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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BDG 1977 §92 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des T in R, vertreten durch Dr. Alexandra Slama, Rechtsanwältin in 9020 Klagenfurt, Palais-Egger-Helldorff, Herrengasse 12/2, der gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 9. November 2004, Zl. 61/8-DOK/04, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 94 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 102 Abs. 1 und § 126 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt, weil der Beschwerdeführer - auch von ihm selbst unbestritten - von September 2002 bis 9. Juni 2003 als Revierinspektor in einem Polizeiwachzimmer in H in mehreren Angriffen vier anderen Sicherheitswachebeamten, die sich mit ihm gemeinsam im Dienst befanden, ohne ihr Wissen das Medikament Nozinan mit dem Wirkstoff Levomepromazin verabreicht hatte, wodurch es für die Dauer von sechs bis 36 Stunden zu einer Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität gekommen war. Hiefür war der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts T nach § 83 Abs. 1, § 84 Abs. 2 Z. 4, teilweise in Verbindung mit § 15 StGB gemäß § 84 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen (und einer Ersatzfreiheitsstrafe von hundert Tagen) sowie zu einer auf drei Jahre bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden.
Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde verbindet der Beschwerdeführer den Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Er begründet dies damit, dass dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegen stünden, und dass die aus seiner Entlassung resultierenden finanziellen Belastungen erheblich seien. Die Kosten für sein Haus müsse er nunmehr allein tragen und seiner Exehefrau eine beträchtliche Ausgleichszahlung finanzieren. Auf dem privaten Arbeitsmarkt könne er kaum eine Beschäftigung finden.
Die belangte Behörde ist dem Antrag auf aufschiebende Wirkung mit der Argumentation entgegen getreten, dass einer gegen eine disziplinarrechtliche Entlassung gerichteten Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof niemals die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden könne, weil damit ein auflösend bedingtes öffentlichrechtliches Dienstverhältnis eigener Art geschaffen würde, welches dem Dienstrecht der öffentlich-rechtlichen Bediensteten fremd sei, sie führt für ihren Standpunkt Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen. Auch solle die aufschiebende Wirkung in Ansehung der Schwere der angelasteten Verfehlung nicht zuerkannt werden.
§ 30 Abs. 1 und 2 VwGG lautet:
"(1) Den Beschwerden kommt eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Dasselbe gilt für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist.
(2) Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn die Interessen Dritter berührt werden."
§ 20 Abs. 1 Z. 3 und § 112 Abs. 5 erster Satz BDG 1979 lauten:
"§ 20. (1) Das Dienstverhältnis wird aufgelöst durch
...
3. Entlassung,
...
§ 112. ...
...
(5) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigem Abschluss des Disziplinarverfahrens. ..."
Zur Auffassung der belangten Behörde dahingehend, einer beim Verwaltungsgerichtshof gegen eine Entlassung gerichteten Beschwerde könne wegen der bereits im Grunde der gemäß § 20 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 bewirkten Auflösung des Dienstverhältnisses niemals die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden, ist darauf hinzuweisen, dass auch im Fall der Aufhebung eines Entlassungsbescheides durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtssache gemäß § 42 Abs. 3 VwGG in die vor Erlassung des angefochtenen Bescheides bestehende Lage zurück tritt, und auch in diesem Fall ein gemäß § 20 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 aufgelöstes Dienstverhältnis wieder wirksam wird. Nichts anderes kann auch durch die vorläufige Maßnahme der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG erfolgen, deren Zweck es ist, die mögliche Wirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes zu sichern (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 13. März 1998, Zl. AW 98/21/0104). Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG führt nämlich dazu, dass der "Vollzug" des angefochtenen Verwaltungsaktes in einem umfassenden Sinn ausgesetzt, also seine Vollstreckbarkeit und die durch ihn bewirkte Gestaltung der Rechtslage, seine Tatbestandswirkungen und seine Bindungswirkungen zum Zwecke der Sicherung eines möglichen Erfolges der Beschwerde bis zum Ende des Beschwerdeverfahren suspendiert werden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 13. Juni 2002, Zl. 2002/06/0073). Im Fall der Entlassung nach dem BDG 1979 würde dies daher auch die vorläufige Suspendierung der Rechtswirkung des § 20 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 bedeuten. Dieser Fall unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen Fällen, in denen durch einen Bescheid eine öffentlichrechtliche Berechtigung entzogen und der dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden kann. Weshalb dies unmöglich sein sollte, kann nicht gefunden werden, weil ja auch in diesen Fällen kein neues, vor der Entlassung nicht bestehendes Recht eingeräumt, sondern nur die Maßnahme der Entziehung eines bestehenden Rechts vorläufig suspendiert wird (vgl. mit Beispielen aus verschiedenen Rechtsbereichen den hg. Beschluss vom 15. April 1999, Zl. AW 99/09/0010).
Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hätte im vorliegenden Fall das Aufleben des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers zur Folge. Auch die durch die Erlassung des angefochtenen Bescheides im Grunde des § 112 Abs. 5 erster Satz BDG 1979 bewirkte Beendigung seiner Suspendierung würde - es sei denn, insofern wird keine aufschiebende Wirkung zuerkannt - rückgängig gemacht.
Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides würde bewirken, dass dem Beschwerdeführer die ihm zustehenden Bezüge für den Zeitraum ab Erlassung des angefochtenen Bescheides nachzuzahlen wären; für diesen Zeitraum läge kein Fall der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst gemäß § 13 Abs. 3 Z. 2 Gehaltsgesetz 1956 vor. Dieses mögliche Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens träte im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides unabhängig davon ein, ob der gegen die Entlassung des Beschwerdeführers gerichteten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, zur Sicherung dieses möglichen Verfahrensergebnisses ist die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung also nicht erforderlich. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hätte bloß zur Folge, dass dem Beschwerdeführer noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (im Fall seiner Suspendierung: allenfalls entsprechend verminderte) Bezüge auszuzahlen wären.
Der Beschwerdeführer hat ausgeführt, dass die aus seiner Entlassung resultierenden finanziellen Belastungen erheblich seien, weil er die Kosten für sein Haus nunmehr allein tragen und seiner Exehefrau eine beträchtliche Ausgleichszahlung finanzieren müsse. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Kosten seines Hauses allein tragen und er seiner ehemaligen Ehegattin Zahlungen leisten muss, sind jedoch keine Rechtsfolgen des angefochtenen Bescheides. Auch sind die angesichts der unbestrittenen strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers bestehenden öffentlichen Interessen an der Beendigung des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers sowie daran, dass er sich nicht im Polizeidienst befindet, auch während des Beschwerdeverfahrens als beträchtlich zu veranschlagen. Schließlich sprechen auch die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde im Rahmen der gemäß § 30 Abs. 2 VwGG gebotenen Abwägung aller berührten Interessen nicht für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, sodass nicht zu ersehen ist, dass mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Wien, am 24. August 2005
Schlagworte
Begriff der aufschiebenden Wirkung Besondere Rechtsgebiete Beamten-Dienstrecht Interessenabwägung Unverhältnismäßiger Nachteil VollzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:AW2005090023.A00Im RIS seit
21.10.2005