Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Walter H***, techn. Angestellter, St. Pölten, Mühlweg 60 b/9, vertreten durch Dr. Karl Haas, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte und widerklagende Partei Maria H***, Hausfrau, St. Pölten, Herzogenburgerstraße 37, vertreten durch Dr. Erwin Dillinger, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24. Juni 1986, GZ 11 R 131/86, 11 R 132/86-39, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 27. Dezember 1985, GZ 1 Cg 127/84-34, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 5.2.1944 geborene Kläger und Widerbeklagte (in der Folge nur Kläger genannt) und die am 21.1.1943 geborene Beklagte und Widerklägerin (in der Folge nur Beklagte genannt) haben am 26.5.1962 miteinander die - beiderseits erste - Ehe geschlossen; ihr entstammt die am 31.7.1962 geborene Tochter Maria. Beide Parteien sind österreichische Staatsbürger; sie hatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in St. Pölten. Der Kläger ist als Techniker bei der G***-A*** beschäftigt. Die Beklagte war während der gesamten Zeit der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft im Haushalt tätig und betreute die behinderte Tochter. Der Kläger begehrte mit der am 26.6.1981 erhobenen Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten. Die Beklagte verhalte sich seit etwa 2 Jahren ihm gegenüber in einem nicht mehr tragbaren Ausmaß lieb- und interesselos. Sie verbringe nahezu jeden Tag vom frühen Nachmittag an bis in die Nacht hinein außer Haus. Seit etwa 2 Jahren widme sich die Beklagte dem Amateurfunken. Die Bekanntschaft mit anderen Funkern sei ihr wichtiger als das Zusammenleben mit dem Kläger.
Die Beklagte bestritt das Vorbringen in der Klage und brachte ihrerseits am 2.9.1981 eine Widerklage ein, in der sie die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers begehrte. Der Kläger kümmere sich nicht um die Familie. Er habe die eheliche Gemeinschaft Ende Mai 1981 aufgegeben und sei zu seiner Schwester gezogen, weil er ehewidrige bzw. ehebrecherische Beziehungen zu Veronika G*** unterhalte. Überdies vernachlässige der Kläger seine Unterhaltspflicht.
Am 24.4.1984 stellte der Kläger ein Eventualbegehren auf Scheidung der Ehe gemäß § 55 Abs 1 EheG.
Die Beklagte stellte für den Fall der Scheidung auf Grund dieses Eventualbegehrens den Antrag, das alleinige Verschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe festzustellen.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers. Es traf folgende Feststellungen:
Der Kläger hatte eine Arbeitszeit von 6 Uhr bis 14 Uhr. Er machte oft Überstunden und arbeitete gelegentlich auch am Wochenende. Infolge der beruflichen Inanspruchnahme war er häufig müde und hatte keine Lust, auszugehen. Die Beklagte, die die meiste Zeit wegen des Haushalts und des Kindes zu Hause verbrachte, wollte jedoch Abwechslung und die Freizeit außer Haus verbringen. 1976 wurde der Kläger Amateurfunker und trat einem Funkclub bei. In der Folge übte auch die Beklagte dieses Hobby aus und kam dadurch mehr außer Haus. Sie fand großen Gefallen daran und betrieb dieses Hobby leidenschaftlich, während sich der Kläger nicht viel aus dem Funken machte. Ab 1979 funkte nur mehr die Beklagte. Von 1980 bis 1g 2ewar sie fast täglich über Funk zu hören. Es kam so weit, daß sie in diesen Jahren im Wochendurchschnitt 4 - 5 Mal auswärts beim Funken war, wobei sie etwa zwischen 14 Uhr 30 und 14 Uhr 45 von zu Hause wegfuhr, ihre Tochter mitnahm und meist zwischen 21 und 22 Uhr nach Hause zurückkehrte. Wenn der Kläger sofort nach Dienstschluß um 14 Uhr heimkam, war die Beklagte noch etwa eine halbe oder dreiviertel Stunde da. Leistete der Kläger Überstunden und kam er erst um 15 Uhr oder später heim, traf er die Beklagte nicht mehr an. In derartigen Fällen mußte sich der Kläger das Essen aufwärmen. Der Kläger wollte zwar nicht, daß die Beklagte ihr Hobby aufgibt. Er war aber nicht damit einverstanden und es störte ihn sehr, daß die Beklagte so lange und so häufig von zu Hause abwesend war. Er machte ihr diesbezüglich Vorhalte; diese nützten aber nichts. 1981 drohte er der Beklagten auch an, sie zu verlassen, wenn sie das Funken nicht aufgebe. Die Beklagte fuhr aber trotzdem in den Funkclub. Am 24.5.1981 verließ der Kläger ohne Kommentar den ehelichen Haushalt und zog zu seiner Schwester Erika Z***. Schon etwa einen Monat vor dieser Trennung war der Kläger an körperlichen Beziehungen mit der Beklagten nicht mehr interessiert gewesen. Durch die Kontakte im Funkclub lernten die Streitteile die Eheleute Veronika und Werner G*** kennen. Es entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung. In der Folge scheiterte die Ehe der Veronika und des Werner G***, während nicht mehr näher feststellbare Beziehungen zwischen dem Kläger und Veronika G*** aufrecht blieben und sich verstärkten. Veronika G*** verließ im Juni 1981 ihren Mann und zog aus der ehelichen Wohnung aus, ohne ihm eine Erklärung dafür zu geben. Sie zog zur Schwester des Klägers, die infolge einer Operation Hilfe benötigte, wogegen der Kläger in die Wohnung seiner Mutter zog. Dort versorgte Veronika G*** seine Wäsche und kümmerte sich um den Haushalt. Sie wohnte zwar bei der Schwester des Klägers, übernachtete aber hin und wieder mit dem Kläger in der Wohnung seiner Mutter. Es konnte weder festgestellt noch ausgeschlossen werden, ob es dabei zwischen den beiden auch zu geschlechtlichen Beziehungen kam. Nach der Scheidung der Ehe der Veronika G*** ließ sich diese Gegenstände aus der ehemaligen ehelichen Wohnung in die vom Kläger benützte Wohnung seiner Mutter bringen. Der Kläger verschaffte Veronika G*** einen Arbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber. Ab Sommer 1981 verbrachten die beiden gelegentlich die Abendstunden miteinander. Der Kläger holte Veronika G*** morgens von seiner Schwester ab, brachte sie zur Arbeit und danach wieder in die Wohnung seiner Schwester.
Grund dafür, daß der Kläger am 24.5.1981 den ehelichen Haushalt verlassen und weggezogen ist, waren seine, auf den damaligen Zeitpunkt bezogen nicht näher feststellbaren Beziehungen zu Veronika G***.
Ehewidrige oder ehebrecherische Beziehungen der Beklagten zu anderen Männern konnten nicht festgestellt werden.
Die Beklagte war während der ehelichen Gemeinschaft mit dem Kläger als Hausfrau tätig und ist seit 23.1.1985 beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet, bezieht aber keine Arbeitslosenunterstützung. Der Kläger ist nach wie vor bei der Firma G*** beschäftigt. Sein monatliches Nettoeinkommen beträgt rund S 13.470,-- ohne Sonderzahlungen. Für die Beklagte bezahlte der Kläger für August 1984 bis einschließlich Februar 1985 einen monatlichen Unterhalt von S 1.400,--. Seit Dezember 1984 ist für die eheliche Tochter Maria ein monatlicher Unterhalt von S 3.000,-- bestimmt.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß den Kläger das überwiegende Verschulden am Scheitern der Ehe treffe. Der Beklagten müsse zwar die übertriebene Ausübung ihres Hobbys als Eheverfehlung zur Last gelegt werden. Sie habe dieses Hobby in übertriebenem Ausmaß fortgesetzt, obwohl der Kläger dies als störend empfunden und eine Reduktion auf ein normales und vernünftiges Ausmaß gewünscht habe. Das Verschulden des Klägers (Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, Beziehungen zu einer anderen Frau, Unterhaltsverletzung) wiege jedoch schwerer. Die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft sei keine Reaktion auf das übertriebene Hobby der Beklagten gewesen, sondern Folge seiner Beziehungen zu einer anderen Frau.
Das Urteil über die Scheidung der Ehe ist unangefochten geblieben.
Das Berufungsgericht änderte den Verschuldensausspruch des Erstgerichtes dahin ab, daß die Ehe der Streitteile aus deren gleichteiligem Verschulden geschieden wurde. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes führte das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung aus, es komme bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens nicht nur auf den Grad der Verwerflichkeit der einzelnen Eheverfehlungen, sondern auch darauf an, wieweit sie einander bedingt und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe gehabt hätten. Bedacht zu nehmen sei darauf, wer mit der schuldhaften Zerrüttung begonnen und wer den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geleistet habe. Das überwiegende Verschulden sei nur dann auszusprechen, wenn die Schuld des einen Ehegatten erheblich schwerer wiege und das Verschulden des anderen fast völlig in den Hintergrund trete. Die Beklagte habe durch ihre ständige Abwesenheit, mit der der Kläger in diesem Umfang nicht einverstanden gewesen sei, eindeutig ein Verhalten gesetzt, das die Zerrüttung der Ehe eingeleitet habe. Sie habe durch ihre ständige Abwesenheit das Zusammengehörigkeitsgefühl der Ehegatten, die geistig-seelische Gemeinschaft systematisch zerstört. Als diese geistig-seelische Gemeinschaft schon weitgehend zerstört gewesen sei, habe der Kläger seinerseits durch seinen - durch seine Beziehung zu einer anderen Frau motivierten - Auszug aus der Ehewohnung eine schwere Eheverfehlung gesetzt. Dazu komme, daß der Kläger in der Folge seine Unterhaltspflicht verletzt habe. Dies sei ihm ebenfalls als Verschulden zuzurechnen, weil er sich auch als juristischer Laie darüber habe im Klaren sein müssen, daß er der Beklagten nur S 1.400,-- an Unterhalt zukommen lasse, daß dieser Betrag aber für die einkommenslose Beklagte unter Berücksichtigung seines zehnfachen Einkommens zu wenig sei. Wäge man die beiderseitigen Eheverfehlungen ab, seien sie als ungefähr gleich schwerwiegend anzusehen: Das Verhalten der Beklagten habe die Zerrüttung der Ehe eingeleitet; der Kläger habe die an sich schwereren Eheverfehlungen begangen. Wieweit die Beziehungen des Klägers zu Veronika G*** zum Zeitpunkt des Auszuges aus der Ehewohnung gegangen seien, sei für die Verschuldensaufteilung nicht mehr von wesentlicher Bedeutung. Das Verschulden keines Teiles trete dermaßen in den Vordergrund, daß jenes des anderen Teiles fast zu vernachlässigen sei. Das Ersturteil sei deshalb dahin abzuändern gewesen, daß die Ehe aus dem beiderseitigen gleichteiligen Verschulden geschieden werde. Die Beklagte bekämpft den Verschuldensausspruch des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, diesen dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Beklagte bringt vor, es treffe nicht zu, daß se durch ihr Verhalten die Zerrüttung der Ehe eingeleitet habe. Der Kläger habe vielmehr das zunächst gemeinsame Hobby der Streitteile aus für die Beklagte vorerst nicht ersichtlichen Gründen plötzlich aufgegeben und die Beklagte aufgefordert, ihre Freizeit zur Gänze zu Hause zu verbringen. Da aber die Beklagte durch die Pflege des schwer behinderten Kindes der Streitteile zuvor kaum die Möglichkeit einer befriedigenden Freizeitgestaltung gefunden und sie durch das Amateurfunken die Möglichkeit gehabt habe, sich zumindest einige Zeit von den häuslichen Problemen abzulenken, habe sie sich dem Ansinnen des Klägers widersetzt. Dem Kläger sei es bei seiner Aufforderung nur darum gegangen, einen Kontakt zwischen der Beklagten und Veronika G*** sowie zwischen ihm und dem Gatten der Veronika G*** zu vermeiden. Es habe daher nicht die Beklagte durch ihre Abwesenheit von zu Hause die Ehe zerrüttet, sondern der Kläger habe die harmonische Gemeinschaft und das Einvernehmen der Parteien dadurch gestört, daß er das gemeinsam betriebene Hobby plötzlich aufgegeben und von der Beklagten "ultimativ" verlangt habe, dies auch zu tun.
Mit diesen Ausführungen weicht die Beklagte von den getroffenen Feststellungen entscheidend ab. Es steht zwar fest, daß zunächst - in den Jahren 1976 bis 1979 - beide Teile das Hobby des Amateurfunkens betrieben haben, aber auch, daß sich der Kläger (schon in dieser Zeit) nicht viel aus dem Funken machte, während sich die Beklagte immer mehr dafür begeisterte und es leidenschaftlich betrieb. Außerdem funkte ab 1979 nur mehr die Beklagte und war fast täglich über Funk zu hören, während der Kläger kaum noch als Funker tätig war. Nicht festgestellt wurde, daß der Kläger die Beklagte "ultimativ" aufgefordert hätte, ihre Kontakte zur Funkerei "zur Gänze" abzubrechen und ihre "gesamte Freizeit" wieder zu Hause zu verbringen. Es steht im Gegenteil fest, daß der Kläger nicht wollte, daß die Beklagte ihr Hobby aufgibt, daß aber die Beklagte nicht einmal bereit war, früher vom Funken nach Hause zu kommen. Nicht festgestellt wurde auch, daß sich der Kläger wegen der Bekanntschaft mit Veronika G*** vom Amateurfunken fast gänzlich zurückgezogen hat.
Der Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO liegt nur dann vor, wenn in ihm, ausgehend von dem festgestellten Sachverhalt, aufgezeigt wird, daß der Vorinstanz bei Beurteilung dieses Sachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Mangels einer gesetzmäßigen Ausführung dieses Revisionsgrundes ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, auf materiellrechtliche Fragen einzugehen. Einer den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO nicht gesetzmäßig ausführenden Revision aber ist nicht Folge zu geben. Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E09642European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00697.86.1126.000Dokumentnummer
JJT_19861126_OGH0002_0070OB00697_8600000_000