Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Therese M***, im Haushalt, Wienerstraße 30, 2380 Perchtoldsdorf, vertreten durch Dr. Rudolf Gimborn, Rechtsanwalt in Mödling, wider die beklagte Partei Edmund M***, Pensionist, Franz Josef Straße 32/18, 2380 Perchtoldsdorf, vertreten durch Dr. Peter Prenner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Leistung des gesetzlichen Unterhalts (Streitwert S 90.000,-), über den unmittelbar beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 23. Oktober 1986, GZ 47 R 2029/86, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 8. Jänner 1986, GZ 2 C 37/84-42, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die als Revisionsrekurs gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Oktober 1986 zu 47 R 2029/86 bezeichnete Rechtsmittelschrift der beklagten Partei wird dem Bezirksgericht Mödling als dem Gerichte erster Instanz zur gesetzmäßigen Behandlung übersendet.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht hatte mit seinem Urteil vom 4. Juli 1985, GZ 47 R 2026/85-31, das dem Unterhaltserhöhungsbegehren der Klägerin stattgebende Urteil des Erstgerichtes vom 7. Dezember 1984, GZ 2 C 37/84-24, bestätigt. Es befolgte den gesetzlichen Auftrag nach dem § 500 Abs. 3 ZPO und sprach aus, daß die Revision, soweit sie nicht nach § 502 Abs. 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig ist, nach dem § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei, weil sich das Berufungsgericht außerhalb der einem weiteren Rechtszug nicht unterliegenden Bemessungsfrage an die bestehende einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gehalten habe. Das Erstgericht wies die außerordentliche Revision des Beklagten zurück, weil er sich nur gegen die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts, nämlich die Berücksichtigung der dem Unterhaltsschuldner gewährten Blindenbeihilfe nach dem Niederösterreichischen SozialhilfeG (vgl. EFSlg. 46.690; EFSlg. 41.759 ua.) wandte. Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Beklagten gegen den Zurückweisungsbeschluß nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen bestätigenden Beschluß des Gerichts zweiter Instanz vom Beklagten am 2. Jänner 1986 an den Obersten Gerichtshof zur Post gegebene Revisionsrekurs gab Anlaß zu der Entscheidung dieses Senates vom 19. Februar 1986 zu 3 Ob 1505/86. Diese am 3. Jänner 1986 beim Obersten Gerichtshof eingelangte Rechtsmittelschrift war unverzüglich am selben Tag an das Erstgericht geleitet worden, weil nach § 520 Abs. 1 ZPO Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz beim Gerichte erster Instanz zu überreichen sind. Der Oberste Gerichtshof hat den Antrag des Beklagten, über das Rechtsmittel ohne Zuleitung an das Erstgericht zu entscheiden, weil § 520 Abs. 1 ZPO verfassungswidrig sei, mit der Begründung abgewiesen, die weitläufigen Ausführungen seien nicht geeignet, Bedenken in Richtung einer Verfassungswidrigkeit der Vorschrift des § 520 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO zu erwecken.
Das Erstgericht wies den dort am 7. Jänner 1986 nach Ablauf der nach § 225 Abs. 2 und § 224 Abs. 1 Z 4 ZPO nicht verlängerten Rekursfrist eingelangten Revisionsrekurs zurück, weil nach § 528 Abs. 1 Z 1 ZPO Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz unzulässig seien, soweit dadurch der angefochtene erstrichterliche Beschluß bestätigt worden ist. Dem gegen den Zurückweisungsbeschluß vom 8. Jänner 1986, GZ 2 C 37/84-42, vom Beklagten erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nach Rechtskraft der Zurückweisung der vom Beklagten mit seinem Rechtsmittel verbundenen Ablehnung der an der früheren Urteilsfällung und Beschlußfassung beteiligten Richter nicht Folge. Mit der Behauptung, der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz, das seinen "Rekurs zurückgewiesen habe", sei seinem Prozeßbevollmächtigten am 11. November 1986 zugestellt worden, gab der Beklagte am 25. November 1986 einen als Revisionsrekurs bezeichneten Schriftsatz an den Obersten Gerichtshof zur Post. Die Rechtsmittelschrift langte am 26. November 1986 ein. Die Anschrift "An das Bezirksgericht Mödling" ist gestrichen. Das Rechtsmittel ist an den Obersten Gerichtshof gerichtet. Im Rechtsmittel und auf einem Beiblatt wird darauf hingewiesen, der Revisionsrekurs sei "aus verfassungsrechtlichen Gründen" sowohl beim Erstgericht als auch beim Obersten Gerichtshof eingebracht worden, das für den Obersten Gerichtshof bestimmte "Exemplar" möge nicht an das Gericht erster Instanz weiter geleitet werden. In dem Schriftsatz wiederholt der Beklagte unter Berufung auf in Beilagen dargelegte Gedanken seine Ansicht, daß die anzuwendenden Vorschriften des § 502 Abs. 2 bis 4 ZPO, § 520 Abs. 1 ZPO, § 523 ZPO, 528 Abs. 1 Z 1 und Z 2 ZPO, § 528 Abs. 2 ZPO, § 528a ZPO und auch § 2 Z 1 lit. c GGG sowie allenfalls weitere gesetzliche Bestimmungen verfassungswidrig seien. Es müsse daher nach Art. 89 Abs. 2 B-VG der Antrag auf Aufhebung dieser gesetzlichen Bestimmungen aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof gestellt werden. Der Beklagte meint nämlich, es stehe mit der Bundesverfassung in Widerspruch, daß dem Grundgedanken des Art. 92 Abs. 1 B-VG, wonach der Oberste Gerichtshof "Oberste Instanz in Zivil- und Strafsachen" sei, zuwider Rechtsmittelbeschränkungen verhinderten, daß in jeder "Zivilsache" die Entscheidung dieser Obersten Instanz verlangt werden könne. Daher sei die Unanfechtbarkeit bestätigender Beschlüsse des Gerichtes zweiter Instanz ebenso verfassungswidrig wie der Ausschluß des weiteren Rechtszuges, soweit über die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts entschieden wird, aber auch die Rechtsmittelbeschränkung nach § 502 Abs. 2 Z 2, Abs. 3 und Abs. 4 ZPO, schließlich überhaupt die Zivilverfahrens-Novelle 1983, weil an der Beschlußfassung über die Regierungsvorlage nicht alle Mitglieder der Bundesregierung mitgewirkt hätten, was auch auf das Gerichtsgebührengesetz zutreffe. Die Vorschrift des § 520 Abs. 1 ZPO, daß Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz beim Gerichte erster Instanz zu überreichen sind, führe zu einer "Zurückweisungsschleife" und verhindere den dem Beklagten zustehenden Zugang zum Obersten Gerichtshof. Es sei unsachlich und gleichheitswidrig, daß das Erstgericht nach § 523 ZPO mit der Zurückweisung eines an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rekurses vorgehen dürfe.
In der Entscheidung vom 19. Februar 1986 zu 3 Ob 1505/86 hat der Oberste Gerichtshof bereits klar zum Ausdruck gebracht, daß er die Bedenken des Beklagten gegen die Verfassungsgemäßheit der Bestimmung des § 520 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO nicht teilt und keinen Anlaß sieht, wegen insoweit obwaltenden Bedenken einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Der Oberste Gerichtshof hat daher diese durch die Zivilverfahrens-Novelle BGBl. 1983/135 wie die Zivilverfahrens-Novelle BGBl. 1986/71 unberührt gebliebene Vorschrift anzuwenden. Sie schließt die Einbringung von Rekursen gegen die Entscheidung der zweiten Instanz beim Obersten Gerichtshof aus. Es fehlt auch eine dem § 10 Halbsatz 2 AußStrG entsprechende Eröffnung der Möglichkeit, von dem bei der ersten Instanz angebrachten Rekurse zugleich eine Abschrift an die zweite Instanz zu befördern. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 AußStrG ist in Gegenständen außer Streitsachen der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gleichfalls bei der ersten Instanz anzubringen und von dieser durch das Gericht zweiter Instanz an den Obersten Gerichtshof vorzulegen. Unzulässige Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz sind von dem Gericht erster Instanz zurückzuweisen (§ 14 Abs. 2 Satz 3 AußStrG). Es besteht kein Anlaß, nun Bedenken in die Richtung zu hegen, daß § 520 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO verfassungsrechtlich bedenklich sei. Da der Revisionsrekurs gegen den Beschluß zweiter Instanz beim Erstgericht zu überreichen ist (Art. III Z 15 der 6. GENov BGBl. 1929/222), ist die unmittelbar beim Obersten Gerichtshof überreichte Rechtsmittelschrift, die nicht wegen der gesetzwidrigen Anbringung zu einer Kompetenz zur Sachentscheidung führen kann, an das Prozeßgericht erster Instanz zu leiten (Fasching IV 419 Anm. 3; GlUNF 3858; GlUNF 246).
Damit ist dem Obersten Gerichtshof aber auch eine Erörterung der vom Rechtsmittelwerber vorgetragenen Bedenken gegen den Einklang der Regelung des Zugangs zum Obersten Gerichtshof mit der Verfassung verwehrt (vgl. aber EvBl. 1970/211; EvBl. 1972/344; EvBl. 1983/114).
Anmerkung
E09792European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00649.86.1203.000Dokumentnummer
JJT_19861203_OGH0002_0030OB00649_8600000_000