TE OGH 1986/12/3 1Ob669/86

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Veröffentlicht am 03.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lieselotte N***, Hausfrau, geboren am 27. Mai 1939 in Wien, Wien 18., Thimiggasse 63-69/2/1, vertreten durch Dr. Herbert Schaller, Dr. Elisabeth C. Schaller, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Paul N***, Pensionist, geboren am 5. Mai 1921 in Wien, Wien 18., Simonygasse 2 b/9/4, vertreten durch Dr. Romeo Nowak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Mai 1986, GZ 14 R 44/86-55, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Oktober 1985, GZ 21 Cg 366/82-48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.396,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,-- USt.) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 30.7.1971 die Ehe geschlossen, sie sind österreichische Staatsbürger; aus der Ehe entstammt die am 14.8.1968 geborene Tochter Daniela.

Mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 8.10.1982, 3 U 891/82-11, bestätigt mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.2.1983, 13 d Bl 137/83-17, wurde der Beklagte des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB schuldig erkannt; er hat am 11.3.1982 die Klägerin durch Schläge auf den Kopf mißhandelt und ihr dadurch fahrlässig eine Kopfprellung mit Schwellungen zugefügt.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 19.8.1985, 27 Bs 248/85-36, wurde die Klägerin des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt, weil sie unter anderem in der am 29.6. und 30.6.1984 ausgestrahlten Fernsehsendung "Politik am Freitag" und in der am 10.9.1984 ausgestrahlten Fernsehsendung "Club 2" behauptete, der Beklagte habe ihr im Jahr 1969 eine Ohrfeige gegeben, sich schweinisch benommen, als sie sich im Spital befunden habe, er habe sie im November 1981 gewürgt und geschlagen, sodaß sie eine Netzhautablösung und Blutungen am Kopf erlitten habe, der Beklagte habe zwei- bis dreimal täglich einen Rausch. Der Wahrheitsbeweis wurde gemäß § 112 StGB für ausgeschlossen angesehen. Die Klägerin begehrt in der am 9.2.1982 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Als Scheidungsgründe macht sie oftmalige Trunkenheit des Beklagten, der sie in diesem Zustand beschimpfe, mißhandle, verletze, bedrohe und grundlos eifersüchtig sei, geltend. Der Beklagte unterhalte ehewidrige Beziehungen zu Gabriele D***.

Der Beklagte wendete ein, das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung treffe die Klägerin, sie vernachlässige die Haushaltsführung, unterhalte selbst ehewidrige Beziehungen, beschimpfe ihn und habe ihm angedroht, sie werde ihn vernichten. Sie habe gegen ihn in Fernsehsendungen ehrenrührige Behauptungen aufgestellt.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten. Es stellte fest, seit 1981 komme es zwei- bis dreimal in der Woche zwischen den Streitteilen zu Auseinandersetzungen. Diese würden durch den Beklagten herbeigeführt, der übermäßig dem Alkohol zuspreche. Der Beklagte verlasse morgens die Wohnung, komme mittags betrunken nach Hause und mache der Klägerin Vorhalte wegen des Essens. Dabei sei es vorgekommen, daß er die Kochtöpfe umwerfe. Auch der schlechte schulische Erfolg der Tochter sei Grund für die Auseinandersetzungen. Im Zuge solcher Auseinandersetzungen habe der Beklagte die Klägerin beschimpft und ihr ungerechtfertigt Vorwürfe gemacht, sie unterhalte ehewidrige Beziehungen. Nachmittags gehe der Beklagte erneut aus. Wenn er abends nach Hause gekommen sei, habe er die Klägerin wiederum grundlos beschimpft. Am 29.11.1981, 11.3.1982 und 31.8.1982 sei der Beklagte gegen die Klägerin auch tätlich geworden. Bei den ersten beiden Vorfällen habe er sie verletzt. Im Jahre 1981 habe er zweimal, davon einmal alkoholisiert, versucht, einen Geschlechtsverkehr zu erzwingen. Dieser sei ihm von der Klägerin wegen eines Frauenleidens verwehrt worden. Am 21.11.1982 sei der Beklagte erst in der Nacht nach Hause gekommen, habe randaliert und ein Schuhkästchen zertrümmert. Am 24.12.1982 habe er zur Klägerin gemeint, sie könne krepieren. Am 10.1.1983 sei die Klägerin mit ihrer Tochter ins Frauenhaus gezogen; sie habe vor dem Beklagten Angst gehabt; wegen des lauten Verhaltens des Beklagten sei es ihr und ihrer Tochter nicht möglich gewesen, vor zwei oder drei Uhr Früh Ruhe zu finden. Wenn der Beklagte in der Nacht nach Hause gekommen sei, habe er mehrfach an der Tür des Kabinetts, das von der Klägerin und ihrer Tochter bewohnt worden sei, geklopft. Die Klägerin habe den Haushalt bis zu ihrem Auszug geführt, die Wäsche versorgt, die Wohnung aufgeräumt und in Ordnung gehalten. Wenn der Beklagte übermäßig dem Alkohol zugesprochen habe, sei es vorgekommen, daß die Klägerin und ihre Tochter auswärts bei Bekannten oder Freundinnen genächtigt haben, ohne dem Beklagten hievon Mitteilung zu machen. Ehewidrige Beziehungen eines der Streitteile könnten nicht festgestellt werden. Beide Streitteile hätten Eheverfehlungen gesetzt, die Ehe sei aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten zu scheiden.

Das Berufungsgericht gab den von beiden Streitteilen erhobenen Berufungen nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Die eigentliche Ursache der Aggressivität des Beklagten sei sein Alkoholismus gewesen, es habe daher keiner besonderen Anlässe bedurft, um die Klägerin zu verdächtigen, zu beschimpfen und zu mißhandeln. Das Verschulden des Beklagten überwiege zweifellos.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Nach den inhaltlichen Ausführungen der Revision bestreitet der Beklagte nicht mehr, selbst Eheverfehlungen gesetzt zu haben. Er meint nur, daß seine Eheverfehlungen in einem milderen Licht gesehen werden müßten.

Nach § 60 Abs 2 EheG ist das überwiegende Verschulden eines Teiles dann auszusprechen, wenn sein Verschulden erheblich schwerer wiegt als das des anderen. Der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile muß augenscheinlich hervortreten (EFSlg 46.243, 43.691, 41.281 bis 41.284 uva), sodaß es subtiler Abwägungen nicht bedarf (Schwind, Eherecht 2 251); das Verschulden des anderen Ehegatten muß fast völlig in den Hintergrund treten (EFSlg 46.242, 43.692, 41.281 uva; Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 60 EheG). Für die beiderseitige Verschuldensabwägung ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten maßgebend (EFSlg 46.230, 46.231, 43.684); zu berücksichtigen ist, wer den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geleistet hat (EFSlg 46.234, 43.679, 41.273); die Ursächlichkeit der Verfehlungen für den Eintritt der unheilbaren Zerrüttung ist von ausschlaggebender Bedeutung (EFSlg 43.680, 43.677, 41.271 ua). Eheverfehlungen, die in den Zeitraum nach dem Eintritt der völligen Zerrüttung der Ehe fallen, spielen bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle (EFSlg 46.237, 43.688).

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Beklagte jahrelang übermäßig dem Alkohol zugesprochen und in diesem Zustand die Klägerin beschimpft, mißhandelt, bedroht und verletzt sowie Sachbeschädigungen begangen. Er hat damit die ersten und die wesentlichen Ursachen zur Zerrüttung der Ehe gesetzt. Das der Klägerin vorwerfbare Verhalten reduziert sich darauf, daß sie bereits nach Einbringung der Scheidungsklage und Zerrüttung der Ehe in zwei im Jahre 1984 ausgestrahlten Fernsehsendungen den Beklagten durch Anführung von Tatsachen aus dem Privat- und Familienleben, für die ein Wahrheitsbeweis nicht zulässig war, in einer breiten Öffentlichkeit verächtlicher Eigenschaften bzw. Gesinnungen geziehen hat. Sie wurde deshalb auch, ohne daß sie den Wahrheitsbeweis antreten durfte, rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Dieses Verhalten kann, da es nach der Zerrüttung der Ehe gesetzt wurde, gegenüber dem jahrelang grob ehewidrigen und die Ehegemeinschaft zerstörenden Verhalten des Beklagten keine entscheidende Rolle spielen. Nahmen die Vorinstanzen, von der Klägerin nicht mehr bekämpft, an, auch sie treffe ein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe, wenn auch das des Beklagten überwiege, so kann sich der Beklagte durch diese Beurteilung nicht beschwert erachten. Soweit der Beklagte davon ausgeht, die Klägerin habe die Haushaltsführung vernachlässigt, sei grundlos der ehelichen Wohnung nächtelang ferngeblieben, habe diese grundlos verlassen und unterhalte ehewidrige Beziehungen, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Da die Verhandlung erster Instanz nach dem 31.12.1983 geschlossen wurde, galt für das Berufungsverfahren bereits Neuerungsverbot (Art.X Z 4 des Bundesgesetzes vom 11.11.1983 über Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechtes, BGBl. Nr.566).

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E09510

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00669.86.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19861203_OGH0002_0010OB00669_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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