klagsänderung dar. Demzufolge liege dem Klagebegehren nicht mehr eine reine Wechselforderung, sondern eine Forderung aus dem Grundverhältnis zugrunde. Diese Forderung bestehe zu Recht und sei auch nicht verjährt.
Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit sind zwar nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO), doch erweist sich die Rechtsrüge als zutreffend.
Auch die Klägerin erkennt nunmehr, daß der vorliegende Wechsel keine Grundlage für die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages bilden kann, weshalb auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes in diesem Punkt verwiesen wird.
Die Klägerin hat den von ihr behaupteten Wechselanspruch in der besonderen Verfahrensart des Wechselmandatsverfahrens geltend gemacht und einen Wechselzahlungsauftrag gegen die Beklagte erwirkt. In dem über die Einwendungen der Beklagten durchzuführenden Verfahren ist nur über die Berechtigung des Wechselzahlungsauftrages zu entscheiden. Falls sich dieser nicht als berechtigt erweisen sollte, darf nicht über einen Anspruch aus dem Grundgeschäft erkannt werden (Fasching, IV, 614, SZ 43/173, SZ 23/247 ua.). Dies schließt allerdings grundsätzlich die Zulässigkeit einer Klagsänderung nicht aus (NZ 1981, 84, EvBl 1968/146 ua.). Ohne eine solche Klagsänderung ist es dem Kläger im Wechselprozeß bei Verneinung des wechselrechtlichen Anspruches verwehrt, diesen auf das Grundgeschäft zu stützen. Die bloße Replik auf die nach Wechselrecht zulässigen Einwendungen steht ihm zu, führt aber für sich allein noch nicht zur Möglichkeit den im Wechselprozeß geltend gemachten Anspruch aus dem Grundgeschäft zuzusprechen (SZ 53/138 ua.).
Im vorliegenden Fall muß nicht untersucht werden, ob die hilfsweise Geltendmachung eines Anspruches aus dem Grundgeschäft neben dem aufrecht erhaltenen Begehren auf Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages in Form eines Eventualbegehrens zulässig ist, was von einem Teil der Judikatur (5 Ob 580/82 ua.) verneint wird. Selbst wenn man den milderen Standpunkt der Zulässigkeit eines Eventualbegehrens neben dem aufrechterhaltenen Begehren auf Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages vertritt, müßte eine entsprechende Klagsänderung derart deutlich sein, somit kein Zweifel daran bestehen kann, daß es sich nach dem Willen des Klägers um eine Klagsänderung mit zumindest einem Eventualbegehren handelt. Dies gebietet schon allein die Rechtssicherheit im Interesse des Beklagten, der wissen muß, ob seine bisher auf das Begehren auf Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages abgestellten Einwendungen ausreichen oder ob er nunmehr auf ein weiteres Begehren zu reagieren hat. Gerade der vorliegende Fall zeigt, daß eine solche Klarheit für den Beklagten bestehen mußte, weil dieser gegen den Anspruch auf Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages Verjährung eingewendet hatte und ihm daher die Notwendigkeit einer weiteren Verjährungseinwendung auch gegen ein Eventualbegehren klar vor Augen geführt werden mußte. Kann demnach den Erklärungen des Klägers nicht eindeutig entnommen werden, daß er einen weiteren Anspruch entweder anstatt des Anspruches auf Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages oder zumindest neben dem diesbezüglichen aufrechterhaltenen Anspruch geltend machen wolle, so kann von einer Klagsänderung, die das Gericht instandsetzen würde, den begehrten Betrag aus dem Grundverhältnis zuzusprechen, keine Rede sein.
Betrachtet man das prozessuale Verhalten des Klägers im vorliegenden Fall unter den aufgezeigten Gesichtspunkten, so ergibt sich, daß es den eindeutigen Schluß auf eine Klagsänderung nicht zuläßt. In der Tagsatzung vom 8. Jänner 1985 (ON 26) wird überhaupt nur eine Klagseinschränkung vorgenommen, die ohne eine weitere Erklärung nicht als weiteres Begehren neben der Wechselforderung verstanden werden konnte. Der Kläger begehrte nämlich nach wie vor Wechselzinsen, eine Rückprovision und Wechselspesen. Auch in der Tagsatzung vom 10. Oktober 1985 (ON 38) sprach der Kläger nur von einer Klagseinschränkung. Auch die für sein Vorgehen gegebene Begründung läßt nur den Schluß auf eine bloße Klagseinschränkung zu. Vor allem die Tatsache, daß nach wie vor die 6 %-igen Wechselzinsen verlangt wurden, spricht dafür, daß der aus dem Wechsel abgeleitete Anspruch nicht fallengelassen oder zumindest neben diesem aufrechterhaltenen Anspruch ein eigener neuer Anspruch geltend gemacht werden sollte. Die weiteren Ausführungen des Klägers in dieser Tagsatzung konnten hiebei nur als weitere Replik auf die Einwendungen des Beklagten verstanden werden. Werden aber in einem Wechselprozeß Einwendungen erhoben, so steht es dem Kläger grundsätzlich frei, auf diese Einwendungen zu replizieren. Insbesondere dann, wenn der Wechsel nicht weitergegeben wurde und demnach dem Beklagten Einwendungen aus dem Grundverhältnis zustehen, wird dem Kläger vielfach nichts anderes übrig bleiben, als diese Einwendungen durch Hinweise auf das Grundgeschäft zu entkräften. Solche auf das Grundgeschäft gestützte Repliken können daher im Regelfall nicht als Heranziehung eines eine Klagsänderung begründenden neuen Klagsgrundes gewertet werden. Wie bereits oben dargelegt wurde, müßte man für die gegenteilige Annahme ein derart eindeutiges Verhalten des Klägers fordern, daß kein Zweifel an seinem Willen eine Klagsänderung vorzunehmen, bestehen kann. Derartiges ist, entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes, hier nicht gegeben.
Auf die Frage, inwieweit ein Wechsel in eine kaufmännische Anweisung umgedeutet werden kann, muß nicht eingegangen werden, weil auch eine Prüfung in dieser Richtung eine entsprechende Klagsänderung vorausgesetzt hätte. Auf eine kaufmännische Anweisung hat sich der Kläger im Verfahren erster Instanz nicht berufen.
Vielmehr hat er sein Begehren, wie bereits dargelegt wurde, erkennbar nur auf den Wechsel als solchen gestützt. Daß aber der vorgelegte Wechsel keine geeignete Grundlage für die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages sein kann, haben die Vorinstanzen richtig erkannt. Auch der Kläger dürfte sich dieser Erkenntnis nunmehr beugen.
Aus den aufgezeigten Erwägungen war demnach die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E10051European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00694.86.1126.000Dokumentnummer
JJT_19861126_OGH0002_0070OB00694_8600000_000